Das Böse spielt ein Spiel – Stephen Kings In einer kleinen Stadt (Needful Things)
Das Böse spielt ein Spiel
Stephen Kings In einer kleinen Stadt (Needful Things)
Völlige Vernichtung macht für das Böse keinen Sinn:
Wenn wir mal die Bibel so durchforsten, dann werden wir sehr schnell feststellen müssen, dass Luzifer oder Satan (oder wie man ihn auch immer nennen möchte) die Vernichtung der Welt und damit der Menschheit nirgendwo wirklich anstrebt. Ihm liegt eher die Niedertracht, die Lüge, die Verführung der Menschen, auch wenn mancher dabei auf der Strecke bleiben kann.
Die Weltvernichtung überlässt man in der Regel Gott. Da wird z.B. um den freien Willen des Menschen viel Aufwand betrieben, aber wenn der gerade nicht passt, dann löscht Gott gleich auch mal ganze Städte wie Sodom und Gomorrha samt den Einwohnern aus. Der freie Wille hat also bei unserem barmherzigen Gott wohl sehr enge Grenzen. Da kann es auch schon mal passieren, dass Gott überhaupt das Interesse an seiner Schöpfung verliert, weil sie sich einfach nicht in seinem Sinne entwickeln will. Also weg mit der Schöpfung und schon kommt es zur wirklich üblen Sintflut. Gut, man könnte Gott jetzt auch als Erfinder eines Reboot in Sachen Menschheit bezeichnen, denn in einer Arche lässt er ein paar Menschen für einen Neustart dann doch noch überleben.
So ganz scheint er seine Schöpfung wohl auch nicht unter Kontrolle zu haben, denn neben Adam und Eva scheinen da ja noch einige Menschen mehr zu existieren, die noch nie im Paradies gewesen waren, aber plötzlich da sind und gleiches trifft da auch auf Noah und die seinen zu, denn irgendwo laufen immer noch ein paar andere Menschlein herum, egal wie sauer Gott gerade auf seine Schöpfung war. Man könnte hier auch sagen, der gute weise Schöpfer hat seine Abbilder scheinbar nicht wirklich im Griff, oder ist dies sogar gewollt? Satan hingegen kommt in der Bibel schlicht nur knapp als Richter vor und Luzifer als gefallener Engel. Das war es auch schon fast irgendwie, wenn man von der Bibel ausgeht.
Man könnte also fasst meinen, dass Böse wäre gar netter als Gott selbst, doch dem ist leider nicht so, wie man schon in der Realität erfahren darf (und in der reden wir gerade noch nicht einmal vom Teufel als personifiziertes Böse). Die Welt ist ein Spiel mit wenigen Konstanten und ohne Regeln:
Kommen wir aber zurück zum Teufel selbst. Was bringt es ihm, einen schnellen Weltenbrand zu entfachen, der die Menschheit auf einen Schlag auslöscht? Eigentlich nichts. Das Böse muss auch nicht unbedingt in größeren Aktionen sein Dasein untermauern. Eigentlich ist es im Genre sogar oft recht zufrieden damit, nicht als Ursache mit der betreffenden Wirkung in Verbindung gebracht zu werden. Da terrorisiert und tötet man eventuell eine Familie oder Mitglieder der selbigen, aber wer glaubt dem oder den Überlebenden, dass dabei ein Dämon oder gar der Leibhaftige selbst die Finger im Spiel hatte? Wohl in einer aufgeklärten Gesellschaft niemand.
Der beste Schachzug des Teufels scheint also der zu sein, dass man nicht mehr an ihn glaubt (ähnlich auch schon in so manchem Horrorfilm so thematisiert). Pier Paolo Pasolini umschreibt in einem Satz das Böse (auch ohne Teufel oder Dämonen) und seinen Antrieb sogar beispiellos perfekt, wenn er eine Figur in seinem Film DIE 120 TAGE VON SODOM sinngemäß aussagen lässt, dass es nicht Sinn ist, sein Opfer einfach sterben zu lassen. Vielmehr macht es Sinn, dass Opfer tausend Tode sterben zu lassen, bevor man ihm endgültig das Leben nimmt. Wenn es also nicht um völlige bzw. endgültige Vernichtung geht, die schnell und effektiv wäre, aber nur eine kurze Momentaufnahme darstellt, dann liegt es nahe, dass ganze mit einem Spielbrett zu vergleichen an dem Gott und der Teufel sitzen, während wir Menschen die Spielfiguren bilden.
Die Idee gibt es sogar in der SF, oder genauer gesagt in der Heftromanserie PERRY RHODAN mit dem KOSMISCHEN SCHACHSPIEL zwischen Es und Anti-Es. So gibt es neben vielen kleinen Spielzügen auch mal größere Spielzüge. Will heißen: Manchmal trifft es Einzelpersonen, manchmal Familien und ab und an auch ganze Volksgruppen oder Länder (z.B. durch Kriege). Dabei bilden die Regeln nicht einmal eine feste Konstante um das Spiel möglichst wandelbar und damit interessant für die Spieler zu halten.
Feste Konstanten sind in diesem Spiel jedoch durchaus der freie Wille und die Verführung. Und dies ist auch der eigentliche Dreh- und Angelpunkt im Film NEEDFUL THINGS – IN EINER KLEINEN STADT nach einer Story von Stephen King, die wir hier nun kurz beleuchten wollen.Der Teufel on Tour:
Castle Rock ist eine kleine beschauliche Gemeinde von Maine, in der es auch schon mal hoch hergehen kann, weil sich nicht alle Bürger in trauter Einigkeit ergeben. Doch diese Streitereien halten sich in Grenzen und im Rahmen verbaler Wortgefechte. Sie schwelen also förmlich unter einer dicken Decke der Kleinstadtidylle dahin, ohne wirklich extrem zu explodieren. Doch dies soll sich in Castle Rock bald ändern.
Das wirkliche Übel beginnt in dem Moment, wo der ältere Antiquitätenhändler Leland Gaunt in die kleine Gemeinde von Castle Rock zieht und seinen Laden NEEDFUL THINGS eröffnet.
Gaunt punktet bei den Einwohnern schnell, weil er für jeden ein offenes Ohr besitzt und jeden charmant um den Finger wickeln kann. Zu seinen Pluspunkten zählt auch zweifellos, dass er in seinem Laden für jeden das passende Kleinode zum Verkauf stehen hat, wonach den Betreffenden das Herz begehrt.
Doch spätestens bei dem Preis, den Gaunt frei nach Belieben festsetzt, offenbart sich ein zutiefst finsterer Hintergrund. Denn neben dem manchmal geringen Geldbetrag beinhaltet der Preis auch einen kleinen „Streich“, den der jeweilige Käufer einem ihm verhassten Mitbürger spielen soll. Auf der einen Seite möchte man das Objekt der Begierde einfach in seinen Besitz bringen und auf der anderen Seite mag es auch Spaßig sein, seinem verhassten Mitbürger mal die Grenzen aufzuzeigen. Und Leland Gaunt kann in dieser letzten Hinsicht mit sehr überzeugenden Argumenten aufwarten, die man eigentlich nicht einmal von der Hand weisen kann. Doch was mit kaputten Fensterscheiben eher noch recht harmlos durch geworfene Äpfel anfängt, weitet sich bald in wirklich blutige Auseinandersetzungen aus, weil sie die schwelenden Konflikte innerhalb der Gemeinde vertiefen. Bald schuldet fasst jeder Einwohner von Castle Rock Gaunt einen „Gefallen“, den dieser auch mit Nachdruck einzufordern versteht.
Doch auch die Gegenstände, die eigentlich nur wertloser Plunder sind, werden für die Bewohner scheinbar immer wertvoller, so das man sie mit allen Mitteln zu verteidigen gedenkt. So eskaliert die Situation in Castle Rock bereits innerhalb einer Woche, in der sich die Menschen wie Tiere gegenseitig an den Hals gehen und ein Blutbad nach dem anderen verursachen. Selbst die jeweiligen Geistlichen der Gemeinde versuchen sich aufgrund der jeweils anderen Konfession das Lebenslicht auszublasen.
Nur Sheriff Alan Pangborn, der Gaunt keinen Gefallen schuldet, schwant sehr schnell das mit Leland Gaunt etwas nicht stimmt und schon bald findet er Beweise dafür, dass Gaunt in vielen Epochen immer dort gewesen ist, wo kurz darauf die schlimmsten Verbrechen und Katastrophen entstanden sind.
Fast gelingt es Gaunt, der kein anderer als der leibhaftige Teufel selbst ist, die Bürger von Castle Rock in ein völlig Blutbad zu treiben. Selbst Pengborns Freundin Polly weiß bald nicht mehr, wem sie wirklich noch vertrauen kann. Doch Gaunt hat nicht mit Pangborn gerechnet, der dessen wahre, bösartige Identität den Bewohnern offenbart. Der Versuch des völlig verwirrten Danforth „Buster“ Keeton III, sich selbst mit Gaunt in dessen Haus in die Luft zu sprengen, gelingt zwar, auch wenn dieser im Vorfeld nicht auf Gaunt hört der ihn zu einem erweiterten Suizid drängen will, dem z.B. auch Pangborn zum Opfer fallen würde.
Doch Gaunt selbst entsteigt völlig unversehrt den Trümmern wieder ohne den geringsten Kratzer. Er akzeptiert zwar, dass sein perfides Spiel dieses mal in Castle Rock durch Pangborn erst einmal ein Ende gesetzt wurde, doch macht er ihnen auch unmissverständlich klar, dass es sich nur um einen kleinen Sieg in diesem Spiel handelt und er so im Jahre 2053 in Jakarta auf Pangborns Enkel treffen werde. Damit verlässt der Teufel Castle Rock wieder und wendet sich damit neuen Bösartigkeiten irgendwo an einem anderen Ort zu.Manche Wünsche sollten unerfüllt bleiben...
...weil sie Folgen nach sich ziehen können, die geradewegs in eine Katastrophe führen könnten. Der freie Wille kann einen üblen Nachgeschmack mitführen, wenn Neid, Gier, Hass und Selbstsucht darin eine tragende Rolle spielen. Der Film bringt aber auch sehr schön herüber, dass nicht das unausweichliche Resultat die Triebfeder für das Böse ist, sondern die eigentliche Umsetzung. Verführung kann schön sein, aber auch direkt in die Hölle führen. Selbst das Böse hat schlicht keinen Sinn, wenn man sich nicht am Leiden und der Qual anderer erfreuen kann.
So etwas nennt man allgemein Sadismus und genau dieser Sadismus ist die Triebfeder des Bösen. Warum also ein Spiel spielen, dass bereits am Anfang wieder zu Ende ist? In der Politik nennt man das z.B. philosophisch „Der Weg ist das Ziel“, und die stetige Veränderung der Regeln bei wenigen Konstanten schützt vor aufkommender Langeweile. Genau das gelingt dem Film in gewissen zwischenmenschlichen Überzeichnung heraus zu arbeiten, ohne mit einem erhobenen Zeigefinger wirre moralische Botschaften verbreiten zu wollen, die völlig neben der Realität stehen würden. Meine Filmkritik:
Manche versuchen ja in dem Film gewisse moralisch tiefschürfende Hintergründe zu suchen, weil sie mit dem Element des Phantastischen einfach nichts anfangen können. So bemängelt man auch im Lexikon des Internationalen Films, dass in IN EINER KLEINEN STADT von „den Abgründen menschlicher Beziehungen“ abgelenkt würde. Manchmal fragt man sich bei diesen Kritiken, ob die besagten Kritiker den Film wirklich gesehen haben oder überhaupt etwas von dem Inhalt verstanden hätten. Die zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb des Films sind schließlich nicht umsonst in vielfacher Hinsicht mehr als überzogen gezeichnet worden, denn sonst würde die Handlung an sich so nicht funktionieren können.
Dies kann man sehr schön an den seltsamen Auseinandersetzungen zwischen Reverend Rose und Pater Meehan erkennen. Man kann da nur schlicht sagen – wieder mal dumm gelaufen, liebe Kritiker des ahnungslosen Elfenbeinturms. Aber da agiert man wohl auf dem gleichen Niveau wie meine Ex-Frau, die hatte den Film auch nicht verstanden.
Dabei ist der Grundplot eigentlich kaum zu übersehen wenn es um Lügen, Abneigungen, Neid, Gier und Verführung geht. Der freie Wille kann da einem auch eben ein Bein stellen. Da dieses eigentlich direkt ins Auge fallen sollte, macht es diesen Film aber auch schon recht durchschaubar, da Stephen King nicht unbedingt für größere Überraschungen bekannt ist. Ein Happy End ist daher fasst unausweichlich anzunehmen, auch wenn dieses einen gewissen, ebenfalls typischen bitteren Beigeschmack im Schlepptau mitführt. Verfilmungen von Stephen King sind in diesem Punkt schon etwas früh durchschaubar und bieten daher oftmals (neben kleinen Höhepunkten wie in der Verfilmung DER NEBEL) eine Handlung ohne wirklich intensive Überraschungen. Da ändert auch das hervorragende Schauspiel von Max von Sydow nichts daran. Man muss den Film aber auch nicht schlechter reden als er ist, denn als unterhaltsamer Genre-Beitrag funktioniert er alle male und kann da auch manchen anderen Beitrag aus dem Horror bzw. Gruselbereich noch locker manchmal an die Wand spielen. So läuft IN EINER KLEINEN STADT - NEEDFUL THINGS durchaus im gehobenerem Mittelfeld recht gut und sorgt für angenehm gruselige Kurzweil, vorausgesetzt, man sucht nicht mit aller Gewalt in der Handlung irgendeine tiefere gesellschaftliche Botschaft.
In einer kleinen Stadt
Kommentare
Hier mal ein Link, wenn sich jemand mehr für Castle Rock interessiert: zauberspiegel-online.de/index.php/phantastisches/gedrucktes-mainmenu-147/1778-facetten-des-knigs-maine-different-seasons#comment-5035
Den Film an Stephen King festzumachen ist nicht ganz gerechtfertigt. (Achtung: Hier kommt der Nerd) Denn der Film schrammt immer leicht an der Vorlage vorbei. Die fiktive Stadt hat ja schon einiges erlebt, ob einen Cujo, oder hellseherischen Johnny Smith, aber NEEDFUL THINGS ist Kings abschliessende Castle-Rock-Geschichte. Anders als im Film, liegt die Stadt am Ende in Schutt und Asche. Das Buch ist viel konsequenter. Warum es der Film nicht ist, war für mich immer sehr unverständlich, weil jeder Handlungsstrang aus dem Buch auch angerissen wird.
Für mich immer noch ein sehr schöner Film, aber die brutale Endgültigkeit aus dem Buch fehlt, und die hätte auch einen viel besseren Film gemacht.
Der freie Wille wurde dem Menschen nicht von Gott gegeben, sondern Gott hat den Menschen entscheiden lassen. Deswegen sind wir ja aus dem Paradies geflogen. Der Baum, und so.
Was den "freien Willen" angeht, so sehe ich da bei dir keinen Widerspruch zu meiner Ausführung. Laut Bibel wurde das essen der Früchte (Äpfel) vom Baum der Erkenntnis von Gott selbst unter Strafe (Rauswurf aus dem Paradies) untersagt . Hätte er Adam und Eva aber nicht den freien Willen gegeben, hatte sich die Schlange den Mund fusselig reden können, weil sich die Beiden stur nur an Gottes Weisung orientiert hätten. Jemanden entscheiden zu lassen ist Grundprinzip zum Zugeständnis eines freien Willens.
Fazit: Zeitloses KIno mit Nachdenkfaktor.
Zitat: Es ist dieser Satz auf den ich mich bezog. Das Buch hat
eben kein Happy End. Genauso wenig wie CUJO, z.B..
Natürlich wird immer sehr exzessiv mit dem Namen King
geworben, selbst wenn der Film gar nichts mehr mit der
Vorlage zu tun hat.
Was mich geärgert hat, war eben, dass der Film immer
so knapp am Buch vorbei geschrammt ist, und weich
gespült wurde. Dennoch ein sehr unterhaltsamer Film.
@ Mainstream: Wie gesagt, ich beziehe mich da nur auf den Film und die werden wohl für die Allgemeinheit der Zuschauer meistens weich gespült, weil die wohl ohne Happy End scheinbar (nach Meinung der Filmgesellschaften) sonst nicht klar kommen. Aber in dem Punkt stimme ich dir durchaus zu, es ist ärgerlich, besonders wenn man das Buch kennt und damit gut vergleichen kann. Was Stephen King angeht, glaube ich aber auch nicht wirklich daran, dass er still gehalten hätte, wenn man ihn bei den Verfilmungen nicht nennt, egal wie gut oder schlecht man seinen Roman umgesetzt hat.