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Kreativquartiere: Ghettos für Künstler?

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneKreativquartiere:
Ghettos für Künstler?

Das Gespenst von Richard Floridas "Kreativer Klasse" geistert seit Jahren durch die Köpfe von Stadtmachern, Baudezernenten, Oberbürgermeistern und anderen Politikern. Besonders im Ruhrgebiet, wo der industrielle Wandel immer noch vor sich hergeht, wenn wir auch nicht recht wissen wohin eigentlich, ist die "Kreative Klasse" gerne eine, die gerne als Retter in der Not hochstilisiert wird. Oder kurz gesagt:


Wo eine abgeranzte Fabrik steht, können ja auch mal Kreative mit den Ateliers rein. Aber das funktioniert nicht.

Es ist ja kein Wunder, wenn Initativen wie die Kreativquartiere, die im Ruhrgebiet an allen Ecken und Enden entstehen skeptisch beäugt werden. Denn meisten ist das, was mit digitalem Wandle als Begriff verknüpft ist - oder dem Begriff der Smarten Stadt, wobei keiner so richtig definiert hat, was dieses smart jetzt heißt und ob connected oder open nicht doch irgendwie besser wäre, zumindest für den Bürger wäre eine Open City, die ihre Daten freigibt und an denen dann Leute mitarbeiten können durchaus besser. Aber das fällt wohl eher unter dem Begriff des City-Hackens, das wiederum eher im Bereich von Fab-Labs, dem Creative Citizen und anderen Welten angesiedelt ist, die wie eine Aufzählung fürs Buzzword-Bingo klingen. Fest steht jedenfalls, das noch nicht mal richtig geklärt ist, was ein Kreativquartier eigentlich sein soll.

Das ist das eine Problem: Ist ein Kreativquartier eine Initiative, die von unten kommt und in der sich Künstler, Kreative und Kreativwirtschaftler zusammenschließen? Oder darf eine Partei schon fehlen, wie im Kreativquartier Ruhrort in Duisburg, das in erster Line ja nur Künstler beinhaltet und nicht gerade die Szene, die die Stadt gerne mit Coworking-Angeboten anlocken möchte? Also die etwas hipperen Kreativwirtschaflter, die irgendwie was mit Internet, Agenturen, Architekten und so zu tun haben. Ist ein Kreativquarter etwas, was die Stadt selbst vorgibt? Das ist eher eine Definition, die einem begegnete wenn man Masterplane von Städten vor sich hat. Der Aspekt der Nachnutzung von industriellen Gebäuden spielt hier eine große Rolle, man hofft einfach durch die Nachnutzung von leerstehenden Farbrikhallen, Gebäuden oder Brachflächen - so ein Container ist ja schnell mal irgendwo hingestellt - dass dann auch die Künstler und Kreativen durch die billigen Mieten angezogen herbeiströmen.

Jetzt schon kann gesagt werden: Dieser Aspekt der Stadtplanung funktioniert nicht und die Kreativwirtschaft kann auch per se keine ganze Stadt retten. Es erinnert an das Postamt in Ankh-Morpork, das als Tempel von einem König für einen Gott gebaut wurde - ohne direkt, dass der König jetzt einen bestimmten Gott im Kopf hatte, sondern einfach nur als leeres Gebäude für jeden Gott, der zufällig vorbeikam. Das hat, wenn man Pratchetts Bücher kennt, nicht funktioniert. Und diese doch sehr naive Vorstellung, die bei Städteplanern immer noch mitschwingt sollte endlich mal begraben werden: Künstler sind sehr individuelle Individuen und die lassen sich nicht per vorschreiben, wo sie zu sein haben sollen. Wäre ja noch schöner.

Die Hoffnung, dass mit den Künstlern und Kreativwirtschaftlern die Stadt angekurbelt wird ist eine, die kritisch betrachtet wird. Wenn Thyssen Steel hundertfach Leute entlässt können Kreative diesen Arbeitsplatzmangel gar nicht auffangen. Abgesehen davon, dass ein Großteil der normalen Bevölkerung ja Künstler generell etwas scheel ansieht. Wir wissen ja: Kunst und Kultur - total überflüssig, deswegen streichen Städte Bibliotheken, kürzen die Etats von Museen. Einstmals war Kultur etwas, wofür der Bürger und das Bürgertum an sich sich ins Zeug legte: Kultur und Bildung versprachen den Ausweg aus den Fabriken, aus dem Dreck, den Ruß. Heutzutage ist Kultur etwas, was Städte sich halt so leisten, aber nicht verständlich machen können. Wozu braucht man heute schon Kultur, wenn man auch so im eigenen Ghetto vorankommt?

Und genau das tendieren Kreativquartiere zu werden, wenn man nicht klug von Seiten der Politik drauf achtet; wenn man Flächen für Kreative bereitstellt ohne nach dem Bedarf zu fragen und ohne überhaupt einen Plan zu haben, ob Kreative da denn hin wollen. Kreativquartiere laufen leicht in die Ghetto-Falle: Da sind die Kreativen, die schön hübsch irgendwas Kreatives vor sich werkeln den lieben langen Tag, während dort in der Ecke der Stadt die ganzen Arbeiter sind, die mit RTL2-News vollgeballert den Tag beschließen und dann wiederum noch woanders schleicht sich die Gentrifzierung in den Stadtteil ein und die jungen hippen Vollblut-Lattisten hängen nur noch in Cafés ab und saugen die WLANs leer. Diese Tendenz der Vereinzelung der Stadtteile - nein, ich gehe jetzt bewusst nicht auch noch auf diese sogenannten Brennpunkte wie Marxloh oder Kreuzberg oder wasweißichnoch ein - und das Gefühl des bewußten Abhängens sind höchst gefährlich.

Die bessere Alternative wäre natürlich, die Planer und Politiker kämen einfach mit den Künstlern ins Gespräch und würden diese fragen, was sie wollen. Würden dann intelligent planen, würden nicht ein Kreativquartier sondern mehrere Kreativzentren ins Leben rufen und würden dann versuchen die daraus resultierenden Kräfte in ein Gleichgewicht zu bekommen. Falls jetzt jemand von "Kulturentwicklungsplänen" redet: Na ja. Kann man machen. Sicherlich das beste Mittel für eine Stadt, aber dann muss man diese auch umsetzen. Und zwar so, dass Künstler und Bürger und überhaupt alle - hehres Ziel, irgendwer meckert ja immer, meistens ich laughing - miteinander das Beste der Stadt suchen. Woran es dann meistens scheitert sind die städtischen Strukturen, die Behörden, das Nichtverstehen auf beiden Seiten. Meistens aber tun sich Städte an sich schwer innovativ zu sein. Oder aus den sogenannten "Bürgerwerkstätten" mehr zu machen als nur Alibi-Veranstaltungen. Eigentlich müsste das ein permanentes Element für die Stadtentwicklung sein: Begleitende Bürgerforen, Politiker, die sich dann da auch mal sehen lassen und vielleicht könnte man so generell mal einige Vorurteile abbauen. Wäre zu wünschen.

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