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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Tom Dula aka Tom Dooley?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Tom Dula aka Tom Dooley?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 21. Oktober 1866 wurde in Statesville, North Carolina, ein Mann namens Tom Dula wegen Mordes an einer jungen Frau verurteilt. Seine Geschichte sollte wenig später in einem der populärsten Folksongs der Welt verewigt werden, in der Ballade von TOM DOOLEY.

Thomas C. Dula wurde am 22. Juni 1845 in North Cartolina geboren. Er wuchs in einer armen Region in den Appalachen mit zwei Brüdern und einer Schwester, sowie den drei Mädchen der Nachbarsfamilie Foster heran. Er begann schon mit 12 Jahren mit einem der Mädchen, Anne, eine intime Beziehung. Anne war 14. Angeblich fand Annes Mutter die beiden im Bett.

Am 15. März 1862, kurz vor seinem 18. Geburtstag, trat Tom in die konföderierte Armee ein. Er diente in Kompanie K der 42. North Carolina-Infanterie. Er wurde mehrfach verwundet. Seine beiden Brüder fielen.

Tom hatte musikalisches Talent. Er unterhielt seine Kameraden im Feldlager und spielte auf Festivitäten der Offiziere Fidel und Banjo. Auf einer Musterrolle seines Regiments war er als „Musiker“ verzeichnet. In der Schlacht von Gettysburg geriet er in Gefangenschaft und verbrachte die restliche Zeit des Krieges in einem Lager. Hier traf er auf seinen Nachbarn, James Melton, der inzwischen daheim Toms erste Liebe, Anne Foster, geheiratet hatte. Im April 1865 wurden beide nach Hause entlassen, wo Tom seine Kriegserlebnisse aufschrieb.

Dula hatte den Ruf eines belesenen Mannes, obwohl er nur eine marginale Schulbildung genossen hatte. Er beeindruckte die jungen Mädchen. Kurzzeitig nahm er die Beziehung zu Anne Foster wieder auf, zog sich dann aber zurück, um nicht in Schwierigkeiten mit ihrem Ehemann, James Melton, zu geraten. Stattdessen begann er eine Affäre mit Laura Foster, Annes Cousine. Angeblich wurde Laura schwanger und entschied sich, mit Tom durchzubrennen. Am 25. Mai 1866 stahl sie das Pferd ihres Vaters – und wurde nie mehr lebend gesehen.

Was tatsächlich geschehen war, wurde nie geklärt. Laura hatte bei Freunden hinterlassen, dass sie und Tom heiraten wollten. In den Zeitungen kam das Gerücht auf, dass Laura womöglich von ihrer Cousine Anne aus Eifersucht erstochen worden war. Dula beteuerte bis zu seinem letzten Atemzug, unschuldig zu sein. Freunde glaubten, dass er tatsächlich noch in Anne verliebt war, sie nicht weiter belasten wollte und am Ende die Schuld auf sich nahm. Anne Foster-Melton war zweifellos in den Fall verwickelt, denn sie war diejenige, die den Leichnam von Laura lokalisierte, der in einem nahen Wald verscharrt worden war.

Tom wurde des Mordes angeklagt, im Oktober 1866 zum Tode verurteilt und am 1. Mai 1868 – nach einem Berufungsverfahren – am Galgen in Statesville hingerichtet.

Vor Gericht bezeugte der örtliche Arzt, dass er sowohl Tom Dula als auch Anne Foster und ihre beiden Cousinen Laura und Pauline auf Syphillis, eine Geschlechtskrankheit, behandelt hatte. Pauline Foster sagte vor Gericht aus, dass Anne sie zum Grab von Laura geführt habe – aber ihre Aussage wurde nicht hoch bewertet.

Tom Dula selbst belastete sich mit der Aussage, dass er glaubte, Laura habe ihn mit Syphillis infiziert – sie hätte also neben ihm eine weitere Affäre gehabt –, und er habe die Krankheit an Anne und Pauline weitergegeben; Er nahm es mit der Treue nicht genau. Das warf in dieser ländlich-puritanischen Umgebung ein sehr schlechtes Licht auf ihn, was zweifellos die Geschworenen beeinflusste, obwohl es keinen eindeutigen Beweis für den Mord gab. Zudem hatte Dula versucht, zu flüchten. Auch das sprach formal gegen ihn. Als man ihn stellte, arbeitete er in Tennessee unter dem Namen „Tom Hall“ auf der Farm von James Grayson.

Ein ehemaliger Colonel und Gouverneur von North Carolina, Zebulon Vance, übernahm kostenlos die Verteidigung von Tom Dula. Er blieb ebenfalls bis zu seinem Tod dabei, dass Dula zwar ein leichtsinniger Schürzenjäger war, aber kein Mörder. Als Tom unter der Galgenschlinge stand, waren seine letzten Worte: „Gentlemen, ich habe dieser schönen Frau kein Haar gekrümmt.“

Davon sind die Bewohner von Wilkes County in North Carolina bis heute überzeugt. Sie richteten 2001 eine Petition an den amtierenden Gouverneur, Tom Dula posthum zu begnadigen. Das geschah nicht, obwohl nach Aussagen von Zeitzeugen schon vor 150 Jahren Anne Foster-Melton auf ihrem Totenbett den Mord an Laura eingestanden hatte.

Sofort nach Dulas Tod begann die Legendenbildung, wobei mehrere nachweislich falsche Geschichten aufkamen. Es entstand die Ballade von „Tom Dooley“ (Die Schreibweise beruht auf dem Dialekt der Apalachen, wo Dula wie „Dooley“ ausgesprochen wurde.) Angeblich hat ein gewisser Thomas Land den ersten Text geschrieben. Zum erstenmal auf einem Tonträger tauchte der Song 1958 als „Murder Ballad“ auf, präsentiert vom „Kingston Trio“. Von dieser Version wurden 3 Millionen Platten verkauft. Hier ist der Link zu einer Live-Präsentation dieser ersten Version:

Seither wurde die Ballade von vielen Interpreten aufgenommen, darunter prominente Sänger wie Neil Young und Bob Dylan. Eine deutsche Version stammte von Ronny. Hier ist der Link dazu:

Alle Aufnahmen erreichten die Hitparaden. Kaum ein Mensch wusste damals, dass es Tom Dooley wirklich gegeben hat und der Fall bis heute mysteriös ist.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die kommende Ausgabe

 

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