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Eine »unheimliche« Mischung - Dämonenkiller – Die Taschenbücher: Das Geschenk des Teufels

Eine »unheimliche« Mischung: Dämonenkiller – Die TaschenbücherDas Geschenk des Teufels

Der kommerzielle Erfolg der Marke "Dämonenkiller" muss in der Tat beträchtlich gewesen. Nicht nur wurde die Serie bereits nach 17 Heften aus dem Vampir-Horror-Roman ausgekoppelt, um sich fortan allein auf dem Markt zu behaupten.

Innerhalb kürzester Zeit wurde die Serie auch auf wöchentliche Erscheinungsweise umgestellt. Zeitgleich brachte man im März 1975 eine Taschenbuchreihe auf den Markt.


Eine »unheimliche« Mischung: Dämonenkiller – Das Geschenk des TeufelsDas Geschenk des Teufels
von Henry Seymour
Dämonenkiller Taschenbuch Nr. 7
Übersetzung: Nora Norden
September 1975 - Urspr. Desch Die Mitternachtsbücher 360, 1967

Der Roman:
London. Die Swinging Sixties. Antiquitätenhändler Neal Mottram, der ein kleines Geschäft im "wenig eleganten Teil" der Wigmore Street betreibt (das ist im Stadtteil West End), erbt eine nigerianische Götzenstatue vom kürzlich auf mysteriöse Weise tot umgekippten Abenteurer Newton.

Mottram hat, wie sich später herausstellt, eine nicht so ehrliche Seite, wenn er damit durchkommt. Die Statue, ein "Chuku", hat einen messerscharfen Dreizack und wirkt unheimlich. Da betritt eine dem äußeren Anschein nach unscheinbare Hausfrau den Laden und bittet Mottram, den Chuku ausleihen zu dürfen. Denn sie gehört einem Hexenzirkel an, und sie wollen einem kranken Freund in Nigeria heilende Gedanken schicken. Natürlich denkt der Antiquitätenhändler nicht daran, das seltene und offenbar wertvolle Teil aus den Händen zu geben, aber er bietet der Frau an, die Zeremonie in seinem Keller durchzuführen.

Und natürlich sieht Mottram versteckt zu und geilt sich an den nackten Tänzerinnen auf, die das Idol anbeten. Aber die Zeremonie wird abrupt abgebrochen, da man etwas Böses zu spüren glaubt.

Nun packt Mottram das Interesse, und er recherchiert über Hexenglauben. Kurz darauf wird er zur Zielscheibe von Muriel Sharp, einer bösen Frau, deren Lebensinhalt darin besteht, Leute auszuspionieren und in Schwierigkeiten zu bringen. Muriel hat von einem von Mottrams unsauberen Geschäften erfahren und will ihn erpressen, das Geld zurückzugeben und die gefälschte Ming-Vase zu zerstören. Mottram will sie mit dem Chuku erschrecken, bei einem Handgemenge fällt die Frau auf die Zacken des Idols und verblutet.

In Panik beseitigt Mottram die Tote. Prompt bekommt er Besuch von der Polizei, die seinen Namen im Heim der Toten fand. Aber weiter geschieht nichts. Dafür findet er bei einem Gelegenheitskauf Goldmünzen, die ihm einen ordentlichen Gewinn einbringen. Und er glaubt die Stimme des Chuku zu hören, die ihm noch mehr verspricht, wenn er brav opfert.

Das nächste Opfer ist eine amerikanische Touristin, die Mottram vor dem Mord verführen kann. Dann kommt seine reiche Erbtante dran. Mittlerweile rückt er ins Visier der Polizei und wird beschattet. Das hindert ihn aber nicht daran, noch eine Prostituierte zu ermorden.

Am Ende hadert Mottram mit dem Chuku und will ihn zerstören. Aber vorher lockt er noch für einen letzten Mord eine Frau ins Auto, die sich als Undercover-Polizistin entpuppt, und bringt sie in seinem Keller um. Die Polizisten kommen zu spät und verfolgen ihn aufs Dach, wo er abstürzt und stirbt.

Bewertung:
Ursprünglich 1967 als Hardcover beim Verlag John Gifford erschienen, ist Henry Seymour das Pseudonym von Helmut Henry Hartmann, einem Autor mehrerer Krimis und Jugendbücher aus dieser Zeit. Angepriesen als "Roman über Hexerei und Ritualmord" nimmt dieser Roman die "heidnische" Götterstatue zwar als Auslöser für die Handlung, schraubt das übernatürliche Element dann aber so weit wie möglich runter und lässt es letztlich offen. Vergisst man kurz die Stimmen, die unser Protagonist zu hören glaubt, hat man es mit einem lupenreinen Krimi aus der Sicht eines verrückten Frauenmörders zu tun. Heute würde man das in der Kategorie Serienkiller veröffentlichen. Und in der Tat geizt der Roman nicht an Sex und Gewalt; für seine Entstehungszeit ist er sogar ausgesprochen blutig.

Die Morde, ihre Planung und Ausführung sind minutiös beschrieben; über Seiten kann der Leser verfolgen, wie Mottram die Morde begeht, die Spuren verwischt, Kleider und Habseligkeiten verbrennt -  aber nur, wenn der verstärkte Rauch aus dem Kamin in der Nachbarschaft nicht auffällt -, die Opfer nackt auszieht und in Decken wickelt, um sie im Schutz der Nacht zu entsorgen. Um sich dann seitenweise darüber zu sorgen, ob er etwas übersehen haben könnte. Der Mord an der Tante wird genauso breit beschrieben: wie er sich ein Alibi bastelt, indem er eine alte Freundin besucht und scheinbar verführt, sie aber mit einem Schlafmittel ruhigstellt, vorher ein Fahrzeug bereitstellt. Das ist eine dieser Geschichten, in denen es wenige Dialoge und dafür umso mehr Beschreibungen gibt.

Ein englischer Autor und Rezensent bemängelte kürzlich Mr. Hartmanns Darstellung von Frauen in diesem Roman. Und in der Tat drängt sich hier auch ohne die das Sichtfeld verengende Brille der Political Correctness der Eindruck auf, dass der Autor ein doch sehr schiefes Bild vom anderen Geschlecht hatte. Alle weiblichen Figuren werden dem Leser ausführlich vorgestellt und für mangelhaft befunden. Allesamt sind sie Opfer ihrer Triebe, und es hat in seiner sich stets wiederholenden Darstellung etwas sehr Puritanisches und letztlich sogar Abstoßendes. Wie könnte es auch anders sein, dass das Mädchen, das sich Mottram an den Hals wirft, hinterher genau aus dem Grund als nymphoman denunziert wird – schließlich findet Mottram nach dem Mord auch noch pornografische Fotos von ihr im zu vernichtenden Gepäck; wenn das 1967 nicht alles sagt.

Allerdings sind diese Elemente in der Übersetzung teilweise entschärft und weniger deutlich, denn natürlich wurden wieder ein paar Seiten gekürzt, um auf die vorgegebene Länge zu kommen, die bei der Reihe nun einmal das Maß aller Dinge war. Auf Seite 145 war Schluss, ganz egal, wie lange das Original war. Und der Roman ist so vollgepackt mit Beschreibungen, dass die Auswahl der Kürzungen vom technischen Standpunkt völlig nachvollziehbar ist. Ein Exkurs über Hexerei und die Bücher, die sich damit beschäftigen, ist genauso unerheblich für die Handlung wie ein paar Details der Sexszenen oder der Polizeiarbeit. Und in diesem Fall muss man zugeben, dass der schwülstige Stil des Autors in Verbindung mit seinem Schwachsinn über Frauen davon nur profitiert. Ein Bespiel:

Übersetzung:
Sie war warm und weich und so hingegeben, wie es Frauen vom Anfang aller Zeiten waren.

Das Original:
Sie war warm und weich, so gefügig, wie Frauen es von Anbeginn der Zeiten waren, aber da war noch mehr. Sie war erfüllt mit einer Leidenschaft und einem Verlangen, die sie nicht kontrollieren konnte, einer wilden, animalischen Hitze, die in ihrer Hemmungslosigkeit gleichsam überwältigend und abstoßend war. Als hätten zweitausend Jahre der Zivilisation nie existiert, als gäbe es nur primitive Lust und Sinnlichkeit.

In der Tat, puritanisch und letztlich abstoßend. Und ein schrecklicher Blödsinn obendrein. Da werden finsterste verklemmte Rollenbilder bedient, und das durchgehend auf eine Weise, die klar macht, dass diese Weltanschauung die Regel und nicht die Ausnahme ist. Das hat nichts mit der Reise des Protagonisten in den Wahnsinn zu tun, wie sich deutlich auch in den Szenen zeigt, die nicht aus Mottrams Sicht erzählt werden.

Eine gekürzte Stelle ist allerdings aus anderen Gründen interessant. Das Ende des Romans ist immerhin so finster, wie es sich für eine Horrorgeschichte gehört, die Polizistin ist tot, Mottram stirbt zerschmettert auf der Straße. Im Original kommt zufällig ein Priester vorbei, der dem Sterbenden die letzte Ölung geben will. "In seinem Blick lagen weder Furcht noch Abscheu, sondern nur grenzenloses Vertrauen und Verständnis." Aber der sterbende Mottram will ihn wegstoßen, und da greift der Chefinspektor ein und zieht den Priester weg. "'Nein', sagte er scharf. 'Für ihn gibt es keine Zuflucht in Gott, Vater. Er wusste es und wies ihn zurück. Lassen Sie ihn in Ruhe.'" Das fand die Übersetzerin entweder als gute Stelle, um nochmal anderthalb Seiten los zu werden, oder die Redaktion fand die Szene zu heikel. Letztlich bleibt es wie immer nur eine Spekulation, wer was warum getan hat. Allerdings muss man objektiv sagen, dass die Übersetzung an einigen Stellen schwächelt; so manche Beschreibung bekommt einen anderen inhaltlichen Zungenschlag, der bei einer sorgfältigeren Überarbeitung hätte auffallen müssen.
 
Der Roman ist nicht nur ein bierernster Serienkillerroman, es wirft auch wieder einmal die Frage auf, ob bei Pabel eigentlich niemand vor dem Ankauf wenigstens einen Blick in den Inhalt geworfen hat. Die Frage ist weniger, ob das ein gut geschriebener Roman ist oder nicht. Da kann man geteilter Meinung sein. Als Porträt eines verrückten Frauenmörders ist es durchaus intensiv und stellenweise ganz spannend. Aber der Stil ist zäh und oft hysterisch, ein paar Eigenheiten des Autors sind nervtötend, vor allem seine abrupten Perspektivewechsel, die ein paar Szenen ruinieren. Und die Unentschlossenheit, was er nun eigentlich schreiben will, eine übernatürliche Horrorgeschichte oder einen Krimi wie Psycho, enttäuscht am Ende. Für den auf "Dämonen" geeichten Fan der Heftserie dürfte das am Ende eine sehr unbefriedigende Lektüre gewesen sein.

Das ist eindeutig härterer Stoff für Erwachsene. Ihn lieblos und kommentarlos als Buch des Monats in eine Reihe zu packen, die abgesehen von dem weit gefassten Kriterium "Horror" offenbar sonst keine Ansprüche an Thema und Machart aufweist, ist eigentlich Verschwendung. Das Buch hätte genausogut in jeder Krimireihe der Zeit erscheinen können und wäre vermutlich kommerziell erfolgreicher gewesen. Dem Autor hat man damit jedenfalls keinen Gefallen getan.

Die Story gefiel ein paar Filmproduzenten so gut, dass sie daraus einen Film machten. "Craze – Dämon des Grauens" wurde 1974 vom Genre-Veteran Freddie Francis inszeniert. Das ist einer jener schrägen unabhängig produzierten britischen Horrorfilme, die fast schon eine bizarre Besetzung aufweisen. Ausgerechnet Jack Palance spielt den verrückten Antiquar, dazu kommen so unterschiedliche Schauspieler wie Diana Dors und Trevor Howard, der dem Budget entsprechend aber nur einen winzigen Auftritt hat. Der Film hält sich im Prinzip eng an die Romanvorlage. Mit einer Ausnahme. Aus erzähltechnischen Gründen hat unser Antiquitätenhändler hier einen jungen Mann als Geschäftspartner bei sich wohnen, den er zum Mordkomplizen macht. Das Ganze hat einen offensichtlich beabsichtigten homoerotischen Unterton. So haben die kernigen Polizisten wenigstens Gelegenheit, über vermeintliche Homosexuelle zu hetzen. Der Film war ein Flop, was nicht besonders wundert, ist er doch ziemlich beliebig inszeniert. Regisseur Freddie Francis wird mit dem Bekenntnis zitiert: "Ich hatte nicht das geringste Interesse an diesem Projekt." Dem ist nichts hinzuzufügen.

Außer vielleicht noch, dass die Bundesprüfstelle für Jugendgefährdendes ebenfalls nicht begeistert war und den Film in dieser Schnittfassung auf den Index setzte. Heute gibt es ihn wieder auf DVD, gleich von mehreren Anbietern.

Den Originalroman gibt es übrigens neuerdings als Ebook.

Life on Mars:
Gut recherchiert hat der Autor offenbar. Die Szene mit der Prostituierten liest sich wie ein Absatz aus einer Sittengeschichte über diese Ära. Nicht nur annonciert sie ihr Geschäft im Fenster eines Tabakladens mit der Umschreibung "Elektromassage durch qualifizierte Psychotherapeutin". (Im Original steht natürlich Physiotherapeutin, wohl ein lustiger Vertipper, aber aus der "Electrifying massage" eine Elektromassage zu machen, ist aus ganz anderen Gründen amüsant.)

Infernal Idol Herrlich ist auch das Angebot der Dame, ihrem Kunden für einen Aufpreis einen "Lehrfilm über Gymnastik" vorzuführen. Nötige Euphemismen, um vor der Geldübergabe alles Illegale abstreiten zu können. In der Filmversion gibt es die Szene auch, ist aber nicht ganz so spießig inszeniert.

Das Titelbild
Das Titelbild wird im Impressum Karel Thole zugeschrieben. Aber hier darf man seinen Zweifel anmelden. Es scheint so wenig Ähnlichkeit mit seinen sonstigen Produktionen zu haben.

Das Original
Infernal Idol
(Im Pabel-Impressum heißt der Roman "Gift from the Devil". Obwohl es ihn unter diesem Titel nie gab. Vielleicht ein Arbeitstitel.)
von Henry Seymour
1967
Verlag John Gifford

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Kommentare  

#1 Thomas Mühlbauer 2015-05-25 06:30
Das Impressum lügt sogar ein weiteres Mal, denn der Roman ist keinesfalls eine "deutsche Erstveröffentlichung", sondern lediglich die Neuauflage eines Taschenbuches, das bereits 1967 im Kurt Desch Verlag erschienen ist; dort war es aus der Reihe Die Mitternachtsbücher Band 360. Und das Titelbild stammt vom amerikanischen Künstler Ron Cobb.
#2 Andreas Decker 2015-05-25 12:40
zitiere Thomas Mühlbauer:
Das Impressum lügt sogar ein weiteres Mal, denn der Roman ist keinesfalls eine "deutsche Erstveröffentlichung", sondern lediglich die Neuauflage eines Taschenbuches, das bereits 1967 im Kurt Desch Verlag erschienen ist.


Ha! Toll erkannt. Respekt. Danke, ich werde einen Edit reinsetzen. Die Spekulationen über die Kürzungen sind natürlich jetzt noch spekulativer, ohne den Desch zu kennen.

Man sollte Bibliographien bis zum Ende durchsehen. In der DNB steht der Pabel ernsthaft als Deutsche Erstveröffentlichung, das Mitternachtsbuch kommt erst ein paar Seiten weiter. Andererseits wird allen Ernstes auch ein Travis McGee von MacDonald dort Seymour zugeschrieben, was natürlich völliger Blödsinn ist. Man sollte sich wirklich nie auf eine Quelle verlassen.

Hm, die Mitternachtsbücher. Tolle Reihe. Wäre vielleicht auch mal einen Artikel wert.

Das Pseudonym Henry Seymour gab es auch beim Heftroman, bei der unsagbar grottigen Roten Laterne, bei Zauberkreis Spionage und im Kelter Western. Dürfte also ein persönliches Pseudonym gewesen sein, das aber nichts mit Hartmann zu tun hatte.
#3 Toni 2015-05-25 13:18
Sehr guter und informativer Artikel. Gut das noch ein paar Nummern kommen.
Mit dem Titelbild könntest du recht habe. Wenn man Tholes andere Werke betrachtet kommen Zweifel auf.
#4 Thomas Mühlbauer 2015-05-25 15:18
zitiere Andreas Decker:


Hm, die Mitternachtsbücher. Tolle Reihe. Wäre vielleicht auch mal einen Artikel wert.


Für Krimifans sicher eine Fundgrube. Zudem hat Kurt Desch bereits 1961 eine Anthologie mit phantastischer Literatur verlegt, der Titel lautet...Moment, ich hab's gleich...ja, genau: Der Zauberspiegel. :-)

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