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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit dem Tod von Virgil Earp

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit dem Tod von Virgil Earp?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Vor 112 Jahren, am 19. Oktober 1905, starb eine der markantesten Gestalten des “Wilden Westens”. Virgil Earp stand immer im Schatten seines berühmteren jüngeren Bruders Wyatt.

Virgil W. Earp, am 18. Juli 1843 geboren, war sowohl Deputy US Marshal in Arizona als auch City Marshal von Tombstone. Es war Virgil Earp, der seine Brüder und Doc Holliday am 26. Oktober 1881 – vor 136 Jahren – in den Kampf am OK Corral in Tombstone (Arizona) führte, wo im wohl berühmtesten Revolverduell der Pionierzeit Tom und Frank McLaury und Billy Clanton starben.

Wie in solchen Fällen üblich, erfolgte danach eine gerichtliche Untersuchung, bei der die Earps vollständig freigesprochen wurden. Das hinderte ihre Gegner nicht daran, auf Rache zu sinnen. Virgil wurde am 28. Dezember 1881 bei einem nächtlichen Rundgang durch Tombstone von einem Fenster im ersten Stock des „Bucket of Blood“-Saloon (heute „Longhorn Restaurant“) hinterrücks mit einer Schrotflinte zum Krüppel geschossen. Er sollte für den Rest seines Lebens an diesen Wunden leiden. Morgan Earp wurde im März 1882 in einer Spielhalle hinterrücks ermordet; Wyatt Earp entging bei dieser Gelegenheit nur mit viel Glück den Schüssen. Beide Attentate führten letztlich zu dem berüchtigten „Vendetta Ride“ Wyatt Earps, der an den Tätern blutige Rache nahm.

Virgil war Veteran des Amerikanischen Bürgerkrieges Kurz vor dem Krieg hatte er Ellen Rysdam geheiratet, die in seiner Abwesenheit eine Tochter zur Welt brachte. Als Virgil 1865 heimkehrte, waren Frau und Tochter verschwunden. Sie hatten fälschlicherweise die Nachricht erhalten, daß er gefallen sei. Seine Suche nach ihnen blieb zunächst erfolglos. 1874 traf er in Council Bluff (Iowa) Alvira Sullivan. Mit ihr blieb er für den Rest seines Lebens zusammen.

Virgil Earp arbeitete nicht nur als Gesetzesvertreter, sondern auch bei der Eisenbahn, als Postkutschenfahrer, Wachmann und Heimstättensiedler, und er suchte nach Gold und Silber.

Im November 1879 wurde er zum Deputy US-Marshal in Arizona ernannt. Seit Oktober 1880 amtierte er zugleich als Polizeichef von Tombstone. Zuvor hatte er sich schon als Constable von Prescott bewährt.

Die Brüder Earp hatten immer ein enges Verhältnis und hielten als Familie fest zusammen. Der Dienst für das Gesetz brachte in der Regel nicht allzu viel ein. Sheriffs in wohlhabenden Bezirken waren recht gut gestellt, weil sie prozentual von den Steuereinnahmen bezahlt wurden. Städtische Polizisten dagegen waren üblicherweise gezwungen, Nebentätigkeiten auszuüben. Daß diese zusätzlichen Einnahmequellen nicht selten im Rotlichtmilieu lagen, war für spätere Chronisten, die in einer anderen Zeit aufgewachsen waren, oft schwer zu begreifen. Während der Zeit der Frontier, vor allem in Boomtowns nahm niemand daran Anstoß, wenn der örtliche Polizist abends am Pokertisch saß oder Einnahmen aus einem Saloon oder sogar einem Bordell bezog. Entscheidend war, daß er seine Arbeit tat.

Nachdem Virgil Earp sich in Arizona etabliert hatte, folgten ihm 1879 seine Brüder. Wyatt arbeitete zeitweise als Deputy Sheriff und Postkutschenfahrer.

Die Earps verdienten gut in Tombstone. Virgil hatte ein monatliches Salär von 150 Dollar und beschäftigte seinen Bruder Morgan als Deputy. Wyatt investierte in Saloons und Silberminen.

Die Earps waren nicht nur nach heutigen Standards, sondern auch damals, „tough guys“ = harte Burschen. Es ist höchst wahrscheinlich, daß sie weitere Nebeneinnahmen durch die großen Minenbesitzer Tombstones hatten, die von ihnen erwarteten, daß sie die Stadt in ihrem Sinne ruhig hielten, das bedeutete, die sogenannten „Cowboys“, die Outlaws, Viehdiebe, Kleinrancher des Umlands, zu vertreiben. Gerüchte, daß Sie sich selbst gesetzlos verhalten hätten, wurden durch eben diese Fraktion aufgebracht, durch Leute, die mit ihnen aneinandergerieten – und es war zweifellos kein Vergnügen, mit den Earps Ärger zu bekommen. Aber sie als „Revolvermänner“ zu bezeichnen, war gelinde gesagt eine ziemliche Übertreibung. Vor dem Gunfight im OK Corral war Wyatt Earp allenfalls zweimal – einmal in Dodge City und einmal in Tombstone – in Schießereien verwickelt gewesen. Morgan Earp hatte vorher niemals auf einen Menschen geschossen. Nur Virgil war ein ehemaliger Soldat, und er hatte schon in Prescott an bewaffneten Auseinandersetzungen teilgenommen. (Ähnlich sah es auch bei Doc Holliday aus, der den Ruf hatte, sofort, schnell und tödlich zu schießen. Dieser Ruf war größer als die Realität.)

Der Kampf am OK Corral, die nachfolgenden Attentate auf Morgan und Virgil Earp, sowie der „Vendeta Ride“ Wyatt Earps haben mehr zu Legende um die Brüder beigetragen als die vorausgegangenen Jahre.

Virgil Earp verlor nach dem heimtückischen Anschlag die Funktion seines linken Arms. Teile des Knochens mußten entfernt werden. Er wurde zu den Eltern der Earps nach Kalifornien transportiert, wo er zwei Jahre benötigte, bis er sich wieder erholt hatte.

Entgegen späteren Verleumdungen durch Personen, die mit den Earps zusammengestoßen waren oder sich selbst profilieren wollten, war der Ruf von Virgil und Wyatt gut genug, daß sie immer wieder als „Peace Officers“ angeheuert wurden. Obwohl Virgil nur einen voll funktionsfähigen Arm hatte, stellte die „Southern Pacific Railroad“ ihn als Wachmann ein. Hier war er mehrfach in bewaffnete Konflikte mit Konkurrenzunternehmen, etwa mit der „California Southern Railroad“ und der „Atchison, Topeka und Santa Fe“ involviert. In einem Fall gehörte er zur Begleitposse des Gouverneurs von Kalifornien.

1884 wurde der Vater der Earps zum Friedensrichter gewählt. 1886 eröffnete Virgil eine Privatdetektei, aber schon im Juli des Jahres wurde er wieder zum Constable in Colton (Kalifornien) gewählt. Als Colton in den Rang einer Stadt erhoben wurde, wurde Virgil Earp am 11. Juli 1887 der erste gewählte City Marshal (Polizeichef). Im Jahr darauf wurde er wiedergewählt.

1888 legte er freiwillig den Stern nieder und zog mit seiner Frau durch verschiedene Minenorte Kaliforniens. Sie betrieben mit einigem Erfolg Saloons und andere Geschäfte.

1895 traf er in Cripple Creek (Colorado) wieder mit seinem Bruder Wyatt zusammen. Virgil war jetzt stärker in Minengeschäfte involviert. Zeitweise lebte er in Prescott (Arizona), kaufte eine Ranch und kandidierte 1900 für ein Sheriffsamt. Aber seine Gesundheit war zu diesem Zeitpunkt sehr angegriffen, so daß er letztlich nicht mehr zur Wahl antrat.

1898 hatte er überraschend wieder Kontakt zu seiner verschollenen Tochter erhalten. Sie war verheiratet und lebte als Mrs. Nellie Law in Portland (Oregon).

Alvira ermutigte Virgil, nach Portland zu reisen, wo er seine Tochter, drei Enkelkinder und auch seine erste Frau Ellen wieder traf, die inzwischen ebenfalls wieder verheiratet war. Berühmt durch den Kampf im OK Corral, interviewte ihn die lokale Zeitung, „The Oregonian“, und im Jahr darauf besuchte Nellie Law ihren Vater und dessen neue Frau in Arizona. Der Kontakt sollte nicht mehr abreißen.

1904 zog es ihn nach Nevada, wo er sich in der Boomtown Goldfield wieder mit seinem Bruder Wyatt traf, der hier einen Saloon betrieb. Virgil Earp wurde sofort zum Deputy Sheriff des Esmeralda County ernannt, während Wyatt zeitweise als Deputy US Marshal amtierte.

In Goldfield erkrankte Virgil an einer Lungenentzündung, von der er sich nicht mehr erholte. Nach sechs Monaten Leidens verstarb er am 19. Oktober 1905, heute vor 112 Jahren. Damit blieb sein Bruder Wyatt der letzte Überlebende des legendären Kampfes in Tombstone.

Virgils Frau Alvira erfüllte den Wunsch seiner Tochter Nellie und ließ den Leichnam nach Portland (Oregon) transportieren, wo er auf dem River View Friedhof bestattet wurde.

Meine Bilder zeigen Virgil Earp, sowie das heutige Longhorn Restaurant (ehemals „Bucket of Blood), von dem aus Virgil niedergeschossen wurde, und die Gedenktafel an eben dieser Stelle. Ferner das Fenster seines Büros in Tombstone, und einige Szenen aus der Stadt Goldfield (Nevada), einst eine reiche Boomtown, heute Geisterstadt, wo allerdings ein Saloon, wie Wyatt Eap ihn betrieb, noch immer geöffnet hat. Abschließend das Grab Virgil Earps in Portland.

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, Dezember 2017
Die kommende Ausgabe

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