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MST3K und Schlefaz oder Schlechte Filme eiskalt serviert

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... Schlechte Filme eiskalt serviert

Als Netflix ankündigte »Mystery Science Theatre 3000« wieder auf den Bildschirm zu bringen - und damit das eigentliche Kickstarter-Projekt, was außerordentlich erfolgreich war - löste das in der englischsprachigen Welt Begeisterung aus. Während wir hier in Deutschland nicht über eine Randnotiz dazu hinwegkamen. Würde man andererseits englischsprachigen Fans erklären, dass wir hier in Deutschland eher was mit »Die schlechtesten Filme aller Zeiten« anfangen können, wäre andererseits in Achselzucken vorprogrammiert.


Dabei haben beide Formate eine gemeinsame Wurzel: Schlechte Filme, die von Kritikern zerrissen werden.

Auf der einen Seite haben wir eine Serie, deren Mitarbeiter die Ausstattung des lokalen Senders nach der offiziellen Arbeitszeit nutzen durfte - quasi eine Labour of Love - sie begann als sehr billig produzierte Serie für einen Lokalsender in den USA, wechselte dann zu Comedy Central und landete später bei SciFi. Auf der anderen haben wir mit Schlefaz eine Serie, die von Oliver Kalkofe ins Leben gerufen wurde, der ein Fan von MST3K ist und den Filmableger mitsynchronisiert hat - der dann auf Tele5 am 18. April 2014 lief. Und der Auslöser für das Format "Die Schlechtesten Filme aller Zeiten" war. Mittlerweile haben wir die 5. Staffel von Schlefaz auf Tele 5 erreicht. Ich vermute, den Kultstatus von MST3K wird Schlefaz allerdings nicht unbedingt bekommen - auch wenn die Serie länger laufen sollte.

Das hängt einerseits damit zusammen, dass MST3K einerseits von 1988 bis 1999 produziert wurde und andererseits SciFi auch die Serienfolgen bis ins Jahr 2004 immer wieder wiederholt hat. Dagegen sind die fünf Staffeln von Schlefaz zwar für einen Spartensender hierzulande schon beachtlich, aber so ganz erreichen sie die zeitliche Dimension nun nicht. Außerdem hat Schlefaz keine Roboter. Oder verrückte Wissenschaftler, die ihre Mitarbeiter mit einem Schlaf auf den Kopf betäuben und ins All befördern.

Denn anders als bei Schlefaz, bei dem Oliver Kalkofe und Peter Rütten sich in die traditionelle Rolle von Filmkritikern werfen und den Film weniger während des Ausstrahlens als vielmehr in Segmenten zwischen den einzelnen Teilen kommentieren - und mit passendem Cocktail ein Trinkspiel inszenieren - ist MST3K eher geschichtenorientiert. Die Hauptprämisse ist dabei tatsächlich: Verrückte Wissenschaftler schaffen ein Testsubjekt - im Original Joel Hodgson oder Michael J. Nelson, bei Netflix Jonah Ray - ins All. Sie zwingen ihn dann dazu schlechte Filme zu schauen und beobachten dann sein Verhalten darauf. Dabei hat das Testsubjekt in der Regel keinen Einfluss darauf, wann die Filme beginnen oder enden. Denn Joel hat sich dazumal aus den Teilen, die dafür zuständig sind Roboter gebaut: Tom Servo, Gypsy, Crow und Cambot. Immer wenn das sogenannte "Movie Sign" ertönt begeben sich alle in den Kinosaal. Als Zuschauer sieht man dann einerseits den ablaufenden Film, andererseits die Silhouetten der drei Zuschauer, die den Film mit witzigen, sarkastischen und anspielungsreichen Kommentaren versehen.

Zudem: Während Oliver Kalkofen und Peter Rütten bei Schlefaz zu Beginn den Zuschauer in den Film einführen und etwa auf Schauspieler hinweisen, auf den Regisseur oder auf das Genre des Films unterbleibt das bei MST3K. Allerdings unterbricht MST3K den Film als solches immer mit einzelnen Sketchen, die über die Folge selbst eine Geschichte erzählen können, nicht immer unbedingt müssen. Dabei können die Sketche mit dem Film selbst zu tun haben. Sind es aber nicht immer. Und während das Trio den Film selbst laufend kommentiert, machen das Kalkofen und Rütten nicht. Schlefaz nutzt dazu Texttafeln, die auf das Trinkspiel verweisen oder auf besonders schlechte Stellen aufmerksam machen.

MST3K bedient sich für das Personal natürlich aus dem Fundus des schlechten SF-Films: Verrückte Wissenschaftler mit ihren Assistenten tauchen zudem ja dauernd in SF-Filmen auf - dazu sind die Kulissen meistens ebenso deutlich wackelbar wie die in der alten Doctor-Who-Serie, aber das trägt zum Charme der Sendung bei. Und bei "cheesy movies" passt das ja auch perfekt. Da die neue Serie momentan in Deutschland nicht zu sehen ist, kann man nur anhand der Trailer vermuten, dass auch der Look der alten Serie und die etwas wabbeligen Sets bei Netflix übernommen wurden. Beide Sendungen haben was die Definition von schlechten Filmen anbelangt ein breites Spektrum: Von SF über Horror bis zum Cop-Film reicht die Auswahl. Zeitlich gesehen hat Schlefaz eher Wert auf aktuellere Filme gelegt. "Sharknado" und "Avengers Grimm" von The Asylum sind schon mal aufgetaucht. MST3K dagegen hat zeitlich eher den Fokus auf die 50ger bis 80ger Jahre. Wobei es offenbar einen Hang der Produzenten zu den Filmen aus den 50gern und 60gern gibt. Schlefaz bedient sich nun aus dem Fundus, den der Sender eh schon hat oder aus den Filmen, die man bei einem Paket mit dazubekommt. MST3K musste dagegen jede einzelne Lizenz für den Film erwerben. Das gab teilweise Probleme, denn etliche Filme konnten nur für eine Ausstrahlung lizenziert werden und sind daher auf DVD gar nicht erhältlich. "Keep Circulating The Tapes" daher nicht nur etwas, was Fans der Serie jenseits des rechtlichen Rahmens bis heute tun - die Folgen landen dann bei YouTube etwa - sondern war auch etwas, was die Macher der alten Serie unterstützt haben. Ob dem auch heute noch so ist, ist fraglich.

Humor ist bekanntlich Geschmacksache. Bei Schlefaz dominiert eher ein sarkastisch-schwarzhumoriger Ton, der in den Dialogen zwischen Kalkofe und Rütten vor, zwischen und nach dem Film ausgetragen wird. Sketche gibst hier nicht. In den Spielszenen bei MST3K herrscht ein Humor, der eher zum Schmunzeln anregt und aus der Anlage der Figuren entsteht. Dagegen sind die Riffs im eigentlichen Filmprogramm humoristisch divers - sie reichen vom Infantilen bis zum Anspielungsreichen. Teilweise gibts Referenzen auf alte Folgen, teilweise auf aktuelle Ereignisse der damaligen Popkultur - viele der Anspielungen sind daher heute auch nicht mehr unbedingt verständlich, aber da der Humor so weitreichend ist, haben sich die Folgen bis heute eigentlich gut gehalten. Besonders funkelt dieser, wenn auf Regiefehler, Inkongruenzen oder andere handwerksmäßige Fehler im laufenden Film hingewiesen wird.

Während Schlefaz hierzulande auch online nachgesehen werden kann - soweit ich weiß gibt es keine DVD-Edition - ist das bei MST3K für den amerikanischen Zuschauer einfacher. Netflix hat die alten Staffeln und die neue komplett online. Da die Folgen in der Regel 90 Minuten dauern - auch die neuen wohl - hat man bei circa 300, mehr oder weniger, ganze Wochenenden verplant. Abhilfe schafft da - natürlich - YouTube. Es gibt neben den - hüstel - anderen Suchergebnissen, die man so findet, den offiziellen MST3K-Kanal. Auf dem befinden sich einige Folgen, die mit Annotationen versehen sind. Leider hat YouTube das Feature vor einiger Zeit abgeschafft, so dass wohl keine neuen Filme hochgeladen werden. Allerdings erschließt sich dadurch die ein oder andere Anspielung deutlich besser als wenn man die Filme nur so schaut.

Ehrlich gestanden: Ich kann mit Kalkofes Humor nur wenig anfangen. Ein wenig Sarkasmus ist auch mir in die Wiege gelegt und als Befürworter dessen, dass man auch schlechte Filme gesehen haben muss, weil man ansonsten nicht weiß, was die guten sind, ist für mich Schlefaz tatsächlich eine der wenigen Sendungen im deutschen Fernsehen, die man sich anschauen kann. Ohne schlechtes Gewissen. Allerdings: Es fehlt mir bei Schlefaz der gewisse Charme. Das Charisma. Mögen Figuren wie Doctor Forrester, Pearl oder the Brain Guy auch aus dem Rumpelkammerfundus der SF stammen - mag deren Humor manchmal auch nicht vorhanden sein - so wachsen sie einem dennoch irgendwie ans Herz. Da jetzt auch Felicia Day als verrückte Wissenschaftlerin bei der neuen Staffel mitspielt - hach! Und obwohl ich es verstehen kann, weil die Lizenzen für die Filme vermutlich für Deutschland neu ausgehandelt werden müssten - verdammt, Netflix! Schaltet die neue Staffel wenigstens mal für Deutschland frei! JETZT KOMMT SCHON!

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