Von triebhafter Begierde bis zur primitiven Gier des Bösen - Hot Blood – Bis dass der Tod euch vereint
Von triebhafter Begierde bis …
… zur primitiven Gier des Bösen
Hot Blood – Bis dass der Tod euch vereint
Wenn z.B. Dracula den Frauen in ihren Hals biss, dann steckte dahinter auch eine durchaus erotische Anspielung. Und auch in der frühen Schauerliteratur hatte das Spiel mit der Angst durchaus nicht minder ihre versteckten und in ausschweifenden Wortgehalten verwobenen erotischen Reize. Mit zunehmender Aufklärung wurde man auch in Sachen Erotik Stück für Stück immer etwas mutiger. Die sexuelle Revolution beförderte die Erotik dann mit einem kräftigen Schub, so das selbst die Umschreibungen eines Marquise de Sade in seinen Werken verklemmt wirken mussten.
Im deutschen Heftroman war man da z.B. zu Beginn noch recht vorsichtig. Intensive Beschreibungen von sexuellen Handlungen innerhalb bestimmter Themenbereiche, konnten beim sogenannten Jugendschutz mächtigen Aufruhr erzeugen. So war auch hier eher ein Umschreiben angesagt und diverse Geschlechtsteile bekamen nette „Kosenamen“ die zwar jeder Leser verstand, gleichsam aber nicht zu vulgär oder obszön wirkten. In anderen Literaturformen (Bücher/Hardcover) war man da schon um einiges mutiger. Aber wirklich zurückdrängen lies sich der erotische Aspekt auch im Heftroman nicht, und so wurde man auch hier mit der Zeit immer etwas mutiger.
Besonders im Bereich des Horror hat die Erotik einen festen Platz, den manche Autoren z.B. aus den USA, gerne auch mal ins Zentrum ihrer Storys schoben. Richard Laymon z.B. flechtet immer wieder gerne eindeutig sexuelle Szenen in seine Romane und Kurzgeschichten ein, die zum einen provozieren sollten und zum anderen auch schon mal den Leser zum schmunzeln anregen. Andere Autoren wie z.B. Edward Lee, überschreiten gerne die letzten Grenzen und setzen sich über die letzten Tabus hinweg, die mancher Leser heute noch vor sich her tragen mag. Da wird dann nichts mehr nett umschreiben, sondern hart und vulgär alles ausgebreitet, was zwischen Leichenteilen, Blut und Sperma noch an obszönen Phantasien zu finden ist. Nicht umsonst nennt man Edward Lee auch das „perverse Genie“, der sich nicht scheut, wiederum die Grenzen zwischen derber Erotik und intensiven Ekelszenen zu überschreiten.Doch bleiben wir bei der eigentlichen Erotik, die bereits genügend Facetten bieten kann. Das mir hier vorliegende Buch HOT BLOOD – EROTISCHE HORRORGESCHICHTEN trägt den erweiterten Titel, BIS DASS DER TOD EUCH VEREINT. Den erweiterten Titel hatte der FESTA Verlag nicht umsonst gewählt. Blieb es doch nicht bei diesem einzigen Band unter dem Titel HOT BLOOD, der im Verlag im November 2007 erschien. Zum zweiten Band mag ich hier jedoch noch nichts zu sagen, da ich hierzu noch auf die Lieferung eines neuwertigen, noch original verschweißten Taschenbuches über Amazon warte.
Grundlage für die HOT BLOOD Taschenbücher war eine preisgekrönte Anthologie-Reihe aus den USA von 1989, herausgegeben von Jeff Gelb. Das vorliegende Taschenbuch erschien in den USA unter dem Originaltitel HOT BLOOD: TALES OF PROVOCATIVE HORROR. Und die Autorenriege die hier ihre Kurzgeschichten beitrugen, liest sich wie eine Aufzählung der wichtigsten Autoren aus dem Genre des Horror (und nein, Stephen King zähle ich hier nicht dazu, weil er eben nichts beitrug).
Ist es denn wirklich Nekrophilie, wenn der Tote den ersten Schritt macht?
(Aus dem Klappentext zu HOT BLOOD)
„...Horrorgeschichten voller sexueller Ausschweifungen.“
(Aus dem Klappentext zu HOT BLOOD)
Doch riskieren wir einmal einen kurzen Blick in einige ausgewählte Kurzgeschichten um Lust, Schrecken und dem Tod:
Graham Masterton entführt uns in seiner Story WECHSELBALG in eine recht verzwickte Story, in der nichts so bleibt, wie man es gerne hätte. Das kann sehr seltsame Formen annehmen. Besonders dann, wenn man in der Heimat seine Ehefrau und Kinder sitzen hat, während man in der Fremde eine heiße Affäre beginnt. Der Schock ereilt den untreuen Ehemann jedoch am nächsten Morgen, wenn er nicht nur den Körper sondern auch das Geschlecht gewechselt hat.
Robert R. McCammon lässt seinen Protagonisten in der Story DAS DING, in der schwülen Wärme von New Orleans auf die Suche nach einer Voodoo Hexe gehen, die er sogleich auch in einem Laden für okkulten Nippes findet. Doch eines sollte dieser Mann besser lernen, bevor man die Hilfe einer Hexe in Anspruch nimmt, um seinem „besten Stück“ eine gehörige Größe zu verpassen. Man sollte sich immer peinlichst an ihre Anweisungen halten, sonst gibt es nicht nur eine Katastrophe im Schritt.
Richard Matheson führt uns indessen in seiner Story BETÖRENDE JULIE in die Hallen einer Universität, in der dem junge Eddy im Literaturkurs plötzlich ein junges Mädchen auffällt. Natürlich kreisen bei Eddy die Gedanken nur um das eine und wie er mit welchen Mitteln am besten bei ihr ans Ziel kommt. Aber alles scheint irgendwo vorher bestimmt und alles hat irgendwo seinen Preis.
Jeff Gelb lässt seinen Protagonisten Mike auf der Toilette einige bemerkenswerte Worte lesen, die samt Telefonnummer mit Lippenstift auf einem Spiegel geschrieben stehen: SUZIE BESORGT'S DIR. Mike fällt wohl zuerst einmal auf, dass seine neue Freundin, mit der er zusammen gezogen ist, ebenfalls Suzie heißt. Als ihm dann auch noch auffällt, dass es sich um seine Telefonnummer handelt, hält er es zuerst für einen üblen Scherz seines Freundes. Doch diese Nachricht taucht nicht nur auf dieser Herrentoilette auf. Für Mike stellt sich da die Frage: Ist Suzie gar sexsüchtig? Für ihre Bekanntschaften dürfte eine andere Frage aber wichtiger sein: Kann Oralsex eventuell tödlich sein?
Mit der Story, DAS MODEL, nimmt Robert Bloch uns aus der Nervenheilanstalt direkt mit auf eine Kreuzfahrt in die Karibik, wo man mit einem bildhübschen Modell einige Fotoserien machen will. Das die Kleine eine Sünde wert ist, daran zweifelt unser Erzähler dieser unheimlichen Begebenheit nicht eine Sekunde. Doch irgendwie lässt sie ihn nicht ran. Doch am Ende der Kreuzfahrt ändert sich ihre Meinung völlig und unser Frauenheld sollte sich lieber fragen, ob es nicht besser gewesen wäre, die Kleine wäre unnahbar geblieben. Das im Titel DAS MODEL ein L fehlt, ist im übrigen kein Tippfehler, aber lest besser selbst.
Bevor ich mit der Geschichte beginne, sollte ich darauf hinweisen, dass ich nichts davon glaube. Wenn ich das täte, wäre ich genauso verrückt wie der Mann, der sie mir erzählt hat, und der sitzt in der Nervenheilanstalt.
(HOT BLOOD/Robert Bloch: Das Model/Seite235)
Eine allgemeine Betrachtung:
Wie gesagt, Erotik gehört zum Horror immer dazu, nur die Form und die mehr oder weniger stattfindenden Offensichtlichkeiten variieren. HOT BLOOD – BIS DASS DER TOD EUCH VEREINT ist in diesem Sinne durchaus ein Füllhorn an interessanten, erschreckenden aber auch manchmal recht makaber-lustigen Kurzgeschichten von Autoren, die ihr Handwerk wirklich verstehen. Natürlich kann nicht jede Story jeden Geschmack treffen, so etwas kann man von einer Anthologie mit mehreren recht unterschiedlichen Autoren auch nicht wirklich erwarten (und wohl auch dann nicht, wenn es sich immer um ein und den selben Autor handeln würde). Doch unter dem Schnitt gesehen, liegt die Mehrzahl der Storys ganz klar im oberen Bereich angesiedelt, so das ich dieses Taschenbuch vom FESTA Verlag eigentlich nur empfehlen kann.
Daran zu kommen, dürfte aber etwas Arbeit seitens des Interessierten erfordern, denn über den FESTA Verlag ist dieses Taschenbuch (wie auch das zweite HOT BLOOD TB) leider nicht mehr zu beziehen. Daher ein Tipp von mir: Einfach mal bei Amazon nachsehen, denn dort (und eventuell bei ebay) stehen noch gebrauchte Exemplare in verschiedenen Zuständen und Preisen zum Verkauf bereit. Eventuell ist das zweite TB auch nochmals (wie bei mir) neuwertig zu erhalten. Man weiß ja nie, ob das Glück mal wieder zuschlägt.
Gesamt gesehen ist diese erste Anthologie von HOT BLOOD ihr Geld mehr als wert und verspricht eine Menge kurzweiliger, oftmals schlüpfriger, aber immer phantastischer Geschichten aus den Untiefen des Bösen, die einfach Spaß machen.
Daten zur Anthologie: