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... WERNER TOELCKE über Privatdetektiv Weber, Krimis im DDR-Fernsehen sowie seine Karriere als Drehbuchautor- und Kriminalschriftsteller, Teil 1

Werner Toelcke... Werner Toelcke...
... über Privatdetektiv Weber, Krimis im DDR-Fernsehen sowie seine Karriere als Drehbuchautor- und Kriminalschriftsteller (Teil 1)

Bei Recherchen zu den beiden TV-Mehrteilern  TOTE REDEN NICHT sowie BOTSCHAFTER MORDEN NICHT, die beide in der Straßenfeger-Box 44 des Labels Studio Hamburg erschienen sind, stieß ich auf die Internet-Seite des Hauptdarstellers WERNER TOELCKE, der in insgesamt sechs TV-Mehrteilern bzw. TV-Filmen den Protagonisten WEBER mimte sowie auch die Drehbücher dazu schrieb.

Ich nahm Kontakt mit Herrn Toelcke auf und bekam auch prompt Antwort per Mail. Der sympathische Autor, Schauspieler und Drehbuchautor erklärte sich darin bereit, einige Fragen über seine Arbeit und seine Filme zu beantworten. Aus dem weiteren Email-Verkehr entstand nicht nur nachfolgendes Interview, das ich den Lesern des Zauberspiegels nicht vorenthalten möchte,  sondern auch ein Artikel über Werner Toelcke.

Zauberspiegel: Herr Toelcke, können Sie den Lesern des Zauberspiegels kurz etwas über Ihre Person erzählen? Wann und wo wurden Sie geboren, wo gingen Sie zur Schule etc.?
Werner Toelcke: Ich wurde schon 1930 geboren. Verdammt, das ist bald 100 Jahre her. Die Stadt war auch damals wegen des großen Hafens wunderschön. Sie heißt Hamburg. Bis 1943 ging ich auch dort zur Schule, zuletzt in die Oberschule am Stadtpark. Dann kamen die Engländer und bombten uns bis nach Sachsen.

Zauberspiegel: War es von Anfang ihr Wunsch gewesen, Schauspieler zu werden oder hatten Sie als Jugendlicher einen anderen Beruf ins Auge gefasst?
Werner Toelcke: Diesen schwerwiegenden Entschluss fasste ich mit 15. Und damit mich auch nichts auf andere Ideen brachte, gründete ich an der Oberschule in Glauchau/Sachsen, wo ich von 1943-49 lebte, gleich mal eine Laienspielgruppe.

Zauberspiegel: An welcher Schule machten Sie Ihre Schauspieler-Ausbildung?
Werner Toelcke: Deutsches Theaterinstitut Weimar.

Zauberspiegel: Können Sie sich noch daran erinnern in welchem Stück und mit welcher Rolle Sie ihr Bühnen-Debüt gaben?
Werner Toelcke: Der Intendant vom Stadttheater Glauchau war begeistert von unserer Laienspielgruppe und besetzte mich mit einer Rolle in dem Volksstück vom Stülpner Karl. Ich war inzwischen 19 und spielte einen Oberförster von mindestens 60 mit langem Bart. Der Theaterfriseur hatte mit meinem Gesicht viel Arbeit. Nach diesem Debüt ging ich dann doch lieber nach Weimar auf die Schauspielschule.

Zauberspiegel: Waren sie danach vorwiegend in klassischen oder in modernen Stücken auf der Bühne  zu sehen?
Werner Toelcke: An den Theatern, an denen ich spielte, nämlich Magdeburg, Erfurt, Staatstheater Dresden und Volksbühne Berlin spielte man querbeet, mal klassisch, mal modern, wie´s kam. In meinem Fall waren es die jugendlichen Liebhaber.

Zauberspiegel: In den 1950er Jahren gaben Sie Ihr Film-Debüt.  Auf diversen Seiten werden  dabei diverse Filme und Jahre genannt. So u. a. der OCHSE VON KULM (1954 oder 1955) bzw. KEIN HÜSUNG (1952). Können Sie sich noch an Ihren ersten Film bzw. Ihre erste Filmrolle erinnern?
Werner Toelcke: Wenn ich an KEIN HÜSUNG, 1952, denke, übrigens nach einem Buch von Fritz Reuter, habe ich leicht bittere Erinnerungen. Der Film wurde bereits während der Dreharbeiten verboten. Wahrscheinlich kam nicht richtig zum Ausdruck, wie sehr die arme Landbevölkerung vom adligen Gutsherren ausgebeutet und unterdrückt wurde.

Zauberspiegel: Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Werner Toelcke: Aus Protest! Ich musste seinerzeit in Magdeburg in einem hundsmiserablen Weihnachtsmärchen mitspielen und sagte der Autorin, dass ich ein besseres Stück schreiben würde. Was ich auch tat.

Zauberspiegel: Sie erwähnen auf Ihrer Seite das Bühnenmärchen PETER PETZ, dass der Henschel Verlag ablehnte? Aus welchen Gründen?
Werner Toelcke: Die Leute vom Henschelverlag, übrigens der einzige Theaterverlag in der DDR, meinten, das Stück sei einfach zu schlecht. Man sollte niemandem so einen Dreck vorsetzen.

Zauberspiegel: Können Sie den Lesern des Zauberspiegels kurz etwas zum Inhalt des Stückes verraten?
Werner Toelcke: Die wunderschöne Freundin des Helden wird vom bösen Nordwind entführt. Das Mädchen ist so traurig darüber, dass sie den Nordwind nicht einmal anschauen mag. Das macht den Wind derartig wütend, dass er den Menschen das Licht ausbläst, vor allem auf dem Weihnachtsmarkt.
Kein buntes Treiben mehr, kein Karussell. Überhaupt kein Weihnachtsfest, weil dieser blöde Wind an allen Weihnachtsbäumen immerzu die Lichter ausbläst. Da macht sich unser Held auf den Weg, um den Nordwind zu besiegen und sein Mädchen zu befreien. Neben ihm marschiert sein Teddybär, der natürlich sprechen kann und überhaupt sehr mutig ist. Der Bär heißt Peter Petz.

Zauberspiegel: Wenige Monate nach der Ablehnung kam das Stück doch zu seinem Recht. Es wurde als Doppeluraufführung am Städtischen Theater Leipzig sowie am Stadttheater Meiningen uraufgeführt. Wie kam es dazu?
Werner Toelcke: Ich haute in die Tasten meiner Reiseschreibmaschine ´Erika´, bis meine Finger wund waren. Kopierer waren in jener Vorzeit noch nicht erfunden. Heraus kamen mehrere Manuskripte von ´Peter Petz´. Ich schickte sie an einige Theater. Meiningen und Leipzig wollten beide die Uraufführung und einigten sich auf denselben Tag.

Zauberspiegel: Das Stück scheint damals ein großer Erfolg gewesen zu sein. Zudem wurde es in den nachfolgenden Jahren in vielen Theatern ebenfalls aufgeführt, wurde für das Fernsehen adaptiert und kam im Deutschen Fernsehfunk als Fernsehspiel heraus. Wann und unter welchen Namen kam das Stück auf die Bühne bzw. wurde es verfilmt? Was machte Ihrer Meinung nach den Erfolg des Stückes aus?
Werner Toelcke: Es hieß ´Peter Petz.´ und kam 1957 auf die Bühne, Anfang der Sechziger ins Fernsehen. Die Theaterdramaturgen spürten im Gegensatz zu den Leuten vom Henschelverlag, dass beim Schreiben ein Schauspieler zugange gewesen war. Die Dialoge waren gut. Er hatte die richtige Mischung aus Aktion, Gemüt und Humor getroffen.
Viele Kollegen erzählten mir später, dass sie den Peter Petz in Weimar, Magdeburg, Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) usw. mit Begeisterung gespielt hatten. Und einige hatten auch beobachtet, wie Kinder diesen Peter Petz auf der Straße nachspielten. Was will ein Autor mehr.

Zauberspiegel: Ist das Stück identisch mit dem Buch DER ZERBROCHENE WEIHNACHTSENGEL, das 1955 erschienen ist?
Werner Toelcke: Nein.

Zauberspiegel: Wovon handelt das Buch DER ZERBROCHENE WEIHNACHTSENGEL? Können Sie den Lesern des Zauberspiegels etwas zum Inhalt  verraten?
Werner Toelcke: Als ich den ZERBROCHENEN WEIHNACHTSENGEL zum ersten Mal unter meinem Namen bei Amazon auftauchen sah, war ich sehr verwirrt. Das Ding hast du nie geschrieben, dachte ich. Außerdem wird es für 14 Euro noch was angeboten, während deine sonstigen Bücher antiquarisch eigentlich 0,01 Euro kosten. Das Ding muss ein richtiger Autor geschrieben haben, dachte ich ein bisschen neidisch. Ich war´s aber doch, schließlich kam ich drauf. Als ich nämlich noch ein junger Schauspieler am Staatstheater Dresden war, betreute  ich eine Laienspielgruppe. Wir suchten nach einem Weihnachtsspiel und fanden keins. Da habe ich es für die Jugendfreunde (offizieller Ansprech für FDJ-Mitglieder!) selbst geschrieben. Man darf mich aber nicht nach dem Inhalt fragen. Ich hab´s vergessen.

Zauberspiegel: 1963 schrieben Sie das Drehbuch zum erfolgreichen TV-Zweiteiler TOTE REDEN NICHT und übernahmen zudem die Rolle des Polizisten Weber in dem Fernsehfilm. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Deutschen Fernsehfunk?
Werner Toelcke: Der Dramaturg vom Peter Petz - Uraufführungstheater in Meiningen arbeitete seit 1960 beim Fernsehen der DDR. Er ließ nicht locker, bis ich mich als Fernsehautor versucht hatte.

Zauberspiegel: Waren sie von Anfang an für die Rolle des WEBER im Gespräch oder standen noch andere Schauspieler in der engeren Wahl?
Werner Toelcke: Immer nur ich. Ich hatte den Film schließlich geschrieben und war Schauspieler an einem der großen Berliner Theater. Ich hatte es geschafft.

Zauberspiegel: Wie kamen Sie auf die Idee zu dem Krimi und warum wurde Hamburg als Schauplatz des Kriminalfalles ausgesucht, was doch ziemlich Einzigartig für das DDR-Fernsehen war?
Werner Toelcke: Im August ´61 bauten sie die Mauer. Sie verboten mir, in meine Heimatstadt zu fahren. Da baute ich mir ein virtuelles Hamburg in meinen Kopf. Geschichten kamen heraus. Krimis, die in Hamburg spielten, in dieser schrecklich kapitalistischen Gesellschaft. In der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, in der die DDR-Bürger leben durften, gab es natürlich keine Morde mehr. Nur noch Kaninchendiebstähle. 

Zauberspiegel: Wo wurden die WEBER-Filme hauptsächlich gedreht? In der Umgebung von Berlin? Oder wurde  - je nach Handlung - auch im 'Ausland' gedreht?
Werner Toelcke: Berlin, Potsdam, Babelsberg, Bulgarien, teilweise auch in Hamburg.

Zauberspiegel: Die WEBER-Filme wurde teilweise auch in Hamburg gedreht? Gab es da keine Probleme wegen der Drehgenehmigung in den Western oder seitens der Regierung der DDR?
Werner Toelcke:  Das ist ja das Schöne an einer Demokratie. Da kann jeder machen, was er will. Fast alles! In unserem Fall der Drehs in Hamburg brauchten wir nur einen selbstständigen Kameramann mit bundesdeutschen Papieren, der die Aufnahmen eigentlich machen sollte. Natürlich machte er sie nicht. Hinter der Kamera stand der ostdeutsche Kameramann. Der westdeutsche stand neben ihm. Falls  mal einer käme. Es kam aber keiner. Halt, doch! Einmal war es soweit.
Eines Morgens stand unser Produzent vor der Pension in St. Georg auf der Straße und strich das Dach unseres Leihwagens mit roter Farbe an. Das rote Dach brauchten wir, weil unser Original-Spielauto in der DDR so eins hatte. Die Westler hatten als Leihwagen aber nur glatt beige.
Der Produzent strich also mit einem breiten Pinsel übers Dach und war beinahe fertig, als der Peterwagen eintraf. Die Polizisten guckten lange in die Papiere aus Potsdam-Babelsberg, ließen sich auch die Lizenz des westdeutschen Kameramanns zeigen, starrten dann auf das rote Autodach und grinsten. Sie sagten schließlich: Dann drehen Sie mal hübsch Ihren Krimi. Das blutende Auto haben sie ja schon.

Zauberspiegel: Wie war die Zusammenarbeit mit den Regisseuren und den Kollegen? Gab es Regisseure und Kollegen mit denen Sie besonders gut zusammenarbeiten konnten oder wo die Chemie von Anfang an stimmte? 
Werner Toelcke: Es war wie überall im Leben, manche Leute konnte man gut riechen, andere weniger gut. Meine Partnerinnen gefielen mir übrigens immer. Denke ich heute wenigstens.

Zauberspiegel: Wie veränderte die Rolle des WEBER Ihr weiteres Leben bzw. Ihr Leben als Schauspieler, als Autor und Drehbuchautor?
Werner Toelcke: Total! Durch das Publikum wurde der Privatdetektiv Weber zu einem Hit. Heute würde man vielleicht sagen: Der Bursche war ziemlich cool. Natürlich hatte diese Akzeptanz große Auswirkung auf mein weiteres berufliches Leben. Ich wurde diesen Weber nicht mehr los. Wollte es wohl auch gar nicht.

Zauberspiegel: Es gab ja offiziell in der DDR kein Verbrechen. Veränderten die WEBER-Filme in Bezug auf nachfolgende Kriminalfilme bzw. auf nachfolgende Kriminalserien die ostdeutsche Fernsehkultur bzw. Fernsehlandschaft?
Werner Toelcke: Glaub ich eher nicht. Die Gesellschaft veränderte sich insgesamt, wie es jede Gesellschaft tut. Zunächst gab es keine Verbrechen, weil die reine kommunistische Lehre die einfach nicht vorsah.
Phase zwei: Hin und wieder gab es mal einen Mord im Fernsehen zu sehen, aber der Täter kam natürlich aus dem kapitalistischen Ausland, vorzugsweise aus der bösen BRD. Phase drei: Allmählich tauchte schon mal ein eigener Schlitzer auf. Schießer nicht. Revolver waren im Friedensland DDR strikt verboten.

Zauberspiegel: TOTE REDEN NICHT avancierte (ähnlich wie DAS HALSTUCH in Westdeutschland) in der DDR zum Straßenfeger. Worauf ist Ihrer Meinung nach der Erfolg des Krimi-Zweiteilers zurückzuführen?
Werner Toelcke: Das ostdeutsche Fernsehen musste sich jeden Abend der Konkurrenz von ARD und ZDF stellen. Man tat alles, damit die Zuschauer nicht auf die Westkanäle umschalteten. Meine Geschichten gehörten wohl zu der Sorte von Filmen, mit denen man die Zuschauer auf dem Ostkanal halten konnte. Die Einschaltquoten lagen bei mir zwischen 70-80%.
Ich weiß bis heute nicht, wie sie es gemessen haben. Auf jeden Fall existierten diese Zahlen. Obwohl in Schwarzweiß gedreht, schienen meine Filme farbiger zu sein. Die Dialoge nicht so hölzern. Die Protagonisten ein klein bisschen cooler.
Es musste natürlich ein Schuss Gesellschaftskritik in die Geschichten, sonst wären sie nicht verfilmt worden. Es war ein Drahtseilakt für den Schreiber. Sein Produkt musste dem kommunistischen Funktionär genügen und dem Zuschauer vorm Schirm festhalten. Ich fiel mit meinen Filmen nicht vom Seil herunter.

Zu 2. Teil des Interviews

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