Ein Filmklassiker - Die Wirklichkeit ist manchmal schwer zu ertragen
Folge 37
Die Wirklichkeit ist manchmal schwer zu ertragen
Die 120 Tage von Sodom (Salo o le 120 giornate di Sodoma)
Stellen sie sich folgende Situation vor. Sie sehen zum ersten mal einen Film, der schon im Vorfeld durch die Mundpropaganda zum Skandalfilm erklärt wurde. Sie sehen eine Szene in einem großen Festsaal, wo nackte junge Frauen ein Festmahl servieren, welches beim ersten lockeren hinsehen auch eine gehörige Portion Schokoladenmousse sein könnte. Nur soll es keine Schokolade darstellen und nur die wenigsten verspeisen dieses Mahl mit offensichtlichem Genuss. Die Mehrheit am Tisch verzieht ihre Gesichter vor Ekel und kämpfen gegen den Brechreiz an, sind jedoch bei ihrem Leben gezwungen es zu essen.
Wenn sie sich also vorstellen, diesen Film noch in einem Kino sehen zu können, hätten sie damals wohl auch ihren Sitznachbarn mit einer gewissen Vorsicht im Auge behalten müssen. Wenn der nämlich ebenfalls das Gesicht vor Ekel verzieht und gegen den Brechreiz ankämpft, dann wäre es nämlich besser, von ihm etwas Abstand zu nehmen. Denn dieser Ausschnitt, dessen hier beschriebene Szenen etwa im Mittelteil des Gesamtfilm zu finden ist, wurde überschrieben mit dem Titel "Höllenkreis der Scheiße". Man muss also kaum noch etwas Phantasie aufwenden, um zu wissen, was da in den Szenen (scheinbar) verspeist wird und auch die Handlung davor lässt wahrlich hier keine anderen Interpretationen zu. Auch die dargestellte Form dieser scheinbaren Speise aus menschlichen Fäkalien lässt genügend Spielraum für einen hohen Ekelfaktor. Doch keine Angst, denn was dort im Film als menschliche Exkremente präsentiert wird, bestand in Wirklichkeit durchaus aus einer Mischung aus Schokolade und Orangenmarmelade. Für den Zuschauer der diese Kenntnis nun nicht besaß, dürften diese Szenen trotzdem eher schwer verdaulich gewesen sein, was schon das zusehen betraf. Man muss hier allerdings fairer Weise für diverse Filmfreunde mit schwachem Magen sagen, dass der Film SALO generell auch in anderen Punkten wie etwa der Gewaltfrage stets Grenzen überschreitet, die sich nicht jeder (verständlicher Weise) ansehen mag und die dann durchaus bei diesen betreffenden Zuschauern schwer auf den Magen schlagen können. Regisseur und Drehbuchautor Piere Paolo Pasolini selbst erlebte indessen die Premiere seines letzten Film "SALO" nicht mehr. Man hatte ihn in der Nacht zum 02. November 1975 in der Nähe von Rom in Ostia ermordet. Die Hintergründe wie auch die Umstände dieser Tat sind übrigens bis heute noch nicht zweifelsfrei geklärt. Es dauerte hierbei auch nur wenige Tage, nachdem man Pasolini beerdigt hatte, als man in Italien und bald darauf auch in Frankreich den Film verboten hatte, da er laut Aussage den öffentlichen Anstand verletze. Ich will ja nun nichts sagen, aber wie kann man in einem Land wie Italien von einem öffentlichen Anstand reden, wo Politiker mit der Mafia fröhlich Geschäfte und Absprachen durchführen, welche wirklich weit weg jeglicher Moral und Anstand sein dürften.
In dem Sinne sah Alberto Moravia, Schriftsteller und persönlicher Freund von Pasolini sogar die eigentliche Stärke und besondere Qualität des Film "SALO" darin - da Pasolini sich hier für seinen Film der Vorlage des literarischen Werkes DIE 120 TAGE VON SODOM seitens des Marquis de Sade bediente - das dieser der verkommenen italienischen Gesellschaft wie einen Stein entgegen geschleudert wurde.
"Seine provokatorische Absicht ist es, die Gesellschaft aus ihrer Deckung hervorzulocken, um sie dazu zu zwingen, sich ihrer Verkommenheit und ihrer widerspruchsvollen Verdammung der Homosexualität zu entledigen."
(Zitat: Spiegel-Online: Skandalfilm "Die 120 Tage von Sodom" vom 01. 02. 2016)
Von den Grenzen des Darstellbaren:
Pasolinis Film verlegt das Grauen aus Vergewaltigungen, Folter und Erniedrigungen aus den Romanfrakmenten von de Sade in das faschistische Norditalien von 1944, um die darin geübte völlige Entmenschlichung und totalitäre Unterdrückung anzuprangern. Vier Machthaber unterschiedlichster Stellung innerhalb der Gesellschaft eignen sich sowohl Knaben wie Mädchen an, um diese auf einem einsam gelegenen Anwesen zu demütigen, vergewaltigen, foltern und letztendlich auch grausam zu ermorden. Dabei machen diese Machthaber auch vor ihren eigenen Töchtern nicht halt, welche in diese Kreise des Schreckens mit einbezogen werden. Bei den Machthabern handelt es sich jeweils um einen Vertreter des Adels, einem Bürokraten, einem Präsident und einem Bischof, welche eben diese jungen Mädchen und Knaben ohne unterlass misshandeln und letztendlich töten um ihre Macht bis zum äußersten auszukosten. Diese Aufteilung der Machthaber konnte Pasolini faktisch direkt aus den Romanfragmenten des Marquise de Sade übernehmen, da auch er hier die Obrigkeit anprangerte und musste sie so nicht noch gesondert hinzufügen, um eine inhaltliche Aussagekraft in diesem Punkt zu erzielen. Am Ende wird jeder von ihnen dann gleichsam zum Voyeur mit einem Fernglas, während jeweils die drei anderen im Innenhof einzelne Jugendliche auf verschiedene sadistische wie grausame Art zu Tode foltern. Der Film zeigt allerdings auch anhand der jugendlichen Bewacher der Opfer auf erschreckende Weise, zu welchen Grausamkeiten ein reines Mitläufertum führen kann, welches sich bereitwillig jeglicher Menschlichkeit entledigt. Hierbei sind die Szenen jeweils so aufgebaut, dass der Zuschauer unmissverständlich in die Rolle eines Komplizen und Mitwissers gedrängt wird und so zu einem Bestandteil des Schreckens wird. Die Begründung hierzu ist recht simpel und nachvollziehbar, denn wir wissen durchaus was durch Kriege und Wirtschaftsinteressen an Elend in die Welt getragen wird, tun aber gleichsam so, als ginge es uns nichts an. Hier hält uns Pasolini also folgerichtig einen Spiegel vor, denn Schweigen bedeutet Tollerierung des Grauens, welches mit dem Raubbau an Rohstoffen durch multinationale Konzerne beginnt. Es endet mit Kriegen und Elend bis hin zur modernen Sklaverei wie der Prostitution und des Menschenhandel, bis das man z.B. durch den kriminellen Organhandel langsam den wahren moralischen Bodensatz der Gesellschaft erreicht. Pasolini wäre aber schließlich nicht Pasolini, wenn er hier nur den Schrecken des Faschismus hätte auf den Punkt bringen wollen. Den hätte man schon anhand der Fakten als bestialischste Form der Machtausübung aufzeigen können. Dies muss sogar das LEXIKON DES INTERNATIONALEN FILMS anerkennen wenn hier folgerichtig ausgeführt wird ...
"Der nach einem Roman von de Sade entwickelte Stoff ist zwar im Jahre 1944 angesiedelt, dient jedoch als Kommentar zur hedonistischen Konsumgesellschaft der Nachkriegszeit, die von Pasolini als apokalyptische Verfallsepoche begriffen wird ohne Hoffnung auf Veränderung. Ein radikaler, trostloser, erschütternder Film."
(Zitat: Lexikon des internationalen Films)
Man könnte hier also auch sagen, dass sowohl das eine wie das andere richtig ist. Denn es wird sowohl der damalige Faschismus als perfides Element der Macht an den Pranger gestellt, indem man die Gewalt und den Sadismus dieses Terrorsystems bis hin zu den deutschen Konzentrationslagern filmisch konzentriert und verdichtet präsentiert und auf der anderen Seite aufzeigt, dass auch die Konsumgesellschaft der Nachkriegszeit ihre vielfältigen Lustzustände wie auch die ihr innenliegenden, zerstörerischen Gewaltexzesse nicht zu trennen vermag.
Da es um Macht und die Ausübung der selbigen in ihren vielen verschiedenen Ausprägungen geht, stehen so wie bereits vom Marquis de Sade erkannt, die vier Peiniger im Film auch jeweils exemplarisch für den Adel, die Bürokratie, die Politik und die Religion.
Der Beginn jeglicher Größe auf der Erde war schon immer vollständig und lang anhaltend von Blut durchtränkt.
(Zitat: Filmcover von Die 120 Tage von Sodom/Universum Film)
Die im Film gedemütigten, gefolterten und zum Schluss bestialisch ermordeten Jugendlichen wurden im Film übrigens verstärkt durch ausgesuchte junge Laiendarstellerinnen und Darsteller verkörpert. Einer der Darsteller, Franco Merli war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten von SALO erst 18 Jahre alt gewesen. Da im Dezember 1975 die Zensurbehörde in Italien das Verbot des Films aufgehoben hatte, ließ ihn die Staatsanwaltschaft von Mailand im Januar 1976 erneut beschlagnahmen. Gegen Produzent Alberto Grimaldi leitete man sogar ein Strafverfahren ein wegen "Verführung Minderjähriger". Hierbei kam es nicht nur zur Verurteilung von Grimaldi, sondern auch zu weiteren Anklagen. Im Februar 1977 wurde diesem Spuk allerdings ein Ende gesetzt, als das Berufungsgericht Grimaldi nicht nur freigesprochen hatte, sondern auch dafür sorgte, dass der Film per richterlicher Anordnung wieder freigegeben werden musste. Die Kunst und ihre Freiheit:
Nicht wenige sehen in SALO auch einen künstlerischen Beitrag von großer Wichtigkeit. Nun, Kunst muss nicht gefallen um Kunst zu sein, aber wenn man z.B. in Deutschland nachhaltig ein Verbot des Films fordert, wie es damals durch die "ZEIT" (Zeitung) geschehen ist und man Pasolini hier einen "Missbrauch der Freiheit" vorwirft, dann sollte man hellhörig werden. Denn wer anderen einen vorgefertigten und fest umrissenen "guten Geschmack" aufzwingen will, der hat bereits einen Fuß in der Tür einer zukünftigen Diktatur gestellt. Wäre man damit durchgekommen, wäre die Gefahr groß genug gewesen, dass man diese Tür nicht mehr hätte schließen können. Die "FAZ" (Zeitung) bellte übrigens ins gleiche Horn, drückte sich aber taktisch nicht so gnadenlos plump aus wie die "ZEIT", indem man nicht offen ein Verbot forderte.
Das der Film für einigen Aufruhr durch alle gesellschaftlichen Schichten sorgte, war dabei durchaus richtig und gewollt, denn Schweigen behindert bekanntlich jede vorwärtstreibende Diskussion und führt zum Stillstand eines demokratischen Prozess.
Schon wenige Tage nach dem Kinostart wurden in Frankfurt und Stuttgart die ersten Filmrollen beschlagnahmt und die Staatsanwaltschaften erhoben Anklage wegen Pornogafie mit verherrlichenden bzw. verharmlosenden Gewaltdarstellungen. In vielen weiteren deutschen Städten zogen hierbei die jeweiligen Staatsanwälte Filmkopien ein um diese wiederum als Beweismittel gegen die Kinobetreiber zu nutzen, gegen die man ebenfalls ein Ermittlungsverfahren eröffnete.
Wohl gemerkt, dies geschah, nachdem die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) den Film SALO unter dem Verleihtitel "DIE 120 TAGE VON SODOM" im November 1975 mit sechs Schnittauflagen freigegeben hatte.
Über die Rechtmäßigkeit der lokalen Aufführungsverbote hatten indess die Amtsgerichte in einem recht knappen Zeitraum von drei Tagen zu entscheiden. Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt ging sogar einen Schritt weiter und wollte alle Filmkopien nun bundesweit beschlagnahmen lassen. Nach der Anhörung von Juristen und Filmfachleuten wurde diese Ansinnen jedoch vom Amtsrichter folgerichtig abgelehnt. In Saarbrücken preschte man allerdings vor und verfügte schließlich die Beschlagnahmung mit der Begründung: Der Film DIE 120 TAGE VON SODOM stelle nur eine Aneinanderreihung von Perversionen und brutalster Gewalt dar und ließe so "keine Spuren von Kunst" erkennen. Hier lag allerdings dann auch der entscheidende Fehler, denn im Grundgesetz hatte man nicht umsonst den besonderen Schutz der Kunstfreiheit verankert. Hierauf berief sich daher auch die Verleihfirma United Artists und drohte mit einem Rechtsstreit durch alle Instanzen. Aber auch viele Kinobesitzer kündigten ihrerseits nun Schadensersatzforderungen an, da der Film DIE 120 TAGE VON SODOM ein finanzieller "Spitzenreiter" gewesen sei. Und selbst wenn ca, 30 Prozent der Zuschauer den Saal schockiert verlassen hatten, so kehrte laut Aussagen ein Drittel hiervon nach einer kurzen Pause wieder in die Vorführung zurück.
Das Landgericht Saarbrücken hob daher nach einem Jahr die bundesweite Beschlagnahmung wieder auf mit der eindeutigen wie klaren Begründung, dass der Film DIE 120 TAGE VON SODOM "weder gewaltverherrlichend noch pornografischen Inhalts" sei. Zwar ging hiernach die Staatsanwaltschaft in Revision, die wurde jedoch positiver Weise durch den Bundesgerichtshof letztinstanzlich zurückgewiesen.
Das Fernsehen darf den Film SALO indessen bis heute nicht zeigen, wozu ich auch durchaus Verständnis aufbringen kann. Für Kinos gilt jedoch kein Verbot, was durchaus ebenso berechtigt zu betrachten ist, zumal hier die Beachtung des Jugendschutz gesetzlich vorgeschrieben ist. Die hitzige Zensurdebatte zeigte jedoch recht eindringlich auf, wie schnell man hier in einem Land wieder nach Verboten ruft und Kunst reglementieren will, nachdem man 1976 noch nicht wirklich so lange erst eine Diktatur hinter sich gebracht hatte, welche in diesem Punkt ein wahrlicher Meister der Zensur war.
Um den Film allerdings wirklich ungeschnitten sehen zu können, wird man auch heute noch auf Versionen aus dem benachbarten Ausland zurückgreifen müssen, denn einen Film wie SALO ODER DIE 120 TAGE VON SODOM erhält man hier schließlich nicht an jeder Hausecke. Man sollte allerdings auch hier nicht davon ausgehen, diesen Film ungeschnitten immer zu erschwinglichen Preisen zu erhalten, da er durchaus als ein gesuchtes wie in dieser Form seltenes Filmdokument gilt.Meine Filmkritik:
Man mag mir hier nachsehen, dass ich hier bei diesem Filmartikel nun nicht in der üblichen Weise vorgegangen bin, sondern mich hier eher grob auf die damaligen rechtlichen Umstände fokusiert habe, die dieser Film ausgelöst hatte. Die Handlung des Films hier auszubreiten in seiner ganzen Eindringlichkeit, kam für mich nun nicht in Frage, da auch Jugendliche und Kinder durchaus diesen Artikel mitlesen können. Und die bekommen als Beispiel schon genügend Vulgärsprache in den Schulen mit, dass ich hier nicht auch noch meinen Senf zu beitragen muss. Und der Film selbst ist auch (allerdings nicht nur in diesem Punkt) durchaus ein wahres Füllhorn an vulgären Ausdrücken und Äußerungen.
Zum anderen ist es auch nicht jedermanns Sache, die sadistischen Gewaltszenen und vielfältigen Formen der Grausamkeiten im Detail zu lesen, ohne die entsprechenden Bilder im Kopf aufhalten zu können. Wer den Film DIE 120 TAGE VON SODOM nun sehen möchte um sich selbst ein Bild zu machen, der sollte hierzu eh besser auf eine betreffende DVD oder BD zurückgreifen und gegebenenfalls auch einen stabilen Magen vorweisen können.
Eine Punktebewertung wie üblich wird man in diesem Artikel deshalb auch ebensowenig vorfinden wie eine klare Filmempfehlung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ich hier dem Film nun negativ gegenüberstehe oder ihm seinen künstlerischen Wert absprechen wöllte. Der Film ist drastisch, er verfügt über ekelhafte bis wirklich schockierende Szenen und zum Luft holen bzw. durchatmen kommt man als Zuschauer hier wahrlich auch nicht. Gleichsam halte ich aber auch die Freiheit der Kunst genauso wie die Freiheit der gesellschaftlichen und politischen Kritik für so wichtig, dass eine Gesellschaft auch betreffende Filme in dieser drastischen Art und Form auszuhalten hat. Denn egal wie ekelerregend, pervers oder gewalttätig man den Film DIE 120 TAGE VON SODOM auch persönlich halten mag, die Realität ist durchaus in der Lage, diesen hier gezeigten, entmenschlichten Schrecken noch zu toppen. Die Frage der Macht ist nämlich niemals eine Frage darüber, ob man sie besitzen sollte oder nicht, sondern wohin sie in der Lage ist, Menschen letztendlich zu führen und zu verführen.
Der Film selbst mag durchaus ein Sklandalfilm gewesen sein, welcher bis in unsere Tage noch jede Menge Zündstoff beinhaltet. Aber er ist auch ein Spiegel dessen, wozu Menschen fähig sein können, wenn man ihnen nur die Möglichkeit bietet, schrankenlose Macht umsetzen zu können. Und diese Macht wird selbst heute ständigst umgesetzt, auch wenn man dies heute nicht jedem so drastisch vor Augen führt. Diese Macht und ihre extremsten Ausläufer führten schließlich im Dritten Reich zu Konzentrationslagern und dem systematischen Mord genauso wie wirtschaftliche und politische Interessen selbst heute zu Kriegen und damit ebenfalls zum systematischen Mord als höchste Form der Machtausübung führen. Auch unsere Konsumgesellschaft kann sich ebenfalls nicht von dieser gesellschaftlichen Perversion der Macht freisprechen, denn sie ist voll von Demütigungen, Gewalt und Zwang in den verschiedensten Formen und schreckt nicht einmal davor zurück, den Menschen als solchen selbst zur Ware zu machen.Die darstellerischen Leistungen, auch und gerade durch die vielen Laienschauspieler kann man bei diesem Film nur auf hohem Niveau würdigen und auch in Sachen Effekte zeigt sich dieser Film absolut auf einem sehr hohen Level. Es gilt jedoch heute durchaus zu kritisieren, dass man diesen Film in manche Genre einzusortieren versucht, wo er schlicht nichts zu suchen hat. SALO ODER DIE 120 TAGE VON SODOM ist weder ein Horrorfilm noch ein simpler Porno etwa in der Richtung sadomasochistischer Ausprägung. Dieser Film ist auf seine drastische Weise ein gesellschaftskritischer Film reinsten Wassers, welcher auch das Prädikat Klassiker durchaus im hohen Maße verdient, zumal seine im Kern grundsätzliche Aussagekraft selbst heute noch nichts an Akualität verloren hat. Seine Handlung liegt nicht außerhalb der Realität, sondern verdichtet sie auf erschreckende Weise auf eine angemessene, wenn auch für viele schwer verdauliche Filmhandlung. In diesem Sinne kann man vor Pier Paolo Pasolini Kunstwerk in dieser intensiven Form nur den Hut ziehen. Der Film selbst verdient sich daher auch durchaus einer größeren Aufmerksamkeit, als sein bisheriger Ruf ihm zuteil werden ließ.
Ausblick:
Bleiben wir doch einfach mal bei einer gesellschaftskritischen Sichtweise, auch wenn der Science Fiction-Film für den nächsten Samstag wahrlich nicht so skandalträchtig daher kommt, wie der letzte Film von Pier Paolo Pasolini.
Ich bin ja schon einige Jahrzehnte der festen Überzeugung, das die Menschheit einen Weg beschreitet, welcher uns direkt in eine Hölle führen wird, wenn wir nicht sogar dumm genug erscheinen, unsere Gattung selbst mit einem gehörigen Knall von diesem Planeten auszulöschen, was ebenso durchaus als Möglichkeit in Frage kommt. Jedenfalls dreht man auch an dieser Schraube bisher mittels Stellvertreterkriege und Intelligenzverlust recht heftig.
Man könnte auch sagen, das wir alle nicht in die Hölle kommen werden, weil wir eigentlich schon längst dort sind. Wir merken es nur nicht, weil der Prozess der zunehmenden Verdammung so schleichend voran geht, so das wir uns an die Folgen eher recht schnell gewöhnen, statt sie kritisch zu hinterfragen oder gar gegen diese Entwicklung Widerstand zu leisten.
Diese Erkenntnis hatte mich schon recht früh geprägt, so das ich auch politisch stets aktiv versuchte, dieser eigentlich fatalen Entwicklung zumindest im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten in den (man mag hier die Wortwahl entschuldigen) Arsch zu treten. Mit zunehmendem Alter gewinne ich jedoch leider immer mehr die Einsicht, dass man wohl einer Herde von Schafen niemals beibringen wird, sich erfolgreich gegen die Wölfe zu erwehren (sinnbildlich ausgedrückt, also bitte sich jetzt hier als Leser nicht persönlich angesprochen fühlen).
Der Film ist für mich in der Hinsicht durchaus ein FILMKLASSIKER, weil es ihm gelingt, die negative Utopie (eigentlich ist schon die Bezeichnung "Utopie" irgendwie falsch) in ein äußerst gegenwartsnahes Umfeld einzupflegen. Man kennt das ja in der Politik und der Wirtschaft. Da wird etwas als zeitgemäß betittelt, was schlicht einen Rückschritt in frühere Formen betrifft, wie etwa aktuell in Deutschland, wo man in Sachen Sozialsysteme das Rad ja seit Jahren auch beständig zurück dreht und man dies dann auch noch seitens der Politik mit der Lüge der "Alternativlosigkeit" untermauert.
In unserem Film kramt man daher recht "zeitgemäß" quasi hierfür die alten römischen Spiele wieder aus, um das Volk bei Laune zu halten. Dies hat auch seinen Sinn und Zweck, denn solange man das Volk bespaßt, kommt es auch nicht auf die Idee, einmal kritisch zu hinterfragen, von welchen dubiosen Elementen sie eigentlich regiert werden. Und sinniger Weise holt man in diesem Film die global agierenden Konzerne gleich in die Regierung, während sie heute in der Realität eher wie Puppenspieler in ihren jeweiligen Ländern eher die Fäden bei den Politikern ziehen.
Als SciFi-Film legt man innerhalb der Handlung allerdings nicht nur die jeweiligen politischen Marionetten, sondern gleich auch die heute noch bestehenden Nationen zu den Akten, weshalb ein Konglomerat der globalen Konzerne die Geschicke der Welt lenkt.
Da ist sind dann Selbstbestimmtheit und Individualismus auch nicht mehr gerade die menschlichen Eigenschaften, welche von dieser Obrigkeit gerne gesehen, geschweige denn gefördert wird. Ablenkung ist also in der "modernen" Sportart gefragt, welche den Gladiatorenkämpfen des alten Rom auch ohne Löwen und Schwerter doch recht nahe kommt. Aber auch hier kann ein grundlegerndes Problem auftauchen, wenn plötzlich einer der Spieler sich aus der Masse hervortut und von selbiger wie ein Held gefeiert wird. Also schrillen bei den Mächtigen alle Alarmglocken und man versucht dieses Übel zu beseitigen bevor es eventuell für sie außer Kontrolle gerät. Die Frage ist nur, macht ihnen dieser Spieler es leicht oder doch eher schwer?
Das bestechende an diesem Film ist zudem, dass es den Menschen in dieser Gesellschaft der Zukunft durchaus recht gut zu gehen scheint, aber es geht bekanntlich auch dem Frosch gut, der im warmen Wasser eines Kochtopf sitzt und bei langsam ansteigender Temperatur nicht merkt, dass er gerade zu Tode gekocht wird.
Mehr möchte ich hier nun nicht verraten, denn bestimmt dürften hier so einige jetzt schon wissen, welchen Film ich meine. Die es noch nicht wissen, dürfen hier aber hemmungslos raten um welchen Film es sich handelt. Kleiner Tipp am Rande, es gibt sogar ein Remake zu diesem Klassiker, dieser durchaus recht unschön verfilmten Zukunftsvision.
Kommentare
Was die Gewaltszenen angeht.. Nun ja in den 80ern hat man da durch den Videotheken Boom ganz andere Kaliber gesehen.
Zum Ausblick.. Ich finde der Film wusste selbst nicht was er letztlich sein wollte,harter Actioner, Gesellschaftskritisches Drama oder ne Art Lonesome Cowboy Movie. Erwähnenswert das der Film zu großen teilen in Deutschland gedreht wurde.
Über das Remake braucht man kein Wort zu verschwenden.
Nun ja, Kunst liegt auch immer im Auge des Betrachters. An sich ging es mir hierum, eher eine Lanze dafür zu brechen, solche auch frei darstellen zu können, ohne das gleich nach der Zensur gebrüllt wird.
Was den Ausblick betrifft, da hatte ich den Film schon recht früh in jungen Jahren (ich glaube, er lief damals im Fernsehen, weiß gerade nur nicht mehr auf welchem Programm) weniger als Actioner gesehen. Dafür waren mir auch die gesellschaftskritischen Elemente hier zu offensichtlich. Kritik sehe ich da eher etwas zwischen dem Anspruch und der tatsächlichen Umsetzung. Das Remake fand ich hingegen auch gelinde gesagt eher bescheiden.
Deshalb gebe, ich trotz dass ich Zensurgegner und Splatterfan bin, bei diesem langweiligen wenn auch provokanten Film einen Daumen nach unten.
zum Ausblick: die "sportlichen Sequenzen" wurden in einer Münchener Halle gedreht. Der Hauptdarsteller war auch schon bei einem recht bekannten Western Partner von John Wayne - und galt damals als neue, Hoffnung in Hollywood. Ich weiss jetzt nicht, ob wir uns damals, an einem sonntäglichen Nachmittag, wirklich Gedanken über irgendeinen, gesellschaftskritischen Ansatz gemacht haben.
Das Remake habe ich mir allerdings im Kino erspart...
Foltermorde sind Provokationen.....oh $!
Die Aneinanderreihung von Szenen diverser Perversion ( für jeden ist etwas dabei und es gab noch kein Dark Net....und Oswald Kolle hatte zu wenig Drehmoment ) ergeben in der Summe Gesellschaftskritik.......na ja......
Aber die Ostermärsche haben ja auch zum Mauerfall geführt.....wenn ich nicht irre.
" [...] und vier Jahre später gab es wohl einen ähnlichen "Aufruhr", als "Caligula", von Tinto Brass, aufgeführt wurde."
Und was hatte man danach diesen Klassiker verstümmelt. Aber CALIGULA gibt es ja nun wieder in schönster restaurierter Fassung. Halte ich übrigens auch für künstlerisch wertvoll.
@ Heizer:
Lass mir die Ostermärsche in Ruhe, da war ich auch immer mit dabei und das aus voller Überzeugung.
Bob Guccione schnibbelte böse an dem Film rum und besaß sogar die Frechheit selbstgedrehte Porno Sequenzen hinein zu schneiden,welche später dann in den meisten Fällen von der FSK kassiert wurden.
Ist also die vollständige Fassung noch das was Der Regisseur zeigen wollte?
Ist der Film immer noch künstlerisch wertvoll?
Ich kann es nicht sagen.
Da ich damals das Original noch ungekürzt gesehen hatte und die restaurierte Fassung vorliegen habe, kann ich hierzu nur ja sagen.
Und somit kann natürlich auch ein gewöhnungsbedürftiges Skandalmovie wie eben Pasolinies zur Kunst erhoben werden.
Allerdings stellt sich mir in beiden Fällen die Frage, ob man den Begriff damit nicht doch entwürdigt.
Wie ich schon sagte, Kunst liegt immer auch im Auge des Betrachters. Und da gibt es sehr vieles (nicht nur die Sachen von Beuys), die ich auch nicht verstehe oder als Kunst reflektieren kann. Aber hey ... ich muss die Dinge ja nicht kaufen oder Geld für den Besuch einer entsprechenden Ausstellung ausgeben.
Pasolinis letzten Film fand ich auch nicht "gewöhnungsbedürftig". Hart ja, aber sonst. Und einen solchen Film mit vielen Laiendarstellern durchzuziehen und das in dieser Perfektion (und Nein, der Film war nie dazu da, "Spannung" bei den Zuschauern zu erzeugen), dass ist für mich durchaus auch eine Kunst.
Da wird für mich eher der Begriff "entwürdigt", wenn jemand wie Beuys ein Pflaster in eine alte Badewanne klebt und sich dafür als Künstler feiern lässt.
Oh ja, in dem Punkt kommt dann wirklich Spannung auf.
Ich komme vor Weihnachten auf Dich und Deine Gesinnungsgenossen zurück.
Mein Plan ist es, zur Adventszeit im Garten eine Lichterkette aufzuhängen......
Da wärst du mit einem Elektriker besser bedient.