Scholes, Ken: Lamentation - The Psalms of Isaak 1

Ken Scholes - LametationLamentation
The Psalms of Isaak 1
von Ken Scholes
408 Seiten, ca. 7,00 €
ISBN: 978-0-7653-6091-5
Erschienen: 2009 (USA)
TOR Fantasy

»Lamentation« ist der Auftaktband des auf fünf Teile angelegten High Fantasy-Epos »The Psalms of Isaak« (zumindest wird die Reihe so bei Amazon gelistet; im Buch selbst sowie auf der Homepage des Autors finden sich keine Angaben bezüglich des Reihennamens) aus der Feder des amerikanischen Fantasyautors Ken Scholes. Der Roman kann eine ganze Reihe enthusiastischer Kritiken vorweisen. Diesen kann ich mich nicht in vollem Umfang anschließen. »Lamentation« ist ohne Zweifel ein gutes Buch, doch so außergewöhnlich, wie es manche Rezension glauben machen will, ist Scholes' Werk nicht.


»Lamentation« beginnt im wahrsten Sinne des Wortes mit einem Knall: Viele Jahre lang herrschte Frieden in den Named Lands. Aufgrund seiner religiösen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Vormachtstellung war es dem Orden der Androfrancine möglich, die Geschicke der Reiche zu lenken und Unfriede im Keim zu ersticken. Doch als eine uralte, machtvolle Waffe zur Anwendung gebracht und Windwir, den Sitz des Androfrancine-Ordens, vernichtet wird, sind die Tage der alten Ordnung gezählt.

Am Ort des Geschehens finden sich unzählige Personen ein, die allesamt ihre eigenen Gründe haben, den Ruinen Windwirs einen Besuch abzustatten. Ein König, dessen vorrangiges Ziel es ist, vom Wissen des Ordens zu retten, was zu retten ist. Ein Staatsoberhaupt, das die Vernichtung Windwirs in die Wege leitete und nun seinen Triumph auskosten möchte. Eine Spionin, die vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens steht. Ein alter Mann mit geheimnisvoller Vergangenheit, dessen Schicksal durch die Zerstörung des Ordens eine unerwartete Wendung erfahren hat. Ein Novize, der das Inferno als einziger Bewohner der Stadt überlebt hat.

Die Vernichtung Windwirs markiert das Ende eines Zeitalters. Eine neue Ära ist angebrochen, eine Ära, die mit Dunkelheit und Trauer beginnen soll ...

»Lamentation« ist, wie bereits erwähnt, ein sehr lesenswertes Buch. Scholes erzählt eine bewegende und spannende Geschichte über Macht und Verrat, über Hoffnung und Verlust. Überragend ist der Auftaktband der »Psalms of Isaak« aber, wie ebenfalls bereist erwähnt, nicht.

Letzteres liegt vor allem daran, dass das Buch zwar über einen fesselnden Plot und detailliert ausgestaltete Protagonisten verfügt. Beide Elemente lassen allerdings die Tiefe vermissen, die Sagas wie »Winds of the Forelands« von David B. Coe oder »Tamír Triad« von Lynn Flewelling zu etwas Besonderem macht. Scholes bleibt oftmals ein wenig zu dicht an der Oberfläche und geht über viele Entwicklungen bedeutend zu schnell hinweg, weshalb sich dem Leser Dramatik und Tragweite so mancher Situation nur in Teilen erschließen.

Diese Schwäche schadet dem Lesevergnügen allerdings nur geringfügig. Davon abgesehen, dass »Lamentation« der letzte Schliff in Sachen erzählerischer Dichte und Tiefe fehlt, ist der Roman nämlich rundum gelungen.

Die Geschichte als solches ist spannend und überzeugt durch ihren ungewöhnlichen Aufbau. Ein Schurke vernichtet das Herz der bekannten Welt, worauf hin es zwischen den Reichen zu Unstimmigkeiten und Streitigkeiten um die zukünftige Ordnung kommt. Wer aufgrund dieser Zusammenfassung der grundlegenden Ereignisse glaubt, den Verlauf der »The Psalms of Isaak«-Saga vorhersagen zu können, der irrt gewaltig. Ich selbst war mir sicher, die Handlung würde, ähnlich wie in Coes »Winds of the Forelands« darauf hinauslaufen, dass die bisherige Ordnung mehr und mehr zerfällt und Krieg die Lande überzieht.

Unglaublich, wie sehr ich mich getäuscht habe. In »Lamentation« ist vieles nicht so, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Scholes hat seiner Erzählung diverse verblüffende Wendungen angedichtet, weshalb den Leser bis in den Epilog hinein immer neue Überraschungen erwarten.

(Im Grunde müsste ich an dieser Stelle einige Bemerkungen zum tatsächlichen Verlauf der Handlung fallen lassen, ich weiß. Aus spannungstechnischen Gründen unterlasse ich es jedoch. Ich versichere Euch, es macht bedeutend mehr Spaß, die Entwicklung der Romanhandlung selbst mitzuerleben, als sie hier in wenigen Zeilen zusammengefasst zu bekommen.)

Ein weiteres Plus des Romans ist der Kosmos, in dem Scholes seine Saga angesiedelt hat. Ein gelungen ausgestaltetes Magiesystem, ein ungewöhnliches Mitteilungsnetzwerk, das nicht über Boten und Magie, sondern über Vögel funktioniert, sowie Maschinenmänner und andere Artefakte aus einer längst vergessenen Ära sind nur einige der Aspekte, die den Leser schnell zu faszinieren wissen. Das von Scholes entwickelte Universum ist komplex, aber übersichtlich gehalten, weshalb man den Roman von Beginn an genießen kann und sich nicht erst mühsam in einen verquere Terminologie einlesen muss, wie dies bei Werken aus dem Fantasygenre allzu oft der Fall ist.

Das Figurenensemble von »Lamentation« verfügt über eine große Bandbreite verschiedener Charaktere, deren Darstellung, abgesehen von der fehlenden charakterlichen Tiefe, im Großen und Ganzen zu überzeugen weiß. Hierzu trägt der Verzicht auf eine allzu einfache Schwarz-Weiß-Zeichnung sicherlich in nicht unerheblichem Maße bei.

»Lamentation« ist ein runder, gut geschriebener Roman für alle High Fantasy-Fans. Noch mag die »Psalms of Isaak«-Saga nicht die Qualität von so manch anderer Fantasyreihe haben. Das Potenzial für ein unvergessliches Abenteuer ist jedoch gegeben. Scholes hat bewiesen, dass er sich darauf versteht, ungewöhnliche Geschichten treffsicher in Worte zu fassen. Wenn die Erzählung in den Folgebänden noch an Tiefe gewinnt, dann darf man sich als Leser auf ein wirklich großes Epos freuen.

Wer Greg Keyes' Saga »The Kingdoms of Thorn and Bone« oder Patrick Rothfuss' »The Name of the Wind« gelesen und gemocht hat, der sollte sich den September 2010 unbedingt im Kalender vormerken. Dann nämlich erscheint »Lamentation« unter dem Titel »Sündenfall« in deutschsprachiger Erstveröffentlichung bei Blanvalet. Und wem das zu lange dauert: Die englischsprachige Ausgabe ist ja bereits vorhanden – und in jedem Fall einen Blick wert!

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