HORST TAPPERT - Ein Nachruf
HORST TAPPERT
(1923 - 2008)
Nach seinem Volksschulabschluss machte er eine kaufmännische Lehre und wurde anschließend als Soldat in die Wehrmacht eingezogen. 1945 kehrte er aus der Kriegsgefangenschaft zurück und bewarb sich an einem kleinen Theater in Stendal als Buchhalter. Dort schnupperte er zum ersten Mal Theaterluft und entschied sich, seinen Job als Buchhalter an den Nagel zu hängen und Schauspieler zu werden. Kurz darauf gab er als DR. STRIEBEL in DIE FLITTERWOCHEN sein Bühnendebüt.
"In dieser einen Spielzeit 1945/46 in Stendal lernte ich die Grundlagen meines Berufes." (2)
Von 1946 bis 1947 nahm ihn Paul Rose, der Intendant des Landestheaters Württemberg-Hohenzollern in Tübingen unter seine Fittiche.
"Wuppertal 1947. Meine Eltern waren ausgebombt worden, doch sie hatten die erste Zeit nach dem Krieg einigermaßen erträglich überstanden. Nicht zuletzt, weil mein Vater seine geliebte und von meiner Mutter so lieblos behandelte Briefmarkensammlung nach und nach verkaufte.
Es hielt mich nicht lange bei ihnen, ich legte nur eine Pause ein auf dem Weg zur nächsten Bühne: zum Landestheater Württemberg-Hohenzollern in Tübingen. Dort wartete als Intendant schon mein Mentor und Freund Paul Rose. Er hatte ein großartiges Ensemble um sich versammelt. Ich konnte mit Kollegen arbeiten, die zu den Besten des deutschen Theaters gehörten.
Paul Rose hielt seine schützende Hand über mich. Er verbannte mich nicht in den Schatten der großen Namen - ich war ja den Berufsjahren nach fast noch ein Anfänger -, er schob mich oft in den Vordergrund. Ich war Komiker, Schurke, unglücklicher Liebhaber, Intrigant, Luftikus." (3)
Seine weiteren Theater-Engagements führten Horst Tappert von Göttingen über Kassel und Bonn bis an die Kammerspiele nach München (1956 - 1967).
"Ich habe wie ein Anfänger angefangen. Ich war 18 Stunden am Tag im Theater - für DM 120 brutto im Monat. Ich habe furchtbar viel gearbeitet. Aber ich habe auch viel gelernt, denn ich hatte Glück. Ich hatte gute Lehrmeister.
Die absolute Spitze, ich hatte einen Intendanten aus Berlin, der auch ausgebombt war und ein Provinztheater übernahm und der sagte: 'Der Tappert wird jetzt alles bei mir lernen: tanzen, singen, der muss Posse spielen, der muss Tragödie spielen, Komödie spielen, der muss spielen von Arnold bis Bach bis zu Goethe, der muss alles spielen. Und das hat er wahr gemacht. Ich hab das Gefühl, dass ich in der einen Spielzeit mehr gespielt habe, als in fünf Jahren woanders." (4)
1957 heiratete er mit Ursula Pistor seine dritte Frau, mit der er bis zu seinem Tode zusammenlebte. Ein Jahr später gab er in SCHWESTER BONAVENTURA und ABWERBUNG sein Fernsehdebüt.
"Ich hatte ein Engagement an den Münchner Kammerspielen, das war 1956 und dann kam schon das erste Fernseh-Angebot. Damals war ich noch sehr unverkrampft, um mich vornehm auszudrücken.
Als wir zum xten Mal eine Szene wiederholten, in der ich einen Barkeeper spielte, habe ich bei einer Wiederholung die Rolle ganz anders gespielt. Da hat der Regisseur natürlich gesagt: 'Was ist denn mit Ihnen los, Sie spielen ja die Rolle auf einmal ganz anders?' und da habe ich gesagt: 'Ich dachte, Sie langweilen sich!' Dann kam ein Fernsehen nach dem anderen." (5)
Im selben Jahr folgte in DIE TRAPP-FAMILIE IN AMERIKA sein Kinodebüt. Danach war Horst Tappert in kleineren und größeren Rollen vorwiegend im Fernsehen zu sehen, bis ihm mit der Rolle des Posträubers Michael Donegan in DIE GENTLEMEN BITTEN ZUR KASSE der Durchbruch als Schauspieler gelang.
"Die Trainrobber-Story erwies sich als Erfolg, der alle Erwartungen übertraf. In seltener Einhelligkeit lobten Kritiker und Publikum die spannende Story und die glaubhaften Darsteller.
Ich war über Nacht in ganz Deutschland berühmt - als Major. Da spielt man sich 25 Jahre lang durch die Weltliteratur, ohne mehr als eine Schlagzeile auf der Feuilletonseite zu erhalten. Und dann ist man ein Posträuber, und plötzlich kennt einen jeder." (6)
"Der dreiteilige TV-Krimi fegte 1966 Deutschlands Straßen leer und machte Gentleman Horst Tappert zum Superstar." (7)
Nach seinem Erfolg als Posträuber in DIE GENTLEMEN BITTEN ZUR KASSE erhielt Horst Tappert die Rolle des Gangsterbosses in dem Jerry Cotton-Film DIE RECHNUNG EISKALT SERVIERT (1966). Danach folgte mit DER HUND VON BLACKWOOD CASTLE Tapperts erster Edgar Wallace-Krimi.
"In ihrem Jubiläumsfilm, dem 25. der erfolgreichsten deutschen Filmserie der Nachkriegszeit, haben Produzent Horst Wendlandt, Autor Alex Berg und Regisseur Alfred Vohrer eine besonders fesselnde und spannungsgeladene Story nach Motiven aus dem nachgelassenen Werk des englischen Krimi-Altmeisters auf die Leinwand gebracht." (7)
"Dies ist eine der besten, mitunter sogar recht gruseligen Wallace-Verfilmung (die 25.) über einen vermeintlich Toten, der nach einem Juwelenraub nacheinander seine Komplizen meuchelt. In seiner Atmosphäre erinnert das Werk stark an Arthur Conan Doyles mehrfach verfilmte Sherlock Holmes-Geschichte "Der Hund von Baskerville". (8)
1968 erhielt er die Hauptrolle als Inspektor Perkins in den beiden Edgar Wallace-Filmen DER GORILLA VON SOHO
"Dies ist eine typisch-deutsche Edgar-Wallace-Verfilmung über einen Leiter eines Wohltätigkeitsvereins, der die Stifter nach und nach ermordet, um schneller an deren Besitz zu kommen.
Auf eine schwarzweiß-Fassung von 1961 ließ Alfred Vohrer sieben Jahre später dieses Farb-Remake folgen, das auf dem Gruselkrimi "Die toten Augen von London" basiert. Für Horst Tappert in den Hauptrolle des Inspektors David Perkins bedeutete das schon frühen Kontakt mit der Verbrecherszene, bevor er als "Derrick" in Serie ging." (9)
sowie DER MANN MIT DEM GLASAUGE (1969)
"Horst Tappert recherchiert als Scotland-Yard-Inspektor in einer spektakulären Mordserie um Rauschgift- und Mädchenhändler im Londoner Varieté-Milieu. Regisseur Alfred Vohrer inszenierte mit dieser verworrenen Kriminalgeschichte den 28. Film der "Edgar Wallace"-Reihe. In einer Nebenrolle: Fritz Wepper - Tapperts späterer Partner in "Derrick". (10)
Es folgten u. a. die Rollen als Kriminalkommisaar in SIEBEN TAGE FRIST (1969), PERRAK (1970) oder DER TODESRÄCHER VON SOHO (1972)
Eine bizzare Mordserie hält ganz London in Atem: Der unheimliche Wurfmesser-Spezialist tötet seine Opfer mit einem präzisen Stich ins Herz und hinterlässt stets den gepackten Koffer des Toten. Erst beim dritten Opfer findet Inspektor Redford eine Spur.
Seine letzte Kinorolle mimte Tappert 1974 in AUCH ICH WAR NUR EIN MITTELMÄßIGER SCHÜLER. Davor war im Fernsehen in mehreren Fernsehfilmen zu sehen.
1973 erhielt Tappert dann die Rolle, mit der er auf der ganzen Welt berühmt werden sollte: DERRICK.
Es war der 30. Juli 1973, vormittags, als Horst Tappert erstmals als Kommissar Stephan Derrick vor die Kamera trat. Am 20. Oktober 1974 wurde dann mit DER WALDWEG, die erste Folge der Serie im ZDF gesendet.
"Wir haben ja sozusagen als Test die ersten beiden Folgen im Sommer 1973 gedreht, die 1974 mit ganz gutem Erfolg ausgestrahlt wurden. Das Publikum war etwas unzufrieden, weil es nicht mitraten konnte. Herbert Reinecker hatte die ersten Folgen ja so geschrieben, dass der Täter am Anfang enthüllt wurde und die Ermittlungsarbeiten im Mittelpunkt standen. Derrick hinkte immer hinterher, der Zuschauer war immer schlauer als er. (11)
Zwischen 1974 und 1997 spielte Horst Tappert 281 Mal den Oberinspektor Derrick, der mit seinem Assistenten Harry, Fritz Wepper, seine Fälle auf seine ganz eigene Art löste. Die Krimi-Serie wurde schnell zu einem "Renner" und war bald auch auf der ganzen Welt bekannt.
"Als ich mit "Derrick" begann, war ich 50 Jahre alt. Ich habe gesagt: Das ist das letzte, was ich machen werde. Und ich werde es so lange machen, wie ich es durchhalte. Das waren nun mal 24 Jahre." (13)
1979 und 1990 wurde ihm der BAMBI verliehen. 1981 wurde ihm die GOLDENE KAMERA verliehen. Im Dezember 1997 drehte Horst Tappert die letzte DERRICK-Folge.
"Er ist älter geworden. Dem habe ich nichts entgegen zu setzen. Das passiert nun mal im Leben, wenn man lange genug gesund und arbeitsfähig bleibt. Aber weil wir zwölf Folgen im Jahr drehten, blieb die Figur ja auch immer ganz nah bei mir. Mit meinem eigenen Älterwerden hat sich auch die Rolle verändert.
Es war ja ein Novum für einen Fernsehpolizisten, dass er gar nicht so erfolgsversessen war und sich viele Gedanken gemacht hat. Und er hat auch manchmal Mitleid gehabt. Sehr oft, er war dann auch sehr nachdenklich. Das ist auch ein Teil des Erfolgsrezepts. (13)
Als am 16. Oktober 1998 mit DAS ABSCHIEDSGESCHENK die letzte Derrick-Folge ausgestrahlt wurde, ging mit der Serie auch eine Fernseh-Epoche zu Ende.
"Einmal muss genug sein! Es ist so, ich habe mich dieser Serie verschrieben, ich habe nichts Anderes getan als das und ich habe das Gefühl, ich müsste mehr Raum und Luft um mich herum haben, frei sein für Entschlüsse, Drehbücher lesen, ja dazu sagen oder auch nein dazu sagen.
Das ist einfach ein Gefühl, dass ich früher hatte vor Derrick! Jetzt innerhalb dieser Serie ist es nicht ökonomisch und auch falsch, so etwas zu tun." (14)
1998 erschien mit DERRICK UND ICH Horst Tapperts Autobiographie. Im selben Jahr erhielt er den BAMBI für sein Lebenswerk.
1999 kehrte der Schauspieler für die deutsch-italienische Fernsehproduktion DER KARDINAL DER PREIS DER LIEBE noch einmal auf den Fernsehbildschirm zurück. Darin spielte er einen Kardinal, der von seiner eigenen Vergangenheit eingeholt wird.
Ein Leben ohne Frauen ist für den Priester Clemens Roetger (Horst Tappert) kein Problem. Der überzeugte Verfechter des Zölibats steht kurz vor seiner Weihe zum Kardinal, als man ihn mit einer unerfreulichen Aufgabe betraut: Er soll seinem Kollegen Martin Bernheim (Walter Kreye) ins Gewissen reden.
Der Bischof hat sich auf eine Frauengeschichte eingelassen. Clemens ahnt nicht, dass auch seine eigene Karriere auf dem Spiel steht, denn zur gleichen Zeit macht sich Ariane Kesselbaum (Christine Reinhart) auf den Weg nach Rom.
Die junge Frau ist auf der Suche nach ihrem Vater. Kurz bevor ihre Mutter starb, flüsterte sie Ariane den Namen Clemens ins Ohr
Von einem Image-Wechsel kann dabei wohl kaum die Rede sein. Obwohl der Ex-TV-Kommissar den Trenchcoat mit der Soutane tauscht, ist sein Spiel so temperamentvoll wie eh und je. (15)
2003 war Horst Tappert in dem Fernsehfilm HERZ OHNE KRONE in seiner letzten Rolle zu sehen.Horst Tappert verstarb nach längerer Krankheit am 13. Dezember 2008 in einer Münchner Klinik.
"Und dennoch werde ich den jungen Schauspielern bei jeder Gelegenheit raten: Geht zum Theater, lernt es von der Pike auf.
Mit all den Enttäuschungen, die euch erwarten: selbstherrliche Regisseure, falsche Rollen, wenig Geld. Laßt euch nicht in frühen Jahren von billigen Fernsehserien schlucken und nie vom sogenannten Zeitgeist.
Bleibt unabhängig und wahrhaftig. Vergeßt eure Vorgänger nicht. Gute Tradition ist keine Last, sondern eine Quelle des Wissens und der Inspiration, ohne die ein Schauspieler, wie genial er auch auftreten mag, immer nur ein Schau-Spieler bleibt.
Ich wünsche ihn mir als Menschen, der uns in jeder Rolle glaubwürdig und faszinierend zeigt, wieviel Leid, wieviel Glück es bedeutet, ein Mensch zu sein." (16)
(1) Horst Tappert
(2) Horst Tappert
(3) Horst Tappert
(4) Horst Tappert
(5) Horst Tappert
(6) Horst Tappert
(7) Cinema Online
(8) Fränkischer Tag, 15. Februar 1969
(9) Prisma Online
(10) Prisma Online
(11) Prisma Online
(12) Horst Tappert
(13) Horst Tappert
(14) Horst Tappert
(15) Horst Tappert
(16) Cinema Online
(17) Horst Tappert
© by Ingo Löchel