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Fabylon und die Tugendwächter - Wie BOD unsere Jugend schützt

In (Multi-)Medias ResFabylon und die Tugendwächter
Wie BOD unsere Jugend schützt

"BOD, Books on Demand, das wissen wir, ist ein Dienstleister. Man kann als Selfpublisher mit überschaubarem finanziellem Rahmen seine Titel herausgeben, und man kann aber auch als Verlag das praktische Print on Demand in Anspruch nehmen."  (2.3.15)

So beginnt ein Blogeintrag der bekannten Verlegerin und Autorin Uschi Zietsch.


In der Tat hat das Print on Demand Verfahren nicht unerheblich dazu beigetragen, dass in Deutschland viele sogenannte Kleinverlage (und Selbstverleger) auf dem Markt erschienen sind und Nischen besetzt haben, die von den großen Publikumsverlagen wegen vorgeblich zu geringer Gewinnmargen vernachlässigt wurden. Also eigentlich eine gute Sache. Und BoD ist einer von etwa einem Dutzend Anbietern, zählt allerdings zu den großen der Sparte.

"Nun aber hat sich herausgestellt, dass BOD eine Qualitätskontrolle damit beauftragt, Cover und Inhalt der hochgeladenen Dateien auf sittliche, moralische und religiöse Werte zu prüfen."

(Uschi Zietsch)

Da kommen doch einige Fragen auf! "Eine Qualitätskontrolle"? Was ist denn damit gemeint? Eine externe Firma? "Sittliche, moralische und religiöse Werte"? Das klingt entweder nach Scharia-Polizei oder nach Index der katholischen Kirche! Dabei ist Kardinal Ratzinger, vormals Leiter der Glaubenskongregation (besser bekannt unter der früheren Bezeichnung Inquisition) doch gar nicht mehr Papst. Was bedeutet das aber nun? Uschi Zietsch folgert daraus:

"Das bedeutet, BOD entscheidet trotz abgeschlossenen Rahmenvertrages willkürlich darüber, welche Titel es als Dienstleister annimmt oder nicht."

Und das machen die Leute von BOD denn auch. Im Falle des Fabylon-Verlages hieß das, sechs Titel der Reihe Ars Amoris sollten nicht mehr vertrieben werden. Nicht mehr, weil sie in den letzten Jahren ohne Beanstandung gelistet und vertrieben worden sind. “Aufgrund neuer interner Richtlinien, die von unseren Vertriebspartnern getrieben sind, lehnen wir grundsätzlich Titel ab, die nicht jugendfrei sind.” schrieb die Firma an die Verlegerin. "nicht jugendfrei", wieder so ein Begriff.

Lassen wir die unseligen Vorgänger aus dem Dritten Reich einmal aus dem Spiel, dann kommt das "Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften" ins Spiel. Dieses Gesetz stammt aus dem Jahr 1953 und war Grundlage für das jahrzehntelange Wirken der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften. Dieses Gesetz wurde übrigens im Jahre 2003 durch das neue Jugendschutzgesetz abgelöst.

"Nach § 18 Abs. 1 JuSchG bedeutet jugendgefährdend, dass „die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit” in Gefahr ist. Beispielhaft werden Medien genannt, die „unsittlich sind, verrohend wirken, oder zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizen”.

Über das Wirken dieser Behörde auch gerade im Heftsektor wurde schon das ein oder andere Mal im Zauberspiegel berichtet. Kurz gefasst, bedeutete die Einstufung als "jugendgefährdend", dass solche Titel nicht mehr an Jugendliche verkauft werden durften, damit faktisch also nicht mehr frei verkäuflich waren.

Nun ist es aber so, dass die Titel der Ars Amoris Reihe gar nicht von einer staatlichen Behörde als "jugendgefährdend, gewaltverherrlichend, verrohend" oder wie auch immer eingestuft worden sind. So merkt Uschi Zietsch denn auch an:

"BOD hat EIGENMÄCHTIG entschieden, dass unsere Titel 'nicht jugendfrei' sind".

Es gibt in der Tat niemanden, der die Richtlinien von BOD geprüft hat, man weiß ja nicht einmal, wer sie aufgestellt hat. Im firmeneigenen Internetauftritt werden sie überhaupt nicht erwähnt.

Schauen wir uns den Stein des Anstoßes doch einmal genauer an. Die Reihe erscheint seit 2009 und wird so gekennzeichnet:

"ARS AMORIS entführt die Leser in eine düster-phantastische und kunstvoll verschönte Erotikwelt – in Form von Anthologien, Novellensammlungen und Romanen."

Bisher sind sieben Titel erschienen. Dabei handelt es sich um vier Romane und drei Anthologien. Hier einmal die Cover der beanstandeten sechs Titel:


Ich glaube in jedem Zeitschriftenhandel kann man Cover finden, die in Bezug auf Nacktheit freizügiger sind. Zu Rassenhass wird meiner Meinung nach auch nicht aufgestachelt.

Herausgeberin der Reihe ist Alisha Bionda, die auch hier besonderen Wert auf die Verknüpfung von Text und Bild legt. Autoren der beanstandeten Romane sind Karl-Georg Müller "Die Herrin der Dornen", Guido Krain "Masken der Sinnlichkeit" und Arcana Moon "Der Kuss des Lustdämons". Linda Koeberls "Blutfesseln" hat die selbst ernannten Wächter übrigens nicht gestört, weil der Titel nicht mehr auf dem Markt ist. Das Cover ist das 7. in der Bildergalerie oben.


Es gibt in den Bänden auch noch Innengrafiken. Aber ob diese letztlich die Sittenwächter auf den Plan gerufen haben, weiß man nicht. Künstler ist übrigens Crossvalley Smith. Macht euch am besten selbst einmal ein Bild.

Nun ist Uschi Zietsch eine durchaus streitbare Person und hat das nicht so stehen lassen. Was nicht ohne Wirkung blieb. Sie schließt denn auch:

"Zuletzt kam dann übrigens die Nachricht, dass man unsere Titel ausnahmsweise, aber das wäre wirklich nur eine Ausnahme, doch vertreiben werde."

Ein versöhnliches Ende? Ich finde den Vorgang bedenklich. Da wird klammheimlich an der Meinungsfreiheit geknabbert. Unter fadenscheinigen Vorwänden werden alte längst überholt geglaubte Vokabeln wieder ans Tageslicht gezerrt und Bücher ohne jede gesetzliche Grundlage aus dem Verkehr gezogen. Es ist zu befürchten, dass es etliche andere Fälle gibt, in denen sich die Betroffenen Autoren und Verleger aber nicht öffentlich dagegen gewehrt haben. Und schade, dass es ausgerechnet eine so ambitionierte Reihe wie Ars Amoris getroffen hat.

 

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2015-03-07 17:56
Wenn BoD warum auch immer seine Regeln ändert und bestimmte Inhalte nicht mehr vertreiben will, dann ist das letztlich ihr gutes Recht.

Wenn das auf die geschilderte Weise passiert, sagt das bestenfalls viel über unbeholfenes Managment und schlecht formulierte Verträge aus. Zensur ist das aber nicht. Das Unternehmen ist doch nicht verpflichtet, alles zu drucken, womit die Leute ankommen.

Ich habe keine Ahnung, wie die Rahmenverträge von BoD aussehen, aber es würde mich sehr wundern, wenn da keine Einschränkungen und Ermahnungen festgelegt wären. Klar, nichts was gegen Gesetze verstößt. Andererseits, ob ein Inhalt strafbar ist, weiß man letztlich immer erst nach dem Prozeß. Natürlich kann ich mir kaum vorstellen, dass sie "Mein Kampf Teil2" drucken. Aber wer sichtet bei BoD die Inhalte und wer ist letztlich für was haftbar? Das sollte ich doch als Autor oder Verlag vorher wissen.

Wenn sie plötzlich eine Kehrtwendung machen und eine so lächerliche Inhaltsbeschränkung ausüben und einem dann auch noch mit so fadenscheinigen, juristisch völlig unhaltbaren Argumenten – und obendrein so inkonsequent - kommen, ist das grundsätzlich zu kritisieren und abzulehnen.

Ehrlich gesagt fehlt mir aber etwas das Verständnis, warum man nach so einer Schote sein Programm nicht von BoD abzieht. Wenn ein in diesem Umfeld so schwerwiegender Vorfall nicht jedes Vertrauen zerrüttet, weiß ich es auch nicht. Dafür gibt es beim VS Medienanwälte.

Wellen zu schlagen scheinen BoDs neue AGBs aber bis jetzt noch nicht. Da war im Netz nichts zu finden, abgesehen von dem Fall Gfeller letztes Jahr. Da scheint die Apathie und falsch verstandene Toleranz mal wieder groß zu sein.

Leider paßt das ins Bild unserer Medienlandschaft. Die Neue Prüderie nagt an vielen Ecken der freien Meinungsäußerung, das ist eine große Koalition aus Rechts, Links und Religion. Leider ist vielen wohl nicht bewußt, dass Grundrechte sich nicht selbst verteidigen. Vorletztes Jahr bei dem Weltbildstreit habe ich nur mal einen Blick in diese fundamental-katholischen Foren geworfen. Nicht witzig. Und das ist nur eine Ecke, aus der die Totengräber der Meinungsfreiheit kommen.
#2 Guido 2015-03-07 18:16
Fablyon sah BoD halt als Dienstleister, als Druckerei und Vertrieb. BoD selbst sieht sich als "Verlag".

Besondere Aufmerksamkeit verdient da diese Stelle: "Aufgrund neuer interner Richtlinien, die von unseren Vertriebspartnern getrieben sind, lehnen wir grundsätzlich Titel ab, die nicht jugendfrei sind". Bei BoD wird man also getrieben. Von Vertriebspartnern. D.h. der Vertrieb gibt vor, was in den Handel kommen darf. Nicht der Verlag als der sich BoD sieht.

(Und zu Weltbild brauchen wir hier nichts mehr schreiben; das Fell (Kundenkartei, Vertrieb) ist verteilt, den Rest wirft man den Wölfen vor. Ja, gibt keine Wölfe für den Rest, also kippt man den inklusive Mitarbeiter auf den Müll.)
#3 Fabylon - Uschi 2015-03-07 19:21
@Andreas Decker: Ich muss da einen Irrtum aufklären: Es geht hier NICHT um AGBs! Auch auf der Internetseite stehen keinerlei Druck-Bedingungen für Verlage, die sich auf Inhalte beziehen, und ebenso wenig in den Verträgen. BOD hat selbstverständlich nicht das Recht zu entscheiden, "das hier drucke ich, das nicht". Noch einmal zur Klarstellung, auch wenn es im Blog schon so deutlich steht: BOD ist Fabylon gegenüber ein Dienstleister. Alles weitere siehe Blog.
#4 Harantor 2015-03-07 19:27
Ich dachte, ich hätte den Beitrag verlinkt. Aber habe ich nicht. Der Link ist nunmehr aber im Teasertext nachgetragen ...
#5 Hermes 2015-03-07 20:17
#6 Andreas Decker 2015-03-08 14:52
zitiere Fabylon - Uschi:
BOD ist Fabylon gegenüber ein Dienstleister. Alles weitere siehe Blog.


@Uschi
In dem Fall und so wie es im Blog steht:
Ich würde mich auch scheuen, zum Anwalt zu rennen, das kostet nur Geld, aber in so einem krassen Fall ist das eigentlich das einzige Gebot. Ein netter Brief, der den Herren und Damen bei BOD mal die juristische Seite erklärt.

Aber bestimmt würde ich mich nicht auf eine, so, wie es hier geschildert ist, gönnerhafte "Ausnahme" verlassen. Das öffnet das Tor für weitere Willkür doch nur noch weiter.

Denn für einen Verlag bedeutet es zu Ende gedacht letztlich sogar Rechtsunsicherheit, wenn man plötzlich vom guten Willen seiner Druckerei abhängt. Ihr investiert Arbeit und Geld, um dann die Nachricht zu bekommen, das vertreiben wir nicht, solange was Nacktes oder das Wort Höllisch auf dem Cover ist?

Da ist es dann nicht weit zum "Nee, das Cover oder das Kapitel lassen wir mal lieber sein, sonst gibt es nur wieder Ärger."

So hat BOD auf ganzer Linie gesiegt mit dieser völlig undurchsichtigen Praxis und wird es trotz seiner Ausnahme garantiert wieder tun.

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