... WERNER TOELCKE über Privatdetektiv Weber, Krimis im DDR-Fernsehen sowie seine Karriere als Drehbuchautor- und Kriminalschriftsteller, Teil 1
... Werner Toelcke...
... über Privatdetektiv Weber, Krimis im DDR-Fernsehen sowie seine Karriere als Drehbuchautor- und Kriminalschriftsteller (Teil 1)
Ich wurde schon 1930 geboren. Verdammt, das ist bald 100 Jahre her. Die Stadt war auch damals wegen des großen Hafens wunderschön. Sie heißt Hamburg. Bis 1943 ging ich auch dort zur Schule, zuletzt in die Oberschule am Stadtpark. Dann kamen die Engländer und bombten uns bis nach Sachsen.
Diesen schwerwiegenden Entschluss fasste ich mit 15. Und damit mich auch nichts auf andere Ideen brachte, gründete ich an der Oberschule in Glauchau/Sachsen, wo ich von 1943-49 lebte, gleich mal eine Laienspielgruppe.
Deutsches Theaterinstitut Weimar.
Der Intendant vom Stadttheater Glauchau war begeistert von unserer Laienspielgruppe und besetzte mich mit einer Rolle in dem Volksstück vom Stülpner Karl. Ich war inzwischen 19 und spielte einen Oberförster von mindestens 60 mit langem Bart. Der Theaterfriseur hatte mit meinem Gesicht viel Arbeit. Nach diesem Debüt ging ich dann doch lieber nach Weimar auf die Schauspielschule.
: An den Theatern, an denen ich spielte, nämlich Magdeburg, Erfurt, Staatstheater Dresden und Volksbühne Berlin spielte man querbeet, mal klassisch, mal modern, wie´s kam. In meinem Fall waren es die jugendlichen Liebhaber.
Wenn ich an KEIN HÜSUNG, 1952, denke, übrigens nach einem Buch von Fritz Reuter, habe ich leicht bittere Erinnerungen. Der Film wurde bereits während der Dreharbeiten verboten. Wahrscheinlich kam nicht richtig zum Ausdruck, wie sehr die arme Landbevölkerung vom adligen Gutsherren ausgebeutet und unterdrückt wurde.
Aus Protest! Ich musste seinerzeit in Magdeburg in einem hundsmiserablen Weihnachtsmärchen mitspielen und sagte der Autorin, dass ich ein besseres Stück schreiben würde. Was ich auch tat.
Die Leute vom Henschelverlag, übrigens der einzige Theaterverlag in der DDR, meinten, das Stück sei einfach zu schlecht. Man sollte niemandem so einen Dreck vorsetzen.
Die wunderschöne Freundin des Helden wird vom bösen Nordwind entführt. Das Mädchen ist so traurig darüber, dass sie den Nordwind nicht einmal anschauen mag. Das macht den Wind derartig wütend, dass er den Menschen das Licht ausbläst, vor allem auf dem Weihnachtsmarkt.
Kein buntes Treiben mehr, kein Karussell. Überhaupt kein Weihnachtsfest, weil dieser blöde Wind an allen Weihnachtsbäumen immerzu die Lichter ausbläst. Da macht sich unser Held auf den Weg, um den Nordwind zu besiegen und sein Mädchen zu befreien. Neben ihm marschiert sein Teddybär, der natürlich sprechen kann und überhaupt sehr mutig ist. Der Bär heißt Peter Petz.
Ich haute in die Tasten meiner Reiseschreibmaschine ´Erika´, bis meine Finger wund waren. Kopierer waren in jener Vorzeit noch nicht erfunden. Heraus kamen mehrere Manuskripte von ´Peter Petz´. Ich schickte sie an einige Theater. Meiningen und Leipzig wollten beide die Uraufführung und einigten sich auf denselben Tag.
Es hieß ´Peter Petz.´ und kam 1957 auf die Bühne, Anfang der Sechziger ins Fernsehen. Die Theaterdramaturgen spürten im Gegensatz zu den Leuten vom Henschelverlag, dass beim Schreiben ein Schauspieler zugange gewesen war. Die Dialoge waren gut. Er hatte die richtige Mischung aus Aktion, Gemüt und Humor getroffen.
Viele Kollegen erzählten mir später, dass sie den Peter Petz in Weimar, Magdeburg, Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) usw. mit Begeisterung gespielt hatten. Und einige hatten auch beobachtet, wie Kinder diesen Peter Petz auf der Straße nachspielten. Was will ein Autor mehr.
Nein.
Als ich den ZERBROCHENEN WEIHNACHTSENGEL zum ersten Mal unter meinem Namen bei Amazon auftauchen sah, war ich sehr verwirrt. Das Ding hast du nie geschrieben, dachte ich. Außerdem wird es für 14 Euro noch was angeboten, während deine sonstigen Bücher antiquarisch eigentlich 0,01 Euro kosten. Das Ding muss ein richtiger Autor geschrieben haben, dachte ich ein bisschen neidisch. Ich war´s aber doch, schließlich kam ich drauf. Als ich nämlich noch ein junger Schauspieler am Staatstheater Dresden war, betreute ich eine Laienspielgruppe. Wir suchten nach einem Weihnachtsspiel und fanden keins. Da habe ich es für die Jugendfreunde (offizieller Ansprech für FDJ-Mitglieder!) selbst geschrieben. Man darf mich aber nicht nach dem Inhalt fragen. Ich hab´s vergessen.
Der Dramaturg vom Peter Petz - Uraufführungstheater in Meiningen arbeitete seit 1960 beim Fernsehen der DDR. Er ließ nicht locker, bis ich mich als Fernsehautor versucht hatte.
Immer nur ich. Ich hatte den Film schließlich geschrieben und war Schauspieler an einem der großen Berliner Theater. Ich hatte es geschafft.
Im August ´61 bauten sie die Mauer. Sie verboten mir, in meine Heimatstadt zu fahren. Da baute ich mir ein virtuelles Hamburg in meinen Kopf. Geschichten kamen heraus. Krimis, die in Hamburg spielten, in dieser schrecklich kapitalistischen Gesellschaft. In der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, in der die DDR-Bürger leben durften, gab es natürlich keine Morde mehr. Nur noch Kaninchendiebstähle.
Berlin, Potsdam, Babelsberg, Bulgarien, teilweise auch in Hamburg.
Das ist ja das Schöne an einer Demokratie. Da kann jeder machen, was er will. Fast alles! In unserem Fall der Drehs in Hamburg brauchten wir nur einen selbstständigen Kameramann mit bundesdeutschen Papieren, der die Aufnahmen eigentlich machen sollte. Natürlich machte er sie nicht. Hinter der Kamera stand der ostdeutsche Kameramann. Der westdeutsche stand neben ihm. Falls mal einer käme. Es kam aber keiner. Halt, doch! Einmal war es soweit.
Eines Morgens stand unser Produzent vor der Pension in St. Georg auf der Straße und strich das Dach unseres Leihwagens mit roter Farbe an. Das rote Dach brauchten wir, weil unser Original-Spielauto in der DDR so eins hatte. Die Westler hatten als Leihwagen aber nur glatt beige.
Der Produzent strich also mit einem breiten Pinsel übers Dach und war beinahe fertig, als der Peterwagen eintraf. Die Polizisten guckten lange in die Papiere aus Potsdam-Babelsberg, ließen sich auch die Lizenz des westdeutschen Kameramanns zeigen, starrten dann auf das rote Autodach und grinsten. Sie sagten schließlich: Dann drehen Sie mal hübsch Ihren Krimi. Das blutende Auto haben sie ja schon.
Es war wie überall im Leben, manche Leute konnte man gut riechen, andere weniger gut. Meine Partnerinnen gefielen mir übrigens immer. Denke ich heute wenigstens.
Total! Durch das Publikum wurde der Privatdetektiv Weber zu einem Hit. Heute würde man vielleicht sagen: Der Bursche war ziemlich cool. Natürlich hatte diese Akzeptanz große Auswirkung auf mein weiteres berufliches Leben. Ich wurde diesen Weber nicht mehr los. Wollte es wohl auch gar nicht.
Glaub ich eher nicht. Die Gesellschaft veränderte sich insgesamt, wie es jede Gesellschaft tut. Zunächst gab es keine Verbrechen, weil die reine kommunistische Lehre die einfach nicht vorsah.
Phase zwei: Hin und wieder gab es mal einen Mord im Fernsehen zu sehen, aber der Täter kam natürlich aus dem kapitalistischen Ausland, vorzugsweise aus der bösen BRD. Phase drei: Allmählich tauchte schon mal ein eigener Schlitzer auf. Schießer nicht. Revolver waren im Friedensland DDR strikt verboten.
Das ostdeutsche Fernsehen musste sich jeden Abend der Konkurrenz von ARD und ZDF stellen. Man tat alles, damit die Zuschauer nicht auf die Westkanäle umschalteten. Meine Geschichten gehörten wohl zu der Sorte von Filmen, mit denen man die Zuschauer auf dem Ostkanal halten konnte. Die Einschaltquoten lagen bei mir zwischen 70-80%.
Ich weiß bis heute nicht, wie sie es gemessen haben. Auf jeden Fall existierten diese Zahlen. Obwohl in Schwarzweiß gedreht, schienen meine Filme farbiger zu sein. Die Dialoge nicht so hölzern. Die Protagonisten ein klein bisschen cooler.
Es musste natürlich ein Schuss Gesellschaftskritik in die Geschichten, sonst wären sie nicht verfilmt worden. Es war ein Drahtseilakt für den Schreiber. Sein Produkt musste dem kommunistischen Funktionär genügen und dem Zuschauer vorm Schirm festhalten. Ich fiel mit meinen Filmen nicht vom Seil herunter.