Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Heftige Zeiten im alten Rom – Caligula

CaligulaHeftige Zeiten im alten Rom
Caligula

Man kennt ja so einige Sandalenfilme aus Hollywood, in denen es ins alte Rom geht und es zumeist auch noch eine Querverbindung zur christlichen Religion gibt. Seien es die Christen, die in Rom verfolgt wurden und nun im Circus den Löwen vorgeworfen wurden und ähnlichem. Dabei ging es aber immer recht züchtig zu, auch wenn die Kleidung mitunter etwas luftiger Natur war.


CaligulaEigentlich völlig unrealistisch züchtig, denn im alten Rom ging es durchaus in Sachen Sex um einiges heftiger zu. Prostitution war durchaus eine Normalität und weibliche Sklavinnen wurden nicht nur gekauft, um Luft zu fächern, Wein und Speisen herbei zu tragen und diese dann auch ihren Herrschaften zu servieren und ähnliches. Nicht unüblich war der Umstand, dass Sklavinnen durchaus mit vollem Körpereinsatz ihrem Eigentümer oder dessen Gästen zur Verfügung standen. Dies war nicht nur eine Folge der Macht, die Rom sich in der Welt erobert hatte, sondern auch eine Form der Dekadenz, die im Schlepptau mit der Macht des Weltreiches einher ging. Und was Dekadenz betraf, da hatte das Römische Reich nicht gerade wenig zu bieten.

Was nun den Film des Regisseurs Tinto Brass aus dem Jahre 1979 mit dem Titel CALIGULA anging, so wird in ihm die eher unzüchtige Seite dieser zeitgeschichtlichen Epoche durchaus ziemlich überspitzt dargestellt. Auch damals spielte Sex nicht die einzige große Rolle in den Handlungen der Mächtigen, aber näher an manchen Realitäten dürfte dieser Film jedoch in diesem Punkt eher sein, als so mancher alte Hollywood-Sandalenfilm mit erhobenem religiösem Zeigefinger. Keuschheit war im alten Rom jedenfalls nicht gerade eine Zierde und Geschlechtskrankheiten verschiedenster Art waren damals deshalb auch nicht gerade unüblich. Das gleiche galt für Dummheit und Wahnsinn. Nun hatte Nero z.B. eben nicht die Stadt Rom in Brand gesetzt, wie es im Film immer so schön dargestellt wird, aber einen an der Klatsche muss dieser Herrscher schon gehabt haben. Und bei letzterem war er wohl nicht der einzige, der an der Spitze dieses Weltreiches stand. Ein weiterer Name dürfte da ebenso sehr bekannt sein, nämlich Gaius Caesar Augustus Germanicus, der späterhin unter dem Namen CALIGULA das Imperium Roms mit gerade mal vier Jahren als Kaiser beglückte (37 n. Chr. Bis 41 n. Chr.). Nicht gerade eine lange Zeit, aber trotzdem machte er sich einen Namen in den Geschichtsbüchern, der zu einigen Phantasien anregte.

CaligulaNicht gerade eine differenzierte Sichtweise:
Machen wir uns nichts vor, CALIGULA wird auch im Film durchaus in nicht wenigen Punkten etwas überspitzt dargestellt. Da bemüht sich die heutige Geschichtsschreibung durchaus, ein etwas differenzierteres Bild dieser Persönlichkeit zu zeichnen. Das fängt mit seiner schweren Kindheit an, die von Intrigen und Tod nicht gerade selten umgeben war, bis zu seiner Machterlangung, die anfänglich sogar recht hoffnungsvoll startete. Letzteres hielt allerdings wahrlich nicht lange, denn die antiken Quellen zeichnen durchweg bei CALIGULA das Bild eines vom Wahnsinn und Grausamkeit geprägten Gewaltherrschers. Das regte und regt natürlich auch heute immer wieder die Phantasie mancher Schriftsteller und Filmemacher an. Doch wir wollen uns hier weniger den historischen Wahrheiten um die Person des CALIGULA zuwenden, sondern eher der filmischen Umsetzung von 1979, die wahrlich auch Filmgeschichte schrieb, auch wenn sie es mit der geschichtlichen Genauigkeit nicht unbedingt sehr ernst nahm.

CaligulaCaligula – Aufstieg und Fall eines Tyrannen:
Wir schreiben das Jahr 37 n. Chr. Wo das Römische Reich noch von dem an Syphilis gezeichneten Kaiser Tiberius beherrscht wird. Dieser jedoch befindet sich nicht in der Schaltzentrale des Reiches in Rom, sondern hat sich in eine der Provinzen zurück gezogen, um seinen Feinden keine großen Angriffspunkte auf seine Person bzw. sein Leben zu bieten. Doch wie gesagt, dass Alter schreitet voran und die Geschlechtskrankheit fordert wohl bald ihr Opfer. Aus diesem Grund sucht Tiberius einen Nachfolger.

Leider sind seine letzten näheren Verwandten nicht gerade erste Wahl, denn sein Enkel Tiberius Cemellus ist eher schwächlicher Natur und überaus ängstlich. Auch sein Neffe Claudius zeichnet sich durch seine einfältige Art nicht gerade für die Übernahme der Macht aus. Deshalb zitiert er Gaius, genannt CALIGULA zu sich, dem jedoch eher böses schwand. Doch seine Schwester Drusilla, mit der er ein inzestuöses Verhältnis pflegt, ermutigt ihn zur Reise.

Zwar sieht Nerva, Tiberius einziger Vertraute in CALIGULA eher eine Gefahr und auch Marco, der Leiter der Prätorianergarde, der an der Seite CALIGULAS steht, dürstet es nach dem Blut von Nerva, doch Tiberius hat längst sein perfides Spiel eröffnet, indem er seinen Nachfolger zu erkennen hofft. Dabei demütigt er CALIGULA, indem er ihn mit seinem Spitznamen „Stiefelchen“ anspricht und ihn zwingt für ihn so zu tanzen, wie er es als Kind vor den römischen Legionären machen musste. Um einem schlimmeren Tod zu entgehen, zieht es Nerva indessen vor, seinem langen Leben selbst ein schnelles Ende zu setzen.

Doch mit Hilfe und Zuspruch seitens Marco ergreift CALIGULA im weiteren Verlauf seine Chance. Man tötet Tiberius und CALIGULA entreißt ihm den Siegelring seiner Macht. Nur Cemellus hat den Mord an seinem Großvater beobachtet und wird so zu einer ständigen Gefahr für CALIGULA.

Als neuer Imperator erklärt CALIGULA daraufhin nicht nur Drusilla, die ihn als einzige eben „Stiefelchen“ nennen darf, zu seiner offiziellen Geliebten, sondern entledigt sich durch Druck auf Cemellus seinem Freund Marco, den Drusilla fortan als Widersacher CALIGULAS empfand. Dessen Frau Ennia, mit der CALIGULA ebenfalls ein Verhältnis pflegte, schickt er in die Verbannung.

CaligulaDas Leben im römischen Palast wird bald immer mehr von CALIGULAS dekadenten Art und Ausschweifungen überzogen, während sich die Staatskassen bedenklich leeren. Da CALIGULA sich längst selbst ähnlich eines Gottes sieht, gelten die überlieferten Regeln nicht mehr. So erniedrigt er ein junges Brautpaar indem er von ihnen sexuelle Unterwerfung einfordert um später den Bräutigam ermorden zu lassen. Oder er setzt die römischen Legionen in Marsch gegen England ohne jedoch Schiffe hierfür zu besitzen und lässt sie gegen Schilfrohre kämpfen. Um trotzdem die Staatskasse zu füllen, zwingt er nun die Ehefrauen und Töchter der verhassten Senatoren sich zu prostituieren. Als seine Gemahlin Caesonia ein Mädchen zur Welt bringt, entscheidet CALIGULA trotzdem das es Ein Junge sei und sein rechtmäßiger Erbe. Bald darauf stirbt jedoch seine geliebte Schwester Drusilla an einem Fieber, an dem er selbst bereits schwer erkrankt war und verfällt noch mehr dem Wahnsinn. Wer sich seinem Willen widersetzt, wird ermordet, verbannt oder im Circus Maximus in der Erde bis zum Kopf eingegraben. Dort werden sie verhöhnt und durch eine riesige Vorrichtung, ähnlich einer Sense als Verräter geköpft.

Als CALIGULA sich aber nun auch höchst offiziell zum Gott ernennen lässt, formiert sich der Widerstand. Mit Hilfe der Leibgarde ermordet man CALIGULA, dessen Frau Caesonia und deren Kind, sowie CALIGULAS germanischen Leibwächter und ruft den als debil geltenden Claudius als neuen Kaiser Roms aus.

CaligulaNicht gerade voll des Lobes:
Das Lexikon des Internationalen Films beurteilte CALIGULA als „üppiges, spekulatives Sittengemälde voller Sex, Gewalt und Sadismus“. Damit kam der Film damals bei den Kritikern noch recht gut weg. Andere, die mit der offenen und freien Darstellung von Sex und Gewalt geistig nicht zurecht kamen, nannten den Film schlicht „schamlosen Müll“ oder gleich „Pornographie“.

Dem schloss sich natürlich (wie sollte es auch anders sein) die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien an und indizierte den Film letztendlich in Deutschland. Mal abgesehen davon gelang es diesen Kulturbanausen nicht, mich von der Sichtung des vollständigen Films, damals noch aufgeteilt auf zwei VHS-Kasetten (Teil 1. & Teil 2.), abzuhalten. Daher konnte ich schon damals diesen Meinungen nicht wirklich folgen und empfand den Film durchweg als herausragend, wenn auch nicht geschichtlich sauber recherchiert.

Da ich wohl nicht der einzige mit dieser Ansicht war, kamen späterhin immer wieder neue Versionen des Films auf den Markt, die jedoch enorm geschnitten gewesen sind und den sogenannten Jugendschützern selbst dann noch nicht ganz geheuer waren. Doch auch um die Ungeschnittene Version gab es Zank und Krach, so dass auch von anderen Seiten die Schere an das Original angelegt wurde. Das Ende vom Lied war, dass ganze Passagen des Films mitunter lange Zeit als verschollen galten. Diverse filmische Nachahmungen bzw. ähnlich gelagerte, billigere Verfilmungen in Sachen Rom, CALIGULA und dessen Umfeld blieben indessen eher filmische Randnotizen, die ich hier nicht erwähnen möchte. Da ist dann auch der eine oder andere Film dabei, den man wirklich getrost völlig in die Pornoecke verschieben kann.

CaligulaDer Streit bei den Machern war auch folgendem Umstand zu verdanken: Der Film unter der Regie von Tinto Brass basierte auf dem Buch von Gore Vidal und wurde maßgeblich von dem Erotik-Magazin PENTHOUSE finanziert. Produzent des Films war neben Franco Rossellini auch Bob Cuccione, der Chef von PENTHOUSE. Cuccione war es denn auch, der Tinto Brass völlig vom Filmschnitt ausschloss und zahlreiche Szenen veränderte oder entfernte. Dafür ließ er Hardcore-Szenen einfügen, die er zusammen mit Giancarlo Lui im Anschluss an Brass Arbeit hatte drehen lassen. Ein lange andauernder Streit um den Originalfilm war damit vorprogrammiert gewesen, der auch dem Originalfilm selbst nicht zugute kam. Denn nun nahm nicht nur der Gesetzgeber in Deutschland, sondern auch jeder andere daran Beteiligte bzw. sich berufen fühlende die Schere in die Hand.

Erst in jüngsten Jahren gelang es daher wieder, viele zum Teil als verschollen geltende Szenen ausfindig zu machen und den Film umfassend wieder zu restaurieren. Das Interesse am Original war schließlich auch nach den vielen Jahren, in denen eher verstümmelte Filmversionen die Runde machten, ungebrochen hoch geblieben. Es ist daher geradezu ein Verdienst von NSM RECORDS, den „fasst“ wieder vollständig erhaltenen Film in einer limitierten 3-Disc Imperial Edition herausgegeben zu haben, die neben der Vorabfassung (ca. 147 Minuten) auch die Kinofassung (ca. 150 Minuten) umfasst. Das gesamte Original umfasst sogar laut Angaben rund 156 Minuten. Des weiteren gibt es dann noch mit der dritten Disc weitere Extras zum Film plus einem 40-seitigem Booklet mit interessanten Hintergrundinformationen. Wenn man aber an eine solche oder ähnliche ungekürzte Fassung heran kommen will, so muss man hier auf die filmisch gesehen freieren Nachbarländer zurück greifen um ihn von dort zu beziehen. In der Filmwüste Deutschland mit seiner Todschlags-Prüfstelle kann man wenn überhaupt nur reichhaltig verstümmelte Versionen ergattern, die aufgrund der geschnittenen Verschandelung nun wirklich verboten gehören.

CaligulaMeine kritische Betrachtung:
Ja, man kann durchaus sagen das der Film Szenen beinhaltet, die auch aus einem Porno entstammen könnten. Tut das der Sache aber einen Abbruch? Nein!

Der Film war, ist und bleibt sehenswert, solange man sich nicht von manchen Moralaposteln Flöhe ins Ohr setzen lässt. Das Schauspiel von Malcom McDowell, Helen Mirren, Peter O'Toole oder Teresa Ann Savoy, aber auch aller anderen Darsteller kommt auf absolut hohem Niveau daher und jede Kritik daran würde sich auf denkbar hohem Niveau bewegen.

Dabei hatte Tinto Brass es durchweg unterlassen, dem Film ein Flair aufzudrücken, dass man von den Sandalenfilmen aus Hollywood gewohnt war. So hielt sich die Menge der Komparsen trotz der üppigen Darstellung doch in angenehmen Größenordnungen.

Warum Tinto Brass mit diesem Werk auch im Nachhinein nicht mehr wirklich etwas zu tun haben wollte, entzieht sich hier allerdings etwas meinem Verständnis. Ich mochte die Filme von Tinto Brass schon immer recht gerne und in Sachen Sex und dessen Darstellung war auch er eher ein Regisseur und Filmemacher, der gerne auf die deftige Kost zugriff. Die Szenen, in denen auch für ihn hier mal in der einen oder anderen Weise über die Stränge geschlagen wurde (wo er auch nicht dran beteiligt war), sind durchweg auszuhalten und in der heutigen Zeit kaum noch der Rede wert, wo uns das Internet jeder Zeit Zugriff auf weitaus härtere Sexfilme ermöglicht.

CaligulaDas man den Film innerhalb der Familie nicht gerade am Nachmittag abspielt, wo die lieben Kleinen ob des gesehenen große Augen und rote Ohren bekommen können, dürfte eigentlich der eigene gesunde Menschenverstand schon sagen. Dafür bedarf es keiner sogenannten Bundesprüfstelle in diesem Land. Eine einfache Altersempfehlung als Kennzeichnung täte es auch genauso gut. Zumindest könnte man hier von einem positiven Jugendschutz sprechen, während das ansetzen der Schere schlicht schon einen ungehörigen Akt der Zensur darstellt, der - Gesetz hin oder her - einer Demokratie absolut unwürdig ist. Indizierungen halten den Filmfreund nun mal nicht davon ab, sich doch über den Umweg des nahen Ausland sich die entsprechenden Filme zu besorgen (und das ist auch gut so).

Für alle Erwachsenen (also ab 18 plus X) kann ich daher nur die ungeschnittene Version empfehlen, die von mir satte fünf von fünf möglichen Punkten erhält. Jede minderwertige Version (also extrem geschnitten), die es auf dem bundesdeutschen Markt noch gibt, dürfte dagegen für jeden Filmfreund schlicht nur noch eine reine Zumutung sein, weil es einfach nur noch einem Flickenteppich gleicht. Wer mit dem gesehenen daher auch als Erwachsener (auch aus moralischer Sicht betrachtet) nichts anfangen kann, der sollte bei solchen Filmen dann lieber gleich die Finger lassen. Denn niemand muss sich hier etwas antun, was er oder sie im Grunde nicht will. Auch das ist eine freie Entscheidung, die niemandem verwehrt werden sollte und wohl auch niemandem verwehrt wird.
Caligula
Caligula – Aufstieg und Fall eines Tyrannen
(Caligola)
mit Malcom McDowell, Theresa Ann Savoy, Helen Mirren, Peter O'Toole, Guido Mannari, John Gielgud, Giancarlo Badessi, Bruno Brive, Adriana Asti, Leopold Trieste, Donato Placido, Richard Parets, Anneka di Lorenzo, Lori Wagner, John Steiner u.a.
Regie: Tinto Brass
Drehbuch: Gore Vidal
Genre: Historie/Erotik
Laufzeit: 147 bzw. 150 Minuten
Extras: 40-seitiges Booklet/Audiokommentare/Disc mit The Making of, Tinto Brass „Die Orgie der Macht“, Bildergalerie, DVD-Rom Features, Pressemitteilungen u.a.
DVD/FSK: Ungeprüft
Vertrieb: NSM Records
USA/Italien 1979

Kommentare  

#16 Das kleine Gespenst 2016-09-27 17:45
Ich besitze die französische "Caligula"-DVD. Sie enthält alle Harcore-Szenen. :P

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.