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Von Selbstverlegern, Digitalien und SF-Fans

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneVon Selbstverlegern, Digitalien und SF-Fans

Vor kurzem war im DPR ein Bericht darüber zu lesen, wie sich aktuell die Zahlen bei Buchverkäufen in den Staaten zusammensetzen. Und da ging es schon auch um Selbstverlage und -verleger, die in den USA schon im Kommen sind und bisher von der Branche nicht unbedingt wahrgenommen werden. Das Thema ist momentan im Schwange. Nun ist aber der digital publishing report kein offizielles Organ eines Verlages, der Buchbranche oder gar eines Verlages an sich, der DPR ist ein Fanzine.


Kein "klassisches Fanzine", das im Copyshop fotokopiert wurde oder gar noch nach Lösungsmitteln riecht, auch keines, das deutlich Zeichen von Scherenausschnitten und Kleber auf den Seiten zeigt - heutzutage sind Fanzines nach Digitalien ausgewandert, zeigen sich komplett als Blogs, als Facebook-Notizen, verwandeln sich auf Medium in verlinkbare Einzelteile und schwingen sich den PDF-Mantel über, wenn sie im Newsletter verschickt werden. Mancher mag es bedauern, dass Fanzines in Papierform weniger und weniger werden - obgleich der TCE immer noch sein Paradise auf Papier herausbringt, es auch immer noch genügend solcher Formate gibt. Der aufmerksame Beobachter aber wird schon früh gemerkt haben, dass das reine Papierfanzine schon im Print sich wandelte. Man heftet nicht mehr, man lässt in einer Druckerei ein Magazinformat kleben, manchmal sogar reine Magazine an sich.

In der SF-Szene war aber schon seit einigen Jahren ein Wandel zu beobachten: Was bisher als geheftetes Format unter dem Radar der richtigen Verlage lief, das wurde auf einmal als schickes Magazin präsentiert. Paperbacks ersetzten nach und nach die Klammerheftung und Fanclubs - die eigentlich auch immer schon Herausgeber waren - rückten immer näher an die Rolle eines Verlages. Mehr und mehr wischen die nur für die Mitglieder gedachten Informationen denen, die für einen breiteren Kreis an Lesern gedacht waren und damit vollzog sich ein Wandel hin zum Magazin. Fanclubs wurden, ob sie sich dessen gewahrt wurden oder nicht, auf einmal zu Mitspielern mit den Verlagen.

Denn wenn ein Fanclub Fanromane herausgibt, dann übernimmt der Fanclub natürlich all das, was ein klassischer Verlag für seinen Autor macht: Teilweise werden die Texte in ein Lektorat übergeben, dann wird der Fanroman in ein Layout gebracht, ein Bild muss für das Cover gefunden werden, manchmal bekommt das Ergebnis auch eine ISBN - und ist damit dann tatsächlich auch bei Amazon oder in den Buchhandlungen bestellbar, siehe die Reihen der Romantruhe etwa. Man braucht ab und an einen Illustrator, man braucht einen passenden Slogan, einen mitreißenden Werbetext und dann muss der Vertrieb des Ganzen gewährleistet sein. Der kann mittlerweile ja auf allen möglichen Wegen erfolgen: Auf einem Con, auf einer Messe, online, per PDF, per ePub, im Apple- oder Amazon-Store.

Und auch Egofanzines, bei denen der Herausgeber selber alleine für alles verantwortlich war und das meistens nur Beiträge des Herausgeber enthielt - auch diese Egozines gab und gibt es in der Szene. Perry Rhodan bespricht ja wohl immer noch einmal alle vier Hefte auf einer speziellen Seite die Erzeugnisse der Fanclubs. In jeder Form. Und wenn Egofanzines vertrieben werden, dann haben wir einen Selbstverleger.

Nun gibt es durchaus grandiose Fanzines, aber warum werden die von mir nicht wahrgenommen? Gut, ich bin eh aus der aktiven Szene raus und überweise nur noch meinen Beitrag für den TCE. Dann bin ich natürlich selbst schuld. Ich könnte ja stundenlang auf Webseiten herumsuchen, mir die aktuellen Perry-Rhodan-Hefte kaufen, um informiert zu sein. Ich könnte bei allen Verlagen, die ich kenne auf den Webseiten nachsehen, ob nicht ein neues Fanmagazin in tollen Layout erschienen ist. Ja, natürlich habe ich allein die schuld, weil ich keine Zeit für sowas habe und nebenbei auch diese Kolumne zu schreiben habe. Ich böser, böser SF-Fan, der ich bin.

Vielleicht liegt das aber auch daran, dass Selbstverleger bisweilen das nicht können, was sie eigentlich bräuchten um Erfolg zu haben. Nich jeder, der ein Buch schreibt und verlegt ist ein genialer Marketingmensch. Oder kann eine Pressemitteilung schreiben, die wirklich ankommt. Oder hat Design studiert und weiß daher, dass dunkle Schriften auf dunklen Hintergründen nicht so optimal sind. Das kann in der Tat auch sein und das hat der Szene auch durchaus einen gewissen schlechten Ruf eingebracht. Denn das Schlechte haben wir eher im Gedächtnis als das Gute. Und das Gute gibts in der Szene  natürlich auch, aber ... meine Aufmerksamkeit sollte man schon als Leser irgendwie gewinnen können. Wenn die Einstellung des Selbstverleger die ist, dass ich als Leser ausgerechnet auf ihn warte... Nein.

Aber kehren wir zurück zum Ausgangspunkt: Zahlen, Daten und Fakten des Buchmarktes in den USA. Die werden in einem längeren Artikel in einem Fanzine untersucht und wenn auch die deutsche Buchbranche lässig meint, die Digitalisierung sei bei ihnen durch und da käme nichts mehr - in Deutschland rechnet keiner so Recht mit den Selbstverlegern an sich. Zwar gibt es Verlage, die durchaus Plattformen schufen um im Zug des "Shades of Grey"-Zugs den nächsten Beststeller aus den eingesandten Manuskripten der teilnehmen Autoren zu fischen. Aber Respekt gibt es von der Verlagsbranche für Selbstverleger, diese Schmuddelkinder des Betriebes, eigentlich nicht. Aber... Aber... Aber...

Zumindest in den Staaten sind Selbstverleger im Schatten derartig gewachsen, dass sie durchaus für einen Anteil des Profits bei Amazon verantwortlich sind. Auch, wenn Verleger glauben, eBooks würden demnächst noch mehr zurückgehen als jetzt - was zur Mutmaßung führt, dass die Digitalisierung endlich vorbei sein, weil die Print-Umsätze ja wachsen! In den Himmel! - die Frage ist ja eher, warum eBooks in dermaßen zurückgehen und ob das in Deutschland nicht andere Gründe habe. Vermutlich, diese aber jetzt aufzuzählen wäre Eulen nach Athen tragen. "No ISBN? No Problem!" Mit Amazon kann man selbst sein Buch herausgeben und dann ist es erstmal bei Amazon gelistet. Und damit geht das vollkommen am traditionellen Verlagsmodell vorbei, denn Verlage sehen von den Umsätzen und den Profit, den das Buch eventuell erwirtschaftet, keinen Groschen, geschweige denn einen Heiermann. Und da liegt das Problem, das die Verlage haben und das sie noch nicht sehen: Die Digitalisierung besteht nicht in erster Linie daraus, dass Texte flüssig werden und das Format wechseln. - Vielleicht sollte man daran erinnern, das die ersten 30 Jahre nach der Erfindung des Buchdrucks auch keiner so richtig wußte, was man damit anfangen kann und erstmal die handgeschriebenen Manuskripte der Mönche per Druckerpresse nachmachte, bis man auf den Dreh kam, dass man ja auch andere Formate machen kann und zudem anderes Material verwenden könnte...

Digitalisierung ist, wenn der SF-Fan als Selbstverleger einen Roman bei Amazon veröffentlicht, dieser zu einem Beststeller wird und die Erlöse komplett am Verlagswesen vorbeigehen. Digitalisierung ist auch eine neue Art und Weise, diese Werke zu bewerben. Mit kleinen Videoclips, ungewöhnlichen Slogans, aufregenden Pressemitteilungen. Dass das nicht jeder Selbstverleger kann, das sei dahingestellt. Einen eigenen Verlag zu gründen kann eine Alternative sein. Muss es aber nicht unbedingt. Aber das traditionelle Modell sollte nicht unbedingt naserümpfend als das schlechtere übergangen werden. Es kommt auf den Autor an. Und auf das Werk, das er schreibt. Manche Autoren kommen halt auch nicht über eine Veröffentlichung in einem Fanzine hinaus. Die unsichtbare Hand scheint auch hier am Werke zu sein. Wie das zu bewerten ist? Gute Frage.

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