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Zwei Geschichten für ein Buch – Richard Laymon: Die Spur

Richard Laymon: Die SpurZwei Geschichten für ein Buch
Richard Laymon: Die Spur

Die Eltern sind außer Haus, die Tochter fühlt sich wohl und gedenkt statt auf Partys zu gehen oder mit Freunden um die Häuser zu ziehen, einfach mal sich schlafen zu legen. Doch diese Nacht ist anders.

Ihre Luft ist erfüllt von Leiden, unaussprechlichen Qualen und den Schatten des Todes. So könnte man den Beginn des Romans eigentlich treffend beschreiben.


Richard Laymon: Die SpurWelche Qualen und Leiden die junge Rhonda Bain vor ihrem Tod zu erleiden hat, diese Einsicht bleibt uns als Leser versagt. Dass sie dem Tod nicht entkommt, erfahren wir etwas später, quasi wie jeder andere, der die Zeitung aufschlägt und die neusten Meldungen liest. Trotzdem beginnt der Roman recht vielversprechend und äußerst spannend mit dem Geräusch von zersplitterndem Glas.

Eigentlich müssten vielen schon aufgefallen sein, dass ich ein absoluter Fan von den Romanen Richard Laymons bin. Der Mann hat es einfach drauf und enttäuschte mich dabei nur recht selten.  Gut, in der allgemeinen Schaffensperiode gibt es bei jedem Höhen und Tiefen. Manches erscheint genial, anderes (vielleicht) nur gut und wenn mal eine Story oder eine Kurzgeschichte nicht so sprudelnd ist, wie man zuerst erhofft hatte, dann verzeiht man es dem Autor trotzdem, weil er einem ja vorher schon viele Stunden voller Spannung und Freude beschert hatte. Dabei ist Richard Laymon wie schon so oft von mir (aber auch vielen anderen) gesagt, eher polarisierend.

Weder mag man seine Art zu schreiben, oder man kann mit ihr nicht warm werden. Doch auch das trifft eigentlich auf jeden anderen Autor in gewisser Weise zu. Im Heyne Verlag geht es daher mittlerweile wohl, was die Romane von Laymon angeht, langsam in die Zielgeraden, während sich der Festa Verlag dankenswerter Weise wohl noch um seine Kurzgeschichten für den deutschen Markt kümmert. Leider ist Laymon ja viel zu früh verstorben, so das man nur noch an die Geschichten heran kommen kann, die er zu Lebzeiten verfasst hat. Man kann aber auch sagen, dass die wohl stärksten Romane aus seiner Feder bereits auf dem deutschen Markt erschienen sind. Der zuletzt erschienene Roman DIE SPUR von Richard Laymon lässt mich hierzu mit etwas gemischten Gefühlen zurück. Denn wenn man es genau betrachtet, dann handelt es sich hier schon fasst um zwei Geschichten, die jede für sich stehen könnte, aber gegen Ende zwar Effektvoll aber doch schnell noch miteinander verknüpft werden. Hinzu kommt erst ziemlich spät eine Figur, die zwar Spannung erzeugen soll, aber nicht wirklich wichtig für den Roman im Ganzen ist und mitunter dann sogar in der Gesamthandlung etwas störend wirkt. Warum das so ist, klären wir etwas später.

Aufgrund dieses Vorgehens von Laymon hinsichtlich des Romans DIE SPUR (Originaltitel: NO SANCTUARY) werde ich die Einführung in drei Bereiche gliedern, um damit ein besseres Verständnis für die Leser dieser Rezension zu ermöglichen.

Richard Laymon: No SanctuaryIm tiefen Wald:
Rick könnte sich vieles Vorstellen, nur nicht seinen Urlaub in den Wäldern der USA zu verbringen, doch genau das möchte seine hübsche Freundin Bert um jeden Preis. Nicht das Rick Wälder explizit hassen würde, aber was Bert nicht weiß ist der Umstand, dass Rick in seiner Jugend ein prägendes, ja grausames Erlebnis bei einer dieser Ausflüge mit seinem Vater und dessen neuer Lebensgefährtin widerfahren ist, dass ihn nie wieder los gelassen hat. Andererseits geht es aber hier um die Frau, die Rick liebt und die er daher auch nicht vor den Kopf stoßen möchte. Das er auf dieser Tour, die ihm keine gefühlsmäßig ruhige Minute mehr gönnt eine Pistole mitnimmt, verheimlicht er Bert vorsorglich.

Seine Alarmglocken beginnen aber in dem Moment zu läuten, als sie auf drei junge Burschen treffen. Nun weitet sich seine Besorgnis zu einem rechten Verfolgungswahn aus. Zwar verliert man sich für das erste wieder aus den Augen, doch schon kurz darauf befinden sich die Mädchen Andrea und Bonnie im Schlepptau von Rick und Bert. Für Rick sind sie zwei weitere potentielle Opfer der Burschen, denen er nicht über den Weg traut und die recht bald wider in Erscheinung treten. Doch nicht nur diese Jungs machen Rick zunehmend nervös, denn plötzlich taucht auch noch so ein verrückter alter Einsiedler mit Namen Angus in Erscheinung. Doch diesen komischen Kautz hat Rick nicht wirklich auf seinem Gefahrenradar. Doch manchmal kommt es vielleicht anders als man denkt.

Aus der Sprechmuschel sprühte Blut. Der rote Regen spritzte Gillian ins Gesicht und ließ sie erblinden. Sie schrie auf, taumelte rückwärts, stolperte, stürzte wie in Zeitlupe zu Boden und fuhr ruckartig aus dem Schlaf hoch.

(Die Spur / Seite 26.)

Verwaiste Häuser:
Gillian ist ein recht junges, hübsches Mädchen mit einem recht eigentümlichen Hobby. Sie späht Häuser aus, deren eigentliche Besitzer und Bewohner offensichtlich verreist sind. Dabei ist sie keine Diebin, die es auf das zurück gelassene Hab und Gut der Bewohner abgesehen hat. Gillian liebt eher den Nervenkitzel wenn sie sich heimlich in diesen Häusern für eine weile einquartiert. Dies macht sie dann auch mit Umsicht und einer gewissen Perfektion, denn dieses Hobby dürften den örtlichen Polizisten weit weniger Freude bereiten. Doch für Gillian hat sich dieser Nervenkitzel bereits zu einer Art Sucht ausgeformt und sie ist dabei schon das eine oder andere mal in eine brenzlige Situation geraten. Doch bisher ging alles gut und aus Fehlern lernt man bekanntlich am besten.

Doch heute beginnt sie mit Fehlern, die ihr besser nicht unterlaufen sollten. Zum einen entwickelt sie Gefühle für Jerry aus dem Nachbarhaus. Doch was würde passieren, wenn er heraus bekommt, dass sie nicht eine Verwandte des Eigentümers ist, die während seiner Abwesenheit das Haus hütet. Und dann eben dieses Haus selber. Ihr Unbehagen in diesem Haus steigert sich ersichtlich, denn der Besitzer scheint nicht nur einige sehr seltsame bis erschreckende Eigenheiten zu besitzen, die ziemlich bizarr anmuten, sondern sie ängstigen sie auch in wachsendem Maße. Könnte es vielleicht sogar sein, dass sie sich im Haus eines perversen Serienkillers breit gemacht hat? Gillian nimmt sich daher vor, dieses Haus am nächsten Morgen in aller Frühe wieder zu verlassen, doch gemachte Fehler rächen sich bekanntlich schnell.

Sie strampelte und zappelte in der Finsternis und versuchte krampfhaft, nicht in Panik zu verfallen. Das Kabel um ihren Hals zog sich weiter zusammen. Aber als sie ihre Arme geradebog, lockerte es sich. Sie saugte die Luft in ihre brennenden Lungen.

(Die Spur / Seite 295)

Richard Laymon: No SanctuaryDer Verrückte:
Angus lebt in den Wäldern völlig abgeschieden sein einsames Leben, nachdem sein alter Vater, ein bösartiger Prediger, längst das zeitliche gesegnet hat. Und nun ist Angus selbst in einem ziemlich hohen Alter. Eigentlich weiß niemand, dass dieser alte Sonderling hier in den Wäldern überhaupt haust, bis eben auf ein paar Wanderer, die er mit seinem skurrilen auftreten und jeder Menge wirrer Bibelsprüche erschreckt. Nicht anders geht es Rick in der Nacht, als er auf der Lauer wegen der drei Burschen liegt. Doch es gibt wohl auch eine Menge anderer Wanderer, die Rick wohl warnen würden, diesem verrückten alten Einsiedler nicht zu nahe zu kommen, nur leider weilen diese nicht mehr unter den Lebenden. Und dann stehen Rick und Bert plötzlich vor einer Bruchbude im Wald, doch statt die Beine in die Hand zu nehmen und diesen Ort schnell wieder zu verlassen siegt die Neugierde. Dies könnte ein folgenschwerer Fehler für beide werden.

> Sie spürte Nägel in den Handflächen und die Stacheln, die sich ihr in Rücken, Gesäß und Beine bohrten. Sie hörte ihre Haut brutzeln und zischen wie Speck in der Pfanne. <
(Die Spur/Seite 321.) 

Die Spur – Ein Überraschungsei:
Was hat man bei einem Überraschungsei? Nun, meistens fängt es mit Spannung an, setzt sich über etwas zu spielen fort und endet mit etwas süßem. Fasst so könnte man Laymons Roman DIE SPUR bezeichnen. Den Titel seitens der deutschen Ausgabe sollte man dabei aber nicht wörtlich nehmen. In diesem Roman sucht niemand eine Spur und es kommen keine Spurensucher vor (weder Indianer, Trapper, Detektive oder Polizisten). Spätestens in der Mitte des Romans fragt man sich als Leser dann jedoch irgendwann, wie Laymon diese lose gesponnenen Fäden gegen Ende nun logisch zusammenführen will.

Doch statt hier schon mal einige Informationen zu streuen, verwirrt uns Laymon eher mehr, indem er plötzlich die Figur des Angus kurz auftreten lässt, um ihn dann eine gewisse Weile wieder in der Versenkung verschwinden zu lassen. Auch was Gillian angeht, kommen einem gewisse Bedenken, denn sie gerät immer weniger in den Fokus, während die Situation um Rick und Bert angereichert mit den Figuren Andrea und Bonnie immer mehr in den Vordergrund rückt. Selbst wenn sich dann die Wege von Rick und Bert vorerst einmal gegenüber Andrea und Bonnie trennen, sucht man einen Schwenk hin zum Erzählstrang um Gillian erst einmal vergeblich. Dafür rückt die Figur des Angus nun in den Vordergrund, der nichts gutes für Bert und Rick bedeutet.

Erst danach hört, bzw. liest man wieder etwas zu Gillian, die auch in den Wäldern angekommen ist und um ihr Leben bangen muss. Leider hat der Roman aber dann auch schon den einen oder anderen kleinen Durchhänger gezeitigt, weil sich Laymon in einigen Passagen zu sehr verrannt hat, indem er die einzelnen Protagonisten etwas zu intensiv in die Tiefe hinein beleuchtet. Kürzer und knackiger wäre hier mehr gewesen und hätte auch mehr Raum gelassen, um die zwei Ebenen des Romans stimmiger und spannender zusammen zu führen. Angus, der bei seinem ersten Auftritt eher wie eine witzige Einlage des Autors wirkt, aber im Handlungsfluss eher störend wirkte, wird dann späterhin auch wieder als akute Bedrohung hervor geholt. Vielleicht hat Laymon bemerkt, dass er langsam wieder etwas Spannung in die Gesamthandlung bringen muss, doch das wäre ihm hier weit besser gelungen, wenn er sich mehr am eigentlichen roten Faden gehalten hätte. Stattdessen lässt er Rick und Bert erneut auf Angus treffen und macht so quasi eine neue Dose auf.

Nicht das wir uns da jetzt falsch verstehen. Was dann bei Angus abgeht ist wirklich ein spannendes Stückchen Laymon. Doch auf den Gesamtroman betrachtet ist diese Angus-Einlage ein Abschnitt, den man sich hätte sparen können, um die zwei wesentlichen Stränge der Story besser auszuarbeiten und dann zusammen zu führen. Das Laymon aber nicht auf diesen alten Einsiedler verzichten wollte, rächt sich gegen Ende des Romans dann gewaltig. Irgendwann muss der Roman ja mal zu Ende gehen und dann geht es plötzlich Schlag auf Schlag. Da wird dann etwas zu schnell gestorben, der Hauptbösewicht wehrt sich zwar am Schluss redlich, hatte aber insgesamt quasi nur kleine Gastauftritte im Roman und blieb fasst die einzige Figur, die Laymon eher oberflächlich und grob skizziert hat. Alles in allem wirkt der abschließende Höhepunkt daher zu kurz, ein wenig lieblos angefügt und irgendwie unfertig. So hat man irgendwie das Gefühl, als hätte Richard Laymon gegen Ende die Lust an seinem Roman verloren und bringt ihn nun nur noch schnell in einem etwas blutigem Showdown plus Abspann zu Ende.

Richard LaymonEine kritische Gesamtbetrachtung:
Vorweg gesagt, auch wenn ich nach wie vor Richard Laymons Romane liebe, handelt es sich doch hier bei DIE SPUR um eher Mittelmaß seines Könnens. Generell hätte der Inhalt genug Zeug um zwei, wenn nicht sogar drei (die Angus-Passagen mal eingerechnet für eine Kurzstory) Geschichten in spannender Form zu erzählen. Dabei ist es bei Laymon nicht unbedingt unüblich, von zwei verschiedenen Perspektiven eine Story anzugehen. Doch bei DIE SPUR lagen die jeweiligen Handlungsperspektiven so weit auseinander, dass man sich mehrmals fragte, wie er hier die Kurve kriegen will um beide Handlungsebenen befriedigend zusammen zu führen. Statt hier das Augenmerk drauf zu legen, wird dann jedoch noch eben der Einsiedler Angus eingebaut und damit sprichwörtlich ein weiteres Fass aufgemacht, was zwar interessant ist und Potential aufweist, im eigentlichen Roman aber eher gesamt betrachtet sich doch eher störend auswirkt.

Hier hätte man sich eher dem Serienkiller zuwenden sollen um dieser Figur ebenfalls eine gewisse Tiefe zu verschaffen. Einige gezielte Kürzungen im hin und her zwischen Rick und den drei jungen Burschen hätten dann nachträglich auch nicht geschadet. Wirklich übel aber war die zu schnelle Art, wie man die Figuren Andrea und Bonnie von der Platte genommen hatte. Für ein ausreichendes Kopfkino kam ihr Ableben zwar interessant herüber, so das man gedanklich einiges hinzu phantasieren kann, doch für den Roman selbst wirkte diese schnelle Abwicklung der Figuren trotzdem etwas arg lieblos. Gäbe es beim Zauberspiegel ein Punktesystem zur Bewertung, so käme daher der Roman DIE SPUR nur auf Zweieinhalb von Fünf Punkten, wobei der halbe Punkt den im Roman eingestreuten guten Szenen geschuldet ist. Richard, dass kannst du besser, möchte man am Ende des Romans sagen, nur leider wird er es nicht mehr hören.
Richard Laymon: Die Spur
Die Spur
(No Sanctuary)
von Richard Laymon
Genre: Horror/Thriller
Erscheinungstermin: 08. September 2015/Taschenbuch
Seitenanzahl: 480 Seiten
Preis: 9,99 Euro
ISBN: 978-3-453-67646-6
Heyne (Verlagsgruppe Random House)

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