Ein Heftroman nochmals gelesen - »Luzifers Tochter« von Philippe Pascal
Ein Heftroman nochmals gelesen
»Luzifers Tochter« von Philippe Pascal
Würde mich LUZIFERS TOCHTER von Philippe Pascal aber nach so vielen Jahren noch einmal entsprechend beeindrucken können? Doch bevor ich diese Frage im Fazit nun beantworten kann, schauen wir doch erst einmal in die Handlung selbst hinein, welche sich dem Hexenthema durchaus auf angenehm klassisch Weise zuwendet.
In einem kleinen Ort:
Das Baby von Jacqueline Gilesse ist tot, gestorben scheinbar am plötzlichen Kindstod. Dies ist etwas, was eine junge Mutter einfach nicht kalt lässt. Erst recht, wenn das Baby ein Wunschkind und der Mittelpunkt ihrer kleinen Familie war. Doch als sie erneut zum Grab ihres Babys auf dem Friedhof der kleinen Ortschaft Beaulence, in der Nähe von Clermont-Ferrand kommt, trifft sie ein neuerlicher Schock. Das kleine Grab ist aufgewühlt und die kleine Leiche entwendet worden.
Auch dem jungen Arzt Dr. Georges Piquet geht der Leichenraub des Babys sehr nahe, zumal er hier ja eigentlich alle Bewohner mehr oder weniger kennt. Doch auch wenn er sogar in Beaulence aufgewachsen ist, hat er es als junger Arzt für Allgemeinmedizin deshalb nicht unbedingt leichter. Noch schlimmer ist es aber für seine junge Frau Claudine, die in einer Großstadt aufgewachsen ist und es so sichtlich schwerer hat in dieser eher eingeschworenen dörflichen Gemeinde irgendwo in der französischen Natur.
Wie er erst jetzt bemerkte, war Charles - so hieß der schwarze Kater - zwischenzeitlich auf einen der Stühle gehüpft und sah ihn aus seinen bernsteinfarbenen Augen lauernd an. Für den Bruchteil eines Augenblicks kam es Georges sogar so vor, als könne das Tier seine Gedanken lesen.
(Grusel-Schocker/Luzifers Tochter, Seite 9)
Doch mit einer weiteren jungen Einwohnerin konnte sich Claudine doch noch anfreunden. Und von Lucienne Delors, die Georges auf geheimnisvolle Weise irgendwie bekannt vorkommt, bekam Claudine sogar eine kleine schwarze Katze geschenkt. Doch je größer diese Katze wird, um so negativer reagiert diese wiederum auf Georges. Und überhaupt kommt Georges auch Lucienne selbst irgendwie gefühlskalt und verschlagen vor. Da lässt dann auch ein Streit zwischen Georges und Claudine nicht wirklich lange auf sich warten, als Lucienne bei ihnen zu Besuch erscheint.
Doch Georges wird in Beaulence nicht nur mit Lucienne Delors nicht wirklich warm. Auch die junge und etwas freizügige Schönheit Angelique Fontaine, scheint ihn häufiger mit einem spöttischen Lächeln zu beobachten und mit ihrem feuerroten Haar und ihren aufreizenden Kurven offenbar anmachen zu wollen. Und dann wäre da noch die unheimliche alte Genevive Babeuf mit ihrem Gemischtwarengeschäft, die sofort jeden neue Information über die Bürger von Beaulence sofort jedem gefragt oder ungefragt weiter erzählt. Für Georges ist Genevive eigentlich das Bild einer alten Hexe, wie man sie aus den Märchen kennt. Und leider liegt Georges damit auch irgenwie nicht einmal wirklich falsch.
"Stimmt das, was Angelique gesagt hat?", wollte Lucienne wissen.
"Antworten Sie, Hochwürden, und denken Sie dabei an die Zehn Gebote. Eines von ihnen lautet bekanntlich: du sollst nicht lügen!"
(Grusel-Schocker/Luzifers Tochter, Seite 19)
Doch Georges erste Sorge gehört erst einmal seiner jungen Ehe, denn Claudine scheint sich unter dem Einfluss von Lucienne immer mehr von ihm zu entfernen und reagiert auch immer aggressiver auf ihn. Und so ganz nebenbei passieren in Beaulence auch sonst immer mehr seltsame Dinge, die sich Georges kaum noch erklären kann. So klagt Gustave Chauvin über extreme Magenkrämpfe und würgt bei einem Hausbesuch durch Georges sogar zwei völlig rostige Nägel hervor, was wiederum weder er noch Georges wirklich erklären können. Und bei einem Milchbauern der in der Nähe seinen Hof hat, geben vier seiner Kühe plötzlich Blut statt Milch und verbluten sogar auf diese grausige Weise im Stall. Irgendetwas in Beaulence schein wirklich nicht mit rechten Dingen zuzugehen und es wird sogar immer schlimmer und gefährlicher. Ja, als Höhepunkt scheint sich Claudine gefühlsmäßig nun wegen Lucienne völlig von Georges entfernt zu haben.
Inmitten der schmatzenden Brühe treiben die Leichenteile eines Kindes, bei dem es sich um niemand anderes als Dominique Gilesse handelte! Winzige Hände und Füße, zerstückelte Arme und Beine, ja selbst der Kopf gingen in der Breiigen Masse jeweils für einen kurzen Augenblick unter, kamen aber gleich darauf wieder zum Vorschein und schwammen an der Oberfläche im Kreis.
(Grusel-Schocker/Luzifers Tochter, Seite 22)
Nur der örtliche Priester Marcel Lacroix, eigentlich ein gemüdlicher und geselliger Hirte seiner Gemeinde scheint bei Lucienne Delors einen bösen Verdacht zu hegen. Sollte diese junge Frau mit dem verschlagenen Wesen wirklich eine Hexe sein, die mit dem Teufel selbst im Bunde steht? Als Lacroix Lucienne deshalb aufsuchen will, gelingt es ihm, sie und die alte Genevive zu belauschen und bringt so schreckliches in Erfahrung. Doch eine Hilfe ist ihm dieses Wissen nicht, denn er wird von Angelique Fontaine erwischt und schwebt deshalb selbst in allerhöchster Gefahr. Aber auch Georges weiß nicht mehr weiter und ist fasst überzeugt, es hier mit übernatürlichen Dingen zu tun zu haben. Deshalb erhofft er sich Hilfe durch den Psychater und Kundigen in der Geschichte der Hexerei, Henri Lefevre. Doch ist Lefevre für ihn und seine akut gefährdete Ehe wirklich die erhoffte Hilfe, auf die der verzweifelte junge Arzt bauen kann?Nein, LUZIFERS TOCHTER ist ...
... durchaus ein waschechter Bastei-Heftroman aus der guten alten Zeit, als es noch die Heftromanreihe GRUSEL-SCHOCKER gab, die es damals zumindest bis auf eben 73 Bände brachte, bevor sie dann im Jahre 2001 wieder eingestellt wurde. Der erste Band dieser Reihe, die mit nicht wenigen Einzelromanen, Nachdrucken wie auch neuen Romanen, aber auch häufiger auftauchenden "Helden" wie etwa dem berüchtigten REVEREND PAIN (von Steve Salomo) seine Aufwartung machte, erschien übrigens am 19. Oktober 1999 mit dem Roman HÖLLENBRUT von A.F. Morland (Friedrich Tenkrat). Einem Roman also, welcher bereits schon einmal am 06. August 1974 in der Reihe GESPENSTER-KRIMI (Band 47) unter dem Titel DIE HÖLLENBRUT erschinen war.
Aber auch die recht bekannten Helden JOHN SINCLAIR und TONY BALLARD hatten hier z.B. im GRUSEL-SCHOCKER Band 27 unter dem Titel DAS GEHEIMNIS DES SPIEGELS (ebenfalls von A.F. Morland) ein Crossover. Der Roman war übrigens vorher in der Serie JOHN SINCLAIR Band 25 unter gleichem Titel bereits im Jahre 1978 erschienen. In der Regel hatten hierbei neue Romane auch einen kleinen gelben Button mit rotem Schriftzug "Neuer Roman" oder etwa einen grünen Button mit rot-schwarzem Schriftzug "Horror Klassiker" auf dem Cover.
Band 71 der Reihe GRUSEL-SCHOCKER: DIE DUNKLE WELT DES HORROR mit dem Titel LUZIFERS TOCHTER von Philippe Pascal (vom 20. Februar 2001) trug hierbei dann auch eben den kleinen gelben Button mit der roten Aufschrift "Neuer Roman". Was aber den Autor selbst betrifft, kann ich eigentlich nicht unbedingt viel berichten, denn ich hatte damals eigentlich von ihm nur diesen Roman gelesen. Und ob es sich bei Phillippe Pascal eventuell um ein Pseudonym handeln könnte, weiß ich leider auch nichts. Wer da also etwas mehr weiß, der mag sich gerne mit den entsprechend erhellenden Informationen hier per Kommentar melden.
Nun hatte ich den Roman LUZIFERS TOCHTER nicht zum ersten Mal gelesen gehabt. Genauer gesagt ist dieser Band 71 der einzige aus der Bastei-Reihe GRUSEL-SCHOCKER, der mir überhaupt noch als Heftroman privat vorliegt. Gelesen hatte ich ihn schon damals kurz nach erscheinen und hatte mich gleich so gepackt gehabt, das ich eben genau diesen Einzelroman nun nach vielen Jahren nochmals gespannt zur Hand genommen hatte. Doch würde es der Roman wirklich nochmals schaffen, mich wieder zu begeistern?Grundsätzlich ja ...
... auch wenn die gebotene Satzform mitunter langsam ein wenig aus der Zeit gefallen scheint. Aber damit konnte ich auch jetzt durchaus gut leben. Denn Pascal bedient sich hier keiner englischen Schlösser und dergleiche, sondern führt uns in eine ländliche Regionen Frankreichs, irgendwo mit jeder Menge Wälder und einem Berg mit Namen "Montagne du diable", wo in der Walpurgisnacht die Hexen aus ganz Frankreich ihren Hexensabbat mit dem Teufel selbst zelebrieren wollen.
Die Hauptrolle spielt dabei ein junger Arzt, dem seine geliebte Ehefrau immer mehr durch das okkulte Treiben von Hexen entrissen wird. Aber es geht auch um Reinkarnation, dunkle Geheimnisse aus einer ebenso dunklen Vergangenheit und einer offenbar zeitlosen Rache. Recht gut gelingt es dabei dem Autor so ziemlich alles in die Handlung einzubauen, was hinsichtlich Hexen so bekannt sein dürfte.
Und so findet man hier nicht nur als Beispiel den magischen Ring aus Pilzen (hier sind es giftige Satansröhrlinge) wieder, sondern auch die dunkle Handhabung von christlichen Hostien, den Nutzen der Hexenbesen, die Anwendung von Salz in der Magie, oder die Herstellung von Flugsalben mittels toter ungetaufter Babys. Aber auch auf den legendären "Hexenhammer", verfasst von den Dominikanermönchen Jakob Sprenger und Heinrich Insitorius aus dem Jahre 1487 geht der Autor ein, wie auch auf das Hexen-Einmaleins aus Goethes Faust. Und so ganz nebenbei gelingt es dem Autor auch, gleich mehrere Figuren aufzubauen, die allerdings nicht alle das Ende des Romans auch lebend erleben werden. Und auch das Ende weiß hier zu überraschen, indem es nicht das übliche Happy End umsetzte, welches man nicht nur durch die vielen Heftroman-Helden, sondern auch aus unzähligen Märchen her kennen dürfte.
Aber auch die nötige mystische Atmosphäre wusste Philippe Pascal recht eindrucksvoll aufzubauen, wobei man gleich irgendwie als Leser auch in einen wunderbaren grünen Landstrich von Frankreich einzutauchen glaubt. Und das will was heißen, denn wenn PROFESSOR ZAMORRA in seiner eigenen Bastei-Romanserie auf sein Schloss in Frankreich einzieht, hatte er mir dieses französische Flair damals nur recht selten wirklich glaubhaft vermitteln können. Philippe Pascal hat jedoch in diesem Punkt durchaus hier ein Händchen dafür, mit seiner Art zu schreiben auch die passenden Bilder in meinem Kopf zu entwickeln.
Einzig negativ sind die wenn auch wenigen Fehler im Roman, die sporadisch im Text auftauchen. So stand im Original im dritten Zitat aus dem Roman nicht wie oben (wurde von mir nachträgich im Zitat berichtigt) "...an der Oberfläche" sondern "...an der Oberflüche". Als weitere Beispiele könnte ich gleich mal auf die Seite 53 verweisen, wo es gerade zu mehreren groben Fehlern kam. So steht hier in Spalte 2 statt "... dabei anzuwendende Folter." im Original, " ... dabei anzugenwenden Folter." Oder etwas darunter steht dann "... was hat dieses Buch mau mit ...", wobei ich mich ehrlich frage, was dieses "mau" im gesamten Satz bedeuten soll. Nicht das mich das nun hier jetzt extrem gestört hätte, aber da können die mal sehen, was man selbst von einem nicht gerade kleinen Verlag so geboten bekommt, die sonst hier im Zauberspiegel mitunter gerne die Rechtschreibung von den entsprechenden Autoren der Artikel kritisieren.
Mein Fazit:
Der Roman von Philippe Pascal greift bei allen recht klassischen Infos zu den früheren Hexen seit dem Mittelalter und der bildhaften Schilderung der ländlichen Umgebung durchaus auch moderne Akzente auf, um die Geschichte selbst in die Gegenwart zu überführen. Ich persönlich fand mich da irgendwie in die 1970er bis 1980er Jahre abseits der belebten Zentren versetzt, wo Moderne und Tradition eine höchst eigene Einheit bilden können.
Zwar erleben auch hier am Ende die bösen, ja dämonischen Wesen ein radikales, ja sogar grausiges Ende. Doch Pascal erspart uns hier aber auch glücklicher Weise die gängigen wie unlogischen Dummheiten diversen "Helden" entsprechender Heftromane des Genre, die laut ihrer Autoren die dämonischen Gegner für immer töten können. Denn wie soll man etwas entgültig töten, was eigentlich in dieser Form nie hätte leben dürfen? Oder anders gesagt, die Autoren der entsprechenden Horrorromane im Heftformat haben der Einfachheit halber gleich zwei verschiedene Tode erfunden. Nämlich einmal den, bei dem z.B. Vampire oder Zombies wieder zurück in die Welt der Lebenden kommen und dann den entgültigen Tod, der meist nur durch ihren Serienhelden und dessen Wunderwaffen dann die höllischen Kreaturen ereilen kann. Diese höchst unlogische Herangehensweise wird zwar von den Autoren der Heftromane nicht plakativ der Leserschaft um die Ohren gehauen, sondern gut verpackt in der Handlung verbraten. Wirklich glaubhafter wird der Kampf gegen die Wesen der Finsternis durch deren Helden wie Professor Zamorra oder John Sinclair aber deshalb nicht. Da präsentiert uns Pascal ganz zum Schluss deshalb auch eine recht kurze wie galante, aber auch nachvollziebarere Lösung, wenn es um wirklich intelligente Geschichten aus dem Bereich des Horror geht.
Das dieser Roman der Reihe GRUSEL-SCHOCKER überhaupt all diese Jahre bei mir den drohenden Papiercontainer überleben konnte, lag eben auch genau daran, dass er gegenüber den handelsüblichen Heldenfiguren der Horror-Heftromane wirklich spannend und interessant von Anfang bis Ende aufgebaut wurde. Pascal macht hier jedenfalls nicht den tödlichen Fehler, einen Krimi zu schreiben, bei dem man die Gangster einfach nur durch Vampire, Dämonen oder eben Hexen austauscht, um dies dann als einen "guten Horrorroman" zu verkaufen. Eventuell hätte ich ja sogar noch drei oder vier weitere Romane der Reihe GRUSEL-SCHOCKER irgendwo im Schrank aufbewahren können. Da handelte es sich aber durchgängig um Romane zur Figur REVEREND PAIN. Aber den beinharten Bruder des Glaubens der auf dem Motorad eine postapokalyptische Zukunft mit jeder Menge höllischer Kreaturen durchstreift, habe ich ja auch in insgesamt 6 schönen Hardcovern aus dem Zaubermond Verlag in meiner Sammlung. Von daher wanderten die drei bis vier Hefte auch irgendwann ins Altpapier, weil mir Bücher nun doch eher liegen als diese Heftchenflut mit dem dünnen Billigpapier.
An LUZIFERS TOCHTER kommt man wenn, dann wirklich nur als gebrauchten bzw. gelesenen Heftroman heran. Man muss nur schauen, wer dieses Heftchen überhaupt für Sammler noch lesenswert bereithält (und für welchen Preis). Wer aber günstig an diesen Roman von Philippe Pascal gelangen sollte, dem kann ich nur empfehlen, hier einmal beherzt zuzugreifen.
Luzifers Tochter
Kommentare
Schön das er auch wieder für den GESPENSTER-KRIMI neue Romane beisteuert.