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Grandios: Tolino führt vor Kindle - also eventuell

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... also eventuell

Konfetti! Pompons! Jubel! Endlich, endlich, endlich so verkündete die Fachpresse in der letzten Woche habe man den bösen Erzfeind, die eiskalte Nemesis, die hochtrabende Arroganz namens Amazon beim Thema eBook-Reader geschlagen! Jawohl! Die Tolino-Allianz, die hehren Ritter in Weiß mit der scheinenden Rüstung traten in der Schlacht gegen die schwarzen Ritter mit den unlauteren Absichten an und stießen sie vom Pferd!


Juhu: Der Tolino überflügelt Amazon beim Bereich der eBooks! Komisch nur: Wie die Zahlen zustande kommen, darüber lässt man den Leser der Fachmagzine im Unklaren.

Somit können also alle Buchhändler trotz der Weltbild-Pleite beruhigt ins Bett gehen und vom kommenden Weihnachtsgeschäft satte Gewinne und Erlöse erwarten. Das Gute siegt! Die böse Amazon-Stiefmutter ist geschlagen, der Tolino-Prinz heiratet die Buchhandels-Tochter und wenn sie nicht gestorben sind erfreuen sie sich an den Zahlen der GfK. So. Alles gut. Die Fachpresse zweifelt doch nicht wirklich an Zahlen von der GfK. Der Gesellschaft für Konsumforschung. Oder an deren Erhebungsmethode für die Statistik. Wobei: Wie erhebt die GfK eigentlich die Zahlen für diese herausragenden Ergebnisse?

Gute Frage. Eine offizielle Pressemitteilung der GfK auf der Homepage zum Thema Tolino sucht man leider vergeblich. Amazon selbst dürfte kein offiziellen Zahlen an die GfK selbst liefern - jedenfalls ist da auch nirgends ein Hinweis für zu finden, dass Amazon das tut. Woher also stammen die Zahlen für die Grafiken? Im Kommentar zur Meldung der Fachpresse - siehe Link oben - findet sich ein Hinweis: "Sie werden per Verbraucherbefragung ermittelt, insofern ohne Zahlen direkt von Amazon." So der Buchreport selbst. Aha. Eine Verbraucherbefragung. Bekanntermaßen lügen Menschen ja nie, insofern sind solche Befragungen natürlich immer über allen Verdacht erhaben - aber wie genau kommt die GfK denn eigentlich per Befragung an ihre Zahlen?

Das wäre einfacher zu ermitteln wenn es denn eine offizielle Pressemitteilung von der GfK zu dem Thema gäbe. Denn in der Regel gibt die GfK pflichtschuldigst an, wie man die Zahlen ermittelt hat. Gehts etwa um die Erwartungen der Europäer zum Stichwort Konjunktur kann man lesen:

"Die Ergebnisse zum GfK Konsumklima Europa stammen aus einer Konsumentenbefragung, die im Auftrag der EU-Kommission in allen Ländern der Europäischen Union durchgeführt wird. In den 28 Ländern werden monatlich etwa 40.000 Personen befragt. Diese sind repräsentativ für die erwachsene Bevölkerung in der EU."

Klar und eindeutig. Auch bei anderen Themen gibt die GfK immer genau an woher die Zahlen stammen. Anzunehmen, dass die Fachpresse nun auch definitiv weiß, woher die Zahlen für die Überrundung des eBook-Verkaufs beim Tolino stammen. Mutmaßen kann man, dass die GfK hier wie immer an die 20.000 Deutschen befragt hat, die dann repräsentativ für die Gesamtbevölkerung stehen. Warum die Fachpresse das selbst auf Nachfrage nicht genau angeben mag?

Vielleicht weil sich Erfolgsmeldungen halt besser machen als eine genaue Erklärung der Methoden. Zudem: Der Abgang bei Amazon im Graphen des Buchreports ist irgendwie merkwürdig. Zwar ist der neue Amazon-eBook-Reader zwar nicht unbedingt der Erfolg - eher ist der Kindle Voyager wohl so mittelmäßig bis gar nicht erfolgreich - den gibts aber auch erst seit September diesen Jahres. Und da die Zahlen wie man beim Buchreport ja versichert sich ausdrücklich auf eBooks beziehen und nicht unbedingt auf die Hardware kann der Abfall bei Amazon ja wohl kaum auf den mäßigen Kindle Voyager bezogen sein. Was also ist der Grund für den Abfall?

Es kann sein, dass man bei der neue Umfrage den neuen Partner Libri mit aufgeführt hat und die Verbraucher dann natürlich auch den angekreuzt haben oder zumindest das eBook-Portal in dem man auch per Libri eBooks bekommen hat. Vor der Buchmesse gabs den Partner nämlich noch nicht und das könnte den signifikanten Sprung erklären - schließlich haben wir bisher keine sonstigen Krisen im eBook-Geschäft erlebt oder irgendwas, was sonst einen Einfluss auf das Ganze haben könnte. Ja, gut, Amazon hat etliche Verluste erlitten und das Fire Phone heute nicht ganz so ab, aber das ist ja nicht wesentlich fürs eBook-Geschäft. Also das Fire Phone. Obwohl: Da sind bestimmt auch Kindle-Apps zum Lesen drauf... Wie dem auch sei: Gute Meldungen macht man sich halt nicht durch lästige Nachfragen kaputt - vor allem nicht wenns um den Erzfeind Amazon geht, dem man ein Schnippchen schlagen kann.

Aber selbst wenn der Vorsprung und die Tendenz beim Tolino nun stimmt und wie immer die Zahlen auch zustande kommen: Das Weihnachtsgeschäft steht vor der Tür und der nicht allzugroße Vorsprung beim Tolino könnte sich wieder nivellieren. Einerseits weil Amazon die Preise für den Paperwhite gesenkt hat - und 99 Euro gegenüber um die 130 Euro sind ein Kaufargument - und wenn man sich den aktuellen Test bei der CT anschaut so hat der aktuelle Tolino gegenüber dem älteren Amazon-Modell nicht unbedingt DIE Vorteile bei der Technik. Deshalb sollte man vielleicht bei der Fachpresse erstmal mit Jubelmeldungen etwas warten; zumindest sollte man dann auch mitteilen wie die Zahlen für die Statistik zustande kommen. Das wäre allemal ehrlicher gegenüber dem Leser. Ob man nun zu Weihnachten den Verwandten einen Kindle oder einen Tolino schenkt bestimmt letzten Endes eh nicht das "Amazon ist böse, wir sind die Guten"-Argument. Sondern im Zweifelsfall wie immer der Preis.

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2014-11-21 11:17
Kindle-Apps sind zb auch auf Telekom Smartphones wie dem Huawei drauf. Die wird breit gestreut.

Wer sich so ein Gerät kauft, egal von wem, dem sei angeraten, sich vorher in aller Ruhe das Kleingedruckte durchzulesen und zu durchdenken. Zb unterstützt der Tolino das Format Docx nicht. Will man also mal ein Dokument auf dem Gerät lesen, geht das nicht. PDFs gehen. Aber wie die Erfahrung beim Kindle gezeigt hat, sollte man PDFs vorher konvertieren lassen, sonst wird das ein sehr,sehr mühsames Lesen. Bietet der Tolino auch den Convert Service? Keine Ahnung. Sollte man vorher wissen.

Letztlich ist es auch eine Frage des Angebots. Ist ja toll, wenn man "alle" Formate darauf lesen kann. Außer Amazons MOBI. Muss man sich also vorher informieren, in welchem Format es das Buch gibt. Da liegt doch letztlich der Hund begraben. Was nutzt mir der billigere Reader, wenn es x Produkte dafür nicht gibt.

Und mit dem Erfolg der neuen Amazon-Reader ist das so eine Sache. Ich habe immer noch ein Tastatur-Kindle der ersten Generation. Warum sollte ich es in den Müll werfen, nur um mir die neueste Version zuzulegen? Insofern wundert es doch nicht, wenn die Zahlen schwächeln.

Fazit: Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast :D

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