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Mehr als heiße Luft - David B. Coe's Winds of the Forelands

David B. CoeMehr als heiße Luft
David B. Coe's Winds of the Forelands
Was die fünfteilige Fantasysaga uns alles über das Fantasygenre lehren kann

Feuer speiende Drachen. Unsterbliche Elben. Grimmige Zwerge. Atemberaubende Questen. Magische Duelle. Phantastische Kreaturen. Zauberhafte Welten. Urgewaltige Schlachtgemälde und der endlose Kampf zwischen Gut und Böse.
 
Das ist es, woran viele Menschen denken, wenn sie das Wort „Fantasy“ hören. Was für die einen das Nonplusultra der Literatur ist, ist für die anderen ein Gräuel, mit dem sie nichts, aber auch gar nichts zu tun haben mögen.
 
Was beide Seiten gerne vergessen: Fantasy ist so viel mehr als das, was vielen Menschen im ersten Moment an Vorstellungen und Begriffen durch den Kopf geistert, wenn sie unvermittelt mit der Genrebezeichnung konfrontiert werden. Fantasy ist eine der faszinierendsten, vielschichtigsten und abwechslungsreichsten Gattungen, die die Spannungsliteratur je hevorgebracht hat. Wer das kaum glauben mag und Fantasy vehement mit den zu Anfang genannten Aspekten in Verbindung bringen will, dem könnte ich auf Anhieb ein Dutzend Romane und Reihen nennen, die mit solch überholten Klischees aufräumen.

Am besten eignet sich dafür wohl die Saga »Winds of the Forelands« des amerikanischen Fantasyautors David B. Coe. Sein mitreißendes fünfbändiges Epos ist alles andere als das, was man ein klassisches Fantasyabenteuer nennen würde, und kann uns ungeheuer viel über die vielleicht großartigste aller Literaturgattungen lehren – in so mancher Hinsicht.

David B. CoeDer Autor: David B. Coe
David B. Coe wurde am 12. März 1963 geboren. Als jüngstes von vier Kindern wuchs er in einem Vorort von New York City auf. Nach seinem Abschluss in Amerikanischer Geschichte an der Stanford University schrieb er seine Doktorarbeit, die er 1993 erfolgreich fertigstellte.

Heute lebt David von seinem Beruf als Fantasyautor. Seine erste große Saga, die Trilogie »The LonTobyn Chronicle«, bracht ihm verschiedene Preise und internationale Anerkennung ein. In Deutschland erschien die Reihe zu Beginn des Jahrtausends unter dem Titel »Die Chroniken von Amarid« bei Knaur.

Hiernach widmete sich Coe einer weiteren Fantasysaga – dem großartigen Epos »Winds of the Forelands«, dessen deutsche Übersetzung bislang noch auf sich warten lässt. 2007 wurde mit »Weavers of War« der finale Band der Reihe veröffentlicht. Verabschieden von dem Kosmos, den Coe hier erschaffen hat, müssen sich seine Fans jedoch nicht. »Blood of the Southlands«, die Saga, an der der Autor zur Zeit arbeitet, spielt im selben Universum wie »Winds of the Forelands«; hier darf sich der Leser zudem auf ein Wiedersehen mit einigen bekannten Personen freuen.

Zu seinen Hobbys zählt Coe unter anderem die Naturfotografie, das Beobachten von Vögeln und Schmetterlingen sowie Golfspielen. Coe ist verheiratet und hat zwei Töchter.

Die Saga: »Winds of the Forelands«
Buch 1Coes mitreißende Fantasysaga »Winds of the Forelands« ist ein High Fantasy-Abenteuer, das sich vor allem durch zwei Aspekte auszeichnet: Zum einen durch die starke Konzentration auf politische Handlungselemente und die Entwicklung der Protagonisten, zum anderen durch das erstaunlich tiefe Verständnis, das Coe seinen Figuren entgegenbringt. Ob man nun einzelne Personen oder gleich das komplette Figurenensemble betrachtet, selten ist es einem Autor gelungen, seine Charaktere glaubwürdiger und vielschichtiger zu zeichnen, als es in diesem Epos der Fall ist.

»Winds of the Forelands« besteht aus insgesamt fünf Romanen, die da wären:


Inhaltlich dreht sich die Saga um die dramatischen Entwicklungen, die sich in den sieben Reichen der Forelands abspielen. Diese werden von zwei Völkern bewohnt: Den zahlenmäßig überlegenen Eandi und den magiebegabten, allerdings kurzlebigeren Qirsi. Seit den sogenannten Qirsi-Kriegen vor knapp 900 Jahren herrschen die Eandi über die Forelands, während die Qirsi allenfalls beratende Positionen an den Fürstenhöfen einnehmen.

Seit vielen Jahren funktioniert das bestehende System. Ein mächtiger Qirsi jedoch will sein Volk zu alter Größe zurückführen. Dazu ersinnt er einen finsteren Plan, der die Reiche der Eandi in Chaos und Bürgerkrieg stürzen soll. Gefangen in diesem Ränkespiel finden sich Dutzende unterschiedlicher Personen wieder, Eandi wie Qirsi, Gute wie Böse, deren Leben durch die Machenschaften des machthungrigen Qirsi beeinflusst und erschüttert werden.

Viel mehr Worte möchte ich an dieser Stelle nicht über die Saga an sich verlieren. Nur so viel: Coe ist mit »Winds of the Forelands« ein ungemein fesselndes Fantasyabenteuer gelungen, das Seinesgleichen sucht. Große Emotionen, mitreißend dramatische Momente und eine ebenso überzeugende wie immer wieder überraschende Handlung machen die Lektüre der fünf Bände zu einem echten Erlebnis, das man sich keinesfalls entgehen lassen sollte.

Mehr Infos zur Saga erhaltet ihr durch einen Klick auf die Titel der verschiedenen Romane. Diese Links führen Euch unmittelbar zu den Rezensionen der einzelnen Werke.

Was uns »Winds of the Forelands« über das Fantasygenre lehren kann

Buch 2Doch genug der Vorrede. Kommen wir zum eigentlichen Thema dieses Beitrags. Was ist es denn nun, das Coes Saga dem geneigten Leser über das Genre der Fantasy so alles lehren kann?

Viel zu viel spitzenmäßige Fantasy geht an uns vorbei

Es war purer Zufall, dass ich auf den Namen David B. Coe gestoßen bin. Wäre ich nicht bei Recherchen zu einem Artikel versehentlich auf einem Link gelandet, der mich zur Homepage des Autors geführt hat, ich wüsste bis heute nichts von Coe und seinem Epos »Winds of the Forelands«. Was hätte ich nicht alles verpasst!!!
Es ist schon eine Schande, wie leicht einem Highlights in Sachen Fantasyliteratur entgehen. Aus irgendwelchen Gründen entscheiden sich deutsche Verleger dagegen, die Romane eines bestimmten Autors in deutscher Sprache herauszubringen, und schon braucht es mehr als nur ein wenig Glück, diesen Autor und sein Werk doch noch aufzuspüren.
Man mag nun argumentieren, dass die deutschen Verlage alleine schon aus Kapazitätsgründen nicht jedes Werk eines jeden Autors berücksichtigen können. Das stimmt durchaus, ändert aber nichts an der Tatsache, dass dem durchschnittlichen Fantasyleser schnell das ein oder andere Meisterwerk durch die Lappen geht.
Gelobt seien da das Internet und Seiten wie der Zauberspiegel, auf denen man auch über solche Schätze Informationen findet.

Fantasy meint so viel mehr als bloß Zauberei und endlose Schlachtgemälde
Ich will an dieser Stelle nicht so tun, als gäbe es nicht auch in »Winds of the Forelands« eine ganze Reihe wahrhaft phantastischer Elemente. Magie in verschiedenen Ausführungen, Nächte, in denen es Menschen möglich ist, mit ihren Verstorbenen zu kommunizieren, ...
Auch Schlachten und Kriege sind es in Coes Saga mehr als reichlich vorhanden. Gerade im finale Band »Weavers of War« gibt es eine Unzahl verheerender Gefechte.
Doch sowohl für Magie wie auch für Kampfgeschehnisse gilt: Sie sind für das Gesamtwerk nur von untergeordneter Bedeutung. Politik und die Entwicklung von Protagonisten sind es, die in »Winds of the Forelands« im Vordergrund stehen. Uns so viel sei noch einmal betont: Coe beweist, dass dies einer Fantasyreihe nicht schaden muss.

Fantasy kommt auch ohne Elfen, Zwerge und Co aus

Buch 3Gut, diesen Punkt erwähne ich nur der Vollständigkeit halber. Ein Fantasyroman, der ohne die „Standardvölker“ auskommt und dennoch zu begeistern weiß – in dieser Hinsicht reiht sich »Winds of the Forelands« in eine lange Liste mit Reihen von Autoren wie Robert Jordan, Brandon Sanderson und vielen anderen ein, welche die Wahrheit dieser Behauptung schon lange belegt haben.

Fantasy begeistert auch ohne große Abenteuer
Waghalsige Questen, riskante Reisen durch unerforschte Lande, episch anmutende Suchen nach einem Weg, das Böse zu besiegen, ... Nicht selten wird Fantasy mit diesen und ähnlichen Storyelementen verbunden. Coe zeigt, dass man es auch anders machen kann.
Großartige Fantasy gibt es auch abseits phantastischer Abenteuer. Die Mischung aus politischen Winkelzügen und Intrigen sowie zwischenmenschlichen Beziehungsgeflechten (und, ja, auch Tragödien) lassen »Winds of the Forelands« nicht weniger atemberaubend erscheinen wie Fantasyreihen, die sich mehr an klassischen, abenteuerlicheren Handlungsbögen orientieren. Wer es lieber ernst und düster statt rasant und actionreich haben will, dem zeigt Coe, dass das Fantasygenre auch in dieser Richtung allerhand zu bieten hat.

Und wo wir schon bei „ernst und düster“ sind:

Ernst und düster heißt nicht gleich blutig und brutal
Wenn ein Fantasyroman als ernsthafte Unterhaltung voll dunkler Spannung beschrieben wird, dann verbinden viele Menschen das gleich mit Gewalt und Brutalität. Wer »Winds of the Forelands« gelesen hat, der wird bestätigen können, dass dies ein gravierender Irrtum ist.
Düstere Fantasyromane kommen auch ohne übertriebene Gewaltdarstellungen aus. Ich will hier gar nicht bestreiten, dass es eine Vielzahl von phantastischen Publikationen gibt, die reich sind an blutigen Auseinandersetzungen und ausladenden Beschreibungen gewalthaltiger und mitunter sogar fast schon menschenverachtend erscheinender Szenen. Man kann dazu stehen, wie man will, doch derartige Werke der Dark Fantasy haben ebenso ihre Berechtigung und ihre Fans wie Bücher aus dem Bereich der Humorvollen Fantasy.
Es muss aber nicht immer blutig zugehen, wenn ein Fantasyroman düster und ernsthaft ist. Coe hält sich in seiner Saga recht bedeckt, was die Darstellung von Gewaltakten angeht. Vieles wird eher gerafft oder umschrieben denn lang und breit durchexerziert. Dennoch wird wohl niemand bestreiten können, dass »Winds of the Forelands« eine düstere Grundstimmung besitzt.
Dass es sich bei der Saga um ernsthafte Unterhaltung handelt, muss bei der oben gegebenen Inhaltszusammenfassung wohl nicht noch mal gesondert erläutert werden.

Protagonisten sind Trumpf
Buch 4Ich habe es schon häufig gesagt, und ich sage es wieder: Nichts ist für eine anständige Geschichte so wichtig wie lebendig gezeichnete Charaktere, mit denen man sich als Leser identifizieren kann, mit denen man mitfiebert, mitleidet und mitjubelt. »Winds of the Forelands« ist der geradezu idealtypische Beleg für diese Behauptung. Auch ohne große Abenteuer, ein außergewöhnliches Magiesystem oder eine Welt, die vor einmaligen Wundern nur so strotzt, lässt einen die Reihe einfach nicht mehr los. Sorge tragen hierfür vor allem die grandios ausgearbeiteten Charaktere, die den Leser vom Fleck weg überzeugen.

Fantasy hat das Schwarz-Weiß-Prinzip von „Gut“ und „Böse“ längst überwunden

Auch das ist längst kein Geheimnis mehr. Fantasyromane, die eindeutig gute und eindeutig böse Figuren ins Zentrum ihrer Handlung stellen, gehören einer vom Aussterben bedrohten Rasse an. Dass das schlichte Konzept von „Gut“ und „Böse“ lange überholt ist, wissen Fantasyautoren schon seit Jahrzehnten.
Entsprechend verwundert es nicht, dass sich auch in »Winds of the Forelands« weder wirklich gute noch durch und durch schlechte Charaktere finden. Was Coes Saga in dieser Hinsicht zu etwas Besonderem macht, ist der Fakt, dass er sogar noch einen Schritt weitergeht, als nur moralisch zwielichtige Gestalten zu erschaffen. Seine Protagonisten sind durchweg lebendige, fühlende Wesen, die bestimmte Motivationen haben und von Ängsten und Zweifeln ebenso geprägt sind wie von Hoffnungen und Bestrebungen. Jede Figur hat eigene Gründe für ihr Handeln oder ihre Untätigkeit.
Klar überlegene Bösewichte und moralisch einwandfreie Helden? Die gibt es in »Winds of the Forelands« nicht.

Vielseitig und ganz anders, als man denkt

Buch 5Magie und Elfen, epische Schlachtgetümmel und abenteuerliche Questen – all dies sind feste Bestandteile der Fantasy. Immer wieder tauchen sie mehr oder weniger vordergründig in Fantasyromanen jeglicher Couleur auf. Und Fantasyfans sind dankbar dafür. Werke wie Frank Rehfelds »Zwergenfluch« oder Thomas Plischkes Reihe »Die Zwerge von Amboss« zeigen, dass man auch heute noch spannende Unterhaltung aus diesen oder ähnlichen Elementen schaffen kann, und das, obwohl sie schon unzählige Male Anwendung fanden.

Reihen wie »Winds of the Forelands« zeigen aber, dass es auch anders geht. Fantasy, das meint nicht nur Abenteuer und phantastische Welten, sondern auch ergreifende Schicksale und facettenreiche Storylines. Wer das Fantasygenre also von vorneherein abschreibt, weil er annimmt, dass es ja eh nur um Drachen, Schlachten und bizarre Märchenwelten gehe, der macht einen riesigen Fehler. Kaum ein anderes Genre ist so vielseitig wie das der Fantasy.

Wer das nicht glaubt, muss nur Coes »Winds of the Forelands« lesen. Fantasy, die ganz anders ist als man es auf den ersten Blick erwartet – aber nicht minder gut als die besten klassischen Geschichten.

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