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Es gibt was auf die Ohren ...

ZauberwortEs gibt was auf die Ohren ...
- Der Boom der Hörspiele und Audiobücher –

Seit dem ausgehenden zweiten Jahrtausend nach Christus geht ein Gespenst um in Deutschland. Was dreißig Jahre vorher als Vergnügen für Kinder im Prä-Lesealter und Entlastung für (vorlesefaule) Eltern galt, ist seit nunmehr beinah einem Jahrzehnt gerade auch bei Erwachsenen en vogue und voll im Trend.

Es heißt, es gebe dreistellige Zuwachsraten. Jeder Buchverlag, der was auf sich hält, macht sie. Kleinere Labels schießen seit einiger Zeit wie Pilze aus dem Boden und bringen ihre Produkte auf den Markt.

Es geht um Hörspiele und Hörbücher. Im Auto, im öffentlichen Personennah- und –fernverkehr lauscht man mittels Walkman Hörspielen und Hörbüchern. Manch heimische Stereoanlage wird nicht durch wummernde Bässe gequält, sondern gibt die mehr oder weniger sonoren Stimmen der deutschen Schauspiel- und/oder Synchronelite wieder.

Fast alles, was als Bestseller gilt, wird vorgelesen und/oder in ein Hörspiel umgesetzt. Und was nicht in den Audio-Abteilungen der Buchverlage umgesetzt wird, greift sich der hörverlag und andere spezialisierte Anbieter.

Das zeigt sich auch hier im Zauberspiegel. Die Themen rund ums Geschäft mit dem Hören drängen sich geradezu auf.

Ich kann mich erinnern: Als ich Ende der sechziger Jahre ein kleiner Knabe mit blondem Haar war, gab es von verschiedenen Anbietern die Märchen der Grimms, Andersens, Hauffs und die Klassiker der Jugendbuchliteratur. Die Stimme Hans Paetschs (der vor allem für das Label „Europa“ tätig war und alles erzählte oder vorlas, was es gab) war den Kindern vertrauter, als die der berufstätigen Eltern.

Mit meiner Mutter lauschte ich auf Radio Bremen oder dem NDR plattdeutschen Hörspielen mit den bekannten Lokalheroen des Volkstheaters. Obwohl es das Fernsehen schon gab, war der Montagabend dem Radio vorbehalten.

Ich selbst entwickelte mich jedoch zu einem Leser. Ich las schneller als Hans Paetsch (dessen Stimme ich immer noch liebe) erzählen konnte. Es machte mir mehr Spaß, mir einen Text selbst zu erlesen und ihn auch mit meiner Phantasie zu interpretieren (und das tue ich auch heute noch). So nahm ich Abschied von Hans Paetsch und wandte mich den Welten Stevensons, Coopers, Shockers, Ungers und Jerry Cottons in gedruckter Form zu. Ich verlor das Hörspiel aus Augen und Ohren.

In den achtziger Jahren neigte sich der Boom der Kinderhörspiele dem Ende zu. Doch noch einmal konnten sich die Hörspielproduzenten retten: Sie entdeckten das damals boomende Horrorheft für sich. Larry Brent, Macabros und der Dämonenkiller gingen zu Europa (Europa zog sich dann aber nach Ärger mit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdendes Schrifttum zurück und taumelte in eine tiefe Krise; immerhin verkaufte man vorher 300.000 Larry-Brent-Hörspiele) und John Sinclair zum kleinen Tonstudio Braun, wo man auch Pornofilme synchronisierte. Die Sinclair-Hörspiele machten es länger, aber nach Streitigkeiten zwischen Lizenznehmer (Tonstudio Braun) und Lizenzgeber (Verlagsgruppe Lübbe) war auch da Feierabend.

Die Fahne des Hörspiels wurde dann nur noch von den legendären Jugend-Detektivserien „TKKG“ und die „Die drei ???“ (um die es nun auch schon einen längeren Disput vor Gericht zwischen Kosmos und Sony BMG um Rechte gibt). Das Hörspiel schien tot – ein sterbendes Medium wie der Heftroman.

Aber ...

... es sollte anders kommen, ganz anders. Der Mensch an sich ist faul. Warum soll er denn selbst lesen, wenn das auch andere für ihn übernehmen könnten? In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre kam man nun in einer handverlesenen Zahl von Verlagen auf die Idee, Bücher auf CD brennen zu lassen.

Oh ja, die technische Entwicklung spielt beim aktuellen Boom natürlich eine große Rolle. Vinyl und Kassette waren für umfangreiche Werke wenig geeignet. Und im Vergleich zu teuer, zu Platz raubend und nicht wirklich praktisch.

Die CD (und in neuerer Zeit: das Herunterladen aus dem Internet) hat da völlig neue Möglichkeiten eröffnet, was alle Facetten von der Produktion bis hin zum Vertrieb angeht. Und nach dem Preis für Rohlinge eingebrochen ist, wurde die Produktion sogar günstig.

Ein Indiz des wieder erstarkenden Hörspielmarkts war auch der Boom auf den Flohmärkten. Selbst „Audio-Trash“ erzielte unter Sammlern Höchstpreise. Das war gruselig, wenn ich an einem Stand auftauchte und Kassetten sah, die mir einst ob unfreiwilligen Humors (Lach-)Tränen in die Augen trieben und die nun für dreistellige D-Mark-Beträge verkauft wurden.

Grausig.

Neben den aufkommenden Hörbüchern war die „Edition2000“ der John-Sinclair-Serie eine Initialzündung für den neuen Boom. Auf der Basis der doch eher zweifelhaften literarischen Vorlage produzierte Oliver Döring für WortArt und Lübbe-Audio erstklassige Hörspiele und stieß mit Effekten und Sound neue Türen auf, gewann alte Hörer zurück und neue dazu.

Es gibt in paar große Label und kleinere Studios, die zum Teil auf semiprofessioneller oder gar fast noch Amateurbasis arbeiten, und Hörspiele auf den Markt bringen. Dennoch gelingen (zunächst einmal) technisch befriedigende Ergebnisse. Die Technik ist erschwinglicher und damit auch für den Kleinproduzenten nutzbar geworden.

Offensichtlich kann man auch Geld damit verdienen. Nun kommen auch Klein(buch)verlage auf den Geschmack. Blitz lässt Hörbücher von der Schattenchronik produzieren (zwei der wichtigsten Blitz-Serien – Larry Brent und Macabros – werden von Europa und der Hörspielewelt vertont). Und auch Zaubermond will seine „Dorian Hunter“-Serie (besser bekannt als Dämonenkiller) vertonen.

Hier bediente man sich zunächst der Nocturna Audio als Lizenznehmer, doch man trennte sich, so dass Nocturna „Im Zeichen des Bösen“ im Einvernehmen mit bestehenden Verträgen und VPM als Dämonenkiller-Hörspiel herausbrachte. Der Außenstehende vermag nicht zu sagen, warum. Denn der Zaubermond-Verlag in Gestalt des Inhabers Dennis Ehrhardt äußerte sich in der hauseigenen Zeitschrift „Mystery Press“ und in zumindest einem Forum ausgesprochen positiv über die Arbeit der Nocturna.

Auf mich macht das den Eindruck, als wolle Zaubermond sich ein Stück vom großen und wachsenden Audio-Kuchen abbeißen.

Doch Vorsicht!

Es gibt mittlerweile viele Mitspieler. Und bisher hat noch kein Boom ewig gedauert. Irgendwann ist Feierabend und der Markt gesättigt. Dann geht’s abwärts. Und wen trifft es als ersten?

Richtig, die Kleinen trifft es immer zuerst.

Aber sind die Kleinen vorbereitet?

Nee, ich habe zwar bisher zu wenig Markteinsicht, ob es wie unter den kleinen Buchverlagen Gerangel gibt. Aber was ich zu erkennen glaube: Jeder wurstelt vor sich hin. Man stört sich nicht, registriert wohl, was die anderen machen, aber darauf, dass ein Bündnis von Nöten sein könnte, darauf kommt keiner.

Die großen Buchverlage, die Hörbücher und Hörspiele produzieren, werden auch eine Durststrecke überleben. „TKKG“ und „Die drei ???“ (wie immer die dann heißen mögen) werden auch die nächste Krise überstehen.

Aber was wird aus den ambitionierten Kleinen? Nun ja, gemäß der Mechanismen, die dann in der Regel greifen, kommt die Pleite.

Hörspiele und Hörbücher unterliegen nicht der Preisbindung. Um flächendeckend im Handel gelistet zu werden, braucht man Geld und niedrige Preise (wenn man nicht die „Renner“ herstellt). Internetplattformen (wie Amazon) dürften Rabatte verlangen, die um die 50 % vom Nettoverkaufspreis liegen.

Was die Kleinen - aus meiner Sicht - brauchen, ist ein Bündnis, zum Beispiel eine gemeinsame Produzentenplattform im Netz, die auf der einen Seite informiert, Entertainment, vielleicht einen Magazinteil und ein Forum bietet, sowie wirbt, aber auf der anderen Seite auch einen gemeinsamen Direktvertrieb enthält.

Shoplösungen, Webspace und Traffic sind nicht mehr so teuer, dass eine solche Idee nicht realisierbar wäre (zumal wenn die Kosten auf viele Schultern verteilt werden). Gerüchteweise habe ich auch gehört, dass bereits vereinzelt über Kooperation nachgedacht wird.

Doch sollte man da schnellstmöglich handeln. Eine Vertriebsgenossenschaft könnte auch helfen, sich im Handel besser zu positionieren. So ist man nicht auf Huckepacklösungen angewiesen, wie bei Maritim. Dieses althergebrachte Label nimmt Kleinproduzenten Huckepack, aber im Zweifel zieht Maritim die eigenen Werke vor. Das zeigt sich jedem, der sehen kann, wenn er sich Maritim und seine in den Handel gebrachten Produkte ansieht.

Die Idee der Kooperation der Kleinen untereinander scheint mir so schlüssig, dass auch die kleinen Buchverlage mal ihre Animositäten begraben könnten. Als Beispiel für alle mag dienen, dass Zaubermond Macabros fortsetzt und Blitz dies sogar befürwortet. Das ist ein Beispiel für gute Zusammenarbeit. Ebenso ist die Tatsache zu loben, dass sich Nocturna Audio und SDK zusammengetan haben. Noch ein Ansatz ist, dass Blitz Nocturna-Produkte in seinem Shop führt, umgekehrt die Nocturna / SDK die Hörbücher von Blitz führt. Aber letztlich sind das nur erste Ansätze. Darauf gilt es aufzubauen.

Denn das sollten sich kleine Hörspiel- und Audiobuchproduzenten, genauso wie kleine Buchverlage, hinter die Ohren schreiben: Nur gemeinsam sind die Kleinen stark und können neben den Großen auch in schweren Zeiten bestehen.

Ansonsten berichten wir irgendwann nicht mehr über einen Boom, sondern zählen die Pleiten. Das klingt sehr pessimistisch. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass kein Boom ewig dauert.

Wir wollen hoffen, dass Vorkehrungen für schlechte Zeiten in guten Jahren getroffen werden. Da kann man von den Eichhörnchen lernen.

Vor allem aber: Kleinliche Eifersüchteleien sollten gemeinsamen Plänen nicht im Wege stehen.

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