Wo Hostel oder SAW enden, beginnt hier das Grauen

MARTYRS

Wie weit dieser Durchbruch geht, lässt sich in Frankreich selbst ersehen. Eigentlich ist man bei unseren europäischen Nachbarn ja weitaus liberaler, was den Bereich Filme angeht und auch gerade im Genre Horror. MARTYRS schaffte es jedoch auf Anhieb selbst im Mutterland eine Freigabe erst ab 18 Jahre aufgedrückt zu bekommen. Diese Freigabe bedeutet aber dort zugleich, dass der Film weder im Free-TV ausgestrahlt, noch im Kino ohne weiteres vorgeführt werden darf. Erst aufgrund des Einsatzes der französischen Kulturministerin Christine Albanel kam es zu einer erneuten Prüfung der Freigabe, die eine Abstufung der Freigabe auf 16 Jahre erzielte.
In Deutschland erhielt die ungeschnittene Veröffentlichung den Stempel der SPIO/JK-Freigabe mit dem lustigen Zusatz STRAFRECHTLICH UNBEDENKLICH! Wer MARTYRS jedoch im bundesdeutschen Kino sehen wollte, der konnte dies eigentlich nur auf dem FANTASY FILMFEST am 19. August 2008 tun. Dies dürfte auch damit zusammen hängen, das Pascal Laugier nicht nur angekündigt hatte, hier den härtesten und gewalttätigsten Film nach Hostel oder SAW zu bringen, sondern mit dieser Ankündigung auch Ernst machte.

Für viele mögen es die tollen 70er Jahre in Frankreich gewesen sein, aber bestimmt nicht für ein junges Mädchen, das schreiend und blutend auf einem verlassenen Industriegelände die Flucht ergriffen hat. Als die Polizei das völlig verstörte Mädchen aufgreift, stellt man fest, das sie Lucie heißt und ihr geschundener junger Körper alle Anzeichen von monatelanger Gewalt und Entbehrungen aufweist. Jedoch gibt es keinerlei Anzeichen für sexuelle Übergriffe. Lucie kommt in ein Heim, wo das zurückhaltende und verstörte Mädchen nur schwer wieder einen normalen Kontakt zu anderen herstellen kann. Nur der kleinen Anna gelingt es, sich Lucie zu nähern und Stück für Stück ihr Vertrauen zu gewinnen. Doch über die Jahre bleiben sowohl die Täter als auch deren Motive weiterhin im Dunkeln. Darüber hinaus scheint sich Lucie immer wieder selbst schwere Verletzungen zuzufügen, denn niemand glaubt ihr, dass eine groteske und entstellte Frau sie des Nachts heimsucht um sie zu foltern.

Ich weiß, alles hört sich bis jetzt eher nach einem harten Krimi an, und man fragt sich nun, wie man hierbei zu Vergleichen mit Filmen wie Hostel oder SAW kommt. Was ist denn eigentlich so hart an dem Film, denn eine aus Rache ermordete Familie bekommt man auch in einer TATORT Episode geliefert. Und nur eine etwas größere Blutlache macht MARTYRS noch lange nicht härter. Nun, liebe Leser, wenn sie MARTYRS noch nicht gesehen haben, wäre es sträflich von mir, ihnen nun hier die gesamte Handlung in allen Einzelheiten zu spoilern. Und glauben sie mir, der Text auf dem DVD-Cover gibt nicht wirklich mehr her als der Spoiler oben. Denn eines sollte bei diesem Film klar sein, der bisher gespoilerte Teil ist quasi erst der Anfang. Was danach kommt, dürfte eine filmische Grenzerfahrung sein. Im Grunde überläßt es Pascal Laugier dem Zuschauer, ob er nun die völlig entstellte Frau, die Lucie immer wieder heimsucht, als im Film real annimmt, oder sie als Halluzination abtut, so das Lucie sich im Prinzip selbst die Verletzungen zufügt. Und ich sehe es an ihren Augen beim lesen, dass die Neugierde nicht wirklich befriedigt ist. Nun
gut, liebe Leser, hier noch ein paar kleine Hinweise.

Spätestens wenn dieser Teil, den ich hier im zweiten Spoiler angerissen habe, beginnt, sollten sie auf Erdnüsse oder Popcorn beim zuschauen verzichten. Die Gefahr das ihnen bei den folgenden Szenen das Knabberzeug buchstäblich im Halse stecken bleibt, ist eminent hoch. Und doch geht es hier nicht einfach nur um einige sadistische Szenen, wie man sie aus anderen ähnlich gelagerten Filmen her kennt (eben Hostel oder SAW). Hier foltert und vergewaltigt kein Psychopath, hier gibt es keinen durchgeknallten Irren im Blutrausch! Diese Gewalt die dem Zuschauer nun gnadenlos auf die Netzhaut seiner Augen eingebrannt wird folgt einem System und fließt geradezu in einer Eiseskälte seinen Rücken herunter. Hier bekommt der Zuschauer keine durchgeknallten Hinterwäldler geboten und gerade dieser Fakt läßt den Zuschauer fassungslos werden.

In diesem Sinne möchte ich hier für den Film MARTYRS auch keine allgemeine Empfehlung aussprechen. Denn man muß schon mit den Szenen umzugehen verstehen. Denn sensible Gemüter, denen Filme wie z.B. SAW bereits sehr hart (bis zu hart) sind, sollten von MARTYRS generell die Finger lassen. Ansonsten besticht der Film rein technisch gesehen durch eine perfekte Kameraführung wie auch durch ein perfektes und sehr realistisches Spiel der Darsteller.

Kommentare
Hostel fand ich, trotz geschnittener Fassung, immer noch abartig. Hostel2 hat mir ein "wohlmeinender " Kumpel als ungeschnittenen Download serviert.
Den letzten "Saw-Shit" habe ich mir nur angetan, um darüber, evtl. etwas zu schreiben.
Aber ehrlich, ganz ehrlich, dafür ist mir jeder Tastendruck auf meinem PC zu schade.
Und jetzt "Martyrs"..den habe ich mir aus reiner Neugier reingezogen. Immerhin sind die Franzosen in Sachen Action u n d Horror seit längerem eine feste Grösse..
Das Ding ist widerlich verstörend, und, besonders in den letzten Minuten, kaum zu ertragen.
Wenn am Schluss die alte Tussie sich dann eine Kugel in den Kopf ballert, könnte man eigentlich laut klatschen;
Nö, danke ich verzichte, auf Folterporn und schiebe mir heute abend viel lieber ein altes "Hammer-Movie" in den Player..
Da schiebe ich mir heute abend viel lieber ein altes "Hammer-Movie" rein..
Bleibt die Hostel-Reihe von Anfang an seelenlos und langweilig driftet Martyrs von einer sonntäglichen Familienidylle schnell in einen Psychotrip zweier Teens ab und endet nach einem Folter Martyrium fast in einem metaphsychischem Ende. Alleine die Szenen in denen eine der beiden Haupdarstellerinnen mittels Phantomattacken halluziniert oder auch die kindlichen Rückblenden zeigen die menschlichen Abgründe, welche nach fortwährenden Misshandlungen aufkommen können. Eine persönliche Hölle aus der es kein Entkommen gibt.
Mein Fazit, das Beste was seit langem aus europäischen Landen kam und die Franzosen setzten nach High Tension mit dem ebenfalls tollen Inside nochmals eins drauf.
Die Gewalt in der Realität ist weitaus schlimmer, mich selbst schüttelt es bei Nasenbluten, wenn ich von Vergewaltigungen höre oder wenn ein Kind geschlagen wird, solche Filme helfen mir jedoch im Alltag aufkommende Agressionen abzubauen, vom Nervenkitzel und der Ehrfurcht ein solches Werk mit Verstand und vor allem Einfühlungsvermögen auszuarbeiten mal abzusehen.
Bei den Franzosen wird nicht nur sinnlose Gewalt zelebriert, sondern gleichzeitig ein psychologisches Netz gesponnen in welchem sich die meisten Splatterfans gerne gefangen nehmen lassen.
Nichts für zarte Gemüter, wer aber mal Lust auf absurde aber durchaus sich neu orientierende Splatterkost des neuen Jahrtausends sucht ist hier gut aufgehoben.
Von "Porn" ist hier schon gar keine Spur, zumindest in meiner ungekürzten Österreich Fassung nicht
P.S.: Ich liebe gleichfalls Hammer Filme, das eine schliesst das andere nichts aus
Und was heisst hier "sachliche Unkenntnis"? Du solltest vielleicht einmal akzeptieren, dass es da verschiedene Sichtweisen unter den Filmfans gibt.
Dass sich "Martyrs" von "Hostel" und Co unterscheidet habe ich auch gar nicht bestritten.
Aber, wenn Dich schon "Nasenbluten etc." "schüttelt, dann ergeht es mir ebenso mit dem heute dargestellten Realismus in solchen Filmen.
Und auch, wenn "Martyrs" in eine andere Richtung geht als dieser Hostel/Saw-Shit, dann bleibt der Film trotzdem für manch einen Zumutung
Er lässt den Zuschauer verstört zurück, und das ist nicht wenig erschreckend als irgendwelche Folterszenen in den oben angeführten Machwerken.
Es steht damit auch die Frage im Raume, warum graphische Gewaltdarstellung unbedingt so einen furchtbar realistischen Touch braucht.
Was sagt das über die Macher solcher Streifen u n d
über das Publikum aus?
Als "alter Filmhase" bin ich mit Filmen aufgewachsen, die ihre Wirkung, mit weit weniger krassem Realismus, trotzdem nicht verfehlten.
Okay, war in diesen Zeiten (die Siebziger/Achtziger) halt nicht anders drin, aber trotzdem...
Alle Mal besser als den sonntäglichen Tatort als Routine reinzuziehen da es sich "so gehört" oder generell die Masse es beurteilt ohne den Streifen je gesehen zu haben.
Speziell als Kind der 80er (Jahrgang 70) bin ich mit der Splatter Welle um Zombies, Menschenfresser und Kannibalen groß geworden und musste zwangsweise meine Schwester für einen Verleih vorschicken, da ich selbst erst 14 war. Glaube mir der erste Splatter Film aus dem Jahre 1963 hatte schon dieselbe Intension, er wollte einfach nur provozieren bzw. die Leute unterhalten und ganz nebenbei natürlich Geld einspielen. Da hat sich bis heute gar nichts geändert.
Zudem ich mag keine Happy Ends, denn böse Enden drehen oft den ganzen Plott nochmal und hinterlassen im Nachgang noch mehr Platz für Überlegungen.
Auch auf Tanz der Teufel wurde sofort nach dem Release damals seitens der Moralapostel eingeprügelt und viele "Kinosachverständige" und Filmdienste pöppelten unabhängig der Festivalauszeichnugnen einfach mit. Heutzutage gilt er als Kult und die Zeiten kommen, dass Filme erst verboten (The Texas Chainsaw Massacre aka Kettensägenmassker) bzw. indiziert (Return of the Living Dead aka Verdammt, die Zombies kommen) waren um dann ungekürzt Ihre Wiederauferstehung zu erleben (manchmal sogar mit einer 16er Freigabe).
Da von "Porn" gesprochen wurde sagt mir dies einfach, dass man den Film entweder gar nicht komplett gesehen oder schlicht nicht verstanden hat was keine Beledigung sondern eine neutrale Aussage sein sollte.
Aber jedem natürlich das Seine, es sollte jeder Cineast sehen was ihm auch gut tut und vor allem gefällt. Nur sollten dies nicht andere entscheiden, weshalb ich nicht still sein konnte und einen anderen Blickwinkel beisteuere.
Es geht mir eigentlich vielmehr um die Grenzen des Zeigbaren. Und bei "Martyrs" war es z.B. der Anblick des Mädchens in den letzten Minuten.
Weniger zartbeseitete Gemüter könnten damit echte Probleme haben.
Ich bin seit 1970 Filmfan und bleibe einfach ein Fan alter athmosphärischer Gruselmovies.
Das wirst Dir klar werden, wenn Du meine Artikel hier einmal liest. ("Paul Naschy"...."Monsters-The Origins...und jetzt: "Back to the Seventieth..)
Gebe allerdings auch gerne zu, dass es ab und zu auch gerne einmal Splatter sein darf. In meiner DVD-Sammlung befindet sich u. a. Peter Jacksons "Braindead", ungeschnitten, ein herrlich schräges Werk. Der Streifen nimmt sich auch nicht all zu Ernst, und soetwas ist mir dann auch wichtig...
Und nun mal zur generellen Betrachtung:
Natürlich kann ich auch die verstehen, denen solche Szenen zu weit gehen und jeder muß letztendlich selbst entscheiden, was er sehen will und was nicht. In dem Sinne verbietet es sich für mich, hier irgendwelche Grenzen setzen zu wollen, weil wir dann ganz schnell wieder in den Bereich Zensur geraten. Da ich aber als erwachsener Mensch für jedes und alles schon meinen Kopf selber hinhalten muß, will ich auch selbst entscheiden dürfen, was ich sehen darf und was ich nicht sehen will. Es liegt also in meiner eigenen Entscheidung und was ich da tunlichst nicht mag, ist die Tatsache, dass hier selbsternannte Institutionen über meinen Kopf hinweg entscheiden und Vorzensuren vornehmen. Das man solche Filme nicht gerade z.B. 14-jährigen zeigen sollte, sagt mir da schon mein gesunder Menschenverstand.
Allgemein kann ich durchaus sagen, dass ich sehr gerne auch die Gruselfilme der Hammer-Studios sehe, desweiteren durchaus Filme der damaligen Zombie-Welle der 80er und eben auch Filme der neueren Generation wie eben Martyrs, da bin ich völlig schmerzfrei! Der Punkt ist aber immer, das ich am Ende eines Artikels wie oben durchaus angebe, dass dies nicht für jeden etwas sein kann, weil vieles ja recht drastisch gezeigt wird. Was sich aber jeder zumuten kann und will, dass überlasse ich jedem Einzelnen selber, denn da gilt mein Wahlspruch: Jeder (Erwachsene) soll selbst entscheiden dürfen, was er/sie sehen will, weil Zensur von Oben immer ein Element der Entmündigung darstellt. Ist halt wie bei einem Artikel über Western-Romane, ich kann mich über ihn etwas mehr über das Genre informieren, ich muß aber keine Western lesen, wenn ich es nicht will (als Beispiel).