Vom schleichenden Schrecken eines toten Mädchen - »Wenn Alice erwacht«
Vom schleichenden Schrecken eines toten Mädchen
Doch an diesem winterlichen Abend setzen Michael und seine Freunde etwas dunkles in Gang.
Natürlich darf auch sein Vater nichts davon wissen, dass er dessen Schlüssel zum Geräteschuppen mitgenommen hatte. Doch da macht sich Michael nun keine wirklichen Gedanken zu. Vielmehr möchte er sich mit seinen Freunden einige gruselige Geschichten erzählen. Und wo ginge dies besser als eben auf dem Friedhof, auch wenn es im Winter hier nicht gerade warm ist. Dafür ist dieser Ort aber alleine schon durch die Dunkelheit äußerst gruselig, was natürlich keiner der Jungs wirklich zugeben würde.
Ich gebe es zu: Ich hatte Angst, mich unter das flatternde Absperrband zu beugen, das Besucher vom Weitergehen abhalten sollte, die Grenze zwischen Drinnen und Draußen zu überschreiten, Angst, diesen unheilvollen Raum zu betreten, Angst davor, die Leiche zu sehen.
(Wenn Alice erwacht von Michael Aronovitz/Seite 30)
Dies ändert sich jedoch ein klein wenig, als man sich die Geschichte der 14-jährigen Alice Arthur erzählt, die offenbar mitten in der Nacht heimlich das elterliche Haus verlassen hatte und beim baden ertrunken ist. Und alles nur, weil sie offenbar ein Bild malen wollte und sie hierfür die Perspektive aus dem Wasser hin zum Strand erhalten wollte.
Und diese Geschichte, auch wenn hierzu nicht nur eine mögliche Version unter den Mitschülern bereits erzählt wurde, ist keine einfache urbane Legende. Denn Alice gab es wirklich und auf den Fotos sah sie recht süß aus mit ihrem hübschen Lächeln. Nur ihre Augen wirkten irgendwie wütend, was Michael sich allerdings nicht recht erklären konnte.
Ich ließ den Stift auf den Schreibtisch fallen und ging in die Mitte des Raumes, plötzlich hatte ich Angst, dass die Fenster zerspringen oder die Dinge um mich herum zu schwarzer Asche verkohlen würden. Natürlich geschah nichts davon wirklich.
(Wenn Alice erwacht von Michael Aronovitz/Seite 99)
Die Jungs nehmen auch dann noch allen Mut zusammen, als Michael vorschlägt, die Familiengruft auf dem Friedhof aufzusuchen, indem man die Leiche von Alice in einem offenen Sarg aufgebahrt hatte. Denn offenbar ist auch dies kein Problem, eben in die Familiengruft zu gelangen, da Michael ja die Schlüssel seines Vaters dabei hat.
Und so machen sich Michael, Will und Nick daran, heimlich in diese Gruft einzudringen, um vielleicht sogar einen verstohlenen Blick auf die Leiche des toten Mädchen werfen zu können. Doch ohne das sie es bemerken, gerät diese Mutprobe völlig aus den Fugen. Denn eigentlich ist es nun nur Michael, der sich näher an die verwesende Leiche des Mädchen heranwagt und diese sogar berührt.
Nick und Will machen Michael indessen klar, dass sie die Gruft lieber sofort wieder verlassen wollen, während die Berührung der knochigen Hand von Alice ihm einen kalten Stich versetzt und nachdem seine Hand sich noch länger danach wie taub anfühlt. Und hatte sich Michael wirklich nicht versehen, als der Eingang zur Gruft von innen verchlossen wurde, nachdem sie diese wieder verlassen hatten?
Ihre Hände waren wie zum Gebet auf Brusthöhe gefaltet, der Wind bauschte ein wenig ihre Beerdigungskleidung, aber wirklich nur geringfügig, er kräuselte das knöchellange Kleid etwas.
(Wenn Alice erwacht von Michael Aranovitz/Seite 135)
In der Folgezeit wird Michael immer mehr von seltsamen Träumen und schaurigen Visionen heimgesucht, bei denen ihm auch die tote Alice erscheint. Abgelenkt wird der Junge nur kurzweilig durch die familiären Probleme der Eltern. Doch in der Dunkelheit der Nacht häufen sich für Michael die düsteren Visionen, bei denen seltsamer Weise selbst tote Tiere wie etwa ein Waschbär in seinem Zimmer zurückbleiben.
Offenbar will die tote Alice Kontakt zu Michael aufnehmen und ihn wieder zu sich in die Gruft locken. Doch warum gelingt es dem verstorbenen Mädchen plötzlich, wieder in die Welt der Lebenden eingreifen zu können? Und welches Ziel verfolgt die Leiche, deren Berührung eine unnatürliche Kälte langsam in die Körper lebender Wesen schleichen lässt, die bei erreichen des schlagenden Herzens zum sicheren Tod führt? Oder wird Michael nur von eigenen morbiden Fantasien gepeinigt, weil er seine Fantasie nicht mehr unter Kontrolle hat?Wirklich schaurig geht es ...
... durchaus zuerst nur marginal in dem Roman WENN ALICE ERWACHT, seitens des Autor Michael Aronovitz zu. Und blutig wird die Handlung auch nie wirklich, da der Autor hier eher sehr stark auf den atmosphärisch düsteren Horror setzt.
Und so kommen die eher gruseligen Elemente innerhalb der Handlung über die ersten 100 Seiten eher nur sparsam daher. Dafür nimmt sich der Autor allerdings sehr viel Raum dafür, Michael und seine Eltern samt ihrer persönlichen Probleme den Lesern näher zu bringen. Und so lernen wir einen Vater kennen, der nach dem Entzug seiner Lehrbefugnisse eher zu einem gebrochenen Mann wurde. Denn eigentlich wollte er nur nebenher schriftstellerisch tätig werden und hatte dummer Weise auch einigen Mitschülern etwas von seinem wohl eher romantischen Roman lesen lassen. Dies aber rief wohl die moralischen Kleingeister auf den Plan, weshalb er nun auf dem Friedhof den Lebensunterhalt verdienen muss.
Seine Mutter wiederum fühlt sich seitdem aus dem sozialen Gefüge der Gesellschaft ausgestoßen und schiebt nun oftmals Doppelschichten in einem Feinkostladen, um die nun bestehenden finanziellen Probleme der Familie überwinden zu können. Dies sorgt natürlich ebenfalls für eine Menge Zündstoff zwischen den Eltern, aber auch gerade zwischen Michael und seiner Mutter.
Dies zieht sich daher auch ziemlich ausführlich durch die Handlung, was allerdings nicht uninteressant vom Autor über viele Seiten mit Leben gefüllt wird. Nur leider wirken dabei mitunter die kurzen düster bis gruseligen Einschübe schon fasst wie Fremdkörper. Und dabei handelt es sich doch laut Dem Verlag "Der Romankiosk" doch um einen Roman aus der Horror-Sparte.
Dieser Zustand sorgte jedenfalls bei mir als Leser dafür, dass ich mir etwa nach 90 Seiten leicht die Frage stellte, ob die ungewöhnlichen Vorkommnisse und Visionen des Jungen eher auf eine sehr labile Psyche von Michael zurückzuführen sein könnte, weil er durch die familiär-angespannte Situation offenbar langsam jeglichen Bezug zwischen Realität und Phantasie zu verlieren droht. Und dann gewährt uns der Autor auch noch weitere kleine Einblicke zum Beispiel in Sachen Geschwister seitens Michaels Freunde oder eben auf Will und Nick selbst.
Allerdings ändert sich dieser eher literarisch als Drama zu bezeichnende Handlungsaufbau dann doch ab Seite 135 erheblich, wo der Geist der toten Alice endlich ins Zentrum der Handlung rückt. Nur unter dem Strich gesagt, handelt es sich hier durchgängig wirklich nur um eine Mischung aus Coming of Age und Familiendrama , welches recht nett mit einer gruseligen Grundlage um die tote Alice angereichert wird. Um den Roman daher als "Horror" zu bezeichnen, muss man schon wirklich mutig sein. Im Grunde würde ich WENN ALICE ERWACHT sogar locker in die Rubrik gruseliger Frauenromane einordnen.
Zwar wird es am Ende durchaus im familiären Umfeld von Michael einen Todesfall geben und wirklich los wird der Junge wohl auch viele Jahre später dieses Gespenst eines jungen Mädchen nicht. Aber das kann man auch schon bereits als eigentlichen Höhepunkt bezeichnen.
Nun habe ich von diesem US-Autor bisher auch noch nichts gelesen gehabt, bis eben zu dem Roman WENN ALICE ERWACHT. Was mich wirklich angefixt hatte, war der Klappentext, der sich wirklich interessant anhörte und auch das Cover, welches durchaus recht ansprechend gestaltet war. Also orderte ich mir eine Hardcover-Ausgabe des Roman und war auf die Geschichte nun gespannt wie ein Flitzebogen. Und dann hatte mich der Roman aber bald dadurch überrascht, dass er aus der wirklich gruseligen Grundidee nicht wirklich viel herausholte, was mich damit auch gleich zu meiner Schlusseinschätzung führt.Mein Fazit:
Grundsätzlich kann ich sagen, dass ich die Handlung durchaus sehr interessant fand, auch wenn ich an einen Roman, der mit dem Hinweis "Horror" vom Verlag beworben wird, einen etwas anderen Anspruch verbinde. Wäre die Handlung allerdings nicht so interessant gewesen, hätte ich das Buch wahrscheinlich ab der Hälfte der Handlung bereits abgebrochen.
So konnte mich aber der Autor Michael Aronovitz mit der Geschichte und den tiefen Einblicken um Michael und seine Familie durchaus bis zum Ende bei der Stange halten.
Dabei war die Grundsätzliche Idee hinter der Figur der toten Alice ebenfalls nicht schlecht gewählt. Nur leider macht der Autor genau hier nicht wirklich viel aus den sich bietenden Möglichkeiten. Da hätte er mit einigen Seiten mehr eventuell wirklich noch einige gruselige Elemente beisteuern dürfen.
Leider bleibt so die tote Alice über weite Strecken aber eigentlich nicht mehr als ein nettes übernatürliches Beiwerk, was erst nach über 100 Seiten sich dann etwas genauer entfalten darf.
Genau genommen mag ich aber auch dann dem Roman die Bezeichnung "Horror" nicht wirklich zugestehen. Eher würde ich den Roman WENN ALICE ERWACHT unter den Genre Drama und Mystery einordnen wollen. Aber wer es eher atmosphärisch mag und dabei locker auf Blut und einen deftigen morbiden Einschlag verzichten kann, der ist mit diesem Roman durchaus recht gut bedient.
Am Ende reicht es für eine Bewertung von meiner Seite her allerdings nur für zwei recht hübsche Sternchen von insgesamt fünf als Höchstbewertung, da der erhoffte "Horror" hier leider eher recht blutleer blieb.
Wer allerdings nicht gerade zum hübschen Hardcover greifen möchte, der kann den Roman WENN ALICE ERWACHT auch als Taschenbuch für 12,99 Euro erwerben. Bei dem eBook für den Kindle ist man über Amazon sogar mit 2,99 Euro bereits dabei.
Wenn Alice erwacht