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Dämonen, Mythen und ein gewandelter Redneck - Der Hornbrecher

Der HornbrecherDämonen, Mythen und ein gewandelter Redneck
Der Hornbrecher

Es war einmal in dem kleinen Städtchen DeSmet in South Dakota, USA. Da wuchs der kleine Dean Logan auf einer großen Ranch heran und wurde von seinem Daddy auf die Gefährlichkeit der langen Hörner der örtlichen Rindviecher hingewiesen, die einen locker aufschlitzen und dessen innere Organe über jeden Kuhfladen in der Gegend verstreuen konnten. Und so lernte er begierig das Handwerk des Hornbrechers.

Der HornbrecherUnd mit der hierfür nötigen Zange wurde er bald der Beste der Besten in dieser Disziplin.

Und so wächst unser kleiner Dean heran, wie es sich eben im tiefsten Hinterland einer Supermacht gehört. An den Wochenenden (und auch sonst) geht man keiner Prügelei aus dem Weg und wenn er den jungen Bullen nicht gerade die Hörner aus dem Schädel dreht, dann werden die Herzen der geschlechtsreifen Mädchen reihenweise gebrochen, indem man sie bespringt und mit einem Orgasmus versorgt, bei dem sie ihr Hirn gleich freiwillig gegen das nächste Scheunentor werfen.

Er war ausgeweidet und aufgespießt worden, so wie die sechs anderen Kinder, die dort zwischen zwei Eichen lagen, sauber aufeinandergestapelt wie Mastfutter für Kälber.

(Edward Lee: Der Hornbrecher/Seite 106 - 107)

Da ist dann auch die hübsche Arianne, für die Dean die große Liebe ihres Lebens ist, auch wenn er ihr schon mal ein paar um die Ohren klatscht, wenn sie ihm auf die Nerven geht. Doch der junge Dean Logan will mehr vom Leben als nur Hörner knacken und Mädchen direkt auf dem Fußboden nageln. Und so verlässt er eines frühen Morgen (oder war es mitten in der Nacht?) die Ranch und das kleines Örtchen DeSmet um in Seattle, der größten Stadt im Nordwesten der Vereinigten Staaten, ein völlig neues und völlig anderes Leben zu beginnen.

Der Abstieg vom harten Kerl zum Weichei:
Dort trifft er dann auch recht bald auf seine zukünftige Frau Daphne. Daphne ist eine umwerfend schöne junge Frau, bei der Dean nicht nur die Hosen sondern auch gleich seine derbe Männlichkeit an den nächsten Nagel hängt. Daphne hat (scheinbar) einen gehobenen Job und bringt richtig viel Geld in die heimische Haushaltskasse. Dafür muss sie allerdings auch (wiederum scheinbar) zu den unmöglichsten Zeiten zu irgendwelchen Sitzungen und Meetings, so das es in ihren Augen nun Deans Aufgabe ist, den gesamten Haushalt zu schmeißen, die Fußböden zu schrubben und möglichst noch etwas leckeres zum Abendessen zu zaubern. Und wenn er Glück hat, dann darf er auch vielleicht ein- oder zweimal im Monat an ihre Unterwäsche.

"Yeah, plastische Dunkelheit. Greifbarer schwarzer Äther aus dem Kosmos. Sie war sogar die Verkörperung des Bösen ... Weißt du, Dean, für so etwas gibt's Medikamente. Können wir ... jetzt einfach wieder heimfahren?"

(Edward Lee: Der Hornbrecher/Seite 149)

Ja, Dean Logan ist irgendwie zu einem richtigen Weichei in der großen Stadt mutiert, aber er scheint zumindest irgendwie glücklich dabei zu sein, unter den Pantoffeln einer so schönen Frau zu liegen (von stehen kann ja wohl keine Rede mehr sein). So geht sein Leben voran, bis das er plötzlich von seltsamen Gewaltvisionen heimgesucht wird, bei der er auch Daphne mal zeigt, wo bei ihm der Hammer hängt. Doch was mögen diese Tagträume nur bedeuten? Um dies herauszufinden, zieht er seinen Kumpel Ajax ins Vertrauen, mit dem er seine wenige Freizeit in einer Bar bei einem oder mehreren Bier verbringt.

Ajax ist indessen faktisch ein Redneck der Großstadt. Er ist nicht gerade schön und schlank und wohl auch nicht der sauberste Kerl unter gottes Himmelszelt. Dafür ist Ajax geil wie tausend Wanderameisen auf dem Kiegspfad (allerdings ohne wirklichen Erfolg bei den Frauen) und kennt sich so nebenher auch noch mit den Lehren von Sigmund Freud aus. Und ehe sich Dean versieht, gelingt es Ajax tatsächlich - neben der Tatsache, dass er Dean ständig erzählt, wie verdammt scharf er gerade wieder ist - festzustellen, dass in Dean seine frühere Persönlichkeit wieder versucht ans Tageslicht zu kommen. Also besteht die Gefahr darin, dass Dean mittlerweile eine gespaltene Persönlichkeit haben könnte, welche nun im Widerstreit miteinander liegen. Oder um es mal mit Ajax eigenen Worten zu sagen: Das sieht nicht gut aus.

Der HornbrecherDas Böse erwacht in DeSmet:
Diese hochgeistigen Gespräche über Freud, Deans Tagträume und Ajax unerfülltem Sexualleben werden jedoch eines Tages durch ein schlimmes Ereignis unterbrochen, welches sich in Deans heimatlichem Kaff DeSmet ereignen. Menschen verschwinden dort plötzlich und dann sogar Kinder. Und dann findet man auch noch Deans Vater, der nun mit aufgeschlitztem Körper in einem Krankenhaus um sein Leben ringt. Also ist Dean gezwungen, schnell ein paar Sachen zu packen und Ajax gleich mitzuschleifen (man will ja die psychologischen Sitzungen nicht ohne Grund abbrechen), um nach DeSmet zurückzukehren.

Pasiphae bebte vor Wut, als das Biest ... zu weinen begann. "Na, na, Liebling", tröstete sie ihn und schloss den gigantischen Stierkopf ihres Sohnes in die Arme. "Hör nicht auf die gemeine, böse Hure. Du bist ein wundervoller Liebhaber ..."

(Edward Lee: Der Hornbrecher/Seite 185)

Während für Ajax Dean zu einem wahren Helden wird, angesichts dieser Menge an hübschen Frauen die dieser dort alle mal flachgelegt hatte, wird für Dean selbst recht schnell klar, dass die grausamen Todesfälle einen nicht gerade natürlichen Ursprung haben können. Denn alles hängt mit der Gypsum-Mine zusammen, in der man über viele Jahre etwas entsorgt hatte, was man so nicht hätte ensorgen dürfen und einer von dort kommenden Dämonin, mit einem obsidianschwarzen Körper wie ein lebendiger dunkler Nebel. Und die hat einen ziemlich gewaltbereiten Sohn ... einem optisch wahren Monster.

Und als wenn dies noch nicht reichen würde, werden nun auch zwei Babys plötzlich vermisst, der Sheriff von DeSmet aufgeschlitzt und auch die von Dean und Ajax aufgefundene ehemalige große Liebe, Arianne (nun eine Junkie-Prostituierte gerade auf kaltem Entzug) wird von der Dämonin Pasiphae verschleppt. Zeit also für Dean, den Pantoffelhelden zu begraben und seinen "Hornbrecher" auszupacken, um dem Bösen mal zu zeigen, wie man auf dem Lande unliebsame Besucher "enthornt".

Der HornbrecherViele Tote, eine Dämonin, ein seltsamer Held und ...
... ich komme mitunter aus dem Lachen nicht mehr heraus. Aber irgendwo muss ich ja mal mit meiner persönlichen Kritik an dem Festa-Extrem-Band 28 mit dem Titel DER HORNBRECHER von Edward Lee anfangen.
Edward Lee dürfte ja eigentlich mittlerweile hier durch manche meiner Rezensionen schon gut bekannt sein. Lee ist der Autor, der in seinen Romanen - ob eher mit kleiner oder hoher Seitenzahl - gerne seine Leser mitunter sogar zum kotzen erfolgreich auf die Toilette treibt. Schließlich schreibt keiner so blutige, sexuell perverse und mitunter recht eklige literarische Knaller wie eben Lee. Schon einer meiner anderen Lieblingsautoren aus den USA, Richard Laymon gab schließlich damals zu, dass Edward Lee gleichbedeutend ist mit einer literarischen "Körperverletzung".

Also alles wie ghabt, so das man zartbesaitete Menschen also mal wieder vor diesem Roman von Lee eigentlich warnen sollte. Dabei vergisst man allerdings recht schnell, dass Lee auch ganz anders kann. Man nehme nur Romane wie HAUS DER BÖSEN LUST, SHIFTERS - RADIKAL BÖSE oder (ebenfalls vor kurzem erschienen) DAHMER IST NICHT TOT, in denen man kaum bis überhaupt keine von seinen derben Sexbeschreibungen und ekeligen Schilderungen über diverse Körperflüssigkeiten geboten bekommt. In diesem Punkt ist Edward Lee durchaus auch schon mal vergleichbar mit einer Wundertüte. Doch wenn er eben aufdreht, dann wird es glitschig, was mir an seinen Romanen und Kurzgeschichten durchaus recht gut gefällt. Dann treibt es Lee nämlich auf die Spitze und wenn die erreicht ist, ist seine Story schon so überspitzt, dass man diese eigentlich nur noch (aber vom Autor durchaus gewollt) mit einem Augenzwinkern und einem kleinen, schön schmutzigem Lächeln weiterlesen kann.

Daher kann man als Fan von Edward Lee sein Frühwerk, DER HORNBRECHER eigentlich nur lieben. Denn es steckt wieder alles drin, was man von einem Gore- und Porn-Autor schließlich erwartet. Also Grund genug für die Fans der eher gemäßigten bis seichten Horrorliteratur, dieses feine Taschenbuch nur mit Gummihandschuhen und aufgesetzter Gasmaske zu konsumieren. Und trotzdem wandelt diese Geschichte irgendwo zwischen den anderen Werken von Edward Lee.

Gut, manche dürften die Hauptfiguren Dean und Ajax als zutiefst Frauenfeindlich empfinden und was die in der Handlung Verstorbenen angeht, so bekommen wir auch hier nicht unbedingt immer nur die Fakten präsentiert, sondern auch genüßlich mal geschildert, wie man so eben zu Tode kommt. Und doch konnte ich mir innerhalb der Handlung nicht immer ein Grinsen verkneifen. Ja, so die eine oder andere kleine Spitze in Sachen Ekel kreiert uns Lee auch hier in DER HORNBRECHER, aber auch diese Szenen empfand ich hier eher als gemäßigte kleine Einschübe und weniger plakativ bzw. genüßlich vor dem Leser ausgebreitet.

Es macht einfach Spaß, der Figur Ajax zu folgen, der faktisch fasst schon in gehobener Form Sigmund Freud zitiert, um plötzlich auf die prallen "Titten" der Bedienung in der Bar überzuleiten. Es mag darüber hinaus sogar stimmen, dass die gesamte Geschichte durchaus recht vorhersehbar erscheint, und doch war ich gegen Ende überrascht. Nicht so sehr in Sachen Handlungsverlauf, sondern eher in dem Punkt, wie Lee hier plötzlich mein Zwerchfell als Leser strapazierte. Da gibt es dann vor dem Showdown noch eine Vergewaltigungszene, bei der ich aus dem Lachen nicht mehr heraus kam (Warum? Nun, dass müsstet ihr eigentlich ja selber lesen). Und dann erst das "Monster" selbst, mit dem man schon fasst Mitleid empfinden könnte, wenn Arianne anfängt, nach der "Vergewaltigung" ihn wortwörtlich nieder zu machen. Da hatte ich schon vor Lachen Pipi in den Augen und drohte vom Sofa zu fallen. Und dann kommt Dean, der strahlende Held mit seinem "Hornbrecher", wobei mir langsam schon der Bauch weh tut. Und als wäre das nicht schon genug, versucht er in Seattle noch seine ach so geliebte Daphne zu holen. Zehn Seiten war dies Edward Lee nochmals wert und am Ende lag ich mit Pipi im Auge dann doch lachend neben dem Sofa. Das war schon kein Horror mehr, sondern gehobene Kunst.

Ja, DER HORNBRECHER hat durchaus seine derben und brutalen Stellen und hier oder da darf man sich dann auch ein wenig ekeln. Aber generell sorgte die Handlung bei mir dann doch für eine recht amüsante Unterhaltung. Gegen Ende dreht dann Edward Lee in diesem Punkt nochmals richtig auf und präsentiert uns ein durchaus vorhersehbares Ende, welches dann doch so einmalig die scheinbar bekannten Situationen verdreht, dass man aus dem Lachen heraus merkt, wie schlimm Bauchschmerzen selbst in glücklichen Momenten werden können. Schon dieser wirklich einmalige Showdown ist es Wert, dem Roman DER HORNBRECHER die vollen fünf von insgesamt fünf Hörnern als Bewertung zu verleihen. Dies aber auch deshalb, weil man bei dem eher zuerst gemächlichen Anfang der Handlung noch nicht zu erahnen vermag, in welche skurrilen Höhen Edward Lee diese Geschichte noch zu schrauben gedenkt.

Wer also nicht gerade auf der Weichei-Schiene fährt, derbe wie auch blutige Geschichten liebt und bei Sexszenen nicht gleich  in den nächstliegenden Beichtstuhl rennt, dabei aber auch vor Lachen nicht erst den Abstieg in den Keller antritt, der sollte bei DER HORNBRECHER schnellstens zugreifen. Hier kommt man nämlich in allen Punkten voll auf seine Kosten und zwischendurch lernt man sogar noch etwas über die Seelenanalyse eines Sigmund Freud.

In den USA gibt es das Original THE HORN-CRANKER zusammen in einem Band mit THE MINOTAURESS zu lesen, wobei hier das Buch selbst nur unter dem Titel THE MINOTAURESS erscheint und THE HORN-CRANKER als zweite Novelle im Band zu finden ist. In Deutschland (Festa Verlag) erscheinen beide Geschichten getrennt als eigenständige Buchausgaben, wobei DIE MINOTAURESS bereits 2015 als Festa-Extrem-Band 15 erschienen ist.

Es sei aber auch darauf hingewiesen, das es sich hier um ein Festa-Extrem-Band handelt, welches man als Privatdruck eben nur direkt über den Verlag bestellen muss. Schließlich sind solche genialen Bücher nichts für den Buchhandel, aber für Fans der härteren Literatur.

Der HornbrecherDer Hornbrecher
(The Horn-Cranker)
von Edward Lee
Originalausgabe: Verlag Necro Publications/USA 2002
Deut. Erstausgabe: 2017/Festa-Extrem-Band 28
Genre: Horror
Seitenanzahl: 208 Seiten
Übersetzung: Bernhard Reicher
ISBN: Ohne/Nicht über den Buchhandel beziehbar
Preis: 12,99 Euro
FESTA
Altersempfehlung: 18 Jahre
Bezug über: Festa-verlag.de

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