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Be a Brand? Be a Brand! Be a Brand?

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneBe a Brand? Be a Brand! Be a Brand?

Marke werden! Marke sein! Marken sind toll! Und deswegen muss jetzt jeder eine Marke werden, denn nur so kann mal Aufmerksamkeit in der Buchbranche auf sich vereinen. Dan Brown? Eine Marke! Da weiß jeder: Das sind Thriller für den Sommerurlaub, in einem Jahr kräht kein Hahn mehr danach. Gunter Dueck? Innovationsrebell! Da ist das deutsche Management unter Beschuss! Marken sind also total prima.

Nur: Ist das wirklich DIE Lösung für alle Autoren?


Klar: Marken sind toll. Als Verbraucher lieben wir sie. Sie sorgen für Orientierung und Klarheit in einer unübersehbaren Warenwelt. Bei einer Marke wissen wir woran wir dran sind. Und wenn das andere Waschmittel genauso gut wäscht wie das andere - wir kaufen dann doch das eine weil wir positive Emotionen damit verbinden. Klar, natürlich werden wir auch mit Werbung vollgestopft und natürlich spielt das Marketing - zwei verschiedene Dinge übrigens, bitte nicht verwechseln - eine Rolle. Aber Emotionen sind natürlich das treibende Element wenn es um Einkaufsentscheidungen geht. Unter anderem. Wir glauben ja immer wir würden völlig rational einkaufen gehen, aber die meisten Dinge macht dann doch wieder das Unbewußtsein.

Jetzt ist ja eines der Allheilmittel, das öfters für Autoren propagiert wird, dass man zur Marke werden soll. Dass man sich unterscheidet, dass man seine Stärken kennt und dass man Strahlkraft entwickelt. Werde zum Experten für Geeks und schreibe lustige Ratgeber! Fördere die Talente eines total unterschätzten Fantasy-Volkes und schreibe Trilogien darüber. Oder auch nicht so total unterschätzt, was mit Elfen geht immer. Schreib Urban-Fantasy mit einem Schuss Steampunk! Sei einzig! Sei unique! Sei du selbst! Los, los! Das ist die Rettung für dich, Autor! Und dann sei immer in Kontakt mit deinen Fans! Heutzutage ist das leichter also noch vor Jahren - auf zu Twitter, auf zu Facebook, mach ein Blog, mach ein Youtube-Video - und das möglichst lustig. So wie Le Floid, aber noch viel lustiger! Und besser! Und so.

Erstmal: Wenn jemand ein Allheilmittel propagiert sollte man skeptisch sein. Denn dieses verkürzt und schrumpft die Wirklichkeit, beachtet einige Dinge einfach nicht. Daher sollte man vorsichtig sein. Nun ist generell ja nichts gegen diese Idee einzuwenden. Terry Pratchett ist ebenso eine Marke wie Douglas Adams. Beide haben sich selbst Felder erschrieben, auf denen sie gut sind oder die es vorher nicht in der Form gab. Klar, Fantasy-Parodien hats auch schon vor Pratchett gegeben. Allerdings hat Pratchett aus den reinen Parodien dann schließlich mehr als nur Lacher gemacht - etwas was Piers Anthonys "Xanth"-Romanen ab und an deutlich mangelt, aber selbst diese sind eine Marke weil sie Wortspiele und die übliche Form der Heldenreise miteinander verbinden. Gut, ob es in jedem Band eine Heldenreise sein muss sei dahingestellt, aber Anthony versteht sich ja auch eher als Handwerker, der seine Fans gut unterhält. In dem Fall ist auch er eine Marke, natürlich. Leichte Unterhaltung mit einigen Lachern? Anthony.

Autoren können als Marken durchaus funktionieren. Wenn sie originelle Stoffe bearbeiten, wenn ihr Stil einmalig ist, wenn sie es schaffen mit ihren Werken den Leser in den Bann zu ziehen. Wolfgang Herrndorfs "Tschick" hat sich ein Alleinstellungsmerkmal erarbeitet - nicht, weil in dem Roman ein Roadmovie erzählt wird, auch nicht weil es ein Jugendroman ist. Sondern weil die Sprache von Herrndorf und die Charaktere den Roman so einzigartig und unbeschreiblich vergnüglich machen. In diesem Sinne ist Herrndorf schon eine Marke geworden und er hat dann das gemacht, was so gefährlich an dieser Art des Denkens ist: Er hat zumindest ein wenig "Mehr desselben" angefangen, einen Roman aus der Sicht einer der Figuren aus "Tschick", den er aber nicht vollenden konnte.  Dass er darüber hinaus noch exzellente Romane verfasst hat, das allerdings wissen dann schon wieder die Wenigsten.

Und genau hier bricht die Forderung eine Marke zu sein, sich zu positionieren und möglichst hell zu leuchten an den Erfordernissen der Realität ein. Eine Marke zu rebranden, neu aufzustellen, komplett neue Dinge mit der Marke zu wagen ist verdammt schwer. Man frage mal Coca-Cola nach der "New Coke" oder Pepsi nach der "Crystal Pepsi". Die jammern heute noch darüber. Und vermutlich ist deswegen auch nicht ohne Grund die "neue Fanta" so sehr im Retrostil aufgemotzt. Natürlich kann man eine Marke werden und natürlich ist das eventuell auch für den Autor eine gute Idee, sofern es seinem Charakter entspricht. Allerdings lässt eine Marke nicht unbedingt Raum für die menschliche Entwicklung oder für das, was eben selbst vielleicht am Besten noch entspricht. Klar: Ich kann als Autor die Rampensau geben und unablässig in den Medien sein - meist noch mit einem tollen Vertrag mit der BILD, gelle, Dieter? - oder ich spiele die Rolle des Unnahbaren und lasse so gut wie keine Informationen von mir an sie Öffentlichkeit. Thomas Pynchon fällt einem da irgendwie ein. Klar. Aber wenn ich eine Marke werde, dann bin ich in den Erwartungen der Leser an diese Marke gefangen.

Deswegen sind die Teppich-Völker-Romane von Pratchett ebenso wie die "Johnny und die Toten"-Romane zwar bei einem Teil der Leser bekannt und beliebt, aber der Buchhändler vor Ort wird die selten direkt im Regal stehen haben. Weil sie zwar auch lustig und wortreich und weisheitsliebend sind - sie sind aber komplett anders. Piers Anthony hat mit der Manta-Trilogie ein wunderbare tiefsinnige und philosophische Geschichte erzählt. Außer den Hardcore-Fans kennt die aber kaum noch jemand, weil sie halt nicht von Wortspielen lebt oder total witzig ist. Wie die Xanth-Romane. "Die Letzten ihrer Art" von Douglas Adams dokumentiert witzig und geistreich die Suche nach den letzten Vertretern von lebenden Spezies - aber da es sich halt nicht mit SF beschäftigt sondern mit der Umwelt wird der SF-Fan des Anhalters nicht gleich auf die Idee kommen es zu kaufen. Alle diese Beispiele unterlaufen die Erwartungen, die man an eine Marke hat.

Zudem: Man kann zwar von heute auf morgen zu einer Marke werden - wenn man eine geschickte Marketing-Abteilung hat, die einen puscht. Wenn aber die Rede davon ist, dass Autoren Marken werden sollen, dann denkt man ja eher in die Richtung von verlagsunabhängigen Schriftstellern, die alle ihre Promotion selber machen. Und das kann dann dauern bis man wirklich wahrgenommen wird - es sei denn man ist ein Ausnahmetalent und Genie und hat auf einmal DIE Idee zu einem Roman, der wirklich einzigartig ist. Das kommt vielleicht mal alle paar Jubeljahre vor, aber mal ehrlich: Wenn ich selbst DIE Idee hätte würde ich nicht hier sitzen sondern längst irgendwo in der Karibik, Goldfische umspielten meine Zehen und ich hätte Spaß, Spaß, Spaß in der Sonne, Sonne, Sonne. Nein. So einfach ist das nun nicht. Schade eigentlich.

Sicherlich ist kein Schriftsteller wie der Andere. Jeder hat seinen Stil. Jeder hat sein Thema. Und wenn dem einen nun halt Werwolf-Liebhaber-Romanzen näher liegen als Military-SF dann ist das halt so. Dass man seine Einzigartigkeit auch desöfteren hervorheben, ja, dass man sich überlegen sollte wo man seine Einzigartigkeit besitzt und auf welchen Feldern - keine Frage. Das ist aber nicht DAS Allheilmittel um sich als Autor zu profilieren. Nebenbei gehört noch Kommunikationskompetenz hinzu, das haben nicht alle automatisch, es gehört Freude am Beruf dazu, es gehört Echtheit dazu, es gehört Kreativität dazu ... kurzum: Marke werden ist nicht das Mittel zur Lösung. Darüber nachzudenken wofür man steht ist allerdings nie verkehrt. Und wenn man gewillt ist eine Marke zu sein sollte man damit rechnen, dass dies nicht unbedingt nur Positives hat sondern auch eine Menge Negatives. Es gibt Leute, die können damit umgehen. Gelle, Herr Bohlen?

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