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"Erwartet nicht, dass alle überleben"

J. J. Abrams"Erwartet nicht, dass alle überleben"
J.J. Abrams zu STAR TREK XI

In Fan-Kreisen wird man ganz sicher nicht gerne hören, was Jeffrey Jacob Abrams über seine Interpretation des STAR-TREK-Franchise zu sagen hat: Der Regisseur berichtete gegenüber USA TODAY, dass er ein "ganz anderes" Prequel machen wolle, als man es üblicherweise erwarten würde. Weiterhin möchte er mit seinem Film auch ein Publikum ansprechen, "das noch nie etwas von STAR TREK gehört hat" (wo soll das herkommen? Aus der Arktis? Neuengland?).


Er bezeichnet sich nicht als ENTERPRISE-Fan und weist darauf hin, dass man in seinem Streifen nichts als gegeben hinnehmen solle: "Der Film wird nicht mit dem Problem zu kämpfen haben, das STAR TREK üblicherweise auszeichnet: Dass keine Hauptcharaktere sterben können..."

Nun ja... Gratwanderung? Überheblichkeit? Ignoranz? Genialität? Von allem etwas? Tatsache ist, dass STAR TREK sich in den letzten Jahren selbst überlebt hatte, unter anderem deswegen, weil das Franchise von Paramount höchst stiefmütterlich behandelt wurde. Gerüchten zufolge "hasste" der letzte Paramount-Chef Science Fiction, nicht eben die besten Voraussetzungen dafür, qualitativ gute Unterhaltung zu schaffen. Doch auch unter diesen widrigen Umständen war beispielsweise die letzte Staffel ENTERPRISE schlichtweg brilliant - abgesehen von der letzten Episode. Leider waren die Einschaltquoten in den USA dermaßen schlecht, dass die Serie eingestellt wurde - trotz der meiner Ansicht hervorragenden Qualität der Geschichten. Aber wahrscheinlich war genau das das Problem: Die Trekkies hatten längst abgeschaltet und Gelegenheitsseher kamen mit den anspruchsvollen Plots nicht zurecht, die uralte TREK-Mythen aufarbeiteten.

Neue Schauspieler?

Schon jetzt schreien die Fans, dass es doch wohl nicht sein könne, Spock, Kirk und Co., die Ikonen seit den ersten Tagen, neu zu besetzen. Doch das ist falsch, wer bereits Episoden der kongenialen semiprofessionellen Fan-Serie NEW VOYAGES gesehen hat, der weiss, dass die Protagonisten sehr wohl vorlagentreu und "in Character" von anderen Darstellern interpretiert werden können, und das auf eine Art und Weise, die sogar eingefleischte Fans überzeugen kann und zu Begeisterungsstürmen hinreisst. Dass eine Fanserie in Amerika vor Profi-Produktionen 2007 den von der TV-Zeitschrift TV GUIDE ausgelobten Online Video Award gewinnen konnte (in Konkurrenz zum Beispiel mit professionellen Serien wie NEW BATTLESTAR GALACTICA ), spricht für sich, ebenfalls, dass das Drehbuch zu der Episode WORLD ENOUGH AND TIME für den NEBULA nominiert wurde.

An den Schauspielern muss es also nicht zwingend hängen, die sind offenbar doch austauschbar, auch wenn Hardcore-Fans das selbstverständlich ganz anders sehen (wie immer). Woran es aber hängen könnte, ist die Glaubwürdigkeit des gesamten Plots, ob sich der Film in die bekannte Historie einfügt, oder ob er sich weitgehend davon löst. Mit einem solchen Kunstgriff kann Abrams alle vergrätzen: Denen, die ST nicht kennen, dürfte das nur dann egal sein, wenn Handlung und Umsetzung brilliant sind, ansonsten vermeinen sie eben nur "noch einen schlechten TREK-Film" gesehen zu haben. Die Fans werden alles in der Luft zerreissen, was nicht vorsichtig und achtungsvoll mit dem Gesamtkomplex umgeht (wobei das auch Rick Berman ein paar Mal versaut hat, aber das ist eine andere Geschichte).

Oder ist Abrams Ansatz vielleicht eine Chance? Gerüchte sprechen darüber, das möglicherweise das Universum "resettet", also zurückgesetzt, wird und man prinzipiell wieder von vorne anfangen kann. Aber: Will man das als Zuschauer? Ich habe das Universum in über 40 Jahren lieb gewonnen und brauche eigentlich kein neues... Und: Es ist überhaupt nicht gesagt, dass irgend jemand in der Lage ist, in einem potentiellen neuen Universum brauchbarere Geschichten zu erzählen als im alten.
 

Zugegeben: Es ist ebenfalls nicht sicher, dass dem nicht doch so ist, und dass ein Reset dem Franchise gerade gefehlt hat.

Spannend wird STAR TREK XI nach den Aussagen Abrams' allemal und Paramount kann sich wahrscheinlich sicher sein, dass nach solchen Sprüchen die Kinos am Startwochenende gerammelt voll sein werden. Ist das also alles Vorsatz? Schlaues Marketing? Dass der Regisseur und Produzent etwas vom Verkaufen seiner Produkte versteht, weiss man seit LOST und erst recht seit CLOVERFIELD, für das eine virale Marketingkampagne ohnegleichen aufgezogen wurde.

Aber CLOVERFIELD ist ein gutes Stichwort dafür, dass Abrams den Nimbus des Wunderknaben vielleicht nicht ganz zu Recht trägt. Der Monsterschinken lief zwar am ersten Wochenende ganz brauchbar, aber danach nicht mehr. Warum? Mundpropaganda hatte dazu geführt. Offenbar hatten diverse Besucher des Films vom Besuch aufgrund der wohl brechreizerregenden Handkameraszenen abgeraten. Man munkelt, dass man in US-amerikanischen Kinos vielleicht besser ein paar Brechtüten aus Flugzeugen unter dem Sitz platziert hätte. Sowas kratzt am Image der Genialität...

Ohne Übertreibung und völlig neidlos kann man ganz sicher sagen, dass das das Spannendste ist, was STAR TREK in den letzten paar Jahren passiert ist. Bei allen Vorbehalten gebe ich XI selbstverständlich eine Chance, immerhin soll man etwas erst zerreissen, wenn man es tatsächlich gesehen hat. Ich kann nur hoffen, dass der Film - wie bei anderen Blockbustern inzwischen üblich - weltweit zeitgleich startet. Ich habe nämlich absolut keine Lust darauf, mir von Spoilern alles kaputt machen zu lassen, wenn er in den USA drei Monate früher anläuft. In Zeiten des Internet kann man sich so etwas nicht mehr erlauben.

Abschliessend ist zu sagen, dass Abrams irrt, wenn er meint, dass noch nie Hauptdarsteller gestorben sind: Spock in ZORN DES KHAN (ich gebe zu: wiederbelebt) und Kirk in GENERATIONS. Jadzia Dax? Data? Aber er kennt sich halt nicht aus, sagt er ja selbst... ;o)

Bild: J. J. Abrams 2006 auf dem Wondercon in San Francisco, aus der Wikipedia

Kommentare  

#1 DarkWriter 2008-02-06 00:22
Hallo,

erst einmal fehlt in dem Satz "das noch etwas von STAR TREK gehört hat" wohl das "nichts" :-) Und dann mutet es seltsam an, dass - wenn es sich um ein Prequel mit den bekannten Charaktern handeln sollte - jemand stirbt. Das würde (wieder einmal) die gesamte Star Trek-Gistory ad absurdum führen. Ich hatte ja ein wenig die Hoffnung, dass man anfängt, die Bücher "Star Trek -- Die Anfänge" zu verfilmen, die zeitlich vor der ersten 5-Jahres-Mission liegen und die Übernahme des Schiffs durch Kirk beschreiben. Nur - wenn es sich um die alte Crew (nicht Schauspieler, aber Personen) handelt, darf keiner sterben, da sie ja später gebraucht werden.
Nun ja, wir werden es sehen ...
#2 Holzi 2008-02-06 00:26
Semi-bestätigten Gerüchten zufolge führt die Handlung durch parallele Zeitlinien, da kann man fast alles machen...
Es fehlte ein "nie", danke für den Hinweis. Liegt selbstverständlich ausschließlich an der taiwanesischen Tastatur. :-*
#3 DarkWriter 2008-02-06 00:42
Ja, wenn es sich um eine parallele Zeitlinie handelt, ist er sicherlich frei. Nur stellt sich dann die Frage, ob die Tragik eines toten Protagonisten so groß ist, dass sich der ganze Aufwand lohnt. Wie wichtig ist einem Fan, ob ein paralleler Kirk stirbt oder nicht, wenn die eigentliche Linie davon nicht beeinflusst wird? Also, ich bin sicherlich ein Star Trek Fan seit meiner Kindheit, aber ein paralleler Kirk kann meinetwegen auch ein Rind heiraten und auf eine Farm ziehen :P
Nun ja, wir werden es ja sehen. Nach "Der Nebel" kann mich ohnehin kaum noch was enttäuschen. Das war statt der erwartete Höhepunkt der absolute Kino-Tiefpunkt für mich. Also lasse ich mich mal überraschen, was bei Star Trek ist. Notfalls benutze ich die leere Popcorn-Tüte als Brechbeutel ...
#4 Holzi 2008-02-06 13:34
Kommt auf die Umsetzung an. Dass man spannende Geschichten auch in (oder mit) parallelen Realitäten erzählen kann, zeigen beispielsweise die TNG-Episode "Parallels" oder die Schlaglichter auf das Spiegeluniversum (bei ENTERPRISE spielte ja eine Folge komplett dort, ohne jeglichen Charakter-Bezug zum "Standarduniversum"). Kann klappen, muss nicht. Eine solche Vorgehensweise hätte aber definitiv den Vorteil, dass man sich entscheiden kann, wie man weitermacht: Ist's erfolgreich kann man das Konzept weiter verfolgen, will es keiner sehen, hat man das unbeschädigte "Originaluniversum" nach wie vor in der Hinterhand. Eigentlich ziemlich klug (falls es denn tatsächlich so sein sollte).
#5 Holzi 2008-02-09 00:16
Ich habe todestechnisch Tasha vergessen... 'Schuldigung, Frau Yar. :lol:
#6 DarkWriter 2008-02-09 12:00
Diue gilt nicht, als die starb, was sie keine wichtige Person mehr bei Star Trek. :D
#7 Thomas Rippert 2008-02-09 21:12
ist star trek denn überhaupt noch relevant für irgendwas und irgendjemanden? ich denke nicht - das pferd wurde schon vor langer zeit zu schanden geritten und man sollte ihm endlich den gnadenschuss geben.
#8 Mainstream 2008-02-09 21:22
40 Jahre Star Trek. Wird es nicht endlich Zeit für ein 'Reset' dieses nun altbekannten Universums? Ist denn nicht schon alles gesagt? Natürlich hab' ich das alles lieb gewonnen, bin damit groß und breit geworden, hab' mich darin verbissen, geärgert und gefreut, viel gelacht, mehr gezittert und auch mal geweint. Letzteres beim Zwiebel schälen. Aber man hat schon alles gesehen, ob man es zugeben möchte, oder nicht. Wie umfassend sind diese Welten geworden mit zehn Filmen und wer weiß wievielen Episoden aus soundso viel Serien.

Letztendlich hat es sich doch festgefahren. Genauso wie all die Hardcore Fans festgefahren sind. Hoffentlich tritt Abrams diesen Unverbesserlichen kräftig in den Arsch. Als wirklicher Fan habe ich alles gesehen. Jetzt will ich etwas anderes, etwas neues, etwas erfrischendes. Der 'Reset' ist doch schon lange notwendig. Die neue Besatzung ist bestimmt kein Nimoy, kein Kelley und bestimmt kein Shatner. Aber sie werden Kirk, Spock und McCoy sein. Sie werden etwas Neues für eine neue Generation sein.
Und es werden sich Stimmen erheben und die Stimmen werden böses verkünden. Pfeiff drauf, den Film wird es so geben, wie es sich Abrams vorstellt und das stellt mich zufrieden. Es wird ein sehr guter Film, oder vielleicht auch ein schimmeliges Käsebrot, aber es wird am Ende nichts damit zu tun haben, welche Namen die Charakteren tragen und wie sie Bekanntes durcheinander wirbeln.

Die Vernünftigen unter den Fans und den unbedarften Zuschauern werden feststellen, ob der Film diesen gewissen Geist nach aussen trägt, der 40 Jahre Geschichte inne hat. Auf mehr kommt es nicht an. Hält Jeffrey Jacob Abrams den Nimbus des Wunderknaben? Zumindest ist er ein Visionär, denn 'Cloverfield' mag Stürme der Magensäure herauf beschwören, aber er darf sich als etwas vollkommen neues begreifen.

Niemand braucht den Segen der Fans und keiner ist darauf angewiesen, das man dieser STAR TREK Variante eine Chance gibt (Siehe Leidartikel von Horst Hermann von Allwörden). Es wird lange, wie verzückte Gesichter geben, wie bei jedem anderen Film, Roman, bei irgendwelchen Serien, oder Magazinen auch. Mit Warp-Drive zu neuen Ufern, bitte, und bringt das Universum zum kochen, bis den jetzt schon meckernden Geeks die Schädeldecke platzt.

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