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… der »klassischen Krimis«

Verteidigung… der »klassischen Krimis«

Also, was ist ein klassischer Krimi (KK) ... und warum muss er verteidigt werden...?

Das ist leicht beantwortet.

Ein klassischer Krimi enthält genau einen Mord und sonst nichts außer der Whodunnit-Handlung...und spielt bevorzugt im Viktorianischen Umfeld. Letzteres ist aber kein Muss.


Er kann auch im Campus-Milieu von Oxford spielen oder in Blankenese.

Die Handlung bewegt sich im sozialen und gesellschaftlichen Umfeld des Mittelstandes, des Adels oder zumindest der höheren Klasse der Gesellschaft.  Es gibt keinerlei Gewaltexzesse, keine Milieuschilderungen, keine Wirklichkeitsnähe durch krasse Beschreibungen unfreundlicher Umwelten...außer eventuell alter, zerfallener Herrenhäuser, Ruinen in der romantischen Landschaft oder Friedhöfe bei Mitternacht. Der Mord findet zwischen Lunch und Dinner statt...oder auch zur Teezeit...bevorzugt in der Bibliothek oder im Pfarrhaus, es kann aber auch im Herrenhaus oder auf der Jagd nach Fasanen geschehen. Seltener bei der eher hetzigen Fuchsjagd. Auch im Raucherclub stolpert man über die Leiche von Lord Sowieso oder Sir Wiesowie...das ist gar nicht nett...


Gewaltszenen kommen nicht vor im klassischen Krimi, Sozialkritik ist nicht erwünscht, Klassenkampf existiert so wenig wie Politik...außer man ist irgendwo im Foreign Office beschäftigt oder im Nachrichtendienst

Der Detektiv, der den Fall aufklären muss, kann ein Polizist sein, Scotland Yard bevorzugt, zur Not Pinkerton...aber wahrscheinlich ist er/sie Privatschnüffler...entweder des Berufs wegen, man muss ja Geld verdienen und die kleinen grauen Zellen beschäftigen...oder es ist ein Hobby. In jedem Fall ist der Aufklärer/in eine skurille Gestalt mit diversen Macken, Ecken und Kanten im Charakter...eine ausgeprägte Persönlichkeit...etwa ein Oxford-Professor oder eine kleine, alte Dame...bisweilen auch ein Ex-Polizist im Exil.... Eine logische Kette wird gesponnen, der Leser/Zuschauer in die Irre geführt, er/sie darf stets mitraten, erst am Ende des falles wird der Plot überraschend aufgeklärt.

Ein zweiter  Mord ist tabu für die Handlung, denn das hieße, das dem autor/in nichts meheinbgefallen ist/wäre...dass die Handlung gebogen werden müßte, kurz: gemogelt. Weil ihm/ihr nichts mehr einfiel, um den Plot noch zu retten. Hoffnungslos verrannt. Dann lieber neu anfangen, zu schreiben. KEIN zweiter Mord!!! Das ist ein klassischer Krimi , so muss er bleiben.

So soll er sein, so lieben wir ihn .Leider gibt es davon  zu wenige. Bitte schreibt mehr.

Ach ja: Mondlicht und Laternen sind erlaubt, Kutschen auch. Der klassische Krimi entstammt nämlich irgendwie auch der Ghost Novel, dem romantischen Thriller, nur dass hier eben die Gewalttat nicht exzessiv geschildert oder breitgetreten wird, sondern fein säuberlich in die Konformität der Gesellschaft eingepasst. Nur als kleine Störung, als Zucken oder Jucken, das durch investigatives Kratzen beseitigt werden muss. In diesem Sinne: es lebe der klassische Krimi

Der Mord selbst ist ein Jagdunfall, wi!rd mit einbem stumpfen Alltagsgegenstand des täglichen Gebrauches ausgeführt, etwa ein Briefbeschwerer, Messer sind erlaubt, Pistolen ebenfalls; diese sind ein Erbe des Majors vom Punshabkrieg oder liegen halbvergessen in irgendeiner Schreibtischschublade herum, bis sich jemand daran erinnert...Gift geht auch, insbesondere die Damen dürfen das...exzessive Gewalt ist hingegen verboten. Ein gut gezielter Schlag, das wars. Eine Tasse Tee,:erledigt...

Amerikanische Gewaltorgien sind tabu, aber der KK kann auch phantastisch adaptiert werden in Zukunftsambiente der SF-Welt, sofern die Schilderung der äußeren Welt dabei  nicht vom Thema ablenkt. Ebenso ist der historische Zugriff erlaubt, wenn Sherlock Aristoteles den Fall löst oder der römische Zenturio mit seinem SPQR oder ein mittelalterlicher Mönch die Litanei und das Bodenschrubben unterbricht  oder eine Nonne die Kontemplation mit dem Lösen des Falles vermischt...war der Papst wirklich der Täter?

Auf seine/ihre Art ist der Löser der Fälle jedenfalls ein Gentleman/eine Lady und weiß, was sich gehört. In unerschütterlichem Gefühl für die Wahrheit und die Gerechtigkeit, möge kommen, was da wolle, löst der Lord den Fall bis zur bitteren Neige.Und auch der Leser ist ein Löser!

So muss es sein!

© 2016 by H. Döring

Kommentare  

#1 Laurin 2016-05-08 00:36
...und der Gärtner ist immer der Mörder. :lol:

Aber mal ehrlich, wird das auf Dauer nicht etwas langweilig wenn nur das besagte Umfeld variiert aber die sprichwörtliche "Rote Linie" immer die gleiche bleibt?
#2 Matzekaether 2016-05-08 23:29
Das finde ich jetzt aber doch etwas sehr dogmatisch.
Viele, viele Agatha-Chrisite-Krimis haben mehr als einen Mord. Und klassischer gehts ja kaum. Dagegen gibt es auch klassische Krimis, in denen gar kein Mord verübt wird, und sie sind Ikonen der Gattung, wie Ethel Lina Whites "Eine Dame verschwindet".
Ein typisches Beispiel für eine Autorin klassischer Krimis, in denen sehr wohl viel untypisches Millieu aufgetürmt wird, sind die von Dorothy Sayers (die wunderbaren Studien zum Werbe-Betrieb der 30er in "Mord braucht Reklame" etwa). Auch die alten Krimis von Mignon G. Eberhart (20er/30er Jahre, Nicht mein Fall, aber inzwischen auch Klassiker.) bieten viel Atmosphäre jenseits der typischen Sets.
Sicher ist der old-fashion-Krimi, da geb ich dir recht, eher bemüht, sich deduktiv auf einen bis 3 Fälle nd deren ehrliche Aufklärung zu berschränken (In Christies 10 kleine Negerlein sind es allerdings, wie der titel schon andeutet, weit mehr.) Gewaltexzesse im modernen Thriller gehen mir auch auf den Zeiger. Aber ich glaube, ein Hauptunterschied zwischen klassischem Krimi und Thriller ist das Phänomen Serienkiller. Meist handelt der klassische Täter aus sehr rationalen Gründen, wenn er mehrmals tötet: Um Zeugen des ersten Verbrechens aus dem Weg zu räumen, sich an einer Gruppe zu rächen etc. Der Serienkiller ist oft pathologisch verkorkst.
#3 Larandil 2016-05-09 08:33
Da erinnere ich mich immer wieder gerne an das Vorwort zu der Diogenes-Ausgabe von Dashiell Hammetts Romanen und Erzählungen, in dem der Herausgeber erklärt, Hammett habe den Mord den Leuten zurückgegeben, denen er gehört - anstatt ihn gelangweilten englischen Landadeligen zu überlassen, die einen Mord begehen, nur um zu sehen, ob sie damit durchkommen oder nicht.
#4 AARN MUNRO 2016-05-10 09:16
...deshalb diese Verteidigung...kicher...das gibt ein bißchen Diskussion...der wahre Purist erlaubt eben nur einen Mord...als letzte Nothilfe allenfalls zwei...der zweite natürlich zur Vertuschung des Ersten...aber hier wird das Eis dann schon dünn...

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