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In der Zeit des Grauens wird absolut Böses befreit – F. Paul Wilsons Das Kastell

Das KastellIn der Zeit des Grauens wird absolut Böses befreit
F. Paul Wilsons Das Kastell

Warschau, am 28. April 1941:
Sturmbannführer Kämpffer ist auf dem Weg zu SS-Oberführer Hoßbach. Der Tag soll eine weitere Stufe auf der Treppe seines Erfolges werden, auch wenn er Hoßbach nicht über den Weg traut. Ein Jahr lang hat Kämpffer im Konzentrationslager Auschwitz an seiner steilen Karriere gearbeitet, doch in der SS kann man nie sicher sein, wer einem Steine in den Weg legt, um die eigene Karriere zu befördern.


Das KastellKämpffer weiß genau, dass Hoßbach ihm nicht wirklich wohlgesonnen ist, egal wie freundschaftlich er sich gibt. Doch das Angebot, das er ihm macht, ist einfach zu verlockend. Zusätzlich zu seiner Beförderung hat Hoßbach einen neuen Auftrag für ihn, der ihn auf der Karriereleiter weit nach oben bringen würde: Kämpffer soll in Rumänien gleich in der Nähe von Ploiesti ein weiteres Konzentrationslager aufbauen. Es würde das größte Konzentrationslager in diesem Land sein und Kämpffer würde der Kommandant dieses Vernichtungslagers werden.

Dass SS-Oberführer Hoßbach, Chef des Referats für Rassenangelegenheiten und Umsiedlung im Bezirk Warschau, dabei nicht Kämpffers Wohlergehen im Sinn hat, soll sich jedoch nur allzu schnell bewahrheiten. Denn bevor Kämpffer seine neue Aufgabe antreten kann, muss er mit einer Einheit der Waffen-SS ein kleines Problem in Rumänien lösen. Eigentlich eine reine Lappalie, wie ihm Hoßbach versichert.

»Kämpffer las sich die Nachricht noch einmal durch: „Erbitte Befehl zum sofortigen Standortwechsel, Etwas mordet meine Männer.“ Das klang nicht gerade beruhigend.«

(DAS KASTELL, Seite 12/13)

In einem Kastell nördlich von Ploiesti inmitten der Karpaten hat eine dort stationierte Einheit der Wehrmacht - möglicherweise durch Partisanentätigkeiten - einige Verluste erlitten und Kämpffer soll sich auf seinem Weg nach Ploiesti um diese Angelegenheit kümmern. Ein Umstand, der Kämpffer nicht gefällt. Das ist eigentlich eine Angelegenheit der Wehrmacht. Also was bezweckt Hoßbach mit diesem Sonderauftrag? Fragen, die Hoßbach sehr schnell beantwortet, denn dieser Auftrag kommt direkt vom Oberkommando und ging direkt an Obergruppenführer Heydrich. Kämpffer weiß nur zu genau, dass er sich bei diesem Einsatz nicht blamieren darf, wenn er die Karriereleiter nicht gleich wieder herabstürzen will.

Dinu-Pass, Rumänien: Das Kastell passt nicht wirklich in diese Landschaft und Hauptmann Klaus Wörmann stößt mit seiner Einheit auf viele Ungereimtheiten, die er sich nicht erklären kann. Wer hat dieses seltsame Gebäude hier am Pass erbaut und wer ist der Besitzer dieses Kastells? Wer bezahlt dem alten Mann und seinem Sohn, die täglich aus dem nahen Dorf zum Kastell herauf kommen, um regelmäßige Instandsetzungsarbeiten durchzuführen, die Arbeit? Auch die Kreuze, die anscheinend aus Gold und Silber bestehen und überall an den Wänden angebracht sind, sehen eigenartig aus. Sie sidn zwar nicht aus Gold und Silber (oder jedenfalls nicht alle von ihnen), aber ein Soldat hat in seiner Gier bereits damit angefangen, eines der Kreuze aus der Wand zu stemmen. Wörmann stellt das zwar sofort ab, aber kann er die Gier seiner Männer nach Reichtum wirklich im Zaum halten?

»Einen flüchtigen Augenblick lang glaubte sie in der Schwärze über der Rückenlehne des Rollstuhls ein bleiches Gesicht zu erkennen, das auf sie hinabsah. Dann war es verschwunden.«

(DAS KASTELL, Seite 161)

Und dann beginnt das Unheil. Mitten in der Nacht hat die Einheit das erste Opfer zu beklagen. Der Tod muss schnell und grausam erfolgt sein. Schon bald ist Hauptmann Wörmann klar, dass es sich hier nicht um Partisanentätigkeiten handeln kann, denn von wo sollten sie eindringen können und wie sollte es ihnen gelingen, unbemerkt aus diesem seltsamen Kastell wieder zu verschwinden? Und ist es nicht völlig unlogisch, sich Nacht für Nacht immer nur ein Opfer zu holen? Schnell wird dem Hauptmann klar, dass dieser höchst blutrünstige Killer sich in den Mauern des Kastell aufhalten muss - aber wo, das erschließt sich ihm und seinen Männern nicht. Langsam beginnt Wörmann daran zu glauben, dass an den Mythen dieses Landes etwas Wahres sein könnte und man es hier mit einem Vampir zu tun hat. Zumindest aber mit einem Wesen, das dieses Kastell als seine persönliche, blutige Vorratskammer ansieht.    

Als Kämpffer und die SS-Einheit am Dinu-Pass eintreffen, ahnt Hauptmann Wörmann, dass es für seine Leute nicht einfacher werden wird. Wörmann kennt Kämpffer noch aus dem ersten Weltkrieg und diese Erinnerungen sind nicht die besten, die man an einen ehemaligen „Kameraden“ haben kann. Doch das Böse, das am Dinu-Pass erwacht ist, zieht auch andere Menschen an. Ein geheimnisvoller Mann mit roten Haaren hat sich über die Türkei in Richtung Rumänien aufgemacht, um dem unsagbar Bösen am Dinu-Pass entgegen zu treten. Und auch die junge Magda und ihren an den Rollstuhl gefesselten Vater verschlägt es an den Dinu-Pass. Ein Umstand, der schon deshalb höchst gefährlich ist, weil Vater und Tochter jüdischer Abstammung sind. Politik interessiert das wahrhaft Böse in den Mauern des Kastells allerdings nicht, solange es sie für seine Zwecke nutzen kann. Es schreitet in der Nacht umher und die absolute Dunkelheit, die sich auf seinem Weg ausbreitet, kündigt von neuem, nahen Tod. Es wird mächtiger mit jedem neuen Opfer und damit erwächst Stück für Stück seine ungeahnte Macht, die gepaart mit der Lüge das Ende der Menschheit bedeuten könnte.

»DAS KASTELL ist ein moderner Klassiker der unheimlichen Literatur. Der Roman landet seit 25 Jahren regelmäßig auf der US-Bestsellerliste.«

(Information/Buchrücken)

Ein Anfang in der düstersten Epoche des letzten Jahrhunderts:
Wir schreiben das Jahr 1941. Das Böse liegt wie ein Leichentuch über Europa und täglich müssen Menschen jüdischer Abstammung, aber auch Feinde des nationalsozialistischen Terrors wie Kommunisten, Widerstandskämpfer, Zigeuner oder erblich Kranke um ihr Leben fürchten. Die Maschinerie des Todes ist nicht nur an den Frontverläufen des Krieges auf Hochtouren angelaufen. Und genau in diese Epoche des realen Schreckens entführt uns der Autor F. Paul Wilson in die düsteren Regionen der rumänischen Karpaten. Denn dort erwacht etwas, das grausamer und bösartiger ist, als es sich selbst ein Sturmbannführer der schwarzen SS vorstellen könnte. Ein Umstand eben, der dafür sorgt, dass selbst ein „Herrenmensch“, der leichtfertig über die Leichen eines ganzen Volkes hinweg schreitet, in blanke Panik verfällt. Dabei führt dieser Roman uns z.B. einen Hauptmann der Wehrmacht vor Augen, der immer noch glaubt, in diesem Krieg für Ehre, Volk und Vaterland zu streiten, während er zugleich eine tiefe Abneigung gegen die SS und ihr Führungspersonal hegt. Ein Mitläufer zwar, der jedoch immer mehr Zweifel entwickelt angesichts dessen, was um ihn herum passiert. Und dann wird eben dieser Hauptmann konfrontiert mit Dingen, die er sich bei klarem Verstand nicht zu erklären vermag, und mit einem SS-Schergen, den er im ersten Weltkrieg kennen und verachten gelernt hat.

Achtung: Unvermeidlicher Spoiler:
Alles scheint in diesem Kastell weit ab von jedem Frontverlauf auf die Taten eines übermächtigen Blutsaugers hin zu deuten. Und ja, man könnte auch als Leser sehr schnell dieser Auffassung verfallen. Schon der Ort der Handlung scheint ein Wink mit dem Zaunpfahl seitens des Autors zu sein. Nun, lassen Sie sich überraschen, denn nicht immer ist alles so, wie es eigentlich erscheint.

F. Paul WilsonEin abgeschlossener Roman, aber keine abgeschlossene Handlung:
Im Roman DAS KASTELL weiß der Autor F. Paul Wilson den Leser mit Worten zu fesseln, ohne in den schlimmsten Momenten der Handlung bis zum Ellenbogen in die Kiste von Ekelbeschreibungen oder Gedärmen zu greifen. In diesem Punkt bewegt sich Wilson eher in der klassischen Sparte des Horror-Genre. Trotzdem weiß Wilson dabei auch Leser an die Seiten zu fesseln, die härtere Kost gewohnt sind. DAS KASTELL lässt sich insgesamt auch recht eigenständig lesen, doch realistisch betrachtet gehört der Roman DAS KASTELL zum WIDERSACHER-Zyklus, dessen Handlung sich über viele Jahrzehnte hinweg erstreckt.

Die Bände des Widersacher-Zyklus von F. Paul Wilson:

  • Band 1.: Das Kastell
  • Band 2.: Die Gabe
  • Band 3.: Die Gruft
  • Band 4.: Erweckung
  • Band 5.: Angriff
  • Band 6.: Nightworld

Ein Zyklus und zwei Möglichkeiten ihn zu genießen:
Die eigenständige Leseweise, so habe ich mir im Forum des FESTA Verlages von Lesern bestätigen lassen, die den Zyklus bereits mit Begeisterung verschlungen haben, bezieht sich auch auf die zwei Folgebände DIE GABE und DIE GRUFT. Mit welchem Band man also anfängt, ist hier recht egal, da jeder Roman auch für sich alleine stehen könnte. Wer sich aber besonders für F. Paul Wilsons bekannteste literarische Figur in der Phantastik interessiert, der kann wie ich also auch mit dem Band DIE GRUFT beginnen. Denn DIE GRUFT ist wiederum der erste Roman aus Wilsons bekanntester Reihe um seinen Helden REPAIRMAN-JACK, die hier in Deutschland besser bekannt ist unter der HANDYMAN JACK Reihe, die ebenfalls im FESTA Verlag ihre Fortsetzung gefunden hat. Selbst Stephen King hat sich hier aus Begeisterung um die Abenteuer von REPAIRMAN-JACK gleich selbst zu seinem Club-Präsidenten erklärt. Eine Begeisterung die ich persönlich völlig nachvollziehen kann, denn die Abenteuer um HANDYMAN JACK sind einfach phantastischer Stoff vom feinsten und so versuche ich immer noch an die älteren Bände zu kommen (Blanvalet Verlag), die  leider nur noch gebraucht zu erhalten sind - wenn überhaupt. Wir werden bei Zeiten hier im Zauberspiegel also auch noch einiges von HANDYMAN JACK erfahren.

An diesem Punkt ist das Lob von Martin Compart durchaus berechtigt, wenn er F. Paul Wilson als einen Meister des Crossover-Thriller bezeichnet, wie er z.B. von Dean R. Koontz „kultiviert“ wurde. Daher versteht es sich von selbst, dass das WIDERSACHER-Thema sich auch in der HANDYMAN JACK-Reihe wie ein roter Faden wiederfindet. Fakt ist nämlich, dass F. Paul Wilson sich hier mit seinen Romanen quasi einen eigenen Kosmos des Phantastischen geschaffen hat. Die Wahlfreiheit der Reihenfolge bei den Romanen des WIDERSACHER-Zyklus ist aber spätestens nach DIE GRUFT (Band 3.) beendet, denn mit Band 4. ERWECKUNG wird auf jeden Folgeband direkt aufgebaut werden, so das man nach Band 3. die weitere Reihenfolge unbedingt einhalten sollte, will man nicht plötzlich vor Ungereimtheiten stehen, weil man z.B. in Band 5. nicht weiß, was in Band 4. vorgefallen ist.

Wer also eher auf den klassischen Horror steht, sich dabei auch gerne von einem der besten US-Autoren des Phantastischen an die Seiten fesseln lassen will, der kommt als Einstieg eigentlich nicht am WIDERSACHER-Zyklus herum, der im FESTA Verlag komplett vorliegt.
Das Kastell
Das Kastell
(The Keep)
von  F. Paul Wilson
Übersetzung: Alexander Amberg
Jahr 1981/USA
Reihe: Widersacher-Zyklus
Genre: Horror/Thriller
464 Seiten / 13,95 Euro
Ausführung: Paperback, Umschlag in Lederoptik
FESTA Verlag

Kommentare  

#1 Sylversurver 2015-03-28 17:25
Hallo!
Und wer es noch nicht wusste: The Keep ist auch verfilmt worden. Unter der Regie von Michael Mann 1983 gedreht und mit Scott Glenn, Jürgen Prochnow, Ian McKellen und Gabriel Byrne einigemassen prominent besetzt. In Deutschland kam der Film unter dem Titel 'Die unheimliche Macht' heraus. Die - sehr gute - Filmmusik stammt von Tangerine Dream. Da der Film in den USA ein Flop war, kam der Film in Deutschland nicht in die Kinos, sondern wurde von CIC Video direkt auf Kassette veröffentlicht. Eine DVD-Fassung ist meines wissens nie erschienen.
#2 Laurin 2015-03-29 17:14
Danke für die Info, Sylversurver. Wusste ich auch noch nicht.

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