Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Politik, Straßenschlachten und ›gehobene Röcke‹

Teestunde mit Rolf...Moin Rolf, es geht weiter mit der Geschichte des Islam. Wie gings denn nun weiter? Was passierte mit der Opposition in Medina? Erzähl es uns! Der Tee ist serviert ...

Politik, Straßenschlachten und
›gehobene Röcke‹

In den Geschichtsbüchern liest man einfach, dass Mohammed die Juden aus Medina vertreiben ließ, wie Väterchen Zar im Musical Anatevka die Juden aus dem ›Stedl‹. Sie durften nur ihre bewegliche Habe mitnehmen und eigentlich nur mehr ihr Leben retten.

Für den großen geschichtlichen Hergang vom Leben des Propheten und der Entstehung des Islam genügt das auch.

 

Aber wir wollten hier in unserer Betrachtung einmal tiefer gehen und auf die ursprünglichen Schriften der ersten islamischen Historiker zurückgreifen – speziell auf die Bücher des Ibn Ishaq, der diese Ereignisse ungefähr hundert Jahre später aufgeschrieben hat. Und weil dieser Ibn Ishaq eben ein braver Moslem war, wollen wir manches, was er geschrieben hat, überdenken, ob es sich so tatsächlich abgespielt hat – oder ob da nicht die ›Historie‹ etwas zugunsten Mohammeds und seiner Gläubigen redigiert wurde.

Ich hatte beim letzten Mal schon geschrieben, dass besonders die drei einflussreichsten jüdischen Familien Medinas für die Muslime ein Problem zu werden drohten. Am stärksten war hier die Familie der Bani Quaninuka, die in Medina das Goldschmiede-Monopol hatte. Hier saß also das Geld - und bei den arabischen Familien die Verbindungen zu den Beduinen-Stämmen der Wüste.

Nach dem Sieg von Badr hatte Mohammed noch einmal versucht, die Juden von Medina zu überreden, ihn aufgrund ihrer gemeinsamen religiösen Tradition als Propheten anzuerkennen. Die Antwort der Juden gibt der Historiker Ibn Ishaq folgendermaßen wieder:

»Oh, Mohammed, du scheinst zu glauben, wir wären dein Volk. Täusche dich nicht, weil du bei den Brunnen von Badr auf ein Volk ohne kriegerische Erfahrung getroffen bist und es leicht besiegen konntest. Denn wahrlich, wenn wir gegen dich kämpfen, wirst du erkennen müssen, dass wir wahre Männer sind!«

Mohammed nahm das erst mal so hin, zog sich zurück und wartete auf einen geeigneten Augenblick, politisch aktiv zu werden. Wobei der Begriff ›politisch aktiv‹ hier natürlich Gewalt einschließt, wie wir sie derzeit im Nahen Osten in mehreren Staaten wieder erleben müssen. Nur die Zeiten haben sich geändert. Die Menschen und ihre inneren Einstellungen zu gewissen Dingen werden sich wohl niemals ändern ...

Ich habe schon berichtet, dass es bei den arabischen Familien Medinas inzwischen eine starke Opposition gegen Mohammed gab. Diese arabische Opposition wurde durch den beim letzten Mal bereits genannten Ibn Ubbay angeführt. Wir erinnern uns – der Mann, der sagte, dass er zwar Mohammeds Offenbarungen anerkenne, er Mohammed selbst aber nicht als seinen Führer und Herren anerkenne. Ich bin sicher, dass es zwischen diesen Familien jüdischer und arabischer Herkunft Geheimverhandlungen gegeben hat, wie man nicht nur einem Krieg mit Mekka ausweichen konnte, sondern auch den Störenfried Mohammed samt seiner Umma, seiner Gemeinde, wieder aus der Stadt hinausbekam.

Jede dieser Parteien für sich niederzuringen, waren die Muslime inzwischen stark genug – beide zusammen, da war alles offen. Da sich bei den arabischen Familien sehr viele Leute befanden, die inzwischen den Islam angenommen hatten, war es für Mohammed und seine Getreuen sicher besser, sich der jüdischen Opposition zu entledigen. Dazu brauchte man jedoch einen Grund.

Merkwürdigerweise dauerte es nur einige Tage, bis das Schicksal diesen Grund Mohammed und seinen Leuten zuspielte.

Die offizielle Geschichtsschreibung sieht es so: In einem ›Souk‹, also einem Markt der Gegend, wo die Bani Quaninuka hausten, hatte sich ein jüdischer Goldschmied einen ›Scherz‹ erlaubt. Während sich eine moslemische Frau die Waren eingehend betrachtete, steckte der Händler heimlich ihren Rock hinten an der Oberbekleidung fest.

Als sich die Schöne nun erhob, fielen also die Röcke nicht nach unten und bedeckten jenen Teil ihres Körpers, den nach Recht und Gesetz (was man damals in Arabien als Recht und Gesetz ansah) nur der Eheherr sehen darf. Der Rock wurde am Obergewand festgehalten, und wer eben auf dem Markt war, konnte vermutlich nicht nur die Beine, sondern auch die ›Fröhlichkeit‹ jener Dame besehen. Denn der Slip war ja zu jenen Zeiten noch nicht erfunden – und wenn die Mädchen und Frauen Arabiens ›mal mussten‹, dann blieb man einfach stehen und ließ alles, was raus wollte und musste, in den Wüstensand fallen. Material für den Skarabäus, seine Kügelchen zu drehen ...

Sicher hatten einige der Männer dort auf dem Markt ihren Spaß daran. Allerdings muss wohl jedem klar geworden sein, dass diese Tat nur wenig einem Mord oder Totschlag nachstand. Nicht nur bei den Muslimen, sondern garantiert auch bei den Juden.

Von daher kann ich nicht so recht daran glauben, dass es ein „jüdischer Händler“ gewesen sein soll, der der Muslima den Rock am Obergewand befestigte. Erstens war mit Sicherheit allen Juden in Medina klar, dass Mohammed nur auf einen Vorwand wartete, gegen sie loszuschlagen. Und dann sagte ich schon, dass die Bani Quaninuka die Familie der Goldschmiede waren. Der Händler wird daher mehr auf seine Ware geachtet haben, dass nicht plötzlich – schwupp, die Polizei hat's nicht gesehen – ein Kettchen unter dem Mieder der Dame verschwand.

Also, beweisen lässt sich zwar heute nichts mehr, aber dieser Vorfall kam nicht nur zu kurz nach der Kampfansage der Juden, sondern war auch zu gut eingefädelt, zumal die weiteren Ereignisse vermuten lassen, dass entweder Mohammed selbst oder einer seiner Getreuen – ich hätte da Hamza im Verdacht – diese ganze Sache inszeniert hat. Vielleicht selbst – vielleicht fand sich jemand, der ›für eine Handvoll Dollar‹ den Job übernahm und rasch verschwunden war.

Dass die Sache ein abgekartetes Spiel war, vermute ich schon deshalb, weil sich sofort ein Araber auf den jüdischen Kaufmann stürzte und kurze Zeit später eine Straßenschlacht zwischen Juden und Muslimen wütete. Am Schluss lagen ein toter Moslem und ein toter Jude auf der Straße.

Also gab es Opfer auf beiden Seiten – und plötzlich war Mohammed zur Stelle, um hier als Schiedsrichter aufzutreten. Natürlich erkannten die Juden diesen Schiedsspruch nicht an – der zwar nicht überliefert ist, aber garantiert nicht zum Nachteil der Muslimen gelautet hatte.

Die Juden verbarrikadierten sich in ihren Häusern, die man von der Bauart her wie eine Festung verteidigen konnte. Häuser dieser Art findet man in allen arabischen Ländern in den Souks und Medinas – also in den Altstädten. Es führt nur ein Tor ins Haus hinein – und oben auf dem Dach kann man jeden, der versucht hochzuklettern, leicht abwehren. Aber man kann sie einfach belagern; wenn keine Brunnen im Inneren sind, dauert es nicht lange, bis so eine Festung fällt.

Ich bin sicher, dass man ein solches Szenario bei den Beratungen zwischen den jüdischen und arabischen Familien der Opposition schon einmal durchgesprochen hatte. Denn die alten Chroniken erklären, dass Juden und Araber zusammen siebenhundert Krieger hätten aufbringen können, um Mohammed und seine Gemeinde in die Wüste zu treiben.

Nun, jetzt, wo die jüdischen Familien in der Stadt belagert waren, war nun ›der Bündnisfall gegeben‹. Ibn Ubbay sah seine Stunde gekommen, wollte aber sichergehen und besprach die Sache mit Ubadah ibn Samit, dem Oberhaupt der anderen großen arabischen Familie. Ja, und der war inzwischen überzeugter Moslem und wies darauf hin, dass alle Verträge mit den Juden erloschen wären, weil sie als Muslime ja Mohammed als Propheten Allahs anerkennen würden und die anderen Muslime somit ihre Schwestern und Brüder wären. Mit den Juden hätten sie nun nichts mehr gemein.

Wie sagt Conan von Cimmeria? »Was anderswo als schwärzester Verrat gilt, das nennt man hier kluge Taktik!« Womit man das Wort ›Taktik‹ auch durch ›Politik‹ ersetzen könnte.

Jedenfalls ruderte Ibn Ubbay zurück, duckte sich und die Bani Quaninuka, die gehofft hatten, einen Aufstand gegen Mohammed und seine Gemeinde anrühren zu können, sahen sich plötzlich von allen Arabern von Medina umzingelt. Nicht nur von den Muslimen, sondern auch von ihren einstigen Freunden und Verbündeten. Um seinen Hals zu retten, musste Ibn Ubbay zum Verräter werden. Allerdings sei gesagt, dass Muslime all diese Sachen zwar nicht abstreiten können, weil sie historische Tatsache sind, aber eben nicht so gerne hören.

Zwei Wochen hofften die eingeschlossenen jüdischen Familien, dass Ibn Ubbay ihnen vielleicht doch noch helfen könnte. Doch der war sicher froh, einigermaßen ungerupft aus dieser Situation herauszukommen. Nach zwei Wochen kapitulierten die Juden bedingungslos.

Ibn Ubbay konnte nicht mehr für sie tun, als bei Mohammed zu bitten, sie gnädig zu behandeln. Denn ihm war klar, dass beim Ergeben auf Gnade und Ungnade nach damaliger arabischer Rechtsauffassung Mohammed jederzeit das Recht gehabt hätte, alle Juden von Medina töten zu lassen.

Mohammed ließ den Juden das Leben unter der Bedingung, dass sie Medina noch am gleichen Tag verließen. Sie konnten also gerade das Nötigste zusammenraffen – und für die Araber war es ein gutes Geschäft, weil ihnen ja der Besitz der Juden jetzt gehörte.

Für uns Deutsche der heutigen Zeit hat diese Sache einen unangenehmen Nachgeschmack, weil wir da an den Terror der Nazis gegen die Juden denken. Gewiss, Mohammed hatte Medina ›judenfrei‹ gemacht und, weil ihm ja für sich selbst als Prophet und die Armenpflege ein Anteil der ›Beute‹ zustand, nicht schlecht daran verdient. Dennoch kann man das Handeln Mohammeds nicht mit dem von Hitler vergleichen. Denn hier ging es nicht um Rassenhass, sondern um Religion – und eben um Machtpolitik in Medina.

Hätten die Juden nicht versucht, sich mit der arabischen Opposition in der Stadt zu verbünden, um die Moslemgemeinde wieder hinauszuwerfen, dann hätte Mohammed sie vielleicht in der Stadt belassen. Er hat ja auch kleinere Siedlungen im Umkreis von Medina mit jüdischer Bevölkerung geduldet. Siedlungen, in die ein Teil der Juden aus Medina zog, während die meisten nach Syrien gingen, um dort eine neue Heimat zu finden.

Ibn Ubbay hatte die Aufgabe von Mohammed bekommen, die Juden noch aus Medina herauszuführen. Der Prophet wusste sicher sehr wohl, welches Doppelspiel dieser Mann geführt hatte.

Jetzt, wo sich immer mehr die Zeichen mehrten, dass der große Krieg mit Mekka bevorstand, war es klar, dass Mohammed keine Opposition und Feinde in seiner Stadt mehr haben durfte. Und doch gab es noch eine Stimme, die sich plötzlich erhob und Mohammed nicht nur angriff, sondern vor allen Dingen verspottete.

Ka'ab, der Sänger, war von Mekka nach Medina zurückgekommen und fuhr fort, aufwieglerische Verse gegen Mohammed vorzutragen.

Was mit ihm geschah und wie Mekka seine Heere gegen Medina sandte, das erzähle ich in einer Woche.

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles