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Herr Rossi, das Glück und der Mensch an sich

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneHerr Rossi, das Glück und der Mensch an sich

„Spaß am Dienstag“ war ein Format, das es in dieser Form eigentlich für Kinder nicht mehr gibt. Die Sendung, die wirklich nur am Dienstag lief, war ein Sammelsurium von verschiedenen Serien. Mal Zeichentrick, mal Realfilm. Mal in Farbe, mal in Schwarz-Weiß.

Zusammengehalten nur von einem losen Rahmen, Zwischenmoderationen von einem Moderator und einem aus der Tricktechnik der damaligen Zeit entstandenem Wuslon namens Zini.

Ein gelber Ball mit piepsiger Stimme, der über die Bildschirm nun - wuselte. Wir waren einfach zu amüsieren damals und wir hatten ja auch nichts. Dass ich als Kind diese Sendung liebte - keine Frage. „Dankger Mouse“, „Die Drei Stooges“ und noch andere Serien mehr eroberten mein Herz. Wehe aber, wenn ich eine Serie verpasste oder verpassen musste - „Herr Rossi sucht das Glück“ - dann, ja, dann war ich todunglücklich.

Man muss das vielleicht der Generation Z erklären: Als ich ein Jugendlicher war, gab es zwar schon sowas wie Video-on-Demand. Aber das musste man mit einem Videorecoder, einer Kassette und gewissen Fertigkeiten des Einprogrammierens selber machen. Mediatheken hießen damals Videotheken oder Büchereien. Wenn ich also eine Folge verpasste, dann war die weg. Verschwunden. Wenn man Glück hatte, hatte der Schulfreund eine Aufzeichnung oder konnte wenigstens auf dem Schulhof erzählen, worum es in der Folge ging. Harte Zeiten waren das damals. Warum Herr Rossi so besonders war? Es lag einerseits an den Geschichten, die keinen Gag ausließen, andererseits am überbordenden, bunten Zeichentrickstil und dann war da Gaston. Oder Gastone. Da sind sich die Filme manchmal nicht so sicher. Ein sprechender Hund. Der Begleiter und Freund von Herrn Rossi. Wenn ich heute gefragt werden würde, woher meine sarkastische Ader kommt, dann ist Gaston mit Schuld daran, dass ich eine besitze.

Natürlich gibt es die Serie auf DVD. Wobei .. eigentlich sind es drei Serien. „Herr Ross sucht das Glück“, „Herr Rossi träumt“ und „Die Ferien des Herrn Rossi“. Das wird man feststellen, wenn man sich das von New KSM herausgegebene DVD-Set der Serie kauft. Alle drei Serien haben nur das Figurenpersonal gemeinsam. In „Herr Rossi sucht das Glück“ erhält Herr Rossi von einer Fee eine Zauberpfeife, die ihn durch die Zeiten und Dimensionen reisen lässt. Irgendwo muss ja schließlich auch für Herrn Rossi das Glück zu finden sein. Im Alltag findet er es nicht, denn Herr Rossis Leben ist eintönig. Morgens aufstehen, zur Arbeit gehen - die auch nicht besonders fordernd ist - dann nach Hause, Abendbrot essen, Bett. Stets beäugt vom griesgrämigen Ingenieur, der sein Chef ist und ständig bekläfft von Gaston, dessen Hund. Allerdings: Das Glück findet Herr Rossi auf diese Weise nicht. Daher träumt er sich in der zweiten Staffel in die Rolle von Superhelden und idealen Männergestalten. Dass dann selbst in den Ferien Herr Rossi das Glück nicht findet …

Man würde es ihm doch so gönnen, denn Herr Rossi ist ein liebenswerter Zeitgenosse. „Gestatten, Rossi“. „Gastone, wo sind nur deine Manieren“. Herr Rossi ist höflich. Nett. Nur: Herr Rossi ist zu nett. Selbstbewusstsein ist ein Fremdwort für ihn. Und: Er kann sich alles schönreden. Selbst die misslichste Lage hat für ihn noch irgendetwas Positives. Allerdings ist er auch sehr naiv. Während Gastone manchmal schon eher den Braten riecht, ist Herr Rossi noch immer optimistisch. Damit aber steht er quer zur Gesellschaft, die in der Serie gezeichnet wird. Denn das Bild, dass der Erfinder von Herrn Rossi, Bozetti, hatte ist nicht das Beste. Herr Rossi wird von seinen Mitmenschen ausgenommen, über den Löffel barbiert, sein Chef brüllt ihn stets an. Was Bozzetii zumindest in der ersten Serie schildert ist der Kapitalismus in Reinform, der nur das gelten lässt, was Gewinn bringt. Da hat Herr Rossi natürlich als sanfter, netter und höflicher Zeitgenosse keine Chance. Selbst mit einer Fee an seiner Seite nicht. Das könnte durchaus sehr traurig und depriminered sein, wenn die Serie nicht Witz und Humor hätte. 

Alles in allem lohnt sich tatsächlich ein Wiedersehen mit Herrn Rossi. Jenseits der Nostalgie. Erfreuen kann man sich an dezenten kritischen Spitzen gegen den Menschen im Allgemeinen und freuen über Herrn Rossi, der als Typ Mensch leider viel zu selten ist. Ach, Herr Rossi sucht das Glück, sucht man es, so fehlt ein Stück …

Kommentare  

#1 Cartwing 2023-06-30 05:04
Schöner Beitrag.

Zitat:
Wobei .. eigentlich sind es drei Serien
Ursprünglich eher drei Filme...

Es gibt auf Youtube einen sehr interessanten Beitrag zum Thema Rossi, wo darauf eingegangen wird.

youtu.be/hjK_qrCjWk0

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