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Starrheit und Kräuselungen - Die weiche Welle im Perryversum

1      Starrheit und Kräuselungen
Die weiche Welle im Perryversum

Nein, heute geht es nicht um den weichgespülten Pazifismus der Voltz-Ära.

Auch nicht um die weiche Welle, die durch die Schreibe von Frauen in ein Männergenre wie Space-Opera-SF hineingebracht wird.

Es geht um Gravitation!

Gravitation ist die Substanz, welche die Raum-Zeit bildet oder zusammenhält. Die reale Raumzeit ist ein äußerst starres Gebilde. Um Wellen in ihr hervorzurufen, benötigt man riesige hoch konzentrierte, dichte Massen wie schwarze Löcher im Binärpaar. Selbst dann sind die verursachten Kräuselungen minimal. Ein einzelner Pulsar etwa könnte keine  wellenartigen Verwerfungen hervorrufen, die außerhalb des lokalen Schwerkraftfeldes, das er erzeugt, messbar wären. Er würde nur die lokalen Inertalsysteme ein wenig herumzerren wie ein Abflussstrudel in der Badewanne das Wasser. Im Allgemeinen sagt man, dass ein „Monopol“ nicht strahlt. Er benötigt dazu von außen angeregte Quadrupolschwingungen oder Oszillationen höherer Ordnung in gerader Zahl (ein Oktupol wäre der nächste, stabil schwingende Zustand). Am Besten eignet sich also ein binäres, stellares Objekt.

Deshalb finden wir G-Wellen auch nur bei binären kosmischen Objekten. Aber selbst ein Paar Neutronensterne wäre kaum massereich und dicht genug, um relevante Gravitationswellen hervorzurufen.Es gibt sie allerdings. Es wurden solche gemessen, schon vor längerer Zeit. Die Messungen stimmten mit der Allgemeinen Relativitätstheorie von Einstein überein.  Ein signifikanter Energieverlust des Binärsterns konnte beobachtet werden. Das sind aber ganz minimale Kräuselungen. So ist es auch bei den jüngst entdeckten G-Wellen, die von Black Holes hervorgerufen werden. Wie gesagt, die RZ ist starr, äußerst starr aber dennoch ein bisschen dehnbar. Deshalb werden riesige Antennen nach Art eines Laser-Interferometers zur Messung und zum Nachweis der Wellen benötigt. Diese großen Geräte konnen daher auch minimalste Abweichungen von der Starrheit registrieren, solange lokale Störungen erfolgreich abgeschirmt und herausgefiltert werden können. Die frühen Geräte etwa wurden durch vorbeifahrende Lastwagen gestört.

Anders ist es bei Perry Rhodan: Hier ist die Gravitation weichgespült. Sie ist ein stark dynamisches, oft recht hoch fluktuierendes Feld. Schon bei Kurt Mahr ist sie zeitabhängig: "dg nach dt" bereits im Druuf-Zyklus. Perry morst mit G-Wellen ein SOS. Es gibt „Gravitationsstürme“ im Zentrum der Galaxis beim rasenden Flug hindurch oder sonstwo im All. Im Perryversum wird die Gravitation als Sekundäraspekt eines fünfdimensionalen „Hyperfeldes“ bezeichnet, wie bereits Crest in den ersten Bänden anmerkt. Hier schimmert die alte Kaluza-Klein-Theorie in fünf Raumzeit-Dimensionen durch, die zur Einstein-Maxwell-Theorie führte.

Perry als Serie geht ja ohnehin eigenwillig mit der Physik um, ignoriert sie, wo nötig und nimmt nur diejenigen Anteile in das Perryversum herüber, die nützlich erscheinen. Auch relativistische Zeitverzerrungen bei Flügen in der Nähe der Lichtgeschwindigkeit c  werden ja handlungsbezogen ignoriert oder wurden sogar in der Frühzeit der Serie falsch verwendet (W. Ernsting). Dynamische Gravitation ist jedenfalls die Norm, nicht der Sonderfall im Perry-Weltall. Schon deshalb kann, vor oder nach der Scherung durch Thez ist egal, das Perryweltall nicht Unseres sein. Auch die vielgepriesene oder von manchen Lesern verfluchte Hyperdemenz oder sogenannte „Hyper-Impedanz“, die wir den Kosmokraten resp. Hohen Mächten zu verdanken haben, ist nicht ursächlich schuld an der schnellen Zeitabhängigkeit der Gravitation. Diese ist vielmehr von Anfang eingebaut worden von unbedarften Autoren, die frei von der Leber weg fabulieren wollten, ohne sich um irgendwelche. realen, physikalischen Gesetze kümmern zu müssen. Immerhin KHS hat mitunter die speziell relativistischen Abläufe korrekt beschrieben aber auch er machte oft  Fehler bei der Darstellung, indem er die Begriffe verdrehte.

Jedenfalls ist das herrlich Phantastische im Perryversum die vielfältige, mögliche  Anwendung der Gravitation, ob nun als „Anti-Grav“ im Fahrstuhl vertikaler Röhren oder „gravomechanisches Abwehrfeld“, das KHS bereits in Band 19 bei der STARDUST II einführt.Auch ein Traktorstrahl ist nichts anderes als ein GRASER. Ein gebündeltes, monochromatisches, kohärentes G-Wellenfeld. In vielen anderen Aspekten wird diese Wechselwirkung noch technisch genutzt, die ich nicht alle aufzähle. In der Realität sind wir weit davon entfernt, dies auch tun zu können. Denn die bei niedrigen Energiedichten wie hier im lokalen Tangentialraum der Sonne vorliegende Gravitation ist minimal, ein schwaches Feld, wir haben hier rund um die Erde lokal quasiflache Raumzeit. Die Wellenlängen der Gravitation sind im low-energy-limit der heutigen Erdumgebung auch kaum im UKW-Bereich aufzufinden, wie bei dem gewöhnlichen elektromagnetischen Funk, also nicht bei hohen Frequenzen.Das heißt, die Wellenlängen sind groß! Das verlangt riesige Antennen, da kann man nicht einfach die Maschinen minimieren. Die Raum-Zeit ist, wie gesagt, sehr starr! Der raumzeitlichen Kräuselungen ist wenig zu finden, man muss intensiv suchen!

Gelingt es vielleicht eines Tages, schwarze Minilöcher im Paar einzufangen oder zu erzeugen und in Magnetfeldern zu stabilisieren, dann könnte eventuell diese Naturkraft nutzbar gemacht werden. Aber bitte nicht in Erdnähe. Dazu gibt es zwei sehr schöne Romane von  dem britischen SF-Autor und Physiker Charles Sheffield.

  • The McAndrew Chronicles,
    (Tor, June 1983)
  • One Man’s Universe,
    (Tor, December 1993); an additional McAndrew story:
  • "McAndrew and THE LAW",
    Cosmic Tales: Adventures in Sol System, ed. T. K. F. Weisskopf, Baen June 2004 (posthum).

,Deutsche Ausgabe erstmals 1989 bei Heyne-Verlag, 284 Seiten.ISBN 3-453-03916-5.Übersetzung ins Deutsche von Walter Brumm.

Jedenfalls wird die sinnvolle Anwendung von Gravitation als aktiver  Technologie im Realraum 0.1.  im Gegensatz zum Perryversum mit seiner dehnbaren Physik noch eine Weile auf sich warten lassen … aber wer weiß … trotz allen Wunschdenkens: die Durchbrüche von morgen können schneller da sein, als man denkt! Bis dahin wird es die stark dynamische Raumzeit, die fluktuierenden G-Felder im Perryversum auch weiterhin geben.

 

© 2017 by Holger Döring

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