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John Sinclair Revisited: Die 400er - Beginn einer neuen Ära (Teil 4)

John Sincalir revisitedDie 400er
Beginn einer neuen Ära
Teil 4

Dass man sich bei einem vielversprechend klingenden Titel der „großen“ Gruselserie von Jason Dark besser nicht allzu große Hoffnungen auf einen entsprechenden Roman machen sollte, selbst wenn die Enttäuschung für Kenner der Materie vergleichsweise gering ausfallen dürfte, lehrt uns die Erfahrung mit Heften wie etwa dem JOHN SINCLAIR Band 408 „Der Drachenblut-Vampir“.

 

Der Drachenblut-VampirZwar scheint die Idee, einen Vampir in Drachenblut baden zu lassen, damit ihm selbst Silberkugeln nichts anhaben können, auf den ersten Blick als gar nicht mal so unbrauchbar, allerdings steht andererseits der Aufwand, den ein solcher Schwarzblütler betreiben muss, um diese „Siegfriedsche“ Unverwundbarkeit zu erlangen in keinem Verhältnis zu dem Effekt. Zumindest nicht, wenn man bedenkt, dass eine mit Silberkugeln geladene Waffe nur die Standardausrüstung eines mit allen Wassern gewaschenen Geisterjägers darstellt. Dieser verfügt nämlich auch noch über einen Bumerang, den er dem Drachenblut-Vampir mal eben locker aus dem Handgelenk an den Hals zu werfen vermag – womit wir schon am Ende des Romans angelangt wären… 

Vorher müssen Helden und Leser sich allerdings noch mit der Frage befassen, warum ein solcher Drachenblut-Vampir nun ausgerechnet Banshees jagen muss, jene Wesen, die mit ihrem Ruf den Tod eines Menschen verkünden. Hier bietet uns der Autor – nachdem er den Leser zunächst im Unklaren lässt – gleich mehrere Antworten zur Auswahl: „Weil die Banshees immer auf der anderen Seite stehen“, wird uns da weisgemacht. Oder weil der Vampir eine „Legende wahr werden lassen will“. Am Ende einigt man sich dann darauf, dass mit dem Ende der Banshees die Herrschaft der Drachen und Vampire beginnt… Eine ebenfalls merkwürdige Erklärung, wenn man bedenkt, dass der Vampir erstere ja töten muss…

Eine viel schlüssigere Erklärung könnte jedoch sein, dass der Autor irgendwie 64 Seiten füllen muss, und ein Vampir allein – Unverwundbarkeit hin oder her – reicht da natürlich nicht. Also bringt er noch  die Banshees ins Spiel und verquirlt das Ganze zu einem Brei, der doch etwas seltsam mundet. Und dass sich die Merkwürdigkeiten nicht allein auf die Handlung beziehen, wundert einen dann ja auch nicht weiter. Das fängt schon damit an, dass Suko eine alte, bettlägerige Dame aufgrund der etwas verknitterten Optik für einen Zombie hält… Und endet damit dass er sich am Ende des Romans einen Patzer leistet, der einem erfahrenen Helden wie ihm eigentlich nicht passieren dürfte: Er benutzt Buddhas Stab, als der Vampir gerade eine junge Frau töten will, doch anstatt diesen einfach umzuhauen oder das Mädchen aus der Gefahrenzone zu bringen, versucht er lieber, dem mit Speeren bewaffneten Vampir die zum tödlichen Stoß erhobenen Arme zu verdrehen… 

Auch bei den Dialogen strapaziert der Autor mehr als einmal die Geduld und Nerven des Lesers. Die Protagonisten schwafeln zum Teil einfach munter drauflos, und merken nicht, dass sie sich im Kreis drehen bzw. sich pausenlos wiederholen. Beispiel gefällig:
„Er ist etwas Besonderes. Weißt du mehr über ihn?“
„Nein.“
„Er hat mir seinen Namen genannt. Tyrtoll, der Drachenblut-Vampir. Das ist außergewöhnlich“
„Ja, das ist tatsächlich außergewöhnlich. Ein Drachenblut-Vampir.“
„Kennst du ihn?“
„Nein.“
„Auch nichts davon gehört?“
„Ja und nein.“
Und so weiter. Aber zum „Glück“ gibt es ja noch eine zweite Handlungsebene, in welcher Sinclair auf rätselhafte Weise nach Aibon versetzt wird, um dort mitzuerleben, wie der Vampir einen Drachen erlegt. Und was tut ein Geisterjäger, wenn er zum reinen Zuschauer degradiert wird? Er ertappt sich dabei, wie er dem Vampir die Daumen drückt. Allerdings kann der Rezensent das durchaus nachempfinden, ertappte er sich während des finalen Kampfes doch selbst dabei…

Raissas Raubtier-HorrorSo auch beim folgenden JOHN SINCLAIR Band 409 „Raissas Raubtier-Horror“ , der so vielversprechend beginnt, dass der Verfasser dieser Zeilen bereits Lobhudeleien zu Papier bringen wollte, um all jene Lügen zu strafen, die ihm immer so gern vorwerfen, er würde sich der Sinclair-Serie nur annehmen, um sie niederzumachen, wenn – ja wenn der Roman nicht spätestens im zweiten Drittel wieder in sprachliche Niederungen vorgedrungen wäre, bei denen sich einem die Nasenhaare kräuseln. Schade eigentlich, denn was die Handlung angeht, so gibt es sicherlich schlimmere Beispiele, diese kann sogar zum Teil überzeugen, wenn man von den üblichen Ungereimtheiten und ein paar Längen absieht, die aber von einem doch sehr temporeichen Finale wieder wettgemacht werden. Zwar ist das Eingreifen des „Atlantis–Trios“ in höchster Not (Myxin, Kara, Eiserner Engel) mehr als vorhersehbar, dennoch läuft der Autor hier zu einer Form auf, die man ihm gar nicht mehr zugetraut hätte. Dass er allerdings unbedingt den Halleyschen Kometen in die Handlung einbeziehen musste, um einen Grund für die magisch bedingte Auferstehung urweltlicher Viecher zu haben, und dann auch noch die Aibon - Thematik damit in Verbindung bringt, ist dagegen wieder typisch für die Serie, in der anscheinend immer alles irgendwie zusammenhängen muss. Auch neigt der Autor auffallend oft zu unnötig komplizierten Wendungen und Lösungen. So muss er dem Leser am Ende offenbaren, dass die von Rache getriebene Raubtier – Bändigerin Raissa in ihrem früheren Leben selbst ein Tier war…

Tödliche PerückenTierisch geht es auch im JOHN SINCLAIR BAND 410 „Tödliche Perücken“ zur Sache, wenn man es auch angesichts des grausligen Titels nicht gleich vermuten mag. Zwar bekommt es der Geisterjäger hier tatsächlich mit mordenden Perücken zu tun, allerdings werden diese zwischenzeitlich auch gern mal als schlangenartiges Gewürm dargestellt - mag sein, dass der Autor sich darüber selbst nicht so ganz im Klaren war. Völlig klar ist dagegen, dass dieser Roman mit Fug und Recht als einer der schlechtesten Heftromane  bezeichnet werden kann, die je veröffentlicht wurden. Was der trashige Titel bereits andeutet, nämlich dass der Leser sich hier durch eine 64seitige Tour de Farce quälen muss, bevor er endlich von dem Wort „Ende“ erlöst wird, zeigt sich bereits auf den ersten Seiten, auf denen es Bill Conolly als erstes Mitglied des Sinclair-Teams mit einer dieser schwarzmagischen Perücken zu tun bekommt. Diese sind die Kreation eines Ghouls, welcher damit seine Mitarbeiterinnen in der Maske eines schwulen Friseurs ausstattet, um in seinem (bzw. Asmodis) Sinne die Gegend unsicher zu machen. Nachdem eine junge Frau sich scheinbar an ihren „eigenen Haaren erhängt“ hat, wird dem Reporter schnell klar, dass er es hier nicht mit normalem Haar, sondern einer schwarzmagischen Kreatur zu tun hat, dennoch hält er diese Tatsache für „so gut wie unmöglich“, was bei seiner langjährigen Erfahrung an der Seite des Geisterjägers wenig glaubwürdig erscheint.

Da dies allerdings auf die gesamte Handlung zutrifft, ärgert der Rezensent sich gar nicht darüber, zumal er bereits ahnt, dass für Unmut noch häufig  genug gesorgt wird. Und auch wenn es sich im Grunde gar nicht lohnt, zu viele Worte über dieses Machwerk zu verlieren, so darf angemerkt werden, dass diese Ahnung sich natürlich bestätigte. Wer jedoch meint, das an Lächerlichkeit kaum zu überbietende Thema wäre an sich schon ein Garant für den Titel des schlechtesten Horror-Romans aller Zeiten, der vergisst, dass es natürlich auch hier wieder die üblichen Ungereimtheiten und sprachlichen Kapriolen gibt, die dem Ganzen erst die richtige „Würze“ verleihen. Beispielweise wird in Bezug auf die Entstehung der Perücken  zuerst ausgesagt, dass diese von Leichen- bzw. Hexenhaar stammen, dann wieder wird behauptet, sie seien aus Schlangen hergestellt worden… wobei ersteres zumindest eine nicht ganz so schwachsinnige Erklärung abgegeben hätte.

Bei der Auseinandersetzung mit den mordenden Kopfbedeckungen kommt es dann zu einer derartigen Häufung von peinlichen Szenen, dass man den ganzen Artikel nur mit Zitaten aus diesem einen Band hätte füllen können.

Nun mag man dem Autor nachsehen, dass er sich nach so vielen „normalen“ Ghoul – Romanen mal etwas „besonderes“ ausdenken wollte, um das ausgelutschte Thema wieder etwas aufzupeppen, aber was er hier ablieferte, sprengt einfach nur die Grenzen der Zumutbarkeit. Da wünscht sich der Leser die alten Zeiten zurück, als ein Ghoul noch ein Ghoul, und eine Perücke eine Perücke war…
Kleine Zitate - Grosser Meister

Schwer zu schlucken …
Ich wollte etwas sagen, aber meine Kehle war wie zugemauert.
(JS Band 408 / S.17))

Blindes Rantasten …
Da gab es etwas zwischen ihnen, das nicht sichtbar war, an dem ich jedoch fühlen konnte.
 (JS Band 408 / S.38)

Drachenkunde …
Jetzt bewegte sich dieser Klumpen aus Schuppen und harter Haut nach links.
 (JS Band 408 / S.39)

Schnell, einen Tierarzt…
Die Schuppen wurden in die Luft geschleudert. Verfolgt vom Feuer und den Innereien des Tieres. Es erholte sich nicht mehr.
(JS Band 408 / S.43)

Mann vom Fach …
„Ich will dir eine Antwort geben, obwohl sie nicht leicht zu verstehen ist. Aibon hat seinen Platz zwischen zwei Fronten, zwischen Gut und Böse. Kannst du das verstehen?“
„Nein.“
„Ich auch nicht.“

(JS Band 408 / S.52)

Monsterfrosch?
Sie wollte schreien, selbst das schaffte sie nicht, weil die Kehle mit irgendetwas ausgefüllt war, das sie auch durch heftiges Räuspern nicht wegbekam.
(JS Band 408 / S.44)

Grenzenlose Tierliebe …
Der Panther presste sich mit dem Körper gegen die Beine des Mädchens, das die Wärme des Fells spürte und sich auch über den heißen Raubtieratem freute.
(JS Band 409 / S.20)

Unverwüstlich …
Angeschossen, durchlöchert, gereizt bis in die letzte Kralle und bereit zum Angriff.
(JS Band 409 / S.41)

Der Ermittler will es genau wissen …
„Was ist es?“
„Der Friedhof. Aibons Tier-Friedhof!“
„Wer liegt dort begraben?“ erkundigte ich mich.
„Die Tiere des Landes.“

(JS Band 409 / S.44/45)

Dauerwelle?
Schwarzbraun floss das lange Haar der Schulter entgegen.
(JS Band 409 / S.52)

Verwandlung …
Als normaler Mensch war ich gegangen, als leicht lädierter kam ich zurück.
(JS Band 409 / S.64)

Die Suche nach dem Sinn …
„Außerdem frage ich mich, wer sich eine Schlange auf den Schädel setzt. Oder eine Perücke aus Schlangen. Der muss doch einen Knall haben…“
(JS Band 410 / S.18)

Der Ruf der Ferne … (oder: Im Frühtau zu Berge)
Noch bewegte sich der Inspektor nicht.
Dafür die Perücke!
Es sah so aus, als wollte sie von dem Kunststoffkopf wegwandern.

(JS Band 410 / S.39)

Ein Auge für die Frauen …
„Kennst du Roboter?“
„Natürlich. Aber ich habe deine Mitarbeiterinnen gesehen. Es sind keine Roboter.“
(JS Band 410 / S.48)

Kleine Dämonenkunde …
Der Ghoul nahm noch nicht seine Urgestalt an, diesen aufgerichteten Schleimklumpen, halb Mensch halb Masse.
(JS Band 410 / S.50)

Unterschätzter Gegner …
Diese höllische Zweitfrisur besaß mehr Kräfte, als ich ihr zugetraut hätte.
(JS Band 410 / S.54)

Kommentare  

#1 Wolfgang Trubshaw 2012-01-03 02:50
Also ich kann mir nicht helfen, aber ich finde die aller meisten dieser (und der in früheren Artikeln zitierter) vermeintlichen Stilblüten einfach nur genial. Und zwar nicht als Stilblüten.
Wenn man sich diese Zeilen laut vorliest, und den Tonfall passend und stets todernst hinbringt, ist das großartig. :-?
#2 Cartwing 2012-01-03 19:37
Nunja, "genial" ist vielleicht das Ausmaß der unfreiwilligen Komik. Sicherlich könnte man sich auch hinstellen und laut zitieren. Das wär lustig. Ich könnte mir vorstellen, dass Helge Schneider das macht... :lol:

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