Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Inflation der Unsterblichkeit – Entwertung eines Mythos?

1 Inflation der Unsterblichkeit
Entwertung eines Mythos?

Einst war die Unsterblichkeit rar im Perryversum, war etwas Besonderes. Man musste sich mit der kosmischen Rätselschnitzeljagd dabei gewaltig anstrengen und nach der Decke des Universums strecken. Dann wurden immerhin ein paar Physiotronplätze verteilt, über die Rhodan  fast wie ein Diktator nach Belieben bestimmen konnte. Falls er Wanderer wiederfand, was ja nicht immer so einfach war.

Später wurden dann zur Reduktion der Anzahl der Haupthelden 25 sogenannte Zell(schwingungs)aktivatoren in Eiform verteilt, die aber auch (zunächst) nicht alle gefunden wurden. Damit wurde die Anzahl der Protagonisten schon stark reduziert (eine Voltzung ohne Voltz – eine Scheerung ohne Thez!). Aber dadurch war die Unsterblichkeit aufgrund ihrer Rarität immer noch etwas Seltenes. Schon im MDI-Zyklus wurde das aber anders, denn auch die Meister trugen je einen Zellaktivator, immerhin gab es nur dreizehn Stück davon, die sich außerdem beim Tod des Trägers auflösten oder von Faktor I gesprengt werden konnten. Auch ES, die Superintelligenz, spielte ein wenig herum mit falschen Aktivatoren, Antis, Cardiff usw. Später, nach dem Auflösen der Zeitschleife und dem Ende von ES' Verwirrung, wurden dann die intrakörperlichen Zellchips als Vitalgeneratoren eingeführt. Dies wurde gleich zum Anlass genommen, wieder einige Hauptpersonen wegzukappen.(Waringer, Tschubai, Lloyd etc.)

Jedenfalls war die (sehr relative) Unsterblichkeit nach wie vor  rar.

Seit jüngerer Zeit aber häufen sich die Begriffsbildungen dazu. Schon im Atopenzyklus wurde Vetris-Molaud, der  Milchstraßen-Tefroder-Diktator  mit einem ZSA belehnt, die Atopen hatten wohl genug davon zum Verteilen. Das Tabu der Seltenheit, das Tabu der einen Verfügbarkeit durch Superintelligenzen, war gebrochen. Nicht nur schmissen die Onryonen haufenweise mit den Dingern herum, sie besaßen auch ein Physiotron. Na ja, immerhin schien es nur eines zu sein. Aber Aktivatoren hatten sie wohl auf dem  Schlussverkaufs-Tisch bei GCC-Woolworth zuhauf abgesahnt. Zum ersten Mal wurde ein Tabu, ein Monopol  der Serie,wirklich gebrochen.

Im jüngsten Zyklus aber häuft sich die Unsterblichkeit als Verlockung nun allzu deutlich und allzu häufig, ob nun echt oder nicht. Zellaktivatoren werden wie im Ramschladen angeboten, Physiotrone häufen sich dutzendweise in organisch gewachsenen Raumschiffen. Wieder einmal werden ganze stellare Bevölkerungen damit geködert und  einige von ihnen kommen zu Tode. So tritt  gerade das Gegenteil des Gewünschten ein.

Doch schon die Aktivatoren der Atopen schienen nicht so richtig zu funktionieren. Bei den jetzigen "Invasoren" der MIlchstraße könnte es ähnlich sein. Zu stark verknüpft wäre die relative Unsterblichkeit mit Zwängen, die dem Empfänger dann aufoktroyiert würden.Die Autonomie des Individuums wäre dahin. Die Person wäre durch ein Gängelband an der Schnur der Invasoren mit deren Interessen unwiederbringlich verknüpft, eine Marionette. Vielleicht an der langen Leine, aber nichtsdesdotrotz, dennoch nur eine ferngesteuerte Puppe. (Man fragt sich übrigens als Leser, ob der Zellaktivator von Vetris-Molaud auch nach dem Abzug des Atopischen Tribunals noch funktioniert, als unabhängiges, autonomes Gerät?)
Durch die allzu starke Handlungshäufung der U-Geräte tritt  außerdem trotz des großen dramatischen Effektes, den man mit solchen Erzählperspektiven erzielen kann, auch ein gewisser Gewöhnungseffekt ein, ein gewisses Gähnen, das den Leser (also mich!) nur noch müde abwinken lässt. Bitte nicht schon wieder!  Mag die innere Handlung auch gut erzählt sein von den Autoren, die Rahmenhandlung hingegen ermüdet schon wieder, zumindest teilweise. Die Fähigkeit der Expokraten, sich hier neuartige Lockmittel auszudenken, scheint beschränkt zu sein. Andererseits: gibt es ein größeres Lockmittel als die relative Unsterblichkeit? Gibt es größere dramaturgische Effekte? Kann man nicht genau hier zeigen, wie die psychologischen Aspekte im Inneren eines Menschen ablaufen, der sich vor solch ein Ziel gestellt sieht.

Wer würde da schon ablehnen?


Dazu benötigt man eine innere Weisheit, die schon Voltz dramaturgisch aufbereitete in „Eine Handvoll Leben“ mit der Hauptperson Hendrik Vouner. (PR-Band 153.) Ansonsten regiert ja die Gier, was völlig selbstverständlich ist und auch viele, interessante Erzählaspekte aufweisen kann. Dennoch ist es eben immer dasselbe.“Nichts Neues im Westen“ ließe sich auch sagen, womit hier die Westside der lokalen Galaxie, vulgo „Milchstraße“ gemeint ist. Einen anderen Gag, eine andere Zugnummer, hätte ich mir hier vom Expokratenteam schon gewünscht. Aber welche sollte es denn sein? Was fasziniert denn ähnlich stark wie die Unsterblichkeit? Darauf fällt auch mir, als Nichtexpokrat, keine Antwort ein …

© 2017 by Holger Döring

Kommentare  

#1 Larandil 2017-07-11 11:14
Im Werkstattband wurde mal eine apokalyptische Vision vorgestellt, die später in "Der Tag des Zorns" (PR 1589) noch einmal präzisiert wurde - in einer Pararealität, in der viele Dinge ganz furchtbar schiefgegangen waren.
Was passiert, wenn die Anzahl frei übertragbarer Zellaktivatoren plötzlich nicht mehr im niedrigen zweistelligen Bereich liegt, so dass die Provenienz eines Aktivators nachvollzogen werden kann? Wird bei einhunderttausend Zellaktivatoren jeder seinen Nachbarn argwöhnisch beobachten, ob der vielleicht nicht auffällig lange jugendlich wirkt und so selten krank wird ... um ihm dann aufzulauern, ihn umzubringen und die Leiche auseinanderzunehmen, um den vermuteten ZA zu finden?
#2 Adolf Faber 2017-07-11 19:23
Die Auflösung dieser dramaturgischen Fabel unserer Expokraten wird interessant. Die Relativierung, die Stefan Pannor aus Teilen des Kanons zieht, möchte ich doch hinsichtlich der Relevanz relativieren ... will sagen, so kann es auch nicht sein: eine Selbstverständlichkeit dass man derartiges produzieren kann. Da die Vitalenergie Teil des sechsdimensionalen "Lebens an sich" ist, das hier im illusionären 4D-Raumzeitkontinuum steckt, sollte man davon ausgehen, daß aus den Niederungen heraus mit Messgeräten betrachtend es mit Frequenzen im Hyperspektrum zu tun hat, die man nicht als Fehlinterpretation bezeichnen kann. Der See aus dem THEZ den neuen ZA Atlans gespeist hat, ist eben solch höherdimensionierte Vitalenergie ...
#3 Cartwing 2017-07-12 20:04
wenn ich das lese, habe ich immer weniger Lust, wieder einzusteigen, bzw. aufzuholen...

Zum Glück gibt es im wahren Leben nur einen einzigen Träger eines Zellaktivators: Jeff Lynne ;-)

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.