... WERNER TOELCKE über Privatdetektiv Weber, Krimis im DDR-Fernsehen sowie seine Karriere als Drehbuchautor- und Kriminalschriftsteller, Teil 2
... Werner Toelcke ...
... über Privatdetektiv Weber, Krimis im DDR-Fernsehen sowie seine Karriere als Drehbuchautor- und Kriminalschriftsteller (Teil 2)
Wenn ich das noch wüsste! Anfangs hatte ich es wohl schlicht und einfach vergessen, das mit dem Vornamen. Später fand ich es vielleicht ganz schick, dass er nur Weber hieß. Die Frage nach dem Vornamen wurde mir schon oft gestellt. In meinem neuen Roman „Claire im Oktober“ thematisiere ich das sogar. In dem Buch, das man jetzt bei Amazon herunterladen kann, wird ein alt gewordener Weber nach seinem Vornamen gefragt und er antwortet, er habe niemals einen gehabt.
Während der Dreharbeiten zu TOTE REDEN NICHT starb der Kriminalkommissar. Eine wichtige Szene mit ihm war erst zur Hälfte fertig. Was tun? Ich brachte quasi über Nacht einen zweiten Kriminalkommissar in den Film, der die Aufgaben des ersten übernahm. Was aber tun mit der erst zur Hälfte fertigen Szene? Der alte Kommissar konnte ja nicht einfach aus dem Bild verschwinden.
Also ließen wir ihn beim Filmschnitt in der Endfertigung immer mal wieder aus seinem Sessel aufstehen. Wir nahmen dafür eine vorhergehende Sequenz, die im Film auch schon gezeigt worden war. Mehrmals und immer wieder stand unser toter Kommissar aus dem Sessel auf, und keiner hat den Schwindel bemerkt. So blieb der Kommissar mitten in der Filmhandlung, obwohl er selbst längst in seinem Sarg lag.
Im zweiten Film DOPPELT ODER NICHTS wurde aus dem Kriminalassistenten Weber plötzlich der Privatdetektiv Weber. Ich hab´s nie erklärt. Sein gutes Verhältnis zu seinen Kriminalkommissaren blieb allerdings erhalten. Der neue Kommissar aus TOTE REDEN NICHT war im 3. Film ER GING ALLEIN auch wieder mit dabei.
Bei allen charakterlichen Eigenheiten muss ein Regisseur ein guter Kommunikator sein. Da gibt es ja viele unterschiedliche Fachgruppen, die er alle integrieren muss. Und er muss ein gutes Arbeitsklima am Set schaffen, wenn ein anständiger Film dabei herauskommen soll. Das wissen die Regisseure. Ich bin mit allen ausgekommen.
Zudem weiß ein Autor, der gleichzeitig Hauptdarsteller ist, dass ihm bei Drehbeginn sein Baby aus der Hand genommen wird. Ein Anderer gibt ihm nun die Flasche. Am Set ist für große Diskussionen keine Zeit. Die Produktionskosten pro Drehtag sind viel zu hoch.
Nach dem Manuskript, das ich allein verfasste, ging es ans Schreiben des optischen Drehbuchs. Das machten der jeweilige Regisseur und ich immer gemeinsam. Hier wurden Charakter und Schwerpunkt der einzelnen Szenen festgelegt. Das ging bis zu den Kamerapositionen. Es war eine Gemeinschaftsarbeit, die lange dauerte.
Bei der Besetzung ging es manchmal zu wie auf dem Basar. Etwa so: Nimmst du für diese Rolle meinen Schauspieler, akzeptiere ich für die andere deinen Liebling, obwohl ich ihn eigentlich nicht ausstehen kann. Beispielsweise musste ich den Regisseur Leopold lange überreden den portugiesischen Kommissar in BOTSCHAFTER MORDEN NICHT zu spielen. Georg Leopold war ja auch Schauspieler, und er hat die Rolle gut gespielt.
Gejuckt hat es mich schon, aber ich habe mich letztlich nicht getraut. Ich war mir nicht sicher, ob ich so viele unterschiedliche Menschen unter einem Dach zusammenbringen konnte.
Der Privatdetektiv Weber avancierte zu so etwas wie einer Kultfigur. Viele DDR-Bürger identifizierten sich mit ihm. Das war den kommunistischen Funktionären immer ein Dorn im Auge gewesen. Ein westdeutscher Bürger eignete sich nun wirklich nicht als Identifikationsfigur für Bürger der DDR. 1971 war es dann soweit, sie ermordeten mein zweites Ich.
Dies war ja der Film, in dem die Oberbonzen meinen Privatdetektiv Weber gekillt haben. Ich habe den wohl weitgehend verdrängt. Ich kann nicht einmal mehr was über den Inhalt sagen. Ich hab´s vergessen.
RÜCKKEHR ALS TOTER und INCLUSIVE TOTENSCHEIN waren auch Krimis. Es waren ´Privatdetektiv Weber – Nachfolge - Geschichten. Die Produktionsabstände wurden jetzt viel größer, nämlich 1973 und 1977. Ich war dabei, mich aus dem DDR-Leben zu verabschieden. Nach INCLUSIVE TOTENSCHEIN habe ich keinen Film mehr für das DDR-Fernsehen gemacht. Ich war extrem misstrauisch geworden.
Ich lebte hinter den Köpenicker Wäldern am kleinen Müggelsee und kam oft wochenlang nicht in die Stadt. Ich schrieb nun Romane. Aber das Misstrauen blieb. So nahm ich auch vom Buchverlag erst dann ein Honorar entgegen und gab die Rechte aus der Hand, nachdem alles fix und fertig war und sie mir zusicherten, dass das Manuskript so gedruckt würde, wie ich es geschrieben hatte. Merkwürdigerweise ging man darauf ein.
In den letzten beiden Filmen gab es ja keinen Weber mehr. Ich schilderte jeweils Menschen, die in kriminelle Angelegenheiten verwickelt wurden und sich auf die Tätersuche machten, bevor es ihnen selbst an den Kragen ging.
Es waren ´Ersatz-Weber´. Ich denke mal, dem Publikum war es egal. Die sahen ja mich, den ehemaligen Weber, im Mittelpunkt des Films. Ob der Kämpfer gegen das Verbrechen nun Weber oder sonst wie hieß, war ihnen schließlich wohl egal.
Neben den Weber-Filmen trat ich in ca. fünfzig weiteren Produktionen auf. Highlights waren Hauptrollen in Stücken von Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt, Curt Goetz und Oskar Wilde.
Den frühen Romanen bis 1968 bin ich nie ein guter Vater gewesen. Als ich nach 1977 keine Filme mehr für das DDR-Fernsehen schreiben wollte, wandte ich mich intensiv dem Romanschreiben zu. DIE CHANCE verwurstet die Filmstory RÜCKKEHR ALS TOTER und der Roman TÖTEN IST SO LEICHT lag dem Film INCLUSIVE TOTENSCHEIN zugrunde.
Die letzten beiden Romane DIE OPERATION und DAS GESICHT DES MÖRDERS sind Originalgeschichten und wurden nie verfilmt.
Papa und seine verstoßene Kinder! Die Geschichte des Romans AUSWEG MORD scheint mit dem Film DOPPELT ODER NICHTS identisch zu sein. Oder ist es umgekehrt?
Anfang der Siebziger öffnete Solschenizyn meiner Frau und mir die Augen über den Kommunismus. Konnte die DDR mit seiner kommunistischen Staatsdoktrin länger ein Land sein, in dem wir leben und unsere Kinder großziehen wollten? Diese Frage stellten wir uns immer wieder. Die Biermann-Affäre verstärkte den Entschluss, die DDR zu verlassen. 1984 reisten meine Frau, die Kinder und ich aus der DDR aus.
Nach dem Verlassen der DDR befand mich jahrelang in einer Schreibblockade. Natürlich erkannte ich die nicht. Das ist auch schwer, wenn man mitten in ihr lebt. Hervorgerufen war sie durch die Ereignisse der siebziger Jahre. Nachdem ich nach 1977 nicht mehr fürs Fernsehen schreiben wollte, wurde ich als Schauspieler kaltgestellt. Das warf einen langen, langen Schatten.
Claire ist ein zauberhaftes Mädchen, und der Oktober, den sie in dem Buch durchlebt, ist natürlich der von 1989. Wir wissen, was damals geschah. Die DDR brach auseinander. In dieser Zeit ist Claire auf der Suche nach ihrer eigentlichen Identität. Sie beginnt, die Menschen um sich herum in einem neuen Licht zu sehen.
Der Roman wird ziemlich aufwendig erzählt, denn er schildert die Lebenswege verschiedener Menschen und reicht tief in deren Vergangenheit hinein. Der Autor weiß, wovon er schreibt, denn er hat beinahe fünfzig Jahre in dem Land gelebt.
Ich sagte ja schon, dass der Privatdetektiv Weber mein Schicksal ist. Natürlich ist er in dem neuen Roman dabei. Er ist nun 60 und lebt auf dem Dorf. Eines Tages kommt sein Freund, der Kriminalkommissar Schnabel aus Hamburg, zu ihm und erzählt von einer tollen Geschichte. Gemeinsam fahren sie darauf in die Hauptstadt der DDR, um dort einen Mord aufzuklären. Und hier kommt es nun zu einer brisanten Begegnung zwischen Claire und dem Detektiv Weber. Eigentlich sollte man sich das nicht entgehen lassen.
: Seit ein paar Tagen kann man den Roman als Ebook bei Amazon/Kindle herunterladen.
Ich arbeite an einer neuen Weber-Story. Der Privatdetektiv lebt nun in einem Dorf nördlich von Hamburg. Auf dem stillgelegten Bauernhof seiner Vorfahren. Er bekennt sich zu seiner bäuerlichen Herkunft. Und vor allem - hier geht es viel gemütlicher zu, denkt er….
Eigentlich möchte sich der herzlose Vater seiner frühen Kinder annehmen. Er würde allzu gern überprüfen, ob die ersten Romane aus den Sechzigern noch zeitgemäß sind. Aber eigentlich kommen die Motive, die zum Mord führen, nicht aus der Mode.
Denken Sie mal an den DOPPELMORD IN DER RUE MORGUE von Edgar Allen Poe. Ich würde meine ersten Bücher gern bearbeiten und als Ebooks bei Amazon/Kindler einstellen. Hoffentlich bleibt mir noch genügend Zeit.
Ich ging über den ´Billy Wilder Platz´ zur großen Tonhalle hinüber, die jetzt ´Marlene Dietrich Halle´ heißt. Hier wurde der ´Blaue Engel´ gedreht. Wir haben in dieses riesige Innenatelier mal ein ganzes Hotel gesetzt. Drei Stockwerke hoch. Restaurant und Hotelempfang. Großer Treppenaufgang und Zimmer im ersten Stock, wo man die Leiche fand. Treppe zum zweiten Stock, über die der Privatdetektiv Weber aufs Dach flüchtete. Toller Bau!
Als ich letzten Sommer in die Halle kam, war sie sauber ausgefegt. Und völlig leer! Immerhin bin ich vor Jahrzehnten dort gewesen, habe in ihr viel gearbeitet. Lange Zeit war es okay gewesen, manchmal sogar schön. Dafür bin ich dankbar!
Internetseite von Werner Toelcke