Michael Ballhaus - Ein Nachruf
Am 23. August 1958 heiratete er die Schauspielerin Helga Betten, mit der bis zu ihrem Tod im Jahr 2006 zusammenlebte. Das Paar hatte zwei Kinder zusammen.
Ende der 1950er Jahren begann Michael Ballhaus als Kameraassistent beim Südwestfunk. Dort stieg er bis 1967 zum Chef-Kameramann auf. Während dieser Zeit lernte er den Regisseur Lilienthal kennen, mit dem in dem Fernsehfilm "ABSCHIED" (1966) zum ersten Mal zusammenarbeitete.
Ende der 1960er Jahre lehrte Ballhaus von 1967 bis 1969 an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin.
"Das war eine wilde, spannende Zeit. Ich war den Studenten gegenüber sehr offen. Das ging so: "Na ja, wenn ihr findet, dass der Kapitalist mit einem Weitwinkelobjektiv fotografiert werden soll, damit er hässlich aussieht, dann macht das eigentlich Sinn. Warum soll ein Schwein schön aussehen?"
Aber erst mal habe ich den Studenten natürlich beigebracht, dass man, wenn man jemanden schön aussehen lassen will, eher ein Fünfziger- als ein Achtzehner-Objektiv verwendet." (1)
1969 drehte Ballhaus mit "MEHRMALS TÄGLICH" seinen ersten Kinofilm. Zwei Jahre später folgte mit dem Film "WHITY" seine erste Zusammenarbeit mit dem Regisseur Rainer Fassbinder.
Für den Fassbinderfilm "MARTHA" (1973) versuchte Ballhaus erstmals durch eine 360-Grad-Fahrt um die Akteure, eine adäquatere visuelle Form der Darstellung für die jeweiligen Filmsequenzen zu finden.
Diese 360-Grad-Rundfahrt fand schließlich als „Ballhaus-Kreisel“ Einzug in die Fachsprache, den man als "Meister des Kreises" und als "Meister der entfesselten Kamera" bezeichnete.
"Und Fassbinder hat es dann auf die Spitze getrieben, indem er sich die Schauspieler dabei um sich selbst hat drehen lassen. Es war ein toller Effekt: der Moment, in dem sich die beiden Figuren ineinander verlieben.
Wir waren so begeistert davon, dass wir den Effekt in einem der nächsten Filme, in Chinesisches Roulette, gemolken haben. Da wollten wir nur noch im Kreis rumfahren. Es hatte keinen Inhalt mehr. Es sah nur noch schick aus." (2)
Bis 1979 drehte Ballhaus als Kameramann für Fassbinder insgesamt fünfzehn weitere Filme, von denen "DIE EHE DER MARIA BRAUN" die letzte Zusammenarbeit mit Fassbinder markierte.
Denn kur vor Beginn der Dreharbeiten zu Fassbinders TV-Mehrteiler "BERLIN ALEXANDERPLATZ" kam es schließlich zum Bruch zwischen Michael Ballhaus und Rainer Fassbinder.
"Ich wollte nicht rein in diesen Fassbinder-Klüngel. Das hatte verschiedene Gründe. Viele waren ja von ihm abhängig, finanziell, sexuell, emotional. Verstrickungen gab es immer, und das wollte ich auf keinen Fall." (3)
Die Kameraarbeiten an den Filmen "DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT" und "DESPAIR - EINE REISE INS LICHT" brachten ihm 1973 und 1978 den Deutschen Filmpreis in Gold ein.
Neben seinen Kameraarbeiten für Fassbinder, prägte Ballhaus durch seine Arbeit für Regisseure wie Peter Lilienthal, Hans W. Geißendörfer und Volker Schlöndorff das Antlitz des Neuen Deutschen Films.
Als sich Michael Ballhaus 1982 für Außenaufnahmen für den Lilienthalfilm "DEAR MR. WONDERFUL" in New York aufhielt, wurde John Sayles auf ihn aufmerksam, der Ballhaus für seinen Film "BABY, IT'S YOU" verpflichtet, mit dem der Kameramann 1983 sein Hollywood-Debüt gab.
Danach folgten in 1980er Jahren Hollywoodfilme wie "HERZENSBRECHER" (1984), "TOD EINES HANDLUNGSREISENDEN" (1985), "NACHRICHTENFIEBER" (1987), "DAS HAUS IN DER CARROLL STREET" (1988), "DIE WAFFEN DER FRAUEN" (1988) und "DIE FABELHAFTEN BAKER BOYS" (1989).
1985 kam es durch den Film "DIE ZEIT NACH MITTERNACHT" zur ersten Zusammenarbeit mit Regisseur Martin Scorsese, der mit den Filmen "DIE FARBE DES GELDES" (1986), "DIE LETZTE VERSUCHTUNG CHRISTI" (1988), "GOOD FELLAS" (1990), "ZEIT DER UNSCHULD" (1993) und "GANGS OF NEW YORK" (2002) weitere folgten.
In den 1990er Jahren führte Michael Ballhaus u. a. die Kamera bei Francis Ford Coppolas Horrorfilm "BRAM STOKERS DRACULA" (1992), in den beiden Wolfgang Petersen Filmen "OUTBREAK-LAUTLOSE KILLER" (1995) und "AIR FORCE ONE" (1998) sowie in Hollywood-Streifen wie "SLEEPERS" (1996), "MIT ALLER MACHT" (1998), "WILD WILD WEST" (1999), "DIE LEGENDE VON BAGGER VANCE" (2000) und "WAS DAS HERZ BEGEHRT" (2003).
Für seine Kameraarbeit in "BRAM STOKERS DRACULA" wurde er 1992 mit dem "Chicago Film Critics Association Award" in der Kategorie "Beste Kamera" ausgezeichnet.
2006 beende Michael Ballhaus mit "DEPARTED - UNTER FEINDEN" seine Karriere in Hollywood und ging danach zurück in seine Heimatstadt Berlin.
Während seiner Zeit in Hollywood wurde Ballhaus dreimal für den Oscar nominiert: 1988 für "NACHRICHTENFIEBER", 1990 für "DIE FABELHAFTEN BAKER BOYS" und 2003 für "GANGS OF NEW YORK".
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war Ballhaus u. a. auch als Regisseur tätig, und drehte die Dokumentationen "IN BERLIN" (2009), "MAX RAABE & PALAST ORCHESTER: HEUTE NACHT ODER NIE" (2009) und "UNSER FRANKEN" (2011).
Für den Film "3096 Tage stand Michael Ballhaus 2009 für die Regisseurin Sherry Hormann, die er am 27. Oktober 2011 heiratete, zum letzten Mal hinter der Kamera.
Michael Ballhaus verstarb am 12. April 2017 in Berlin.
(1) Michael Ballhaus
(2) Michael Ballhaus
(3) Michael Ballhaus
© by Ingo Löchel