Verne, Jules - Das Geheimnis des Wilhelm Storitz: Die Originalfassung

Verne, Jules - Das Geheimnis des Wilhelm Storitz: Die OriginalfassungDas Geheimnis des Wilhelm Storitz: Die Originalfassung
von Jules Verne
aus dem Französischen von Gaby Wurster
Originaltitel "Le Secret de Wilhelm Storitz",
entstanden 1898
, veröffentlicht 1910
270 Seiten, 8,95€
Deutsche Erstausgabe April 2009
ISBN: 978-3492266925
Verlag: Piper
 

Henry Vidal macht Urlaub. Der Ingenieur ist auf dem Weg von Paris nach Ragdz, einer Stadt in Ungarn. Dort will er endlich seinen Bruder Marc wiedersehen. Marc, ein zunehmend erfolgreicher Maler, hält sich derzeit in  Ragdz auf. Henrys Bruder ist schrecklich verliebt, in Myra, die Tochter eines in der ganzen Stadt beliebten und hoch geachteten Arztes.

Und da weder Myra noch Marc auf die Anwesenheit Henrys bei ihrer Trauung verzichten wollen, reist Henry per Eisenbahn und Dampfschiff in das Land an der Donau.


Schon auf dem Schiff macht Henry die wenig erquickliche Bekanntschaft eines seltsamen, wenig sympatischen Deutschen (eines Preußen), der offenbar auf den Namen Storitz hört.

Durch den Kapitän des Schiffs erfährt Henry (und der Leser) mehr: Dieser Wilhelm Storitz ist der Sohn eines Wissenschaftlers namens Otto Storitz, der offenbar etwas mit diesen "neuen Strahlen" zu tun hatte, die Röntgen 1895 entdeckt hatte.

Henry wird vor Wilhelm Storitz gewarnt, denn dieser sei der Gegenspieler seines eigenen Bruders um die Gunst der schönen Myra. Von Myras Vater abgewiesen, habe er geschworen, dass dies noch nicht das Ende seiner Werbung um diese Frau sei - und ihm sei wirklich alles zuzutrauen.

In der Tat hat Storitz noch einiges vor: Er will die Hochzeit verhindern.

Im Verlauf der Geschichte stellt sich heraus, dass Wilhelm Storitz über eine Flüssigkeit verfügt, die unsichtbar machen kann. Mit ihrer Hilfe will er sich an der Familie und der Stadt, die ihn so sehr mit Verachtung gestraft hat, rächen. Seltsame Vorgänge häufen sich in der Stadt, und auch als das Wohnhaus des Storitz am Batthyány-Kai in einem Feuer vollständig zerstört wird, geht das Vernichtungswerk des Preußen weiter.

Als Jules Verne den Roman unter dem Originaltitel "Le Secret de Wilhelm Storitz" ab ca. 1898 schrieb, war er bereits ein renommierter Schriftsteller und konnte auf eine ganze Reihe erfolgreicher Abenteuer- und Reiseromane zurück blicken.

Wie bei den anderen Werken, in denen Michel Vernes Mitwirkung bekannt ist, hat sich der Piper-Verlag auch hier darum bemüht, die Originalfassung als Basis zu nehmen.

Gegenüber seinen anderen Romanen, die voller Handlung, scharfsinniger Dialoge und erfindungsreichen Ideen sind, kommt das "Geheimnis des Wilhelm Storitz" erstaunlich langatmig daher. Es ist voller politischer Anmerkungen und Seitenhiebe, vor allem gegen alles Deutsche und Preußische, voller wunderschön ausgestalteter Reisebeschreibungen (Henry Vidal promeniert sehr gerne), und erstaunlich arm an Ausarbeitungen zur seltsamen Wirkung der Flüssigkeit, die unsichtbar macht.

Tatsächlich ist diese Geschichte nicht unbedingt das, was man von einem Jules-Verne-Buch erwartet. Dies liegt nicht an der Überarbeitung von Michel Verne, dem Sohn von Jules.

In seiner Einleitung zu dieser Originalfassung schreibt Franz Rottensteiner:

Das Alterswerk ab 1886 zeigt einen zunehmend pessimistischen Verne, mit am Rande des Wahnsinns oder darüber hinaus wandelnden Erfindern, welche ihre epochalen Entdeckungen (...) einsetzen, ohne sich um die Folgen für die Welt zu kümmern. (S. 6)

 

In der Tat ist es nicht die Handlung oder der überragende Schreibstil, der dieses Buch für mich so interessant machte. Jules Verne erzählt sehr schön einen phantastischen Roman, der mir vor allem wegen seiner historischen Anmerkungen und Spitzen gefiel. Er spart nicht mit Querverweisen zu Geschichte, Literatur und kulturellen Aspekten, nicht von ungefähr hat er sich als den verrückten Erfinder und Wissenschaftler gerade einen Deutschen (noch dazu einen Preußen) gewählt. 

Es ist interessant zu beobachten, wie Jules Verne in die Handlung einführt, den Grund seiner Reise und diese selbst schildert, wie er den Namen Storitz ins Spiel bringt - oder die Geschichte beendet.

Kein Wunder, dass Michel Verne vom Verleger den Auftrag erhielt, das Werk 1909 zu überarbeiten, dazu gehörte die Entscheidung, das Geschehen ins 18. Jahrhundert zurück zu verlegen. Jules Verne selbst führt in den ersten Absätzen mit der Erwähnung von E.T.A. Hoffmann und Edgar Allan Poe seine Geschichte in die Nähe der Geister- und Gruselgeschichten. Und so endet die Geschichte dann auch nicht wie bei Mr. Fogg mit einem vollen Happy End, sondern in einer unvollkommenen Auflösung - wie so viele andere mysteriöse Geschichten. 

Diese Geschichte liest sich sehr schön, flüssig und unterhaltsam wie die Donaufahrt, die Henry Vidal unternommen hat, ermöglicht die Begegnung mit einem anderen Jules Vernes - und macht gerade dadurch die Geschichte so interessant.

Zum Thema Jules Verne führten wir ein Interview mit Franz Rottensteiner, das heute paralell zur Rezension erscheint: Hier.

 

 

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