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Der smarte Haushalt: Wenn Geräte angreifen

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneDer smarte Haushalt:
Wenn Geräte angreifen

Zugegeben: Ich glaube an den Kühlschrank, der selbstständig beim Laden um die Ecke Sachen bestellt ja erst, wenn ich so einen Kühlschrank wirklich bei jemanden im Gebrauch sehe. Vaporhardware halt: Das Ding existiert auf Messen und Veranstaltungen und funktioniert grandios, aber keiner, den ich kenne möchte es in der Küche haben. Abgesehen davon ist die Infrastruktur der lokalen Supermärkte ja nicht gerade auf eine Bestellung per Automatik eingerichtet.


Und jedes Mal eine Mail für ein Ei oder eine Tüte Milch - da werden die sich bedanken.

Tatsache ist aber, dass wir eine schleichende Vernetzung im Haushalt erleben. Das fängt bei den Smartmetern an, die uns jetzt von den Versorgungsunternehmen aufgedrückt werden, über Stromdosen mit Bluetooth, Thermostate, die per App steuerbar sind bis hin zur Wohnzimmerlampe, die man auch dann schon einschalten kann, wenn man gerade das Haus verlässt. Einige dieser Dinge sind schon längst im Eigenheim angekommen, andere stehen vor der Tür und klopfen an. Wir haben längst schon Smart-TV-Geräte, die mit dem Internet verbunden sind und deren Kamera bestimmt auch nicht ständig uns zuschaut, wie wir anderen zuschauen, nein, natürlich nicht. Das mit Samsung - ach, das kommt so schnell nicht wieder vor und außerdem, wir haben ja nichts zu verbergen. Also lasst die Geräte uns doch zuschauen und uns zuhören! Das ist bestimmt total super, bequem alle Male.

Klammheimlich werden die Geräte intelligent und wir bemerken das nicht mal. Und wir sind uns der Risiken auch gar nicht bewußt. Nur dann, wenn wie bei Samsung schon gewaltig der Arsch auf Grundeis geht, dann schrecken wir kurz auf. Schön, der Thermomix ist nicht im Netz, aber dafür hat der so einen kleinen netten Chip für die Rezepte. Wir wissen nicht, ob der speichert wie häufig wir welches Rezept machen und wir wissen auch nicht, ob diese Informationen nicht doch eines Tages irgendwie an Vorwerk gesendet Weden könnten. Noch ist das nicht der Fall, aber so weit von uns weg ist dieser gedachte Fall gar nicht mal. Denn wenn Küchengeräte wie Waagen intelligent werden, dann wissen die schon mehr von uns als wir denken.

A propos Waagen: Krankenkassen haben schon jetzt erkannt, dass Fitnessgeräte-Daten total super für sie sind. Natürlich würden sie nie ohne unsere Einwilligung... Nein, natürlich nicht. Aber schon jetzt liebäugelt die Industrie damit, dass bei bestimmten unterschrittenen Werten, egal ob Gewicht, Blutzucker oder anderes, die Geräte von sich aus eine Mail an den Hausarzt schicken und dann einen Termin vereinbaren. Abgesehen von dem Bonusprogramm, wenn man nachweist, dass man mit einem Fitness-Tracker - und Heureka, da haben die Kassen demnächst sogar eigene Tracker, die sie selbst produzieren! - sich mehr bewegt hat als zuvor. Alle anderen zahlen dann halt teurere Prämien, aber da sind die selbst schuld. Die sind halt faul!

Je mehr wir die Geräte aber miteinander vernetzen, je mehr die Industrie 4.0 in den Haushalt eindringt, desto mehr aber werden wir angreifbarer. Das obige Szenario ist noch nicht mal unbedingt das Schlimmste, was passieren könnte. Was, wenn auf einmal sämtliche Kühlschränke der Welt anfangen, Webseiten zu bombardieren? Wie, lächerlich? Genau das ist vor kurzem passiert. Dass Netflix stundenlang nicht erreichbar war - geschenkt, so wichtig ist der Dienst nicht, aber was, wenn wie in anderen Ländern Wahlen und Bürgerdaten nur übers Netz transportiert werden? 2007 legte eine Attacke Estland komplett lahm. Da auch in Deutschland ja mehr in Richtung OpenGovernment und Onlineportale geht ist ein Angriff von vernetzten Geräten auf diese Portale nun durchaus kein Zukunftsszenario. Im Gegenteil...

Jetzt fragt sich: Wer kümmert sich um sowas wie Passwörter, Virenschutz oder gar überhaupt die Abschirmung der Software? Erste Reaktion: Der Verbraucher solls mal wieder richten. Wir stöhnen jetzt schon, weil wir unsere Passwörter nicht unter Kontrolle haben - nein, für jede Webseite das Gleiche ist keine gute Idee, echt nicht - und beim Einrichten von einer Software-Firewall sind wir ja längst überfordert. Auch wenn Windows das etwas einfacher macht. Und ja, auch beim Mac ist Virenschutz wichtig, es gibt Viren für den. Allerdings: Bisher gibts keine Virenschutzprogramme für Kühlschränke. Oder andere Geräte. Selbst wenn ich als Besitzer eines Kühlschrankes die aktuelle Version von Norton, Kaspersky oder anderer Software herunterladen wollen würde - es scheint nicht zu gehen. Das heißt also: So einfach, liebe Industrie, kommt ihr uns nicht davon. Es mag sein, dass man die Firmware des Kühlschrankes aktualisieren kann. Mehr aber auch nicht.

Deswegen sollte das Thema eigentlich bei der Industrie auf dem Schirm sein. - Man merkt an der Formulierung schon: Das ist es leider nicht. Bei reinen Industrieanlagen hat man das Thema schon im Bewusstsein. Aber für das Wohnsegment nicht. Noch nicht. Denn immerhin gibt es auch hier allmählich Lösungen für das Problem - so zum Beispiel Cujo - warum ausgerechnet eine Firewall nach Stephen Kings nicht sehr nettem Hund benannt wurde, hmm. Aber: Cujo gibts momentan nur in den Staaten, wobei 99 Dollar noch recht moderat sind als Preis. Lösungen, die aus Deutschland kommen sind aktuell nicht in Sicht. Auch wenn das BSI vor kurzem seinen Bericht zur Cybersicherheit in Deutschland veröffentlichte und anmahnt: "Die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung durch Entwicklungen wie dem Internet der Dinge, Industrie 4.0 oder Smart Everything bieten Cyber-Angreifern fast täglich neue Angriffsflächen und weitreichende Möglichkeiten, Informationen auszuspähen, Geschäfts- und Verwaltungsprozesse zu sabotieren oder sich anderweitig auf Kosten Dritter kriminell zu bereichern." Und auch ganz offen von einer neuen Qualität der Gefährdung spricht.

Es wird höchste Zeit, dass das Thema Smart sich mit dem Thema Sicherheit deckt. Letztendlich wird die Verantwortung dafür wohl wieder auf den Verbraucher selbst ausgelagert, der mit dem Kauf der Geräte für die Aktualisierung der Sicherheitsmaßnahmen Sorge tragen muss - aber es kann nicht sein, dass man die Industrie vollkommen außen vor lässt. Dies wird aber wohl geschehen, denn offenbar scheint die Politik an sich kein Interesse für diesen Bereich der Industrie 4.0 zu haben und wird den Verbraucher wieder allein lassen. Das aber ist in Deutschland ja nichts Neues. Leider.

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