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eBooks sind Bücher sind Telemedien sind Bücher sind schwankend

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneeBooks sind Bücher sind Telemedien sind Bücher sind schwankend

Seit dem 20. Juni 2015 nun harren die Phantanews auf eine Antwort der Landesmedienanstalt. Denn nachdem es einigen Wirbel gab um die Behauptung des Börsenvereins, eBooks mit poronographischen Inhalten müssten in geschlossenen Benutzergruppen und mit der bekannten Tatort-Schranke - den kann man ja auch nicht zu jeder Zeit sehen sondern erst spät abends, weil man denkt, dann sitzen keine Kinder oder Jugendliche mehr vor den Geräten, wie nettnaiv.


Über die Einsortierung von eBooks bei als Telemedien wunderte ich mich auch ein wenig, aber dachte, dies wäre wirklich die offizielle. Jedenfalls einigte man sich beim Börsenverein wohl am 29. April 2015 beimder Verleger-Ausschuss des Börsenvereins auf diese Tatsache - siehe Börsenblatt.  

"Christian Sprang informierte die Verlegerrunde darüber, dass E-Books (wie CD-ROMs oder DVDs) unter den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag fallen. Im Gegensatz zu Büchern würden E-Books als Telemedien eingestuft, für die strengere Jugendschutzvorschriften gelten. Künftig müssten (noch zu benennende) Jugendschutzbeauftragte der Verlage Bücher – wie schon jetzt z.B. bei Filmen üblich – im Wege einer freiwilligen Selbstkontrolle einstufen und mit FSK 0, 6, 12, 16 und 18 kennzeichnen."

Dabei sind die Fragen, die Stefan drüben stellt gar nicht so ohne und es wäre gut, wenn wir endlich eine offizielle Klärung des Status von Bücher haben. Wobei wir immer noch nicht so ganz geklärt haben, was ein Buch an sich eigentlich ausmacht. Ab wieviel Seiten ist ein Buch ein Buch? Mir liegt hier ein kleines Heft von an die 10 Seiten vor, das eine ISBN hat. Das kann aber eigentlich laut offizieller Definition dessen, was ein Buch sein soll keines sein. 1964 legte die UNESCO nämlich fest, was ein Buch eigentlich ist: Mindestens 49 Seiten soll es haben, der Öffentlichkeit zugänglich und nichtperiodisch sein. Was dann bei Krimireihen an sich schon mal ein Problem darstellen kann - ein Scherz, natürlich glauben wir zu wissen was Bücher sind. Ebenso wie wir im Alltag eBooks genau so definieren: Es sind Bücher. Buchstaben, die eine Geschichte erzählen wenn man weiß wie man sie lesen soll. Links nach Rechts. Schwarz sind die Buchstaben. Fertig.

So einfach ist die Sache aber gar nicht. Das zeigte Wibke Ladwig schon vor einigen Jahren in einem amüsanten Vortrag. Wer mag, kann sich bei JungUndNaiv das kurze Video ansehen - das verdeutlicht vielleicht, warum das Thema eBooks und Bücher und Kulturgüter seine Tücken hat. Vor allem wenn man sich noch mal kurz die Folien zum Vortrag anschaut. Dabei wird klar, dass die Frage was eBooks eigentlich sind das Selbstverständnis der Buchbranche ins Wanken bringt. Sie bezieht sich ja auf eine ganz konkrete Vorstellung davon, was ein Buch ist. Ebenso wie wir das im Alltag tun ohne ständig drüber nachdenken zu müssen, ob wir nun doch eine Loseblattsammlung oder eine zusammengetickerte Blättersammlung meinen. Beim Wort Buch haben wir alle ein Bild im Kopf, das wir auch nicht mehr hinterfragen. Bei Telemedien übrigens auch.

Aber - und das stößt wiederum weitere Fragen an: Was macht ein Buch eigentlich aus? Wenn es nur der Text ist, dann sind eBooks eindeutig Bücher. Wenn es das Format ist - bedrucktes Papier zwischen einem Deckel - dann sind eBooks das ebend nicht. Denken wir weiter, könnten wir uns fragen was eigentlich ein Hörbuch ist - wechselt da der Text einfach nur das Format und die Gestalt? Warum reden wir überhaupt von HörBÜCHERN und nicht von Mediendatenträgern, auf denen jemand etwas vorliest. Und wenn jemand etwas aus einem Buch vorliest fragen wir uns schon, ob auch das gesprochene Wort nicht doch noch Buch ist oder nicht - denn der Sinn verändert sich beim Vorlesen durch die Betonung des Sprechers.

eBooks entziehen sich momentan einer richtigen Definition, einer richtigen Art und Weise mit ihnen umzugehen. Im Alltag haben wir uns schon praktischerweise entschieden, gar nicht erst darüber nachzudenken was diese Umwandlung des Kulturgutes Buch zu bedeuten hat. Wir setzen uns im Alltag auch nicht mit Formatfragen auseinander - wir entscheiden uns nicht nach dem größten Angebot, sondern die Hardware definiert, wo wir am Ende eBooks herunterladen. Daher wäre es wirklich an der Zeit zumindest formal und offizielle eine Antwort zu haben was eBooks sind - wir könnten einfach auch mal damit anfangen zu definieren was sie nicht sind. Übrigens: Wenn jemand meine Kolumnen nacheinander liest, ist das ein Buch?

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2015-07-03 10:57
Das muss man sich im Mund zergehen lassen. Ein Buch mit, sagen wir, expliziterem erotischem Inhalt, das im Buchhandel frei verkäuflich im Regal steht, müsste nun als Ebook einer Altersklassifizierung unterworfen werden, um es zum Verkauf anbieten zu können.

Erinnern sich noch alle an die gescheiterte Novelierung des Jugendmedienschutzgesetztes von 2010, als man die Labelpflicht für Webseiten durchsetzen wollte?

Das hat man jetzt - ohne offensichtlichen Widerspruch, gut gemacht, Börsenverein - durch die Hintertür eingeführt, aber nur für Bücher. Entschuldigung. Telemedien. Ich gratuliere.

Mal davon abgesehen, dass es völlig sinnfrei ist, die Filmselbstzensur 1-1 auf andere Medien zu übertragen, müssten die Verlage eine eigene Bücher-FSK aufbauen, um Rechtssicherheit garantieren zu können. Wie man aus vielen Erfahrungsberichten mit der Film-FSK und deren Schnittauflagen weiß, ist das oft ein Streit um Sekunden, der zwischen 16er und 18er entscheidet. Und das will man für Bücher leisten? Aber es sind ja keine Bücher, es sind Telemedien. Etwas ganz anderes.

Für die Kleinverlage und die Selfpublisher dürfte das noch schwieriger werden. Denn letztlich läuft es auf das liebe Geld hinaus. Das System funktioniert nur, wenn sich dem alle unterwerfen.

Im Endeffekt dürfte das auf Selbstzensur hinauslaufen. Oder auf den Content - also Erotik und Gewalt oder was man auch immer dafür hält - gleich zu verzichten. Den Ärger ist der Gewinn doch gar nicht wert. SO regelt man das. Man verbietet keine Inhalte, man macht ihren Vertrieb unrentabel.

Wundern tut mich der Aktivismus nicht. Wer sich allein nur bei Amazon die Ebook-Flut an Inhalten ansieht, die es vor dem Ebook nur in Sexshops gegeben hätte, dem dürfte klar sein, warum das plötzlich ein Thema ist.

Und da der differenzierte Umgang mit dieser Thematik noch NIE möglich war von Seiten des Gesetzgebers, fallen Argumente, dass der Erwerb von Ebooks bereits eine Altersschranke hat, sowieso nicht ins Gewicht.

Übrigens, die Diskussion, was ist ein Buch, sollte da die geringste Sorge sein. Die Fahrlässigkeit, wie da von Seiten des Börsenvereins und der Verlage mit Grundwerten und ihrer Handhabung umgegangen wird, ist erschreckend. Das ist keine Frage des Formats, sondern des Prinzips.

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