Auf der Schwelle zwischen Leben und Tod - »Die Mutterfresserin«
Auf der Schwelle zwischen Leben und Tod
»Die Mutterfresserin«
Durch ein ganz besonderes Experiment will man nämlich die letzten Geheimnisse hinsichtlich Leben und Tod nachspüren. Ganz zu schweigen davon, ob der Tod dem Leben ein recht unspektakuläres Ende setzt, oder ob danach vielleicht doch etwas existiert, was man auch als Leben nach dem Tod bezeichnen könnte.
Dafür beginnt man geeignete Probanden zu finden, die selbst durch ihre Krebserkrankungen im fortgeschrittenen Stadium nicht mehr lange zu leben hätten. Und so lockt man diese an, indem man ihnen von einem neuen Serum erzählt, welches ihre Krebserkrankung noch positiv bekämpfen könnte, womit die Tests eben auch erfolgreich verlaufen würden.
Doch diese Tests sind eben nur ein Vorwand. Denn in dem Augenblick, wo man diese Probanden mit der Realität konfrontiert, bittet man sie nämlich darum, ihrer kurzen Lebenszeit doch noch einen wissenschaftlichen Sinn zu geben, indem sie bei einem anderen recht seltsamen Experiment teilnehmen.
Was dies jedoch genau für ein Experiment ist, verschweigt man ihnen natürlich. Denn es handelt sich um eine Vorrichtung, mit der man mit Klingen ihnen in Bruchteilen einer Sekunde fasst schmerzlos den Kopf so abtrennt, dass sie in einem Zeitraum von bis zu 9 Sekunden, die das Gehirn noch mit Sauerstoff versorgt wird, sich sprachlich noch mitteilen können. Die Enthauptung erfolgt nämlich auch so, dass die Stimmbänder nicht verletzt werden und eine Sauerstoffzufuhr für eine hörbare Stimme gesichert erscheint. Und so erhofft man sich, dass die ahnungslosen Probanden sich noch kurz vor ihrem Tode hinsichtlich ihres Übergang mitteilen können.
Um alleine die tödliche Anlage überhaupt zu testen, köpft man zuerst nicht nur eine Ente, sondern auch eine psychisch kranke junge Patientin namens Silvia, die jedoch ansonsten eigentlich kerngesund ist. Dabei scheint es für die Ärzte und den anderen MitarbeiterInnen kein Problem zu sein, wie verwerflich und unmenschlich ihre Experimente in Wirklichkeit sind. Viel eher scheint es ein Problem zu sein, dass sowohl Dr. Quintana, als auch Dr. Papini und Mr. Allomby gleichsam in die gutaussehende Oberschwester Menendez verliebt sind.
Gut 100 Jahre später möchte ein junger gefeierter Künstler seinen eigenen Körper in ein absolutes Kustobjekt transformieren. Dabei fallen ihm auch ein Faksimile des Manuskripts von Dr. Quintana in die Hände, womit sich der dunkle Kreis über die vielen Jahrzehnte hinweg wieder schließt.Diese Novelle stammt übrigens im ...
...Original aus Argentinien und erschien 2010 erstmalig im Verlag Editorial Entropia. Der Autor Roque Larraquy ist wiederum ein 1975 In Buenos Aires geborener argentinischer Schriftsteller und Drehbuchautor, dessen Romane durchaus bereits in zahlreichen Sprachen erfolgreich übersetzt und auch schon mit diversen Literaturpreisen bedacht worden sind.
DIE MUTTERFRESSERIN, dessen Originaltitel LA COMEMADRE ist, dürfte ausgehend vom Festa Verlag wohl die erste deutsche Veröffentlichung seitens Roque Larraquy hierzulande sein, die in der Hardcover-Buchreihe "Festa Must Read" im September 2022 bisher erfolgte. Zumindest ist mir noch keine andere Veröffentlichung seitens des argentinischen Autors in einem anderen deutschen Verlag wirklich bekannt.
Angesprochen hatte mich hierbei übrigens nicht nur das recht eindringliche Cover, sondern auch die ersten ca. 15 Seiten der Leseprobe, in die ich mich aus reiner Neugierde mal eingelesen hatte.
Und um dies hier gleich vorweg zu sagen, hat Larraquy mich hierbei auch gleich mit seiner ganz eigenen Art zu schreiben fasziniert gehabt. Und so hatte ich dann auch gleich diese Novelle, die eigentlich mit ca. 192 Seiten auch flott gelesen sein sollte, sofort angefangen, als mir der Postbote dieses schöne Hardcover dann endlich in die Hände drückte.
Doch schon am Ende des ersten Kapitel musste ich das Buch erst einmal wieder beiseite legen. denn erst jetzt merkte ich auch recht intensiv, wie anstrengend die Schreibweise von Larraquy sein konnte.
Dabei schafft er durchaus eine eher schon bedrückende Atmosphäre die mir eigentlich gut gefallen hatte. Und so muss ich hier auch festhalten, dass Larraquy durchaus recht ansprechend seine fiktive Welt in seinen Sätzen der Leserschaft präsentieren kann. Man fühlt sich so recht schnell als Leser mit jeder Faser nach Argentinien versetzt, auch wenn Larraquy wohl mehr als nur sparsam damit umgeht, diese Welt im Jahre 1907 oder eben später im Jahre 2009 auch zu beschreiben.
Dies mag auch daran liegen, dass man den männlichen Figuren jederzeit diese typische südamerikanische Arroganz gegenüber den weiblichen Figuren abnimmt. Denn wenn es um die Liebe geht, will man sich hier als heißblütiger Mann jedenfalls möglichst keine Blöße geben und eher den überlegenen Pfau heraushängen lassen. Und das eben nicht nur der angebeteten Frau gegenüber, sondern auch hinsichtlich aller anderen männlichen Figuren der Handlung, denen man tunlichst auch auf der Gefühlebene keine Ansätze für Schwächen bieten will.
Des weiteren ist auch die Grundidee wirklich nicht von schlechten Eltern, so das sich hieraus wirklich so einiges hätte herauskitzeln lassen. Alleine die Idee, Menschen so zu köpfen, dass sie in den letzten Sekunden noch in der Lage wären, etwas über das zu sagen, was im Moment im Übergang zwischen Leben und Tod passiert, hat durchaus etwas sehr düsteres wie auch morbides.
Irritiert haben mich alleridings die auf dem Cover und der Rückseite des Einband aufgeführten Kritiken, die ich hier mal statt einiger Zitate aus der Handlung der Novelle selbst zitieren möchte.
"Gortesk, unverschämt und irre komisch. Wie Batailles Geschichte des Auges."
(Zitat: BOMB MAGAZIN/unten auf dem Cover der Festa-Ausgabe)
Und dann wäre da noch als zweites Beispiel ein weiteres Zitat, welches wir auf der Rückseite der Festa-Ausgabe nachlesen können.
"Der Roman, der zwischen B-Movie-Horror und äußerst dunkler Komödie hin- und herpendelt, ist sowohl gruselig als auch lustig."
(Zitat: PUBLISHERS WEEKLY/Rückseite der Festa-Ausgabe)
Nun frage ich mich ...
... nach dem lesen der Novelle aber schon, ob wir alle wirklich auch die geiche Novelle gelesen haben. Als "B-Movie-Horror" kam mir die Handlung nämlich bei aller Liebe nicht vor und ich konnte schlicht und ergreifend auch recht wenig von etwas merken, was einer "dunklen Komödie" auch nur halbwegs nahe gekommen wäre.
Und mal ganz ehrlich. In Sachen Horror, Gore und Slasher bin ich wohl doch mit den Jahren durchaus mächtig abgebrüht. Und ein Autor wie etwa Edward Lee kann sich innerhalb einer Handlung so richtig ausführlich in Gewalt, Blut, Sperma und Eiter austoben und trotzdem merke ich bei seinen inhaltlichen Überziehungen die skurrile Komik, die er hierbei perfekt einarbeitet, so das ich mir beim lesen zumindest ein Grinsen nie ernsthaft verkneifen kann. Bei DIE MUTTERFRESSERIN von Roque Larraquy fand ich aber nichts zum grinsen. Und "irre komisch" bzw. "lustig" konnte ich ehrlich gesagt diese Novelle auch nicht einstufen. Eher schon das Gegenteil. Hatte man also beim Bomb Magazin oder bei Publishers Weekly vorher was bestimmtes geraucht oder eine Pille eingeschmissen, um dann auf solche Aussagen zu dieser Novelle zu kommen?
Ich will hier nun nichts unterstellen, aber der Verdacht kam am Ende dieser Novelle durchaus bei mir auf, wenn ich diese Zitate nochmals nach dem lesen in Ruhe Revue passieren lasse. Denn für mich war und blieb Larraquys Schreibe in erster Linie erst einmal nur anstrengend. Und da fängt dann leider auch meine Kritik hinsichtlich DIE MUTTERFRESSERIN an. Wobei ich mich auch schon etwas schwer tue, selbst den deutschen Titel wirklich nachzuvollziehen. Es wird zwar irgendwie fleißig gestorben, besonders im Bereich der Handlung von 1907. Allerdings von Kannibalismus an Müttern fand ich in der Handlung wirklich nichts.Doch kommen wir jetzt zu meinem Fazit:
Und wie gesagt, Larraquy konnte mich auf den ersten ca. 15 Seiten direkt so packen, dass ich danach gleich diese Hardcover-Ausgabe freudig bestellte. Als ich mir die Novelle aber dann richtig zum lesen vornahm, merkte ich, dass er zwar recht gut eine gewisse düstere Atmosphäre aufbauen konnte, in Sachen Spannungsaufbau aber kaum wirkliche Akzente setzte. Viel eher verliert er sich dagegen oft in Beschreibungen und Sätze, die zwar schriftstellerisch wohl eine gewisse künstlerische Note transportieren sollen, allerdings in Sachen Atmosphäre und Spannung die Geschichte nicht vorantreiben.
Und so bemerkte ich irgendwann in der Hälfte der Novelle, dass ich mir eine erhoffte Steigerung des Spannungsaufbau wohl von der Backe schminken konnte. Dafür würde ich mich aber zumindest an die eher anstrengenden Ebenen der Nebenhandlung - wie etwa den männlichen Liebesgefühlen zur Oberschwester - gewöhnen müssen.
Ein wirklicher Einbruch erfolgte innerhalb der Gesamthandlung dann allerdings in dem Teil, wo die Handlung ins Jahr 2009 wechselt. Hier findet die Spannung dann schnell eher entlang des Teppichrand statt und die düstere Atmosphäre verflüchtigt sich hier fasst vollständig. Viel eher folgt man hier nun den Aussagen eines Künstlers, der sich offenbar eher recht gerne selbst reden hört.
Und spätestens hier lief ich dann leider auch Gefahr, die Seiten einfach immer wieder nur noch quer lesen zu wollen, um endlich das Ende der Novelle zu erreichen. Denn mittlerweile war ich ja nun auch so weit gekommen, dass ich diese Novelle auch nicht mehr die letzten 30 oder 40 Seiten vor dem Ende noch abbrechen wollte. Erleichtert war ich allerdings schon, als ich endlich die letzte Seite erreicht hatte. Denn spätestens ab dem Abschnitt, der dann die weitere Handlung ab dem Jahre 2009 fortsetzt, ging es eigentlich nur noch radikal bergab. Und ehrlich gesagt, hätte es nach meiner bescheidenen Meinung der Novelle sogar recht gut getan, wenn man diesen Abschnitt ab dem Zeitraum 2009 ganz weggelassen hätte. Gebraucht hätte es diesen Handlungsabschnitt nämlich nicht um ein halbwegs rundes Ende zu finden (was ich aber leider auch irgendwie am Ende des letzten Abschnitt nicht erkennen konnte). Und so saß ich dann auch etwas ratlos da und fragte mich ernsthaft, was der Autor mir hier mit dieser Novelle nun eigentlich wirklich sagen wollte?
Wie gesagt, schreiben kann Roque Larraquy durchaus, keine Frage. Und er wusste mich mit den ersten Seiten auch zu packen. Und auch die Ideen zu dieser Novelle zu Beginn, sind absolut vielversprechend gewesen. Nur leider machte er für meine Begriffe nicht wirklich viel aus diesen Voraussetzungen, verlor sich dafür zu oft in Nebensächlichkeiten ohne ein wirkliches Gespür für einen vorwärtstreibenden Spannungsaufbau erkennen zu lassen. Wäre da wirklich noch etwas komisches innerhalb der Handlung gewesen, wäre auch dies für mich ab einem gewissen Punkt sicherlich noch als Gewinn gewertet worden. Schade eigentlich und im Grunde kann ich die Novelle eigentlich so auch nur als Drama (nicht nur für mich als Leser) wirklich einordnen. Vielleicht ist die Art von Literatur eines Roque Larraquy auch nicht wirklich etwas für mich (persönlich) und andere mögen ihm und seiner Art zu schreiben vielleicht sogar wesentlich mehr abgewinnen können. Für mich allerdings dürfte die Novelle DIE MUTTERFRESSERIN der erste und sicherlich auch letzte Roman seitens Roque Larraquy gewesen sein.Die Mutterfresserin