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Heilig sei die Buchmesse, edel und gut und bloss keine Kritik!

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneHeilig sei die Buchmesse, edel und gut ...
... und bloß keine Kritik!

Vermutlich mach ich mich erneut unbeliebt, aber manchmal verstehe ich die Branche nicht. Vor allem nicht, wenn sie auf Kritik reagiert, die vielleicht etwas vorbeischießt am Ziel, jedoch nachdankenswert ist. Aber gut, betrachten wir doch mal was der Herr von der Buchhandelskette Osiander - die gibts eher im Süden der Republik - denn jetzt gemacht hat. Und warum die Reaktion auf das Ganze einfach Tinnef ist.


Im Anfang war ein Facebook-Post auf der Osiander-Fanpage. Der war nicht nett formuliert, gelinde gesagt, aber Christian Riethmüller, der Geschäftsführer von Osiander, brachte darin seinen Unmut aus. Und zwar darüber, dass er als Kunde mit seiner Freundin - nicht als Buchhändler! Als Kunde! - bei der Buchmesse in Frankfurt gewesen sei und es habe ihm nicht gefallen, wie Verlage dort mit Kunden umgingen. Wir lesen:

95 Prozent der Verlagsvertreter haben sich an ihren Ständen an den beiden Publikumstagen der Frankfurter Buchmesse am Samstag und Sonntag teilnahmslos und gelangweilt den vielen interessierten Bücherfreunden präsentiert.

Was natürlich eine Übertreibung sein dürfte, aber wenn man den Eintrag als die im Internet bekannte Form des Rants wertet, dann ist das ein legitimes Mittel. Jetzt kann man natürlich einwenden, dass einige Sätze etwas ungeschickt formuliert sind - REKLAME! EIGENWERBUNG! Jedoch kann man auch sagen: Da brennt jemand für seinen Beruf und wenn er das tut, dann ist das nicht schlecht. Der kurze Text hat bei mir ein amüsantes Schmunzeln ausgelöst. Da wettert mal einer gegen Verlage, die langweilige Dinge auf der Messe tun - ohne diese direkt beim Namen zu nennen - und hat auch noch Humor. Sonst hätte er das Bild zum Posting nicht gepostet.

Jetzt ist das mit Meinungen ja so: Entweder man stimmt mit ihnen überein. Man ist dagegen. Oder man stellt sich auf die Warte: Das hat der halt für sich so erlebt am Wochenende und vielleicht erlebt nicht nur er das so. Lasst uns mal drüber nachdenken und etwas vernünftig sein bevor wir in die Tasten... Man darf raten, was passiert ist. Der obligatorische Reflex: In den Kommentaren unterhalb des Beitrags äußern sich einige Leser, die auch nicht unbedingt zufrieden mit der Frankfurter Buchmesse sind. Dann gibts natürlich die Verlage, die Unverständnis äußern und die dritte Fraktion - die dritte Fraktion - also...

Christian Riethmüller legte dann nach - im Börsenblatt erschien nochmals seine Meinung über die letzten Tage auf der Frankfurter Buchmesse aus seiner Sicht als interessierter Kunde. Und ergänzt genau das, was man auf Facebook und auch sonst beobachten kann,wenn es um die Buchmesse in Frankfurt - darf man heilige Kuh schreiben? - in Diskussionen geht. Es gibt nur Für oder Wider. Und zwar so:

Während diejenigen, die es am besten beurteilen können, nämlich die Endkunden, meinen Eindruck größtenteils bestätigen, wehren sich andere Branchenteilnehmer gegen die Kritik und wiegeln diese als Vorwürfe ab.

Böse Zungen könnten sagen, das kommt ihnen von einigen Fandom-Veranstaltungen durchaus bekannt vor - dann in ähnlicher Konstellation. Um Himmelswillen bloß nicht drüber nachdenken, ob Kritiker Recht haben könnten! Lieber "Alles gut!" rufen und Augen zu! Gelangweilte Vertreter, die den Kontakt mit den Kunden nicht suchen sondern vermeiden? Doch nicht bei unserem Stand! Nein, nein, bei uns ist alles gut.

Jetzt ist es nicht einfach als Standpersonal auf einer Messe zu arbeiten - man stehe den ganzen Tag herum, sich die Füße in den Bauch, soll immer freundlich und Kompetent wirken und auf jeden Fall höflich und ansprechbar sein. Wenn Verlage sich kein gutes Personal leisten - und das Personal auch komplett für alle Messetage am Stand haben - dann ist am Ende der Messe die Luft raus. Weil wir alle natürlich Menschen sind. Dass man Personal auch austauschen kann scheint definitiv eine neue Erkenntnis bei Manchen zu sein. Und ja, nicht alle Verlage auf der Buchmesse haben es dick im Geldbeutel und stemmen den Stand aus den eigenen Ressourcen. Da sind Mitarbeiter halt recht bald auf dem Zahnfleisch und sind froh, wenn Kunden nicht stören. Der Kunde auf der Messe - der Besucher eigentlich - erwartet aber auch etwas Service, wenn er am Stand steht. Und das von Mitarbeitern, die informiert sind und auf Fragen Antworten wissen oder jemanden rufen können, der was weiß. Dass das konträr zur Arbeitszeit Messe ist, keine Frage.

Was also ist zu tun? Gibts die Patentlösung? (Außer man heuert für die Messe halt zwei Schichten oder drei vom Personal an, was aber den eigentlichen Verlagsmenschen nun nicht unbedingt entlastet, der für die komplette Messe anwesend sein muss wegen der Kontakte.) Keine Ahnung. Mag sein. Vielleicht ja. Vermutlich kommt ein schlauer Mensch in diesem oder nächstem Jahr noch drauf, aber ich auf keinen Fall. Was ich allerdings anmerken muss: Es ist Tinnef, wenn auf konstruktive Kritik - vielleicht war die ein wenig übertrieben, okay - sofort eine Abwehrhaltung aus der Branche kommt. Es gibt Menschen, die empfinden das so: Die erleben an den letzten Tagen der Buchmesse lustloses Personal, das eine Beratung scheut. Das könnte man durchaus auch einfach mal so akzeptieren ohne gleich in die Verteidigungs-Rechthaben-Wollen-Haltung zu verfallen. Das bringt nichts. In erster Linie eventuell nur lange Kommentarfäden, bei denen man sich als Außenstehender fragt, warum man da so verbissen drüber diskutiert. Man muss mit der Meinung des Anderen nicht einverstanden sein. Man kann sie aber zumindest erstmal als das nehmen, was sie ist: Als emfpundene, erlebte Situation des Anderen. Und dann schaltet ab und an mal einen Gang zurück und atmet ein - aus - ein - aus... Und schaut dann eventuell mal, ob er nicht doch Recht hat. Ein bißchen. Oder ob man nicht doch was verändern kann. Aber Beratungsresistenz ist halt eine weitverbreitete Krankheit. Unheilbar leider.

Dazu auch: Kommerz, Politik und Eskapismus - Buchmesse Frankfurt 2016

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