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Ein ausgekochtes Schlitzohr - »Unternehmen Köpenick«

Unternehmen KöpenickEin ausgekochtes Schlitzohr
»Unternehmen Köpenick«

Seit mehr als 20 Jahren ist die ZDF-Serie „Unternehmen Köpenick“ nicht mehr ausgestrahlt worden, dabei stammt sie aus der Feder des renommierten Autors Wolfgang Menge und war mit Hansjörg Felmy, Ulli Philipp, Wolfgang Völz und Brigitte Mira in den Hauptrollen äußerst publikumswirksam besetzt. Nun hat sie Pidax aus den Archiven geholt und erstmals in einem 2er-DVD-Set fürs Heimkino zugänglich gemacht.

Unternehmen KöpenickWolfgang Menge (1924-2012) scheint ein ausgesprochenes Faible für Menschen gehabt zu haben, die mit ihren Ansichten oder Aktionen nicht gleich bei jedermann auf große Gegenliebe gestoßen sind. Seine nach wie vor populärste Serienkreation ist nicht von ungefähr „Ein Herz und eine Seele“, in der der Dauernörgler und Miesepeter „Ekel“ Alfred alias Heinz Schubert im Mittelpunkt stand. Ein weiteres gutes Beispiel stellt die sechsteilige Miniserie „Unternehmen Köpenick“ aus dem Jahr 1986 dar, die nach ihrer Premiere auf 3sat und ihrer anschließenden wöchentlichen Ausstrahlung im Sonntags-Vorabendprogramm des ZDF allerdings weitgehend in der Versenkung verschwand. Eine einzige Wiederholung 1991 auf 3sat und eine weitere 1999 früh morgens im ZDF waren vielleicht den überaus harschen Publikumsreaktionen auf die Serie um einen Betrüger und seine Mitstreiter geschuldet. Leserbriefe an die großen Fernsehzeitschriften ließen verlauten, dass hier „ein arroganter Schnösel hauptsächlich den kleinen Mann schamlos“ ausbeute, dass sich Hansjörg Felmy „keinen Gefallen“ getan habe, als er sich „für diese Serie hergegeben hat“, dass es hier um den nackten „Trickbetrug mit erheblicher Schädigung von Mitmenschen“ ginge, falsch verstandene Selbstjustiz vorgelebt werde und Autor Menge seinem Unmut über hohe Kurabgaben auf Sylt mit „Sarkasmus gewürzt“ habe anstatt mit Humor. Umso erfreulicher ist es, dass man sich von dieser kontroversen Serie nun noch einmal selbst ein Bild machen kann.

Unternehmen KöpenickPhilipp Kelch (Hansjörg Felmy) ist der Chef einer eigentlich ganz erfolgreichen Feinkostfirma, die von ihrem Hauptkunden, dem Supermarktkettenleiter Anton Galewski (Alexander May), allerdings wissentlich in die Insolvenz getrieben wird. Galewski spekuliert mit einer kostengünstigen Übernahme von Kelchs Betrieb. Der gibt aber nicht so schnell klein bei und überredet zwei seiner engsten Mitarbeiter, seine Sekretärin Sabine Brinkmann (Ulli Philipp) und seinen Chauffeur Butzke (Wolfgang Völz), ihn bei seinen neuen Plänen zu unterstützen. Durch findige Gaunereien will er so viel Geld erwirtschaften, um seinen Betrieb doch noch retten zu können. Er beginnt bei Galewski selbst, dessen millionenteure Turner-Gemälde er angeblich für eine Ausstellung ausleihen möchte, in Wirklichkeit aber an einen skrupellosen Sammler in die USA verhökert, der sich über den Ursprung dieser Originale gar nicht den Kopf zerbrechen will. Schon in der zweiten Folge der Serie sind dann aber ganz andere Menschen die Leidtragenden von Kelchs raffinierten Coups, wenn er Investoren zum Kauf von Kühen überredet, die nur auf dem Papier existieren. Einer der Geprellten ist der ehemalige Kriminalkommissar Gustav Suhrbier (Joachim Wichmann), der zusammen mit seiner Schwester (Brigitte Mira) fortan alles daransetzt, hinter die wahre Identität des Mannes zu kommen, der ihn um sein Erspartes gebracht hat.

Unternehmen KöpenickGenau in dieser Entwicklung der Geschichte liegt der große Knackpunkt, weshalb die Serie seinerzeit auf solch massive Kritik stieß, und weswegen sie auch heute noch einen faden Beigeschmack hinterlässt. Die Robin-Hood-Mentalität Kelchs ist schon mit der zweiten Episode dahin. Spätestens die immer in einer Nebenhandlung geschilderten Gaunereien mit Kelchs Versandhandel sind dermaßen fragwürdig, dass man tatsächlich die Stirn runzelt ob Wolfgang Menges Unverfrorenheit, hier einen dermaßen durchtriebenen Verbrecher als vermeintlichen Sympathieträger zu präsentieren. „Gesetze, Vorschriften und Anordnungen nicht mehr so sehr zu respektieren“ mag in der Grundprämisse zwar ein spannender anarchistischer Entwurf gegen die Obrigkeitshörigkeit der Deutschen sein (deswegen im Titel auch die Anspielung auf „Der Hauptmann von Köpenick“ von Carl Zuckmayer), wenn dabei aber am Ende tatsächlich eher der Kleine Mann als die Bonzen oder Institutionen geschädigt wird, versandet die beabsichtigte Satire schnell. Was „Unternehmen Köpenick“ trotzdem auch heute noch sehenswert macht, sind die famosen Darstellerleistungen sämtlicher Beteiligten, die mit viel Spielfreude in die unterschiedlichsten Verkleidungen schlüpfen, um in immer neuen Identitäten Schurkenstücke auszuhecken. Ihrem Verfolger Joachim Wichmann, der einmal mehr die meisten Lacher auf seiner Seite hat, entlockt dies beim Anblick Felmys in wieder neuer Maskerade in einer Folge mal den Ausspruch: „Mein Gott, sieht der sich ähnlich!“ Die DVD-Erstveröffentlichung vereint die sechs jeweils rund 45minütigen Episoden auf zwei DVDs. Das Bild (im Vollbildformat 1,33:1) ist etwas grobkörnig und blass, kann soweit aber gefallen. Auch der deutsche Originalton (in Dolby Digital 2.0) ist stets gut zu verstehen, Extras sind keine mit aufgespielt.

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