Ein verstörendes Kammerspiel – Die Leiche der Anna Fritz
Ein verstörendes Kammerspiel
Die Leiche der Anna Fritz
Gut, mit Okkultem hat der Scheintot eigentlich nichts zu tun, denn so etwas passierte früher durchaus des öfteren. Das lag zu einem Großteil auch an den in früherer Zeit noch unzureichenden medizinischen Möglichkeiten, äußerst schwache Lebenszeichen noch zu erkennen. Da konnte es durchaus schon mal passieren, dass in einer Trauergemeinde der liebe (angeblich) Verstorbene nochmals gegen den Sargdeckel klopfte um wieder heraus zu kommen.
In früherer Zeit nicht unbedingt eine Seltenheit:
Ein gewisser Prozentsatz des Vampir-Mythos beruht ebenfalls auf angeblich Verstorbene die eben noch nicht wirklich Tod waren. Als man nämlich damals wegen irgendwelcher noch nicht erklärbarer Vorfälle zum Beispiel die Totenruhe aufhob und einen Verstorbenen wieder ausgrub, zeigte sich, wenn alle widrigen Umstände aufeinander trafen, dass der Tote sich eventuell mehr als nur ein wenig in seinem Grab bewegt haben musste. Sauerstoffmangel und mit Sicherheit auch die eintretende Panik des lebendig Begrabenen dürften dann schlicht verantwortlich dafür gewesen sein, dass der vermeintlich Verstorbene nunmehr wirklich recht schnell das zeitliche segnete. Auf der anderen Seite des Grabes sprießte indessen der Aberglaube als hätte man ihn gerade frisch begossen. Schön war dies bestimmt nicht für den, der da im Sarg lag und plötzlich wieder zu Bewusstsein kam. Spätestens dann nicht, wenn ihm bewusst wurde, dass er tief unter der Erde in einer recht stabilen Holzkiste lag. Das diese Person ihr Schicksal nicht einfach hin nehmen würde, war dann irgendwie verständlich, nährte aber in dem Fall, wenn er ausgegraben wurde, die wildesten Spekulationen mancher abergläubischer Menschen, wenn die Überreste in seltsamen Verrenkungen plötzlich vor ihnen lagen und der Sargdeckel z.B. aufgrund der Befreiungsversuche einige Spuren aufwies, die ebenfalls alles andere als Normal zu nennen wären.Doch vor noch nicht all zu langer Zeit war es noch Normalität, dass im Keller, z.B. von Krankenhäusern, wo man die Verstorbenen noch zur Aufbahrung hin brachte, direkt in ihrer Nähe ein Klingelknopf angebracht war. Ähnliches fand sich auch in größeren Leichenhäusern, medizinischen Universitäten oder Kapellen und wenn man lange genug sucht, findet man solche Vorrichtungen wohl vielleicht auch Heute noch. Sollte der angeblich Verstorbene wieder erwartend doch wieder ins Leben zurück finden, so konnte er so ohne größeren Aufwand auf sich aufmerksam machen. Dort zu erwachen mag auch nicht gerade ein Highlight Im Leben eines Menschen sein, aber immer noch besser, als wenn die Beerdigung bereits gelaufen ist. Nur wer mit Sicherheit vorher schon eingeäschert wurde, musste sich über solche Unannehmlichkeiten wirklich keine Gedanken mehr machen. Gerade einer der ganz Großen des klassischen Schreckens, Edgar Allan Poe, hatte so einen gewissen Hang, die Situation des Scheintotes in manchen seiner Geschichten einzubauen. Offiziell soll Poe ja zu Lebzeiten selbst sogar mächtig Angst davor gehabt haben, dass so etwas vielleicht ihm persönlich passieren könnte.
Doch es geht noch schlimmer, sehr viel schlimmer:
Hector Hernandez Vicens, seines Zeichens der Regisseur des Films EL CADAVER DE ANNA FRITZ komprimierte dies in der Handlung auf einige wenige Räumlichkeiten einer Leichenhalle und mit einer ebenso minimalistischen Besetzung an Darstellern.
Das ganze wirkt so rasch wie eine Art Kammerspiel, dessen klaustrophobischer Charakter langsam und nicht gerade erwärmend dem Zuschauer über den Rücken läuft. Dafür wird vieles an menschlichen Abgründen mit in die Handlung eingebaut, ohne das dieses nun aber völlig abwegig erscheint. Durchaus recht logisch sind die Wandlungen um sie als Ausgeburt eines wirren Phantasten erscheinen zu lassen.
Hier haben es sich der Drehbuchautor Isaac P. Creus und der Regisseur, der auch am Drehbuch mit arbeitete, es sich nicht leicht gemacht. Zum einen mussten hier mehrere verstörende Elemente in der Handlung zum tragen kommen (z.B. Nekrophilie) und das ganze musste dann auch noch so stimmig herüber gebracht werden, damit es nicht schon zu Beginn ins Absurde bzw. Unglaubwürdige abgleitet. Hier kann man ohne Umschweife sagen, dass dies den Machern durchweg gelungen ist. Doch es gibt auch etwas zu kritisieren. Nicht viel, aber immerhin.Nicht alles sehr sauber verarbeitet:
Als Manko mag man sehen, dass die Darsteller, besonders die männlichen nicht immer recht zielgerichtet agieren. So hat man ab und an vielleicht mal das Gefühl, als wüssten sie nicht so recht, wie es jetzt in der Handlung nun weiter gehen soll. Auch die Kameraführung sorgt hier mitunter schon mal für ein leichtes Kopfschütteln. Doch alles in allem gelingt es dem Film dann doch, den Zuschauer mitzunehmen und gebannt am heimischen Privatkino zu fesseln. Für einen Debütfilm allerdings kann man auch sagen, dass man bei aller Mühe eben doch noch kleinere Schwächen ausmachen konnte.
Doch kommen wir nun zur eigentlichen Handlung des Films mit dem deutschen Titel DIE LEICHE DER ANNA FRITZ, der durchaus seine Freunde des eindringlichen Schreckens finden dürfte.Es gibt schlimmeres als den Tod:
Anna Fritz hat es geschafft. Sie ist zu einem der schönsten und begehrtesten Filmstars geworden. Doch dann scheint das Schicksal doch mit aller Wucht zuzuschlagen. Man findet Anna Fritz tot in ihrem Hotelzimmer vor. Gerade unter ihren Fans dürfte daher die Trauer recht groß sein und auch wer nicht unbedingt ein eingeschworener Fan war, wird ihren Tod eher mit Bestürzung aufnehmen. Schließlich war sie die erotische Versuchung in den Träumen so mancher männlicher Zuschauer.
Auf ihrem letzten Weg landet die Leiche von Anna Fritz im Leichenhaus eines Hospitals, wo der junge und eher schüchterne Paul arbeitet. Paul selbst ist völlig fasziniert von ihr, denn selbst im Tode ist Anna immer noch eine äußerst attraktive junge Frau.
Als Pauls angetrunkene Freunde Ivan und Javi auf seinem Arbeitsplatz plötzlich herein schneien, um ihn abzuholen, berichtet Paul ihnen, welche berühmten sterblichen Überreste gerade in seine Obhut gelangt sind.
Auch Ivan und Javi packt nun die Neugierde und sie wollen die Leiche der nackten jungen Frau zumindest kurz einmal bewundern. Zwar hat Paul Angst, er könnte seinen Job verlieren, weil seine betrunkenen Kumpane sich ohne jegliche Genehmigung in der Leichenhalle aufhalten, doch kann er sich auch nicht wirklich gegenüber dem dominanten Ivan durchsetzen, der das Heft des Handelns fest in seine Hände nimmt.Die Versuchung ist für die drei Männer bald einfach zu groß, den makellosen nackten Körper der eigentlich für sie vorher unerreichbaren Schönheit in Augenschein zu nehmen. Doch das alleine reicht ihnen bald nicht mehr, zumal Annas Leiche auf sie wirkt, als würde sie nur schlafen.
Aus anfänglichen Blicken werden schnell Berührungen und ehe Paul merkt, dass er hier längst die Kontrolle über die Situation verloren hat, ist es zuerst Ivan, gefolgt von Javi, der sich sexuell an der Leiche von Anna vergeht. Gedrängt durch seine Freunde vergeht sich nun auch Paul an der Leiche von Anna. Und dabei schlägt die angebliche Leiche dann plötzlich die Augen auf und sieht ihn an.
Völlig verschreckt und unschlüssig, wie sie sich nun weiter verhalten sollen, kommt es ersten Reibereien zwischen den Freunden, wobei Ivan bald beginnt, die Führung wieder an sich zu reißen.
Während es Anna nur sehr langsam gelingt, wieder Herr über ihren Körper zu werden und sich so kaum wirklich kontrolliert bewegen kann, beschließt Ivan Anna nun endgültig zu töten, bevor sie soweit wieder in der Lage ist, zu fliehen und die drei Männer wegen Vergewaltigung anzuzeigen. Ivan ist sich sicher damit durch zu kommen, schließlich wurde Anna Fritz ja bereits als Tod eingeliefert. Das größte Problem dürfte jedoch eher sein, dass auch seine Kumpels über den Mord für immer stillschweigen bewahren müssten.
So kommt es schnell unter den Männern zu ernsten Unstimmigkeiten, während Anna mit den wenigen Kräften, über die sie verfügen kann versucht, dem schrecklichen Ort und ihren Peinigern zu entkommen. Schon bald schlagen auch die Auseinandersetzungen unter den Männern in Gewalt um und die einzige Chance die Anna noch zum überleben haben dürfte, ist Paul, der nunmehr versucht ihr wieder gewonnenes Leben zu schützen. Doch Der sieht sich nun alleine dem dominanten Ivan ausgesetzt, da Javi bereits schwer verletzt ist. Ivan ist in seinem Zorn für Paul eine nicht zu unterschätzende Gefahr und bereit jeden zu beseitigen, der seinen Plänen nun im Wege steht.Meine kritische Betrachtung:
wie oben bereits beschrieben hapert es ab und an etwas, was ich dem Film und seinen Machern nun allerdings nicht wirklich sehr krumm nehmen möchte. Schließlich ist DIE LEICHE DER ANNA FRITZ quasi das Filmdebüt seitens Hector Hernandez Vicens. Da darf man dann auch mal über manches hinweg sehen. Absolute Meister sind im Filmgeschäft ja nun wirklich noch nie mal eben so vom Himmel gefallen.
Drückt man also mal ein Auge zu und lässt Drei auch mal gerade sein, dann hat man durchaus einen recht verstörenden und schockierenden Film vor sich, dessen Thematik nicht einmal sehr abwegig erscheint. Von dieser Warte aus betrachtet, habe ich schon andere Filme gesehen, wo gestandene Regisseure bzw. Darsteller weitaus dickere Fehler abliefern konnten oder es schlicht an manchen Punkten einfach in der Handlung an der nötigen Logik fehlen ließen.
Mit dieser Gewissheit kann ich eigentlich den Film DIE LEICHE DER ANNA FRITZ nur empfehlen, indem ich ihm noch recht gute drei von insgesamt fünf Punkten vergebe. Trotz dass das Ganze eher einem Kammerspiel recht nahe kommt, gelingt es ihm, die Situation durchaus glaubwürdig herüber zu bringen und dabei einen durchweg ansehnlichen Spannungsbogen aufzubauen. Cristian Valencia als Ivan gelingt es durchaus, den dominanten Typ zu verkörpern, dem es an sich keinerlei Mühe bereitet, seinen Kumpels stets seinen Willen aufzuzwingen und auch Albert Cabo als Paul schafft es hier den eher schüchternen und leicht beeinflussbaren Part zu übernehmen. Das man hier manchmal das Gefühl bekommt, als wüssten sie für einen kurzen Moment nicht, wie sie ihre Rollen optimal ausfüllen sollen, hängt da wohl eher auch etwas an der Regie selbst. Wirklich vom ersten bis zum letzten Moment überzeugend ist Alba Ribas als Anna Fritz. Ihr gelingt es durchweg sowohl die Angst, und die Verzweiflung als auch die Hilflosigkeit sehr eindringlich herüber zu bringen. Jede Form von mehr aktiver Mitwirkung innerhalb der Auseinandersetzungen hätte ihre Rolle als wieder erwachende Scheintote auch als Absurdum geführt, weil es einfach nicht logisch erklärbar wäre. Schließlich wird nie ein Schluck Wasser in der Kurve plötzlich (oder in relativ kurzem Zeitraum) zu einem Kugelblitz.
Für Spannung und auch einem gewissen wohligen Schauer auf dem Rücken ist für den Zuschauer also durchaus gesorgt und für ein Filmdebüt muss man auch in dieser Hinsicht mal den Hut ziehen. Wie gesagt, in Sachen Film gibt es schlimmeres an Patzern und logisch nicht nachvollziehbaren Wendungen von eher gestandenen Regisseuren, die es eigentlich schon besser wissen müssten. Darüber hinaus muss man den Film aber auch als einen durchaus gelungenen Genre-Beitrag der jüngsten Zeit aus der spanischen Filmschmiede betrachten.
Die Leiche der Anna Fritz
Kommentare
Anmerkungen: Javi hat sich nie an Annas Leiche vergriffen. Er wollte nichtmal in der Leichenhalle sein, aber Ivan hat ihn dazu gedrängt. Nur Ivan und Paul haben die Leiche geschändet.
Die Charaktere haben äußerst gut zum Film gepasst und waren überhaupt nicht “Wussten nicht was sie tun sollten.” Es sind 3 junge Männer, die nicht sonderlich viel mit Frauen zutun haben und die zum Teil, dass erste mal eine Leiche sehen. Da weiß man natürlich nicht auf Anhieb, WIE man sich verhalten soll. Ist doch klar.
Und das eine Tote plötzlich aufwacht, ist auch nicht das normalste der Welt. (Früher vielleicht.)
Jeder Arzt, Mediziner etc... würde im ersten Moment nicht klar kommen, dass eine bestätige Tote wieder zum Leben erwacht und vor allem nicht in diesem zeitalter der Technologie.
Der film war vom anfang bis Ende spannend und ist zum weiter empfehlen. Das einzige was mich etwas gestort hat war, dass sie es nicht aufgeklärt haben, dass sie angeblich “Scheintot” ist.
Der Zuschauer sieht nur, dass sie wieder erwacht ist, vorbei man denken könnte, sie wäre durch den geschlechtsverkehr wieder auferstanden, was natürlich unlogisch wäre. Aber vom Scheintot war nie die Rede.
Danke für deine Anmerkung, die ja richtig ist.
Da es sich hier allerdings um einen Film handelt, welcher in diesem Genre ohne übernatürliche Elemente aufwartet, kann es sich folglich nur um Scheintot als logische Schlussfolgerung handeln. Muss also nicht gesondert nochmals erwähnt werden. Schließlich wacht niemand durch Geschlechtsverkehr wieder von den Toten auf (was dann wahrlich ein übernatürliches Element wäre).
Zudem hatte die Spannungskurve einige Hänger, welches mit den nicht besonders sympathisch in Erinnerung gebliebenen Darstellern irgendwann etwas zäh wurde.
Solche Kammerspiele in einem Raum sind generell nicht so mein Ding, und wenn schon dann würde ich eher "The Autopsy of Jane Doe" empfehlen, welchen ich um Welten besser empfand.
THE AUTOPSY OF JANE DOE hat ebenfalls eine gewisse Art eines Kammerspiels. Die Gewichtung liegt hier aber eher auf dem Element des Übernatürlichen. Siehe auch hierzu meinen Artikel:
www.zauberspiegel-online.de/index.php/phantastisches/gesehenes-mainmenu-150/32170-the-autopsy-of-jane-doe-oder-das-boese-stirbt-nie
Dies stellt sich aber bei DIE LEICHE DER ANNA FRITZ schon von der Handlung her, völlig anders dar. Da passt dann auch die Thematik Nekrophilie und Vergewaltigung wieder. Der Film hätte wahrlich kaum die erwünschte Wirkung beim Zuschauer, wenn es sich hier um Mäuse füttern und Fußnägel schneiden gedreht hätte, um es mal witzig auszudrücken.
Das man da persönlich vielleicht nichts mit anfangen kann, kann ich durchaus verstehen. Für den Film jedoch sind dies zwei der wesentlichsten Elemente, ohne die die Handlung hier nicht funktionieren würde.
LG
Kiki