Mehr kleine, gemeine und recht blutige Geschichten - Festa extrem
Mehr kleine, gemeine und recht blutige Geschichten
Festa extrem zum Zweiten
Wann bekomme ich Gänsehaut? Böse Menschen würden behaupten, wenn ich mit dem blanken Hintern in der Tiefkühltruhe sitze. Aber der blanke Horror kann im Wrestling-Ring ebenso auftauchen wie auch im Büro eines Sozialhilfeamtes. Und in beiden Fällen sollte man als Leser einen guten Magen haben. Mit dem klassischen Horror der 70er hat dieses dann auch wirklich nichts mehr zu tun.
Der Vampir, der Werwolf oder der wahnsinnige Wissenschaftler sind in den meisten einschlägigen Publikationen am Ende schnell von der Platte geputzt. Der Sex kam und kommt zumeist leicht angerissen durch die Hintertür und wenn es dem Autor nicht gelingt, zumindest eine beklemmende Atmosphäre in der Handlung einzubauen, dann hat sich das Thema Gänsehaut auch völlig erledigt. Dann gibt es aber Autoren, die verfassen Horrorromane, die gänzlich weit weg sind von den klassischen Monstern der Woche und dafür hauen sie dann auch richtig ins Eingemachte, was Sex, Gewalt und beinharten Schrecken angeht. Das klappt bei Romanen von ca. 400 bis 600 Seiten und das klappt auch im Bereich von ca. 160 bis 200 Seiten recht gut. Quasi also ein bluttriefender Snack zum liebhaben.
Letzteres, was auch die Seitenzahl angeht, findet man direkt beim Verlag des Horror Papstes Frank Festa in der ebenso berühmt wie berüchtigten Extrem-Reihe, die man im Buchhandel schlich vergeblich suchen dürfte. Wie heißt der Slogan des Verlages doch so schön:
Festa Extrem: Nichts für den Buchhandel – aber für Fans.
(Slogan der Buchreihe)
Wie schon geschrieben, handelt es sich bei der Reihe um Privatdrucke ohne ISBN. Und sieht man beim Verlag in diese Reihe hinein, dann fällt einem schnell auch die empfohlene Altersempfehlung auf. Und da den rebellischen Horror-Autoren schlicht nichts heilig ist, sollte man bei der Bestellung die Volljährigkeit beachten, denn für die lieben Kleinen dürfte das noch nichts sein. Es sei denn, man will sehen, wie solch ein Dreikäsehoch beim heimlichen lesen unter der Bettdecke plötzlich die ganze Nacht wach und in Panik erstarrt, im Bett verharrt. Also – anders gesagt – die richtige Literatur für Leute (wie mich), die ihre Schnittblumen mit der Kettensäge an den Stielen zu kürzen pflegen, während der überbringende Besucher noch mit dran hängt. Und so kommen wir Heute zu den Extrem-Bänden 9. und 10., wo wir zuerst einen Ausflug zu einem Sozialamt wagen werden.Wrath James White: Population Zero
Wrath J. White hat sich unter den Lesern mit seinen Romanen wie DER TOTENERWECKER oder SCHÄNDERBLUT (beides FESTA) gleich eine beachtliche Fan-Basis geschaffen. Der ehemalige Kickboxer und Trainer unterschiedlicher Kampftechniken aus Austin in Texas, macht in seinen Geschichten nicht gerne Gefangene. Darum gilt der dreifache Vater in den USA auch als ein Autor, dessen Romane zu den brutalsten und zugleich erschütterndsten zählen, die man zur Zeit finden kann.
Todd öffnete die Tür. Terence Mohammeds Körper lag noch genau an der selben Stelle wie vorher. Ein Schrank von einem Mann. Es dürfte ewig dauern, bis er ihn soweit zerschnitten hatte, dass die Stücke in seine Kuriertasche passten, und danach musste er mindestens ein Dutzend Touren fahren, um ihn weg zu schaffen.
(Population Zero / Seite 81)
Als kleiner Junge musste Todd Hammerstein schon schmerzlich lernen, dass man mit der Kastration die ungebremste Fortpflanzung bei Katzen und Hunden stoppen sollte. Daraus entwickelte sich bei dem älter gewordenen Umweltaktivisten die unerträgliche Gewissheit, dass in 50 Jahren doppelt so viele Menschen die Erde bevölkern werden als heute. Als Sachbearbeiter auf dem Sozialamt erlebt er täglich, wie Menschen Nachwuchs in die Welt setzen, aber ohne Unterstützung vom Staat diesen kaum vernünftig durchs Leben bringen können. So reift in Todd der Gedanke, dass das, was mit Hunden und Katzen funktioniert, auch gut auf Menschen übertragbar wäre. Mit Anleitungen aus dem Internet und Werkzeugen aus dem Baumarkt beschließt Todd daher, der Menschheit im Rahmen seiner Möglichkeiten einen Dienst zu erweisen. POPULATION ZERO gehört nicht zu den Romanen, in denen Gewalt in überzogener Form schon anfängt, dem Leser ein Grinsen ins Gesicht zu zaubern, weil das gelesene kaum noch mit der Realität vereinbar ist. So bleibt einem beim lesen der erhoffte Anflug von schwarzem Humor auch recht bald im Halse stecken. Was Wrath J. White uns hier vorsetzt, ist Horror mit Realitätsanspruch. Es bedarf nur eines kranken Geistes um eben diesen Horror Wirklichkeit werden zu lassen. Der Autor zeigt uns hier auf, dass in durchaus gut gemeinten Grundvoraussetzungen (hier der Aktivismus gegen die Umweltzerstörung), nie geahnte Abgründe stecken können, und das die anfängliche Hilflosigkeit vor dem Unausweichlichen, schnell in einer pervertierten radikalen Mission enden kann. Es bedarf wie gesagt nur der Überschreitung des schmalen Grades zwischen Normalität und Wahnsinn. Mein Fazit: POPULATION ZERO ist absolut lesenswert, aber für Menschen mit sanftem Gemüt nicht als Bettlektüre im Sinne einer Einschlafhilfe zu empfehlen.
Edward Lee & John Pelan: Goon
Edward Lee ist zu recht beliebt als brutalster Autor des Hardcore-Horror und hat auch schon mit Wrath James White zusammen den Extrem-Band-Nr. 3, DER TERATOLOGE verfasst. Auf Edward Lees Konto kommen mittlerweile mehr als 40 Romane. Lee gilt als obszöner Provokateur, was sein Roman BIGHEAD als das „most disturbing book“ blendend beweist. Eine solche Einordnung würde manchen Autoren unglücklich machen, doch niemals einen Edward Lee, der dieses mit Stolz zur Kenntnis nahm. John Pelan, 1957 geboren ist sowohl als Autor, Verleger und Herausgeber von Horror- und Science Fiction- Literatur bekannt. Da war der Weg, 1986 mit Axolod Press einen eigenen Verlag zu gründen, eher ein logischer Vorgang für ihn. Danach gründete er weiterhin Darkside Press und Silber Salamander Press. In der Extrem-Reihe des FESTA Verlages liegt mit dem Band 6, unter dem Titel MUSCHELKNACKER, eine weitere Zusammenarbeit von Edward Lee mit John Pelan in Deutschland vor.
Vor einer Abzweigung wurde der Winnebago langsamer. Grillen zirpten, als Jon das hohe Fenster herunterkurbelte und den Sack in einen angrenzenden Graben warf. Ein leises Platschen ertönte. Dann fuhr der riesige Wohnwagen weiter. In dem Sack waren zwei menschliche Hände und Füße, 28 Zähne und zwei Augäpfel.
(Goon / Seite 8)
Wissen sie, was beim Wrestling „Ringratten“ sind? Aber sie wissen bestimmt was Groupies sind, die wenn es sein muss, gleich für eine ganze Rockband nackt auf den Rücken fallen. Nun, beim Wrestling nennt man diese „bereitwilligen“ Mädchen eben Ringratten. Und wenn man als Ringratte mal an den Falschen gerät, dann ist man bald vielleicht eine verstümmelte Leichen. Solch einen Fehler macht man, wenn man mit aller Gewalt einen Wrestler namens Goon als Sex-Trophäe auf der will-haben-Liste führt. Goon ist optisch ein Gigant, eine pure Kampfmaschine im Ring, auch wenn Polizeiermittler Philip Straker anfangs noch davon überzeugt ist, dass beim Wrestling alles nur Show ist. Doch Goon benötigt keine Show, denn Goon ist irgendwie nicht wirklich von dieser Welt. Denn egal wie hart du ran gehst, egal mit was du auf ihn einschlägst, Goon steht einfach immer wieder auf. Goon ist ein maskiertes Monstrum aus Muskeln und Samenstränge. Aber auch ein Serienkiller der vergewaltigt und verstümmelt, wenn er eines seiner weiblichen „Fans“ in die Finger bekommt. Auch die Reporterin Melinda Pierce ist hinter Goon her. Als Straker allerdings mit ihr zusammen arbeiten soll, hat er bei diesem Superweib seine eigenen Hormone wirklich nicht mehr unter Kontrolle. Melinda indessen schlüpft bereitwillig in die Rolle einer willigen Ringratte, auch wenn das heißt, mit den Wrestlern Sachen zu machen, die selbst einen Pornostar zum kotzen bringen. Denn um der Bestie nahe zu kommen, gilt es, überhaupt erst mal in seine Nähe zu gelangen. Koste es was es wolle. Für Straker selbst hält die Jagd allerdings am Ende eine höllische Überraschung parat.
Wer vor dem Roman von Lee und Pelan keine Ahnung vom Wrestling hatte, der wird in diesem Punkt um einiges klüger werden. Und wer darüber hinaus noch auf eine volle Dröhnung von Sex und Gewalt hofft, der wird mit GOON nun wirklich nicht enttäuscht werden. Besonders Freunde von sexistischen Schimpfworten können diesen Extrem-Band gleich als Nachschlagewerk neben den Duden für Rechtschreibung oder Fremdwörter stellen. Wer damit aber nun überhaupt nichts anfangen kann und schon bei gewissen Beschreibungen einen rebellierenden Magen sein eigen nennt, der greife stattdessen besser zu einem Roman von Rosamunde Pilcher. Da bleibt das Essen zumindest im Mund, wenn man beim kauen einschlafen sollte. Man könnte die Handlung von GOON auch treffend wie der Autor Jack Ketchum beschreiben, wenn er hierzu aussagt:
„GOON ist wirklich lustig, und wirklich fies ... Fans von Gewalt und Sex, greift zu!“
Der Roman entwickelt sich zu einem wahren Schenkelklopfer, wenn unser Polizeiermittler Straker in der Nähe der Reporterin Melinda Pierce nichts mehr auf die Reihe bekommt und bereits der Weg zur nächsten Toilette zum Spießrutenlauf wird, den er auch mal verliert. Das Kopfkino liefert in diesem Punkt einfach einmalige Bilder. Aber auch die Gewalt, sei es im Ring oder anderweitig, kommt nicht zu kurz und erzeugt in der Phantasie die passenden, lebhaften Bilder, die ich von Lee/Pelan seit MUSCHELKNACKER erwarte. Mitunter geht es in Sachen Gewaltbeschreibungen sogar noch recht human zu. Wirklich zu kritisieren ist jedoch, dass die blutrünstige Kampfmaschine namens Goon, der ja auch dem Band den Titel verleiht, letztendlich zu wenig zum Zuge kommt. Hier hätten vielleicht einige Seiten mehr der Gesamthandlung gut getan, um diesen höllischen Serienkiller besser ins gebührende Licht zu rücken. Mein Fazit: Wenn der zentrale Bösewicht sich unvermittelt fasst als Nebendarsteller wiederfindet, dann löst dieses beim Leser gerne das Gefühl aus, als fehle in der Handlung noch etwas wesentliches. Dafür ist unser Ermittler quasi die Sympathiefigur, mit der man aber nun wahrlich nicht die Rollen tauschen würde. Man käme nämlich kaum noch daran vorbei, mit schamrotem Gesicht durch die Handlung zu eilen. Dafür erhalten die ein Füllhorn an verbalen, schmutzigen Wortgebilden, die sich das Tourette-Syndrom in dieser Hinsicht als neues Hobby auserkoren haben. Für Freunde des bizarren Schreckens dürfte der Kauf allerdings kaum keiner Frage bedürfen.
Verkauf direkt über: Festa-verlag.de / ab 18 Jahre