Plischke, Thomas: Die Zwerge von Amboss - Die Zerrissenen Reiche 1

Plischke, Thomas: Die Zwerge von Amboss - Die Zerrissenen Reiche 1Die Zwerge von Amboss
Die Zerrissenen Reiche 1
von Thomas Plischke
Piper Fantasy
erschienen: Herbst 2008
492 Seiten, 8,95 €
ISBN: 978-3-492-26663-5

Piper

Fantasy, das heißt große Schlachten in mittelalterlichen Welten und epische Questen verschworener Schicksalsgemeinschaften. Oder? Dass dem nicht zwangsläufig so ist, haben Autoren wie Markus Heitz (»Die Mächte des Feuers«), Scott Lynch (»Die Lügen des Locke Lamora«) oder Tad Williams (»Der Blumenkrieg«) in den letzten Jahren eindrucksvoll bewiesen. Nun schickt sich der deutsche Jungautor Thomas Plischke an, es ihnen gleichzutun.
 
Mit »Die Zwerge von Amboss« legt er einen ungewöhnlichen Roman vor, der mit traditionellen Schemata der Fantasyliteratur bricht und die Handlung aus dem Mittelalter in die Zeit der Industrialisierung verlegt.

»Die Zwerge von Amboss« beginnt, wie der Titel des Romans schon erahnen lässt, in der Stadt Amboss, einer Metropole inmitten des mächtigen Zwergenbundes. Hier arbeitet der vom Leben schwer gezeichnete Zwerg Garep Schmied als Sucher, was ungefähr der Position eines Polizisten entspricht. Zu Beginn der Romans müssen sich Garep und sein Gehilfe Bugeg mit dem Mord an einem berühmten zwergischen Komponisten herumschlagen. Während Garep eine Affekthandlung vermutet, geht sein Untergebener von einem Hassverbrechen aus, denn wie es aussieht, wurde der Musiker von seinem menschlichen Diener ermordet.

Je weiter die Ermittlungen voranschreiten, umso mehr scheint es, als würde Bugeg Recht behalten. Der tote Komponist ist nämlich nur ein weiteres Opfer in einer ganzen Serie von Morden, die von Menschen an hochrangigen Zwergen verübt wurden. Sollte hier etwa eine Verschwörung im Gange sein?

Garep mag es nicht glauben. Gegen den Willen seiner Vorgesetzten ermittelt er im Geheimen weiter – und gerät schon bald in ein Dickicht aus Lügen und Intrigen, das sich zu einem Krieg des Zwergenbundes gegen die Zerrissenen Reiche der Menschen auswachsen könnte...

Es ist ein ungewöhnliches Stück Fantasy, das Thomas Plischke seinen Lesern hier präsentiert. Wer bei dem Titel »Die Zwerge von Amboss« an Romane wie Markus Heitz' »Die Zwerge« und Konsorten denkt, der wird enttäuscht. Plischkes Werk hat mit dem von Heitz nur wenig gemein. Blutige Schlachtgemälde, mordgierige Orks und mystische Waffen, die das Böse besiegen sollen, sucht man hier vergebens. Stattdessen erwartet den Leser ein Mix aus Krimi, Thriller, Drama und Fantasy, der mehr auf einen spannenden Plot und mysteriöse Rätsel baut denn auf große Action.

Wer damit gar nichts anfangen kann, der sollte dem Buch lieber gleich fern bleiben. Alle anderen aber, für die Fantasy nicht zwangsläufig gleichbedeutend ist mit monumentalen Schlachten oder den romantisch -kitschigen Storylines der Romantasy, sollten unbedingt zu diesem Buch greifen. So ungewöhnlich Plischkes Machwerk auch sein mag, es funktioniert. Mehr als das: »Die Zwerge von Amboss« ist ein überragendes Stück Fantasyliteratur, das das alteingesessene Genre um eine neue, aufregende Facette erweitert.

Das beginnt schon mit der Handlung. Munter mischt Plischke Versatzstücke aus diversen Genres (allen voran aus dem Krimi- und dem Thrillerbereich) zu einem packenden Mix zusammen. Eine Reihe sehr unterschiedlicher Storylines sorgt dabei dafür, dass niemals Langeweile aufkommt. Mal verfolgt der Leser die Ermittlungen eines heruntergekommenen Polizisten in einer Mordserie, dann wieder begibt er sich Seite an Seite mit einem menschlichen Monsterjäger auf die Jagd nach brutalen Ungeheuern. Das passt nicht zusammen? Von wegen! Plischke verwebt die verschiedenen Handlungsstränge zu einem komplexen Ganzen, das dank immer neuer Wendungen und so manch überraschender Entwicklung durchgängig spannend bleibt.

Auch in Sachen Figuren und Personenkonstellation weiß der Roman zu überzeugen. Die Charaktere sind, mit Ausnahme der recht farblos erscheinenden Figur der Sucher-Anwärterin Karu Schneider, durchweg gut gezeichnet. Besonders faszinierend aber ist das Zusammenspiel der Protagonisten untereinander. Immer wieder verblüfft Plischke durch unerwartete Verbindungen und glaubwürdige, aber nicht unbedingt zu erwartende Verhaltensweisen der Charaktere.

Das wahre Highlight des Romans allerdings ist das einmalige Setting, das der Autor der Geschichte zugrunde legt. Eisenbahnen statt Pferdekutschen, Bürokratie statt feudaler Herrschaftsstrukturen, Technologie statt Magiegläubigkeit – allenfalls die vor phantastischen Einfällen sprühenden Werke Kai Meyers oder die zuvor schon erwähnten, für die Fantasy eher ungewöhnlichen Bücher Heitz', Lynchs oder Williams' können sich mit Plischkes Ideenreichtum messen. Es ist ein einmaliges Szenario, das der Autor hier entwirft. Plischke beweist, dass man nicht unbedingt in die Fußstapfen Tolkiens treten muss, um großartige Fantasy zu schreiben.

Um noch ein paar kritische Töne loszuwerden: Bei der Reihe an sehr unterschiedlichen Handlungsbögen, die den Roman auszeichnen, bleibt es nicht aus, dass Leser mit der ein oder anderen Storyline weniger anfangen können als mit den übrigen. In meinem Falle etwa war dies die Geschichte der Halblingin Ulaha im zweiten Teil des Romans, die mit deutlich weniger zugesagt hat als die anderen Handlungsstränge. Da die anderen Storylines aber auf ganzer Linie punkten konnten, war diese Schwachstelle leicht zu verschmerzen.

»Die Zwerge von Amboss« ist ein wirklich aufregendes Fantasyepos, das man viel zu schnell zu Ende gelesen hat. Glücklicherweise ist das Buch der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Romanen um die Zerrissenen Reiche. Ich für meinen Teil kann es jedenfalls kaum erwarten, bis endlich die Fortsetzung erscheint.

Thomas Plischke ist neben Brent Weeks die Entdeckung des Jahres 2008, was Fantasyautoren angeht. Ein Schriftsteller, von dem man in Zukunft hoffentlich noch viel zu lesen bekommt. Wer Fantasy liebt, der wird an dem Namen Plischke nicht vorbeikommen. Meine Empfehlung daher: Unbedingt »Die Zwerge von Amboss« lesen! Wer es nicht tut, verpasst eine Menge!

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