Dan Shocker-Interview mit dem Sender Freies Berlin aus dem Jahr 1983

Shocker und der SFBShocker und der SFB

Der Radiosender Sender Freies Berlin führte 1983 ein Interview mit Jürgen Grasmück. Dan Shocker wurde dabei in einem langen Gespräch vorgestellt.

Ausschnitte dieses Autoren-Porträts und Textstellen aus verschiedenen LARRY-BRENT- und MACABROS-Romanen haben auch andere deutsche Rundfunk-Sender gebracht. Im Club-Letter Nr. 30 (Dan Shocker's Fan-News aus Marlos) brachten wir das Interview.


Viel Spaß bei einem Blick in die Vergangenheit …

Shocker und der SFBSFB
: Wie viele Romane schreiben Sie im Monat?
Dan Shocker: Ich schreibe etwa 2 - 3 Heftromane im Monat. Das sind ca. 130 - 190 Heftseiten.

SFB: Wie sind Sie zum Schreiben gekommen und warum haben Sie sich gerade das phantastische Element als Arbeitsgebiet ausgesucht?
Dan Shocker: Ich habe die Erfahrung gemacht, daß ich schon sehr früh Interesse für das Fantastische entwickelt habe. Ich erinnere mich noch sehr gut an meine Kindheit. Als ich acht Jahre alt war, wurde ich zur Erholung geschickt, das war 1948. Die Stunden, in denen man uns Märchen und Abenteuergeschichten vorlas, gehören eigentlich mit zu den besonders lebhaften Erinnerungen, die ich an diese Zeit habe. Und oft gab es Stunden, in denen wir Kinder uns zusammengesetzt haben und wir haben dann begonnen, uns gegenseitig was zu erzählen. Da habe ich die Erfahrung gemacht, daß man Dinge, von denen wir angaben, daß wir sie angeblich erlebt hätten, einen besonderen Reiz ausgeübt haben, wenn man sie mit realem Beiwerk ausschmückte. Wenn also einer aus unserer Runde auf den Gedanken kam, zu behaupten, er hätte dieses oder jenes mit seinem Vater oder seiner Mutter oder seiner Schwester erlebt, hörten wir ihm mit besonderem Interesse zu und waren ganz fasziniert. Wir erfanden deshalb die tollsten Lügengeschichten, um uns gegenseitig zu übertrumpfen. Ich erinnere mich daran noch sehr genau. Da wimmelte es von Hexen, Geistern und Zauberern, mit denen wir uns herumzuschlagen hatten, denen wir im Urwald oder in finsteren Straßen begegneten. Und wir mußten uns schon allerhand einfallen lassen, um die­sen Gefahren, die wir erfunden hatten, zu entgehen.
Das hat sich dann fortgesetzt und hat sich niedergeschlagen in meinen ersten Romanen. Meine ersten Science-Fiction-Romane weisen bestimmte Ein­schläge ins Fantastische auf.

SFB: Welche Themen und Personen haben Ihre Serien zum Inhalt?
Dan Shocker: Ich schreibe die Serien LARRY BRENT und MACABROS. LARRY BRENT hat zwei Haupthelden: es sind Larry Brent und Iwan Kunaritschew, ein Russe. Diese beiden Freunde arbeiten Hand in Hand und erleben oft gemeinsam ihre Abenteuer. Oft zusammen auch mit Morna Ulbrandson, einer Schwedin. Ich habe eine Organisation erfunden, die sich PSA nennt. Und in dieser PSA sind viele Nationalitäten vertreten.
Der Unterschied zwischen LARRY BRENT und MACABROS liegt darin, daß MACABROS mehr in anderen Dimensionen und auch im Weltraum spielt. Der Haupt­held ist ein gewisser Björn Hellmark, der die Fähigkeit hat, sich durch Gedankenkraft zu verdoppeln und er kann an zwei Orten zur gleichen Zeit sein.

SFB: Möchten Sie das auch gern können?
Dan Shocker: Ich glaube schon. Es ist bestimmt ein alter Wunschtraum der Menschheit, an zwei Orten zur gleichen Zeit sein zu können.

SFB: Wer liest Ihre Hefte? Welche Altersgruppen hauptsächlich?
Dan Shocker: Es gibt Untersuchungen darüber. Die Leser gehen durch alle Gesellschafts- und Altersschichten. Es sind Jugendliche darunter, etwa vom 15. Lebensjahr, bis zu ganz alten Leuten, bis zum Opa und zur Oma. Ich habe Briefe bekommen, die von einem 80jährigen Mann geschrieben sind, der hellauf begeistert ist von meinen Romanen. Sehr viel Post bekomme ich von Jugendlichen, manchmal von ganzen Schulklassen, die mir über bestimmte Dinge schreiben.

SFB: Wissen Sie, warum die Leute so gerne unheimliche Romane lesen?
Dan Shocker: Warum das Unheimliche und Unerklärliche eine solche Anziehung ausübt, kann ich auch nicht sagen. Wenn ich mich selbst daran erinnere, was mir früher als Jugendlicher Spaß gemacht hat zu lesen, dann waren es die Abenteuerromane wie Robinson Crusoe oder die Abenteuergeschichten von Robert Stevenson, oder auch davor die Märchen von den Gebrüdern Grimm, von Hauff und von Bechstein, wobei mir auch das Märchen einfällt, von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen. Das ist schon eine Geschichte, die sämtliche Ele­mente des heutigen Schauerromans enthält. Und ich glaube, daß die Jugendlichen von damals nicht anders denken als die Jugendlichen von heute.

SFB: Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Kindermärchen und den Romanen?
Dan Shocker: Ich glaube, daß die Romane auch eine Art Fortsetzung von Märchen für Erwachsene sind, da sie in unserer heutigen realen Welt spielen. Mit den heutigen Mitteln und den heutigen Menschen. Also, die Umgebung ist den­jenigen, die das lasen, vertraut.

SFB: Welche Art von Funktion üben die Heftromane für die Leser aus?
Dan Shocker: Ich sehe das in erster Linie jetzt aus der Sicht meiner Romane. Ich glaube, daß die Heftliteratur eine sehr wichtige Funktion ausübt. Sie bietet dem streßgeplagten Menschen ein wirkliches Abschalten von der Alltagswelt. Es ist, glaube ich, ein sehr wichtiger Faktor, genau wie es wichtig ist, daß man sich Musik anhört. Oder sich eine Komödie anschaut und darüber lacht und sich freuen kann, so kann man hier abschalten und einen Spannungsroman erleben, der einem auch Freude bereitet.
Im allgemeinen wird sehr viel das Irrationale und das Irreale dargestellt, und das wird auch in meinen Heften voll erkannt und nicht als angsterregend empfunden. Der Schauerroman, wie ich ihn schreibe, beschreibt eine Welt, die noch unheiler ist als unsere eigene. Und das wiederum bedeutet, daß eine Therapie zur Heilung unserer eigenen unheilen Welt hier in der Reali­tät begonnen werden muß. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Gesichts­punkt, wenn man von Gruselromanen spricht.

SFB: Wie lange arbeiten Sie am Tage?
Dan Shocker: Ich arbeite, wenn es meine Verfassung zuläßt, jeden Tag aus Freude am Schreiben. Ich verteile dann meine Arbeitszeit über den ganzen Tag hinweg, wobei ich den Roman direkt in die Maschine tippe.

SFB: Machen Sie vorher ein Exposé von der Sache?
Dan Shocker: Auch das ist unterschiedlich. Manchmal schreibe ich ein kurzes Exposé, manchmal schreibe ich einen Roman direkt in die Maschine, ohne mir igend­welche Zeilen zu notieren. In den meisten Fällen sind es kurze Exposés, die etwa 2 Schreibmaschinenseiten umfassen, damit ich mir den Handlungsablauf ständig vor Augen halten kann. Aber leider ist es so, daß ich mich in den seltensten Fällen daran halte, denn noch während des Schreibens komme ich oft auf ganz andere Gedanken und das Exposé bleibt dabei so gut wie unbe­rücksichtigt. Es ist oft schon vorgekommen, daß ich zwei, drei Exposés ge­schrieben habe, aber dann kam was völlig neues heraus und der Roman hatte überhaupt keine Ähnlichkeit mit dem, was ich mir vorher notiert habe.

SFB: Werden die Leser nicht durch die Romane zu Gewalt und Nachahmung verleitet?
Dan Shocker: Also, ich sehe diese Gefahr nicht, wenn in Romanen weder nackte Gewalt gepredigt wird oder Brutalitäten geschildert werden, und wenn die Grenze zwischen Schein und Realität eindeutig zu erkennen ist. Mir fällt es zum Beispiel nicht schwer, auf solche Dinge zu verzichten und ebenfalls spannend, abenteuerlich und fantastisch zu schreiben. Ich frage mich immer, wie kön­nen Wesen und Mächte einer unfaßbaren Welt uns ängstigen oder erregen, wenn es so viele reale Gefahren und Sorgen gibt. Die wirklichen Ängste heutzutage bestehen doch aus ganz anderen Quellen als aus Grusel- oder fantastischen Romanen. Die Streßsituationen bei Jugendlichen, die heute unter einem unerträglichen Schulleistungsdruck stehen, Angst um Beruf und Zukunft, Angst vor dem eigenen Versagen. Diese Ängste sind real. Und wie weltfremd dagegen sind die Gefahren, die die Helden in fantastischen Gruselromanen in einer Scheinwelt oder durch das Auftauchen von Geistern und Monstern erleben.

SFB: Werden die Leser Ihrer Romane nicht durch die Handlung zum Nachahmen verleitet?
Dan Shocker: Die Verrohung setzt voraus, daß ein ausgesprochenes Nachahmungsbedürfnis besteht und eben dies stelle ich in Abrede. Um ein Wort von Boris Karloff zu gebrauchen, der durch die Darstellung seiner Rollen in Horror- und Monsterfilmen wie "Die Mumie" und "Frankenstein" bekannt geworden ist. Er sagt: 'Den Monstern, Vampiren und Schreckgestalten haftet so viel Fan­tastisches an. Sie dienen einem zum Nervenkitzel und können junge Men­schen niemals dazu verlocken, dem Vorbild nachzueifern wie zum Beispiel Verbrechertypen aus den Kriminalfilmen.' Diesen Ausführungen kann ich mich nur voll anschließen und sie werden auch durch zahlreiche Leserzuschrif­ten, die ich tagtäglich erhalte, bestätigt. Und in diesen Leserzuschrif­ten nehmen kritische Leser Stellung.

SFB: Welche Wünsche haben Sie für die Zukunft?
Dan Shocker: Ich wünsche mir, noch viele Romane schreiben zu können. Ich habe Spaß da­ran zu fabulieren, fantastische und gruselige Abenteuergeschichten zu erfinden. Ich hoffe, noch mindestens 800 Romane schreiben zu können. Da habe ich - ich habe das ausgerechnet - noch 40 Jahre dazu Zeit. Mir hat mal jemand aus der Hand gelesen und gesagt, ich werde 85 Jahre alt werden. Da habe ich noch lange zu tun.

SFB: Lesen Sie selbst gerne Bücher?
Dan Shocker: So lange ich zurückdenken kann, galt mein besonderes Interesse den Büchern und dem Lesen. Es gab oft Tage, an denen ich 2 Bücher innerhalb von 24 Stunden auslas und als 14jähriger hatte ich eine Bibliothek von über 200 Bänden. Mein besonderes Interesse waren solche Reiseberichte und Abenteuergeschichten wie Robinson Crusoe oder die Bücher von Stevenson, z. B. "Die Schatz­insel", später dann die Geschichten von Edgar Allan Poe. Und eines Tages - dann fing eigentlich alles an - erhielt ich als 9- oder 10jähriger durch Zufall ein uraltes Buch. Es war abgegriffen, sah ziemlich vergammelt aus. Es war ein Buch von Rudolf Heinrich Daumann und hieß "Abenteuer auf der Venus". Zum ersten Mal las ich etwas, was sich außerhalb unserer eigenen Welt abspielte, und das faszinierte mich so, daß in mir der Wunsch wach wurde, auch irgendwann so etwas zu schreiben. Durch Autoren wie Clark Darlton, Wolf-Detlef Rohr und K. H. Scheer in den 50er Jahren wurde ich mit der utopischen Literatur der damaligen Zeit vertraut, und in diese Zeit fallen auch meine ersten schriftstellerischen Versuche. Ich habe mit 16 Jahren meinen ersten SF-Roman geschrieben, und zwar unter dem Pseudonym Jay Grams mit dem Titel "Die Macht im Kosmos".

Kommentare  

#1 Heiko Langhans 2014-03-21 09:36
Sehr schön (bis auf einige ärgerliche Tippfehler).
Bitte mehr davon. Die wenigsten hier dürften die Clubletters bezogen haben.
#2 Schnabel 2014-03-21 10:24
zitiere Heiko Langhans:
Sehr schön (bis auf einige ärgerliche Tippfehler).
Bitte mehr davon. Die wenigsten hier dürften die Clubletters bezogen haben.

So, einige Tippfehler auf die Schnelle korrigiert, hatte leider die unkorrigierte Version eingestellt, nach der Texterkennung. Sorry deswegen...
Ich werde mal schauen, was ich so in den Clublettern finde...
#3 G. Walt 2014-03-21 22:31
Die ganz frühen CL hab ich ja auch nicht. Deswegen frue ich mich über diese kleinen Schmankerl aus vergangenen Tagen.
#4 Heinz Mohlberg 2014-03-21 23:03
Naja, ziemlich ärmlich (von beiden Seiten).
#5 Schnabel 2017-02-04 14:14
@Feldlese
Hier die neun Co-Autor-Romane:
"Der Gehenkte von Dartmoor" Dan Shocker
Silber-Krimi Nr. 962 (SGK NR. 47), Zauberkreis-Verlag - 1972
(Autor: ???, Exposé: J. G.)
"Lebende Leichen" Dan Shocker
Silber-Grusel-Krimi Nr. 54, Zauberkreis-Verlag - 1973
(Autor: ???, Exposé von J. G.)
"Mysterion der Seelenfänger" Dan Shocker
Macabros Nr. 55, Zauberkreis-Verlag - 1977
(Autor: Michael Nagula, Exposé J. G.)
"Redox - Nacht der zürnenden Schädel" Dan Shocker
Silber-Grusel-Krimi Nr. 166, Zauberkreis-Verlag - 1977
(Autor: W. A. Harry, Exposé: J. G.)
"Dämonenpest" Dan Shocker
Macabros Nr. 57, Zauberkreis-Verlag - 1977
(Autor: Alexandro Laue, Exposé J. G.)
"Wenn Shimba-Loos Todesruf erschallt" Dan Shocker
Macabros Nr. 61, Zauberkreis-Verlag - 1978
(Autor: Roland Rosenbauer, Exposé J. G.)
"Nh'or Thruus Unheil-Schläfer" Dan Shocker
Macabros Nr. 72, Zauberkreis-Verlag - 1979
(Autor: Rainer Zubeil, Exposé J. G.)
"Todesschwadron des Geisterlords" Dan Shocker
Larry Brent Nr. 58, Zauberkreis-Verlag - 1982
(Autor: Uwe Anton, Exposé von J. G.)
"Der Hexer mit der Schlangenhand" Dan Shocker
Larry Brent Nr. 71, Zauberkreis-Verlag - 1983
(Autor: Uwe Anton, Exposé J. G.)
Quelle: www.zauberspiegel-online.de/index.php/durchblick-hintergrnde-mainmenu-15/titellisten/22605-bibliographie-juergen-grasmueck

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