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Das Gute des Schlechten oder TORGO!

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneDas Gute des Schlechten ...
... oder TORGO!

Bekanntlich wird Ed Wood als der Regisseur gehandelt, der die schlechtesten Filme aller Zeiten drehte. Nun ist »Plan 9 from Outer Space« ebenso wenig ein guter Film wie »Glen or Glenda« - meine Güte, was macht Bela Lugosi nur in diesem Film? Aber es gibt tatsächlich ja Filme, die wirklich schlechter sind als »Plan 9 from Outer Space«. Und »Mystery Theater 3000« hat die in 10 Staffeln bestimmt fast alle gesendet...


Nun rühmt sich zwar Tele5 damit, die schlechtesten Filme aller Zeiten zu zeigen, aber natürlich ist die Idee an sich schon uralt. Wir haben uns doch immer schon an Trashfilmen delektiert, haben prustend zugesehen, wie Barbarella von Kinderpuppen angegriffen wird - okay, wir haben auch die legendäre "Sie zieht sich in Schwerelosigkeit aus"-Szene zu Beginn bewundert, ähm, besabbert. Natürlich kennen wir "Sharknado" oder "Sandsharks" oder "Zombiebieber". (Oder waren das Zombieratten?) Wir grinsen, wenn der Protagonist von "IT lives at night AKA The Batpeople" nicht gerade mit einer Maske aufwartet, die wirklich nach Fledermaus aussieht. Und wir kichern lauthals, wenn Torgo in "Manos: Hands of Fate" - der steht wirklich noch eine Stufe unter "Plan 9", aber okay, wenn jemand wettet, er könne einen Horrorfilm in seiner Freizeit drehen, dann kommen halt wunderschöne Frauen in leichten Gewändern heraus, die irgendwie im Sand miteinander ringen... Ähm. Ja, wir kichern, wenn Torso, der Gehilfe, von den bösen Frauen Manos angegriffen wird und das eher nach auskitzeln aussieht. Und ellenlange Szenen, in denen das Auto durch die Landschaft fährt. Mann, in den 60gern war Landschaft noch echte Landschaft! Staub noch echter Staub! Und Polizisten verwiesen knutschende Paare noch von der Straße, weil - weil... Hab ich die Szenen mit den leichtbekleideten Frauen erwähnt?

"Mytery Theater 3000" holt all die schlechten, aber dann auch wieder nicht zu schlechten Filme aus dem Archiv und zeigt sie. Soweit ich das jetzt beurteilen kann, weil ich das Kalkofe-Format im deutschen Fernsehen nie gesehen habe, ist das bei den "Schlechtesten Filmen aller Zeiten" wohl ähnlich - wenngleich offenbar auf die Kinosessel und die Silhouetten der Kommentatoren verzichtet wird. Es ist nicht so, dass wirklich Perlen unter diesen Filmen zu finden sind - "Sharknado" hat einen gewissen Ruf, natürlich, aber "King Dinosaur" - ein Monsterfilm aus den 50gern - oder "Bloodlust" - ebenfalls ein "Meisterwerk" aus der Schwarz-Weiß-Ära könnten einen schon nach zehn Minuten zum Abschalten zwingen. Allein - man tuts nicht. Und das nicht nur wegen der bissigen Kommentare von Joel oder Mike oder Oliver.

Der Reiz des Schlechten besteht in der Fallhöhe zum Guten. Wir wissen, wie gute Filme sein sollten. Nicht, weil uns das jemand beigebracht hätte oder uns das Schule lehrte - warum eigentlich nicht? Filme sind auch Kulturgut und "Doktor Mabuse, der Spieler" gehören ebenso zu den Klassikern wie "Citizen Kane". Wir lernen je mehr Filme wir sehen, was gute Filme sein sollten. "Inception" ist ein guter Film, weil er innerhalb der Regeln des Hollywood-Action-Films durchaus Fragen zum Thema Wahrnehmung und Realität stellt. "The Dark Knight" lotet das Beziehungsgeflecht zwischen Batman und dem Joker aus - und wir bemerken dabei nicht, dass der Joker für sein entstelltes Gesicht immer eine andere Geschichte parat hat. Darüberhinaus touchiert der Film auch Fragen nach Gewalt und Entscheidungen. "Diva" behandelt vordergründig eine Kriminalgeschichte, aber darüberhinaus auch die Frage, ob die Totalverweigerung nicht eigentlich sinnlos ist? (Im Film macht der Postbote Jules eine Raubkopier-Aufnahme von der Stimme einer bedeutenden Opernsängerin, die sich stets einem Plattenlabel-Deal verweigert.) Abgesehen ist "Diva" darüberhinaus auch vom Schnitt, der Musik und von den Einstellungen her schon ein Film, den wir als gut empfinden.

Der Reiz des Schlechten besteht in der Fallhöhe zum Guten. Wenn in "Plan 9" auf dem Friedhof dauernd das Licht wechselt, es mal Tag und mal Nacht wird, dann ist das zwar gewollt, aber es ist einfach nicht konsistent und gut in sich. Abgesehen von UFOs an Drahtseilen. In den japanischen Godzilla-Filmen wissen wir, dass es Menschen in Gummianzügen sind, die sich über einer Pappstadt die Schädel einschlagen. Amüsant ist das dennoch. Ebenso wie Torgos verschlafenes Auftreten in "Manos: The Hands of Fate" oder die minutenlange Fahrt mit dem Auto die Straße entlang. Es bedeutet im Rahmen der Handlung: Nichts. Und während wir der Filmmusik lauschen, gähnen wir instinktiv und erwarten eigentlich auch nicht, dass wirklich was passiert.

Im Gegensatz zu reinen experimentellen Kurzfilmen etwa, bei denen man sich wirklich fragt, was die Macher sich dabei gedacht haben - manchmal habe ich den Eindruck: Nichts - sind diese schlechten Filme aber innerhalb dessen, was wir als Filmablauf verstehen: Sie haben eine Handlung, einen Anfang und ein Ende. Sie sind halt nur nicht gut gemacht. Sie fallen von dem, was wir gewohnt sind derartig ab, dass sie lächerlich und unfassbar dämlich erscheinen. "The Brain, that couldn't die" ist schon vom Titel her einfach urkomisch, aber wenn dann der Topos des verrückten Wissenschaftlers auftaucht müssen wir trotz grinsen. "It's MADNESS!" hält der Freund dem Protagonisten entgegen. Ja, es ist Wahnsinn. Es ist wahnsinnig komisch, es ist komisch, weil es nicht das ist, was wir erwarten. Und weil uns die Macher auch irgendwie leid tun. Denn: Sie haben sich doch angestrengt. Sie haben immerhin eine Handlung erfunden - wenn dann auch mit Längen, in denen die Charaktere Berge klettern anstatt mit Dinosauriern zu kämpfen, "The Lost Continent". Wir sehen Minuten lang nichts als Berge und Leute, die diese Berge erklimmen. Minuten - lang. Spannung ist anders.

Schlechte Filme versagen. Keine Frage. Dass wir aber in schlechten Filmen ein Vergnügen sehen können, das liegt daran, dass wir bereitwillig uns auf das Schlechte einlassen können. Wir erkennen das Schlechte, das wir sehen. Wir haben aber auch gelernt, die Ironie als Zuschauer für uns einzusetzen. Siehe "Dschungelcamp", das man ja nur mit einem "ironischen" Zustand anschaut. Als ob man die ganze Zeit Ironie durchhalten könnte. In schlechten Filmen spiegelt sich ein Abglanz des guten Films, allerdings ist dieser Abglanz schon durch recht - vage. Dennoch ist ab und an auch etwas Gutes in diesen furchtbaren Filmen zu erkennen: Leichtgewandete Frauen, die sich in der Wüste balgen etwa. Oder Torgo. Oder zumindest ahnt man, was für ein guter Film es hätte werden können, wenn die Macher sich mehr Mühe gemacht hätten. Was übrigens auch auf "Die Schlümpfe" oder andere neuzeitlichere Filme zutrifft. 

Ich bin gespannt, wie "Mystery Theater 3000" mit seinen Sketchen, seinen bissigen Kommentaren und dem ganzen Drumherum - Roboter! Roboter! Roboter! - auf Netflix in diesem Jahr wiederkommt. Und wenn, dann gibst ein wunderbares Wochenende mit den besten der schlechtesten Filmen. Popcorn?

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