Alte Götter und der Wilde Westen! - Jack Ketchums Die Schwestern

Jack Ketchums »Die Schwestern«

Es ist die Geschichte von Marion T. Bell, einem Reporter und Gelegenheitstrinker, der in den Wirren des Jahres 1848, kurz nach dem Mexikanisch-Amerikanischen Krieg mit dem Revolverhelden John Charles Hart und seinem Kumpanen, dem raubeinigen Mother Knuckles zusammentrifft. Nahe am Grenzgebiet jagen sie gemeinsam nach Mustangs, um sie gewinnbringend zu verkaufen. Doch dann stolpern sie über die hübsche Mexikanerin Elena und ein weiteres, sehr schwer verletztes junges Mädchen. Beide sind geschunden und bluten aus vielen Wunden, an denen das junge Mädchen noch auf dem Rückweg stirbt.
»Ich hörte das Rasseln der Schlange, noch bevor ich das Ding sah, zu einer festen, tödlichen Kugel zusammengerollt. Ihre Aufmerksamkeit wandte sich von Hart mir zu, da ich direkt vor ihr stand, und in dem Moment krachte Harts Stiefel auf ihren Kopf.Elena berichtet den drei grundverschiedenen Männern von den Grausamkeiten eines Sklavenlagers jenseits des Flusses. Von Paddy Ryan, einem kaltblütigen Handlanger und den Valenzura-Schwestern, die mit grausamen Riten das Lager der geschundenen jungen Frauen beherrschen.
"Jesus Christus, Hart!"
"Hab sie eben erst da reinkriechen sehen. Du solltest besser aufpassen, Bell."
"Du bist gerade auf das verdammte Ding getreten. Die beißen, verflucht noch mal!"
"Nicht, wenn du zuerst drauftrittst. Dann nicht."«
(Zitat: Die Schwestern/ Seite 50 - 51)
Für die Valenzura-Schwestern sind die alten Götter Mexikos auch nach 300 Jahren noch lebendig, als hätte es Cortez nie gegeben. Sie huldigen Göttern wie Quetzalcoatl, der gefiederten Schlange, und das Blut der Unschuldigen ist der Lohn für diese Götter.
Elena will Rache für das, was man ihr angetan hat, und sie will die Freiheit für ihre junge Schwester Celine, die nach wie vor in diesem Lager des Grauens gefangen gehalten wird. Marion T. Bell, John Charles Hart und Mother Knuckles schließen sich, jeder aus einem etwas anderen Grund, Elena an und werden alles daran setzen, diese Hölle der Valenzura-Schwestern zu beenden.

Man ist im ATLANTIS-Verlag besonders stolz, diese kleine, aber doch äußerst gute Novelle präsentieren zu können. Schließlich gibt es dank des Heyne-Verlags mittlerweile eine feste Fan-Gemeinde des Autors Jack Ketchum aka Dallas Mayr. Und es ist niemand geringerer als Stephen King, der Großmeister des Schreckens, der nie eine Gelegenheit auslässt, Jack Ketchum in den höchsten Tönen zu loben. Dabei gehört Jack Ketchum weniger zu den Autoren des klassischen Horrors, sondern reiht sich eher ein in die Szene der exzessiven Autoren wie Laymon oder Barker.
Ketchum's Romane sind brutal, plastisch, drastisch und reißerisch, aber durchaus auch ernst, verzweifelt und bitter. Schon mit seinem Erstlingsroman BEUTEZEIT (1980), zeigte Ketchum auf, dass seine Romane nichts, aber auch gar nichts für schwache Nerven sind. Der Horror eines Jack Ketchum arbeitet sich nicht durch Elemente des Phantastischen in das Gehirn des Lesers, auch wenn FRANKENSTEIN die erste Geschichte war, die er aus diesem Genre in jungen Jahren gelesen hatte. Ketchums Horror frisst sich beim Leser brutal von innen heraus nach außen und berührt wie eine eiskalte Hand. Romane also, die selbst dann, wenn man die letzte Seite gelesen hat, den Leser noch lange nicht loslassen, weil sie der Gesellschaft nur zu gerne einen Spiegel vorhalten.
So gelingt es Jack Ketchum, uns auf rund 74 Seiten eine Story zu liefern, die eigentlich alles beinhaltet, was man als Leser auch von einem 300-Seiten-Roman aus seiner Feder gewohnt ist. Doch nicht nur die Novelle DIE SCHWESTERN (THE CROSSINGS) wird uns in dem Band vom ATLANTIS-Verlag geboten. In einem Vorwort stimmt uns Jack Ketchum selbst auf die Novelle ein und erzählt uns von der Entstehungsgeschichte von DIE SCHWESTERN.
»Eine weitere Besonderheit ist ein Interview mit Jack Ketchum, das Christian Endres mit ihm geführt hat und das in Auszügen auch im Magazin PHANTASTISCH erschienen ist. Hier also hat der Leser die Möglichkeit, das gesamte Interview zu lesen. «
(Zitat v. Jack Ketchum/Seite 8)
»Abgerundet wird das Ganze dann noch durch ein Nachwort von Christian Endres unter dem Titel FASZINATION DES GRAUENS, in dem man auch etwas mehr vom Pseudonym von Dallas Mayr erfährt. Denn der Name Jack Ketchum hat durchaus etwas mit einem Western-Outlaw, wie auch etwas mit britischen Henkern zu tun. «
(Zitat: aus dem Interview/Seite 87)

Ich gebe es durchaus zu, zuerst, also mit den ersten fünf bis sechs Seiten, hatte ich es etwas schwer, wirklich in die Story einzutauchen. Dies änderte sich jedoch durchaus recht schnell. Es mag wohl eher an der Art liegen, wie Jack Ketchum die Handlung beginnt.
Der Stil unterschied sich doch stark von der eigentlichen Form, die ich aus seinen Büchern gewohnt war. Diesen Knackpunkt aber einmal überwunden, offenbarte sich eine durchaus stimmige, spannende und zum Teil schockierende Handlung, wie ich sie von Jack Ketchum einfach liebe. Wie gesagt, es handelt sich hier nicht um einen Roman von 300 und mehr Seiten, sondern um eine kurze Novelle, die durchaus zu überzeugen weiß.
Die Beigaben eines ausführlichen Vorworts durch den Autor selbst, das mit ihm geführte Interview und dem Nachwort von Christian Endres, runden das Ganze vorzüglich ab und machen diesen Band zu einem Muss für Fans und Kenner der Romane von Jack Ketchum. Einziges wirkliches Manko ist für mich das Titelbild von Timo Kümmel. Der Arm, der scheinbar aus einem dichten Nebel herausragt, stimmt nicht wirklich in die eigentliche Story ein und wirkt auf den unwissenden Betrachter eher erst einmal nichtssagend.
Daten zum Buch: