Verlangt dem Leser einiges ab - »The Haunted Vagina« und »Ugly Heaven«
Verlangt dem Leser einiges ab
»The Haunted Vagina« und »Ugly Heaven«
»The Haunted Vagina« und »Ugly Heaven«
Zum einen sind gerade Novellen, die ansonsten knapp um die 100 Seiten umfassen immer irgendwie ein kleines Problem. Für den Verlag ist es erstens eine reine Kosenfrage, die natürlich sich auch zweitens im Preis für den Kunden niederschlägt. Zwei Umstände also, die auf beiden Seiten bei solchen Novellen nicht gerade nur Freude hervorrufen können. Zumeist findet man solche Novellen dann in sogenannten Anthologien mit anderen Kurzgeschichten wieder. Nur leider scheint auf dem deutschen Buchmarkt auch der Bereich für Anthologien nicht gerade wirklich der Renner in der Leserschaft zu sein.
Schade eigentlich, denn es gibt durchaus Kurzgeschichten und Novellen, welche man eigentlich durchaus gelesen haben sollte und die richtig fetzig einschlagen können. Würde man diese für ein Buch von sagen wir mal 300 Seiten künstlich aufblähen, ginge unter dem Strich oft sogar verdammt viel von der Faszination verloren, welche in der Kürze auf den Punkt gebracht wird.
Ab einer gewissen Seitenzahl ist hierbei so ein "Double" durchaus eine witzige wie auch durchaus logische Alternative. Die Idee ist übrigens nicht neu bei Büchern, jedoch seit vielen Jahren eigentlich wieder fast völlig in Vergessenheit geraten, was man durchaus auch wieder als recht traurig bezeichen könnte. Da hatte dann z.B. der FESTA Verlag gerade im Bereich der Extrem-Reihe diese durchaus logische Idee wieder aufgegriffen z.B. mit zwei Novellen wie EINE NACHT IN DER HÖLLE des Autors Nate Southards (ca. 96 Seiten) und der Novelle SEIN SCHMERZ des Autors Wrath James White (ca. 128 Seiten). Hat man da die eine Novelle gelesen, dreht man das Taschenbuch einfach um (wobei man das Cover der vorherigen Geschichte auch quasi auf den Kopf stellt) und blickt so auf der Rückseite auf das Cover der anderen Geschichte, die man nun beginnen kann zu lesen. Die Idee mit den Covern auf beiden Seiten des Umschlag nennt man übrigens "Wendecover". Der Begriff dürfte wiederum bekannter sein bei DVDs oder BDs, wo man beidseitig das Cover hat, wobei auf dem gewendeten Cover allerdings der zugegeben störende Aufdruck des Logos der "Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft - FSK" dann fehlt und man so endlich eine freie Sicht auf eben ein tolles Filmcover besitzt.
Nachdem der FESTA Verlag diese recht schöne Idee des Double wieder aufgegriffen hatte, kam man später auch beim Verlag VOODOO PRESS auf die Idee, hier z.B. bei diesen zwei Novellen von Carlton Mellick III nachzuziehen. Wer hier allerdings noch aufgrund meines Artikels sich dieses Double mit den Geschichten THE HAUNTED VAGINA und UGLY HEAVEN zulegen will, der sollte z.B. über Amazon nicht unbedingt den Kauf auf die lange Bank schieben, denn der Verlag VOODOO PRESS liegt gerade bei den Genre-Fans bekanntlich in den letzten Zügen und schließt seine Pforten. Zwar hatte man sich über die Jahre sehr viel Mühe gegeben, ein recht ansprechendes Programm im Bereich der Phantastik aufzubauen, jedoch glänzte man hier leider auch oft mitunter durch so einige Fehler seitens der Rechtschreibung innerhalb der Übersetzungen (was ich nun nicht unbedingt als wesentlich betrachte, denn die findet man eventuell auch bei manchen Büchern der wirklich großen Verlage, wenn auch etwas seltener). Da kann und darf man aber auch mal drüber hinwegsehen, zumal man auch selbst nicht unbedingt perfekt sein dürfte. Aber die Kritiken aus der Leserschaft waren durchaus in diesem Punkt vernehmbar. Gewichtiger dürfte hingegen die Kritik bei den Fans der jeweiligen Genre gewesen sein, dass die angekündigten Erscheinungstermine der Romane häufiger im Bereich des Wunschdenkens lagen und sich enorm verschieben konnten. Da fragte man sich öfter schon nach einigen Wochen bis Monaten Verzögerung, ob das angekündigte Buch überhaupt noch erscheinen würde.
Was dieses Double zu zwei Novellen von Carlton Mellick III betrifft, so kann ich hier schon einmal von einer sehr angenehmen Übersetzung ebenso sprechen wie von einer durchaus sehr guten Verarbeitung des Taschenbuch (bei letzterem gab es bei VOODOO PRESS allerdings auch nie etwas zu bemängeln).
Doch kommen wir nun, nachdem wir hier einen ausführlichen Einblick über die wie gesagt recht witzige wie auch sinnige Form usw. genommen haben, zu den eigentlichen zwei Novellen. Vorab möchte ich hier allerdings auch darauf hinweisen, das Carlton Mellick III kein reiner Horror-Autor, oder beinhart in den klassischen bis bekannten Fantasy-Welten verwurzelt ist. Vielmehr ist Carlton Mellick III einer der wohl bekanntesten Autoren des sogenannten Bizarro Fiction, in dessen Handlungen sich sehr wohl bizarre, groteske wie auch satirische Elemente stets gerne die Hände reichen. Auch sonst können seine Geschichten nie wirklich auf die Genre Fantasy, Horror oder Science Fiction festgenagelt werden. Ich persönlich vergleiche die Werke von Carlton Mellick III eher recht gerne mit einer Tüte Colorado von Haribo, wo für jeden was dabei ist, egal ob man mehr auf Weingummi oder Lakritz usw. stehen mag. Bücher wie ULTRA FUCKERS, ADOLF IM WUNDERLAND oder DIE KANNIBALEN VON CANDYLAND (alle bereits bei FESTA erschienen) sprechen hier eine durchaus recht klare Sprache. Doch hier nun zur ersten Geschichte:The Haunted Vagina:
Wie Steve seine spätere asiatische Freundin Stacy kennenlernt, ist schon so ein Fall für sich, denn sie schlafen auf dem Heimweg in einem öffentlichen Verkehrsmittel glatt übereinander ein. Und weil Stacy gerne kuschelt, verbringt man auch bald gemeinsame die Nächte im Bett zum schlafen. Jedoch ohne zuerst dabei vorher oder danach Sex zu haben.
Das sich die beiden dann doch richtig ineinander verlieben und es auch zum häufigen Beischlaf (also mit Sex) kommt, entsteht aus der Situation heraus, in der Stacy anhand einer misslichen Situation eines Obdachlosen sieht, was für ein netter Bursche Steve doch eigentlich ist, auch wenn sie seinen Vornamen einfach nicht mag.
"Was soll ich denn tun?"
"Ich weiß es nicht ... Einen Priester rufen?"
"Und was soll der tun? Ein Kreuz reinstecken und die Geister vertreiben?"
(Zitat: The Haunted Vagina/Seite 6)
Doch dann hört Steve eines Nachts leises Flüstern und sogar entfernte Schreie die scheinbar direkt aus Stacys Vagina kommen. Die nimmt das ganze eher locker und erzählt Steve, dass ihre Muschi verflucht sei, dieses ihre früheren Sexualpartner allerdings sogar angemacht hätte. Dem kann Steve jedoch nicht wirklich etwas abgewinnen. Als sich dann nach dem Sex auch noch ein ausgewachsenes, lebendes Skelett sich aus ihrer Vagina schiebt, ist für Steve der Horror perfekt.
Stacy indessen ist nun absolut davon überzeugt, dass ihre Vagina faktisch das Tor zu einer völlig anderen Welt ist, so das sie Steve anfleht, in sie hineinzukriechen, um diesen wohl feuchten wie seltsamen Ort zu erforschen.
"Bist du verrückt geworden?" fragte ich sie. "Ein Team? Möchtest du ein paar Höhlenforscher einladen und die Beine für sie breitmachen?"
(Zitat: The Haunted Vagina/Seite 48)
Gestaltete sich die erste Rückkehr schon für Steve aus Stacy recht problematisch, so scheint bei der zweiten inneren Forschungsreise von Steve zwischen den Schenkeln seiner Geliebten die Rückkehr fasst unmöglich zu werden. Denn nun trifft er in dieser seltsamen Welt auf das ebenso sehr seltsame wie irgendwie auch attraktive Mädchen Fig mit zwei Hörnern auf dem Kopf, welche ihn nicht mehr durch die Vagina von Stacy entkommen lassen will, da sie schließlich dauerhaft jemanden zum spielen sucht.Mein Fazit:
Das Leseerlebnis ist schon von einer verdammt einzigartigen Natur mit einem Hauch gruseliger Momente, wirklich bizarren Bildern, die sich beim lesen im besagten Kopfkino bilden und darüber hinaus sogar dabei eine recht seltsam berührende Liebesgeschichte zutage fördert. Die Handlung an sich, so verrückt und grotesk sie sich auch anhören mag, zauberte mitunter bei mir nicht nur ein Lächeln über das gelesene in mein Gesicht. Da war auch der eine oder andere Lacher durchaus vorprogrammiert.
Nun kann ich die Art und Weise, wie Steve es nun schafft, durch die Vagina von Stacy in diese seltsame, verfluchte Welt zu rutschen nun nicht kurz in einem Satz beschreiben, denn man muss es einfach gelesen haben um diesen wahrhaft satirischen Einfall auch entsprechend würdigen zu können. Hierzu muss man allerdings auch festhalten, dass in den vielen Geschichten eines Carlton Mellick III nichts wirklich unmöglich erscheint.
Statt langer Rede hier nun meine Bewertung, die ich mit vollen fünf von insgesamt fünf Punkten würdigen kann, zumal es dem Autor hier perfekt gelingt, nicht auf den Knopf für ekeleregende Szenenbeschreibungen zu drücken, dafür bei mir allerdings sogar eine Träne beim Lachen zu entlocken verstand. Das schließt natürlich eine klare Leseempfehlung für THE HAUNTED VAGINA gleich mit ein.UGLY HEAVEN:
Das, was man sich nach dem Leben als Himmel vorstellt, sollte man am besten völlig vergessen. Denn dieses Paradies verfügt seit langem schon nicht mehr über die biblischen Wunder und auch nicht über die Unsterblichkeit der Seele. Dieses Jenseits liegt vielmehr in Trümmern, in welchen man von fremden Schatten verfolgt und man z.B. mit ekeligen roten Würmern konfrontiert wird. Dabei trifft man auf menschliche Wesen in den verschiedensten bunten Farben, neuen Eindrücken die man nicht wirklich zuordnen kann und ständigst masturbierenden kleinen und dicken Engeln ohne Verstand, welche nur deshalb um die Wette rubbeln, weil sie sonst keine Luft mehr zum atmen bekommen.
Über den schleimigen schwarzen Hügeln hinaus befinden sich Hunderte menschenförmige Schatten im Grasland. Sie stehen ihnen wie eine Armee gegenüber.
(Zitat: Ugly Heaven/Seite 12)
Zwei Männer erwachen in dieser völlig fremdartigen Welt in völlig seltsamen Körpern und ohne jegliche verwertbaren Erinnerungen an ihr früheres Leben. Da der eine am Baum hing, trägt er nun den Namen "Baum" und der andere wird vom gelbhäutigen Baum nun "Lachs" genannt wegen dessen seltsamer Hautfarbe.
Als sie auf weitere Bewohner dieses seltsamen Paradies stoßen, hoffen sie auf Antworten, welche ihnen allerdings kaum gegeben werden. Vielmehr wird man hier anhand der jeweiligen Hautfarbe bewertet, egal ob man Gelb, Braun, Blau oder etwa Rot ist. Jedoch gibt es hier auch einen unterschwelligen Rassismus gegen die mit rosafarbener Haut, wie Lachs leitvoll erfahren muss.
"Engel waren die erste Empfindung Gottes und wurden lange vor der Menschheit erschaffen. Sie sind äußerst fehlerhaft, nicht gut genug, um Kinder der Erde zu sein, also warf er sie beiseite und vergaß sie. Sie verfügen über keine Sprache und sind auch nicht sehr intelligent. Ihre Glieder funktionieren kaum. Sie sind in gar nichts wirklich gut."
(Zitat: Ugly Heaven/Seite 36)
Sowohl Baum als auch Lachs müssen feststellen, das dieses scheinbare Jenseits ein zutiefst hässlicher Ort ist, der seine ganz eigenen, verwirrenden Gesetze und Schrecken für sie bereit hält.
Geplagt von Fetzen früherer Erinnerungen, die Baum nicht wirklich zuordnen kann, macht er sich auf die Suche nach Antworten, scheinbaren Alternativen und Verbündeten. Doch das, was eigentlich hätte das Paradies sein sollen, entpuppt sich mehr und mehr als eine Hölle der ganz bizarren Art.Mein Fazit:
Man stelle sich eine Welt vor, in der eigentlich nichts so sein kann, wie es ist. Eine Welt in der man Dinge sieht, die man nicht beschreiben kann, weil man sie so nicht mit dem bisherigen menschlichen Verstand erfassen könnte. Eine Welt, in der man z.B. die Furcht anderer auf der Zunge schmecken kann, ohne sie zu sehen, dürfte selbst für den Leser mitunter recht surreal wirken.
Carlton Mellick III topt das ganze dann noch etwas, indem er seine Protagonisten jeglicher verwertbarer Erinnerung an ihr früheres Leben beraubt, sobald sie in diesem scheinbaren Jenseits erwachen. Einer Welt, in der sie irgendwann nochmals sterben werden um sich dann jedoch im völligen Nichts aufzulösen. Nichts ist hier normal, nicht einmal die jeweilige Hautfarbe. Und selbst das, was über Gott oder dem Paradies im Gedächtnis hängen geblieben ist, wird hier völlig auf den Kopf gestellt.
Hier wird seitens des Autor Carlton Mellick III vom Leser schon einiges abverlangt. Muss er sich hier doch im Kopf beim lesen eine Welt vorstellen, die surrealer kaum sein könnte und das nicht nur in der optischen Ausprägung, sondern auch im Empfinden seines Hauptcharakters Baum, welches zwar kein Name ist, aber mangels Erinnerungen ebenso seinen Zweck bei ihm erfüllt.
Von der gesamten Art ist UGLY HEAVEN völlig anders gelagert als THE HAUNTED VAGINA. Satirische Elemente sind hier wenn, dann nur als Spurenelemente noch wahrnehmbar und auch wenn die jeweiligen Hautfarben oder Färbungen mancher niederen Tiere (wie z.B. Würmer die sich schlangenartig fortbewegen) hier ziemlich farbenfroh geschildert wird, so verbreitet dieses Jenseits beim lesen eher graue bis tiefste Dunkelheit. Das Prinzip Hoffnung ist hier nicht mehr als ein Wort ohne wirkliche Bedeutungskraft.
Trotz allem muss ich sagen, dass mir THE HAUNTED VAGINA durchweg etwas besser gefallen hatte, so das ich diese Geschichte mit Begeisterung in einen Rutsch gelesen hatte. In UGLY HEAVEN kommt man zwar trotz der geschilderten surrealen Beschreibungen und in Worte gefassten, ebenfalls mitunter surrealen Empfindungen durchaus gut hinein und es lässt sich mit einer recht kurzen Gewöhnungszeit (was die gewünschten Bilder bei mir im Kopfkino betraf) durchweg flüssig lesen, doch hatte ich in Sachen Spannung mitunter mit der einen oder anderen Länge zu kämpfen. Oder anders gesagt, es viel mir bei UGLY HEAVEN durchaus einfacher, das Buch zwischendurch auch mal für einige Zeit beiseite zu legen, auch wenn man es von der Seitenzahl her hätte ebenfalls in einem Rutsch beenden können. Ich wurde jedenfalls nicht so ganz warm mit dieser Geschichte, welche durchaus über manche interessante Details und Ideen verfügte. In der Gesamtheit betrachtet, kommt UGLY HEAVEN bei mir jedoch in der Bewertung nicht höher als eine drei Plus von insgesamt fünf möglichen Punkten. Betonen muss ich allerdings hierbei, dass dies weniger an der Geschichte selbst liegen dürfte, sondern meine Bewertung eher klar dem persönlichen Geschmack geschuldet ist.»The Haunted Vagina« / »Ugly Heaven«
Kommentare
Stimmt. Wobei man sagen muss, das Bizarro-Fiction es auch ziemlich schwer hatte, von den Lesern aufgenommen zu werden. Dabei kann es gut gemacht, wie oben bei den zwei Novellen durchaus Spaß machen und spannend sein. Man muss halt nur sehr offen für skurrile Schilderungen und Darstellungen sein. Halt irgendwo eine kleine bunte Welt für sich.