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Horst Hoffmann traut sich was - Neue Serie »Sternentiger« aus der Romantruhe

0Horst Hoffmann traut sich was
Neue Serie »Sternentiger« aus der Romantruhe

Horst Hoffmann zählt zu den Urgesteinen der deutschen Science-Fiction. Seit den siebziger Jahren war er fester Bestandteil der Szene. In erster Linie natürlich wegen seiner Beteiligung an Perry Rhodan, aber er hat es sich nicht nehmen lassen, auch immer wieder Ausflüge in andere Serien zu unternehmen. 2009 hat er Perry Rhodan hinter sich gelassen, jetzt meldet er sich mit einer eigenen Serie zurück.


Projekt HeimatsturmRomantruhe hat nach Lex Galactica und Raumfalken nunmehr eine dritte Science-Fiction-Serie im Programm. "Sternentiger. Der lange Weg nach Hause" ist als SF-Satire gekennzeichnet.  Der alleinige Autor Horst Hoffmann ist berühmt-berüchtigt für seinen speziellen Humor, diesmal wagt er sich auch noch an ein brisantes Thema. Das Seriensetting sieht folgendermaßen aus:

"Im Frühjahr 1945, kurz vor Kriegsende, entdeckt das Geheime Wissenschaftskommando des Reichs das Geheimnis der Zeitreise. Der Führer lässt in aller Eile den Fluchtkreuzer WELTRAUMSTURM bauen und begibt sich mit seinen letzten Getreuen auf den vorläufigen taktischen Rückzug, wobei sie Klondoubles von sich zurücklassen, um die anrückenden Feinde zu täuschen. Nach 65 Jahren Tiefschlaf landen sie auf dem erdähnlichen Planeten NEU-GERMANIEN, wobei leider alle kosmischen Daten der Erdheimat verloren gehen. Fünf Jahre später beauftragt der Führer seinen Zögling und Vertrauten, Generaloberst Julius Strammer, die Erdheimat wiederzufinden, vom vermutlichen bolschewistischen Joch zu befreien und das Reich neu zu errichten."

(Ankündigungstext)

Namensgeber für die neue Serie ist das Raumschiff Sternentiger. Und dieses Schiff hat es in sich. Äußerlich gleicht es einer Panzerfaust und verfügt über geradezu gigantische Ausmaße. Es ist 10 Kilometer lang und drei Kilometer hoch, ausgestattet mit 1000 Strahlenkanonen und 100 Superstrahlenkanonen. Der zentrale Bordrechenautomat des Schiffs heißt EVA, spricht mit der Stimme Eva Brauns und kann gelegentlich sehr eigenwillig sein. Die Besatzung besteht aus 6000 Arbeitsklonen, 100 000 Soldatenklonen, 100 Buchhalterklonen, 100 Offiziersklonen, 200 000 Eingeborenensklaven aus Neu-Germanien und dem Dackelpinscher Julius.

Auf Neu-Germanien wurde die einheimische Bevölkerung versklavt und unverzüglich mit dem Aufbau gigantischer Produktionsanlagen begonnen, in denen der Sternentiger erbaut wurde.  Anstelle einer normalen Bevölkerung treten Arbeiterklone, Soldatenklone und Buchhalterklone. Da die Koordinaten der Erdheimat unglücklicherweise verloren gegangen sind, muss der Beginn des Rachefeldzugs zunächst aufgeschoben werden.

Hauptprotagonist der Serie ist der Sternengeneraloberst Julius Strammer, der vom Führer auf seinem Sterbebett höchstpersönlich mit der Mission Rückeroberung der Erdheimat beauftragt worden ist. Strammer ist 42 Jahre alt und 97 Kilo schwer, hat ein kantiges Gesicht mit stahlhartem Blick und einen Kaiserschnauzbart. Außerdem hat regelmäßig wiederkehrende Erinnerungssequenzen, in denen er mit dem Führer und Eva Braun am Kamin sitzt und die beiden ihm Märchen vorlesen.

Horst HoffmannHorst Hoffmann beweist ein feines Gespür für den Duktus der nationalsozialistischen Propaganda. Seine G. in den Mund gelegte Ansprache spiegelt genau den schicksalschweren Pathos der damaligen Zeit wieder und Hoffmann entlarvt dies als reine Phrasendrescherei. "Und dann, als der Feind einen Meter nach dem anderen, einen Schritt und einen Panzer nach dem anderen ins Herz des Reiches vordrang, als alle Welt bereits glaubte, diesen großen Mann aus dem kleinen Ort Braunau am Inn dem Untergang nahe zu sehen, genau in dieser bittersten aller Stunden war es der geniale Geheimwissenschaftler Dr. Schneider, genauer gesagt Schneider III., der diesem Manne..." (S.30) Auch bei den Schilderungen der  anderen historischen Personen, Hess, Eva Braun und Hitler gelingt es Hoffmann, diese quasi wieder zum Leben zu erwecken. Dieses "Leben" ist freilich von kurzer Dauer. Der Führer erliegt nach der Betrachtung einer aufgefangenen Fernsehsendung von der Erde, verzeihung Erdheimat, in der solch unerhörte Dinge vorkamen wie "zwei Männer, die miteinander knutschten, eine Halbnegerin, die sich an die eigenen Brüste oder sogar in den Schritt griff und gleich danch einen Weinkrampf bekam, ein Mann undefinierbarer Rassenzugehörigkeit, der eine Schlange in seine Hose kriechen ließ, und dazwischen immer wieder die beiden als Komiker getarnten Feinde von der Hängebrücke..." (S.40) einen Anfall, von dem er sich nicht mehr erholt. G., Heß und Eva Braun kommen aufgrund unglücklicher Umstände, die sich manchmal auch durch Strammers Mitwirkung ergeben, ebenfalls ums Leben und selbst der Planet Neu-Germanien wird durch den Start des Sternentigers zerstört.   

Immer wieder gibt es auch ironische Bezüge auf eine "Weltraumkriegsheftchenserie" aus der Zukunft, die zur bevorzugten Lektüre des Führers gezählt hat. Dort gibt es so etwas merkwürdiges wie Kugelraumer und ein Mutantenkorps. Sternengeneraloberst Julius Strammer kann überhaupt nicht verstehen, wieso man sich mit diesen Heftchen beschäftigen kann.

Doch nach dem Start muss die Besatzung bei ihrer Suche nach Vatersonne und Erdheimat bald feststellen, dass der Weltraum Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen ist. Man stößt auf tausende grüne Ringraumerwracks und bald auch auf ihre Gegner. Rote Kugelraumer mit genau 1917 Metern Durchmesser. Für das Bordrechengehirn EVA steht fest, auch Stalins Horden haben auf einer Zeitreise die Weltraumkriegsheftchen erbeutet und schicken sich nun an, "die Herrschaft der Arbeiterklasse auf den gesamten Weltraum auszudehnen". Als nächstes stößt der Sternentiger auf die Ignasuur, die Schiff und Besatzung eine teuflische Falle stellen.

Der erste Band "Projekt Strahlensturm" von Horst Hoffmanns neuer Serie Sternentiger ist ein Muss für alle Hoffmannfans. Alle Satireliebhaber dürfen ebenfalls getrost zugreifen. Hoffmann erweist sich als profunder Kenner der NS-Propaganda und versteht es meisterhaft sie bloßzustellen. Die großmäuligen NS-Würdenträger werden durchweg auf Normalmaß zurechtgestutzt, jeder hat mit persönlichen Problemen zu tun, keiner entspricht den heraufbeschworenen heroischen Bildern. Und auch  Sternengeneraloberst Julius Strammer erweist sich bei näherer Betrachtung als unsicherer Mann, der sich gerne hinter markigen Worten versteckt.  Es bleibt abzuwarten, wie sich die Serie weiter entwickelt, ob sich die satirische Grundnote  nicht mit der Zeit abnutzt. Wie auch immer, der erste Band ist auf jeden Fall absolut empfehlenswert.
Projekt Heimatsturm
Projekt Heimatsturm
Sternentiger Bd. 1
von Horst Hoffmann
145 Seiten
9,95 Euro
Cover: Romantruhe, shutterstock
Romantruhe 2014

Kommentare  

#16 martin baresch 2015-11-28 14:01
Was für krasse Reaktionen sind das denn?!
- "Matthias" kann man angesichts seines offensichtlichen Nichtwissens dessen, was Nazi-Deutschland angerichtet hat, (leider) nur so antworten, wie Eckard Siegert das im Kommentar # 3 bereits erledigt hat.
- "Kaiserfront" oder "Kesselschlachten um Russland" anstelle von "Sternentiger"? Legitim, so sein Geld anzulegen, aber mit dem Ablachen wird`s da bestimmt eher nicht so gut klappen, schätz ich mal. Dafür jedoch: strrramme Helden. Okay. Viel Spaß damit. Wer`s braucht. - Auch zu empfehlen: "Er ist wieder da". Nur halt mit weniger Kanonendonner.
- Ich jedenfalls mag Hoho schon seit den Zeiten, da ich noch den aaaarrrrisch-schwäbischen Namen "Eisele" trug und der heutiger "Sternentiger"-Autor mit seinen genialen Zeichnungen mein Fanzine aufwertete, den satirischen "Watchtower" rausgab oder, viel später, mich, den Jo Clayton-Übersetzer, anpiekste, jetzt mal den in der Moewig-SF-Reihe plötzlich eingeplanten Titel "Die Fallen von Ibex" flottest-möglich abzuliefern. Was ich, natürlich strrramm salutierend gehorsamst getan habe :)
- Dass HoHo nach sechs Jahren plötzlich mit den "Sternentiger"-Paperbacks/eBooks (und seinen im eBook, ebenfalls von Joachim Ottos Romantruhe publiziert, veröffentlichten "SF-Klassigern" wieder auftaucht, freut mich. Hier auf ZS-online sogar mal zwei Posts von ihm höchstselbst vorzufinden, nachdem er "einfach so" von der Perryversum-Bühne verschwunden war ... Nur gut! - Hallo Horst, da ich Dich bisher v.a. via Deines Neal Kenwood-Fotos aus Deinem "Gemini"-Erstling kannte - wenn Du der mit der Schlange um den Hals bist ... der Hut steht Dir, und die Symbolik find ich sehr vielsagend, haha.
- Deine "Sternentiger"-Romane sind klasse und ihr Geld wert. Ich jedenfalls hab mir jeden gekauft und hatte meinen Spaß.
#17 martin baresch 2015-11-28 15:31
PS zu dem, was ich unter #16 geschrieben hab:
- Den Titel unter Uwe Weihers einmal mehr informativ und gut geschriebenen Artikels könnte man mit "Projekt Heim*a*tsturm" vielleicht noch korrekt nennen.
- Ergänzend hier auch noch die Info, dass bei der ROMANTRUHE "Sternentiger" # 11 bereits lieferbar ist.
- Und auch das mag noch interessieren: Das verlegerischen Mut Joachim Otto mit "Sternentiger" nicht zum ersten Mal beweist: Auch Ronald M. Hahns wilde SF (?)-Abenteuer-Serie "T.N.T. Smith - Jäger der Unsterblichen" fand bei der ROMANTRUHE ab 2008 und Bd 8 (bis Bd. 12) ihre verlegerische Heimat und wohlverdiente Fortsetzung, nachdem im Blitz Verlag Schluss war damit.
- Hier der Klappentext von Bd. 1, "Der Club der Unsterblichen":
"1936: Schreckliches geschieht im vornehmsten Presseclub der Weltstadt London: Vor den Augen der entsetzten Gäste wird der 36jährige Filmkritiker Ricardo Torres in Sekunden zu einem uralten Greis und stirbt. - Der Journalist T.N.T. Smith, der den mysteriösen Fall recherchiert, deckt unglaubliche Dinge auf: Torres gehörte 1837 - vor 99 Jahren! - zu einem Kommando der Fremdenlegion, das in Algerien spurlos verschwand. - Smiths Forschungen erhärten bald den Verdacht, dass auch die Legionärskameraden des Verstorbenen noch leben. Wieso altern sie nicht? Was ist mit ihnen geschehen? Sind sie auf den legendären Jungbrunnen gestoßen? - Auch die Nazis erfahren von der sensationellen Entdeckung. Ein SS-Sonderkommando wird auf Smith angesetzt. Die Jagd auf die Unsterblichen führt um die ganze Welt ..."
Ging damals leider ein bisschen unter. Aber die Nazis waren auch bei Ron Hahn (bekannt von Filmlexika und Maddrax, u.a.) schon ziemlich verpeilt. Also fast wie in echt.
Anders als in echt auch ein ziemlicher Knaller und zum Ablachen komisch, schon dank der Hahn`schen Schreibe.
#18 Guido Latz 2015-11-29 09:53
Die Serie wurde vom Verlag mit Band 11 eingestellt.
#19 martin baresch 2015-11-29 12:43
Ich erhalte die Bücher immer mit ein wenig Verzögerung, wenn ich unterwegs bin. Tja, waren`s halt wahrscheinlich doch ein paar "Kesselschlachten" zu wenig für den Weiterbestand der Serie. Schade.
#20 Jim Becker 2016-11-22 10:54
zitiere TomOrden:


Es interessiert Sie vielleicht, dass zwischenzeitlich eine weitere Kaiserfront-Reihe herausgekommen ist: "KAISERFRONT EXTRA".
Bisher ist ein Band erschienen, aber zwei weitere erscheinen im Dezember 2016.
Dachte mir, Sie sollten das wissen. Hier der Link:
www.hjb-shop.de/cgi-bin/track.pl?Pfad=/kaiserfront/extra.html

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