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Eine Legende wird vierzig Jahre alt - Die Dämonenkiller-Chronik 63

Dämonenkiller zum 40.Eine Legende wird 40 Jahre alt
Die Dämonenkiller-Chronik (63. Teil)

Aus Anlass des vierzigjährigen Jubiläums der Dämonenkiller-Serie habe ich eine Chronik erstellt, die sich mit der Geschichte der Serie beschäftigt.

Heute beschäftigen wir uns mit dem Dämonenkiller-Exposé 89, daß Ernst Vlcek am 20. November 1975 für seinen Autoren-Kollegen Hubert Straßl alias Hugh Walker geschrieben hat. - Viel Spaß beim Lesen...


87DAS HAUS DER UHREN
HAUS OHNE WIEDERKEHR
DIESE UHREN GEHEN ANDERS
DEINE UHR IST ABGELAUFEN
WEM DIE STUNDE SCHLÄGT... den Titel kenn ich doch?
Dämonenkiller 89
Schauplatz: irgendwo in England
Zeit: Ende September
Autor: Walker-Straßl
Termin: 28.1.1976

Titelbild: (SEGRELLES - TE)
Ein unübersehbares Heer von Schauergestalten (Untoten) in Lumpen watet bis über die Knie im Wasser zum Ufer im Vor­dergrund (felsig).Das makabre dran ist, daß ihre Körper nicht verfault sind, nur manchem fallen stellenweise die Haut ab; da ist eine Frau, hat auf dem Oberschenkel eine rötliche Wunde, über den Brüsten eine violette Fleischwucherung und auf der linken Gesichtshälfte eine schreckliche Narbe, die über den Mundwinkel verläuft und ihren Mund verzerrt - sie muß mal eine schwarzhaarige Schönheit gewesen sein; der Mann an der Spitze, der nur bis zu den Knöcheln im Wasser ist, fletscht die Zähne, hat die Hände halb erhoben, am Oberkörper geht ihm die Haut ab, auf der Stirn, beim Haaransatz hat er kleine Fleischwucherungen.
Alle diese Schauergestalten haben leuchtende Augen, haben unterschiedliche und eindrucksvolle Physiognomie.
Das gesamte Bild ist in blaugrün gehalten, mit vielen Farb­schattierungen. Persönlich halte ich dieses Titelbild für das stärkste, das wir je hatten.

Vorbemerkungen:
Dies ist ein Separatabenteuer, das dem Autor den Einstand er­leichtern soll; in der dramaturgischen Ausarbeitung hat er völlig freie Hand, nur muß er Dorian Hunter richtig charakterisieren und seine Situation milieugerecht darstellen. Das wird aber nicht schwerfallen. Um Walker-Straßl genügend Zeit zur Ausarbeitung zu lassen, wird dieses Exposé niedrigeren Nummern vorgezogen.
Es stehen also keine Situationsdaten zur Verfügung. Das ist auch nicht nötig, es braucht nur ausgesagt zu werden, daß:
...Coco wieder mal verschwunden ist, um nach ihrem gemeinsamen Kind in dem Geheimversteck zu sehen, das nicht einmal Dorian kennt...
...Dorian mit Miß Martha Pickford und Trevor Sullivan allein in der Jugendstilvilla zu London ist (zu Handlungsbeginn!)...
...der Kampf zwischen Hekate und Hermes Trismegistos - über dessen Identität noch immer nichts Genaues bekannt ist – weitergeht und mit nicht zu überbietender Härte und Grausamkeit geführt wird; der Dämonenkiller steht in der Mitte zwischen diesen Mächten (ist H.T. aber eher gesonnen als Alraune) und versucht, Unheil von Unschuldigen abzuwenden...
...alle anderen Hauptpersonen in Andorra im Castillo Basajaun sind... ...außer Jeff Parker, den wieder mal der Wandertrieb gepackt hat...
Es hat sich gezeigt, daß unsere Leser von Einzelabenteuern, die aus dem Zusammenhang gerissen sind, nur wenig halten und diese schlechter beurteilen, auch wenn sie noch so gut geschrieben sind. Deshalb habe ich mir etwas einfallen lassen, um diesen Roman auch für den serienorientierten Leser interessant zu machen. Dies erreichen wir, indem wir eine reizvolle Story mit der Jugendzeit des Dämonenkillers verknüpfen.
Bisher wurde über Dorians Jugend noch nichts ausgesagt, so daß der Autor auch diesbezüglich freie Hand hat. Über das Leben des Dämonenkillers als Dorian Hunter vor seinem 29. Geburtstag (Serien­beginn) ist überhaupt sehr wenig bekannt.
Wir wissen nur, daß ihn die Dämonen mit Lilian Hunter (geb. McCoy) verkuppelt haben, auf das dieses blasse Geschöpf seine Dämonen­killer-Instinkte hemmte. Doch in Band 1 wurde Lilian wahnsinnig (gestorben in Band 50) und in Band 10 bekam Dorian die Erinnerung an seine früheren Leben zurück - damit war er für den Kampf gegen die Dämonen der Schwarzen Familie gewappnet. Bekannt ist auch, daß er früher Reporter war und daß er Urkunden und Reliquien über Dämonen und Schwarze Magie aus allen Zeiten und Ländern sammelte und daß diese "Horrorsammlung" im Keller der Jugendstilvilla untergebracht ist.
Das alles ist in den Datenexposés nachzulesen.
Wir bringen nun etwas Licht in das Dunkel von Dorians Jugendzeit, die sich scheinbar von der eines beliebigen Durchschnittsjungen nicht unterscheidet.
Und doch haben verschiedene Geschehnisse von damals Einfluß auf die Gegenwart...

Handlung:
Einen etwa sechzehnjährigen Jungen schildern - aber womöglich noch nicht aussagen, daß es Dorian Hunter ist. Ihm einen Spitznamen geben.
Er war früher in einem Waisenhaus, kennt seine Eltern nicht, und in dem Internat, in dem er jetzt ist, geht es ihm nicht besser. Die Lehrer bezeichnen ihn als störrisch, aufrührerisch, unfolgsam; er will ihre Autorität nicht anerkennen, ist kein Ja-Sager und kein sturer Befehlsempfänger. Er hat trotz seiner Jugend bereits eine starke Persönlichkeit entwickelt, weiß was er will. In dem Internat gibt es die Prügelstrafe.
Unser Junge ist ein aufgeschossenes Bürschchen, alles andere als ein Heiliger. Mit seinen Kameraden hat er seine liebe Not, denn er ist ein Einzelgänger. Was in einer Gemeinschaft zwangs­läufig dazu führen muß, daß die anderen ihn drangsalieren.
Eines Nachts verlangt man von ihm eine Mutprobe.
In der Nähe der Schule, nahe den Ufern eines Sees, steht ein uraltes, unheimliches Haus inmitten eines verwilderten Parks. Dort wohnt eine alleinstehende Frau, die von den Zöglingen taxfrei zur Hexe ernannt wurde. Sie hat einen fetten, plumpen Entenkörper, der nach oben hin birnenförmig zusammenläuft, und auf einem Blähhals mit mächtigen Kropf sitzt ein kleiner, viel zu kleiner Kopf. Ihr Aussehen und die Tatsache, daß man sie Kinderreime aufsagen hörte, wenn sie im Wald Pilze und Wurzeln sammeln ging, verlieh ihr den Namen Mother Goose. Die Zöglinge schildern sich Schauergeschichten über sie.
Die Mutprobe unseres Helden besteht nun darin: Er muß um Mitternacht in das Haus von Mother Goose eindringen und etwas daraus stehlen und es seinen Kameraden vorzeigen. Als alles im Internat still ist, schleicht man sich aus dem Zimmer, klettert aus dem Fenster - unser Held wird von fünf Zöglingen begleitet, die in der Nähe des Kuckuckshauses, wie das Haus der Alten genannt wird, warten sollen.
Und dann ist es soweit. Unserem Jungen ist ganz schön mulmig zumute, als er sich allein dem unheimlichen Haus nähert. Zu allem Überdruß zieht ein Unwetter auf, es blitzt und donnert, überall scheinen Schattenungeheuer zu lauern.
Endlich dringt er durch ein Fenster in das Haus ein. Hier ist alles nur noch unheimlicher. Das ganze Haus ist von einem viel­fältigen Ticken erfüllt. Das Ticken, das von überall her kommt und immer intensiver wird, macht ihn fast wahnsinnig. Aber er will nicht als Feigling gelten, will es den anderen zeigen - und pirscht sich weiter vor. Die Blitze erhellen die Räume, durch die er kommt, lassen sie in unheimlichem Licht erstrahlen...
Und dann kommt er in das unheimlichste aller Zimmer. Von hier kommt das Ticken - hier sind Hunderte von Uhren, Pendeluhren, Standuhren, Barockuhren, Spieluhren - und plötzlich beginnen alle Mitternacht zu schlagen. Das ist ein Heidenspektakel.
Und mitten hinein in dieses Geläute und Gebimmel und Glockenschlagen ertönt ein schrilles Lachen. Mother Goose steht in der Tür und schüttet sich aus vor hysterischem Lachen. Der Junge erinnert sich seines Auftrags, etwas an sich zu nehmen, zum Beweis, daß er in dem Haus war, greift sich eine beliebige Uhr und macht sich davon. Hinter sich hört er Mother Goose schrille Stimme, die ihm nachruft: Ja, mein Junge, nimm sie nur, deine Lebensuhr.
Tage danach zwickt den Jungen sein Gewissen. Er will die Uhr zurückgeben. In das Haus wagt er sich nicht zurück, durchstreift den Wald auf der Suche nach der Alten. Er beobachtet sie auch, getraut sich aber nicht, sie anzusprechen. Er bringt es nicht über sich, obwohl er dem Mädchen Irene versprochen hat, die Uhr auf jeden Fall zurückzugeben.
Dieses Mädchen hat der Junge am Tage nach seiner Mutprobe kennengelernt. Er weiß nichts über sie, doch sie hat Andeutungen gemacht, daß sie etwas mit Mother Goose zu tun hatte. Irene hat ihn beschworen, die gestohlene Uhr zurückzugeben, bevor er in ihre Abhängigkeit gerät. Zwischen Irene und dem Jungen entwickelt sich eine zarte Liebe...
Bevor sich der Junge überwinden kann, übernimmt Mother Goose die Initiative. Sie muß ihn längst bemerkt haben, spricht nun mit ihm, der sich hinter Sträuchen verbirgt, lädt ihn in ihr Haus ein, sagt, daß er keine Angst zu haben braucht, und sie macht sich schon auf den Weg, redet weiter mit ihm, ohne sich nach ihm umzudrehen.
Er folgt ihr in ihr Haus, übergibt ihr die Uhr, sie lobt ihn für seine Ehrlichkeit und sagt, sie werde die Uhr als Erinnerung an ihn behalten, solange er lebt, und sie nimmt seine Hände, und sie betrachtet die Linien und macht dabei geheimnisvolle Weissagungen, von wegen, daß er irgendwann einmal hierher zurück­kehren wird, bevor seine Uhr abgelaufen ist und Ähnliches, und sie behauptet auch, das Geheimnis seiner Herkunft enträtseln zu können... sein Schicksal sei vorbestimmt...
Der Junge verläßt wie berauscht das Haus. Die Tage vergehen, es zieht ihn immer wieder zu dem Haus zurück, obwohl ihm die Sitzungen mit Mother Goose unheimlich sind, er fürchtet sich vor den Uhren, und er hat Angst, daß das Essen, das ihm die Alte vorsetzt, vergiftet sein könnte.
Irene, das geheimnisvolle Mädchen, das er liebt, beschwört ihn, von hier fortzugehen, das Haus und Mother Goose zu meiden.
Und als ihr der Junge sagt, daß er in ein anderes Internat versetzt werden soll, so freut sich Irene für ihn, obwohl sie selbst traurig darüber ist, ihn nie mehr wiederzusehen - und sie gibt sich ihm zum Abschied hin. Auch Mother Goose hat ein Abschieds­geschenk für ihn bereit. Der Junge ist erleichtert, daß es sich bei dem Geschenk um keine Uhr handelt. Es ist ein Poesiebuch, in das Mother Goose einen Kinderreim geschrieben hat:
Taffy war ein Welscher
Taffy war ein Dieb
In mein Haus der Taffy kam
Sich ein Stück vom Ochsen nahm
Ich suchte Taffy heim
Taffy lag im Bett
Mit einem scharfen Messer
Schnitt ich den Kopf ihm weg.

Achtung: Ich kenne den englischen Originaltext nicht, weiß auch nicht, ob der Taffy-Reim aus den Old English Nursery Rhymes oder aus Mother Goose stammt, sondern habe eine deutsche Übersetzung etwas abgewandelt.

Der Junge glaubt, daß in dem Vers ein tieferer Sinn steckt, der sich irgendwie auf ihn bezieht: ein Welscher ist er ja, oder war er, als er zum erstenmal in das Haus eindrang, und ein Dieb ist er auch, weil er eine Uhr gestohlen hat. Nur die beiden letzten Zeilen gefallen ihm nicht, wenn sie sich auf ihn beziehen.
Der Junge übersiedelte in ein anderes Internat und hat von Mother Goose nie etwas gehört.
Jetzt, an die fünfzehn Jahre später, wird er an die seltsame Alte erinnert. Er, Dorian Hunter, der Dämonenkiller, hat in seiner Bibliothek (im Keller des Jugenstilvilla) zwischen Hexen­protokollen und Schwarten über Weiße und Schwarze Magie das Poesiealbum gefunden. Alle Seiten darin sind leer, bis auf die eine mit dem Taffy-Reim...
Und auf einmal findet sich Dorian Hunter vor dem alten Haus, das ihm damals so große Furcht eingeflößt hat und in dem er doch so viele Stunden mit Mother Goose verbracht hat. Seine Erinnerung daran ist verschwommen, aber immer wieder blitzen einzelne Szenen in seinem Gedächtnis auf, die großen Eindruck bei ihm hinterlassen haben.
Dorian hat den Wunsch verspürt, zu diesem Haus zurückzukehren, nachzusehen, ob Mother Goose noch lebt, was aus dem Haus geworden ist... er erinnert sich der Uhrensammlung, die er nur ein einziges Mal gesehen hat, der einen Uhr, die er an sich genommen hat, und was ihm Mother Goose nachschrie.
Dorian hat das Poesiealbum eingesteckt, als er nun vor dem Haus steht. Es wirkt leer und verfallen. Im Tageslicht hat es seinen Schrecken verloren. Er hat aber von Anrainern, die ziemlich verschreckt wirkten, erfahren, daß das Haus bewohnt wird. Ein Fluch soll darauf liegen, aber nichts Genaues traut man sich zu sagen. Besser nichts sehen, nichts hören, nichts reden, dann wird man von den Schrecken verschont.
Dorian klopft, nichts rührt sich im Haus. Er tritt ein. Hier scheint sich in den fünfzehn Jahren nichts verändert zu haben.
Er hat das Gefühl, daß er beobachtet wird... kommt in das Uhren­zimmer. Alle die Hunderte von Uhren stehen still. Es herrscht eine unheimliche Stille.
Plötzlich bricht ein Gewitter los... wie damals, als er als Dieb hier eindrang. Und plötzlich läuft das Spielwerk einer Uhr ab, und es hört sich an, als würde eine Stimme den Taffy-Reim aufsagen.
Dorian wirbelt herum, stellt eine Gestalt, die ihm nachge­schlichen ist. Es handelt sich um ein blutjunges Mädchen, nicht älter als fünfzehn, verwahrlost, aber hübsch. Jetzt wird das Mädchen wütend, sagt, das sei ihr Haus, sie wohne hier mit ihrer Tante, und wenn ihm sein Leben lieb ist, dann solle er verschwinden. Ob ihre Tante "Mother Goose" genannt werde, will der Dämonenkiller wissen, aber sie will von ihm in Ruhe gelassen werden.
Plötzlich kommt Leben in das Haus. Einige Fremde, die vom Gewitter überrascht wurden, suchen Unterschlupf in dem Haus. Es ist eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft, etwa ein Dutzend Leute, die der Zufall zusammengeführt zu haben scheint.
Das Mädchen, es heißt Irene, wie Dorians Jugendliebe, bewirtet die Fremden, ist freundlich zu ihnen.
Während des Tischgespräches stellt sich heraus, daß alle in dem Haus etwas gemeinsam haben. Sie hatten früher einmal, etwas mit Mother Goose zu tun. Einer ist ein ehemaliger Lehrer des Internats, ein anderer ist auf einem Bauernhof in der Nähe aufgewachsen, ein anderer wieder hat mal in dieser Gegend Urlaub gemacht etc.
Dorian verlangt von Irene, daß sie ihn zu ihrer Tante führt. Doch das Mädchen verfällt auf einmal in Trance, gibt den Taffy-­Reim von sich und sagt anschließend folgendes mit fremder Stimme, als spreche aus ihr eine unbekannte Macht: Alle hier Anwesenden seien in dieses Haus gerufen worden, um für ihre Vergehen zu büßen. Jeder hat etwas auf dem Kerbholz, dafür müsse er büßen. Es gibt nur eine Rettung: Wenn es gelingt, das Rätsel zu lösen, das der Taffy-Reim darstellt und denjenigen zu entlarven, der mit Taffy gemeint ist, dann sind alle anderen frei, nur Taffy nicht.
Dann wird das Mädchen wieder normal, zeigt jedem das für ihn vorbereitete Zimmer. In Dorians Zimmer ist eine wertvolle Pendeluhr, wie er sie noch nie gesehen hat, das Perpendikel ist mit magischen Zeichen bemalt, das Ziffernblatt stellt eine in naiver Technik gemalte Szene dar... Mother Goose könnte sie gemalt haben. Und plötzlich sieht Dorian die Szene im Geiste, wie er als Halbwüchsiger in diesem Haus eine Uhr gestohlen hat – und er erkennt die Pendeluhr auf einmal wieder als seine damalige Beute.
Er greift nach dem Pendel, hält es an. Plötzlich verspürt er einen Stich im Herzen, als setze es aus, er taumelt... als die Uhr wieder weiterläuft, erholt er sich wieder. Da ist ihm klar, Mother Goose Worte von damals - Ja, mein Junge, nimm sie nur, deine Lebensuhr - waren keine Floskel. Von dieser Uhr hängt sein Leben ab. Wenn sie stillsteht, dann ist das sein Tod.
Da - ein markerschütternder Todesschrei aus einem Zimmer. Der Dämonenkiller eilt hin. Dort liegt einer der Gäste neben den Trümmern seiner Uhr. Tot. Wenn der Autor will, kann er die vorange­gangene Szene beschreiben: den Mann machte das Ticken der Uhr verrückt, er zertrümmerte sie - und beging damit Selbstmord, denn er hat seine Lebensuhr zerstört.
Das Mädchen hebt die Trümmer auf, sagt, sie werde die Teile zusammenfügen.
Beratung unter den Gästen. Jetzt weiß man, daß dies alles kein Scherz ist. Man muß das Taffy-Rätsel lösen, um den Schuldigen zu finden. Aber man weiß zu wenig voneinander. Deshalb wird verlangt, daß jeder erzählt, in welcher Beziehung er zu diesem Haus steht.
Einer beginnt: Als er hier auf Urlaub war, sei er mit einem Geschäftsfreund im Boot auf den See hinaus gerudert. Der andere konnte nicht schwimmen, das Boot schaukelte, der Geschäftsfreund fiel ins Wasser und ertrank. Er habe ihm nicht mehr helfen können, sei an Land gerudert, um Hilfe zu holen, verirrte sich, kam in dieses Haus, das leer war, doch er fand einen gedeckten Tisch und griff sich etwas davon, ausgehungert war er...
Da unterbricht der Mann seine Erzählung mit einem Aufschrei - in seinem Zimmer hält die Hand eines der Titelbild-Untoten seine Uhr an. Nur kurz, um dem Erzähler einen Denkzettel zu verpassen.
Dorian glaubt, diese Warnung zu erkennen, als er auf dem Zimmer nachsieht, findet er niemanden, das Fenster ist offen, eine große Wasserpfütze unter der Uhr, Schlingpflanzen. Er kehrt zu den anderen zurück, sagt dem Erzähler ins Gesicht, daß er nicht die volle Wahrheit gesagt hat. Jetzt gesteht dieser in Todes­angst, daß er untätig zugesehen hat, als der Geschäftsfreund ertrank, weil er zu feige war, ihm zu helfen.
Alle sind sich einig, daß dieser Feigling mit Taffy gemeint sein muß. Nur Dorian hat Courage genug, seine Geschichte zu erzählen und zuzugeben, daß auch er der Taffy sein könnte, denn er hat damals gestohlen.
Das löst den anderen die Zunge: Es stellt sich heraus, daß jeder der Taffy sein könnte. Aber wer von ihnen ist wirklich gemeint?
Stille. In diese hinein ertönt das Ticken unzähliger Uhren. Als Dorian ins Uhrenzimmer kommt, stellt er fest, daß etliche der Uhren laufen, obwohl sie zuvor stillgestanden haben. Und da hängt auch die Uhr jenes Mannes, der sie zertrümmert hat und sich damit tötete - sie ist zusammengesetzt und geht. Was hat das zu bedeuten?
Dorian hat eine Ahnung. Er durchsucht das Haus. Jemand muß die Uhren in Gang gesetzt haben. Ein Beherzter schließt sich Dorian an. Sie steigen in den Keller hinab. Irene will sie daran hindern, ihre Tante darf nicht gestört werden. Dorian will es aber wissen, bahnt sich seinen Weg - und findet Mother Goose in einer Art Uhrmacherwerkstatt. Hier liegen Berge von Uhren, Uhrwerke, alle ausrangiert. Mother Goose, blind, bis auf die Knochen abgemagert, sitzt an einem Tisch und bastelt aus den Einzelteilen neue, phan­tasievolle und oftmals bizarre Uhren.
Ah, sagt sie, hast du deine Schuld eingestanden, Taffy. Dein Mut ehrt dich. Damit rettest du die anderen...
Dorian und sein Begleiter sehen einander an. Jeder hält den anderen für den Schuldigen, weil er sein eigenes Vergehen als nicht so arg empfindet. Dorians Begleiter rennt schreiend davon, Dorian Hunter sei der Taffy, man müsse seine Lebensuhr anhalten, damit er seine gerechte Strafe erhält. Mother Goose kichert, man habe sich also noch nicht geeinigt, nun dann müsse ein Exempel statuiert werden... Dorian eilt dem anderen nach, doch bevor dieser Dorians Uhr erreicht, bricht er selbst tot zusammen. Dorian eilt in dessen Zimmer, sieht dort einen der Untoten vom Titelbild, wie er gerade den Raum durch das Fenster wieder verlassen will. Der Dämonenkiller köpft ihn - im Uhrenzimmer bleibt eine Uhr stehen. Aber inzwischen sind alle anderen angelaufen.
Dorian mobilisiert die anderen. Sie sollen sich bewaffnen, trägt ihnen auf, falls eine Schauergestalt auftaucht, diese zu köpfen. Nur so könne man Untote vernichten. Unterschiedliche Reaktion, dieser oder jener weigert sich, Gewalt anzuwenden.
Aber diese Einstellung ändert sich schnell, als man ent­deckt, daß sich vom See her, das Heer der Untoten dem Haus nähert. Im Haus ticken die Uhren wie verrückt, schlagen alle gleichzeitig die volle zwölfte Stunde. Dorians Erinnerung an seine Jugender­lebnisse flackert fast schmerzhaft auf. Er meint das schrille Lachen von Mother Goose zu hören... Und die Untoten aus dem See nähern sich unaufhaltsam, und die beiden toten Gäste des Kuckuckshauses schließen sich ihnen an...
Dorian erkennt unter den Untoten auch Irene, jenes Mädchen, das seine Jugendliebe war - es ist die Narbenfrau vom Titelbild. Und auf einmal stellt er die verblüffende Ähnlichkeit zu dem fünfzehnjährigen Mädchen fest, das mit Mother Goose zusammenlebt und auch Irene heißt. Er muß sich fragen: Hat sein Liebeserlebnis von damals vielleicht folgen gehabt? Ist dieses Mädchen seine Tochter, ohne davon gewußt zu haben? Es paßt alles zusammen. Und mit Taffy könnte tatsächlich er, Dorian, gemeint sein. Es trifft alles auf ihn zu, und er hätte tatsächlich große Schuld auf sich geladen, natürlich ungewollt, wenn er Irene mit ihrem Kind in Stich gelassen hat, und Taffy könnte die Verballhornung von "Vati" sein...
Obwohl einige Köpfe von Untoten rollen, kann nicht verhindert werden, daß sie ins Haus eindringen. Sie drängen ihre Opfer immer weiter zurück, bis es für sie keinen Ausweg mehr gibt.
Mother Goose taucht auf. Sie freut sich auf das zu erwartende Schauspiel, sie feuert die Untoten an: tötet die Welscher, sie sind alle Welscher, sie haben aus euch gemacht, was ihr seid, holt sie zu euch.
Die untote Irene nähert sich Dorian. Der DK hat keine Ausweich­möglichkeit. Er denkt: die Untote wird sich nun an ihm rächen, weil er sie mit dem Kind hat sitzen lassen. Und sie streckt die Arme aus, legt sie ihm auf die Schulter und drückt ihre eisigen Lippen gegen die seinen. Jetzt wird sie ihm das Leben aussagen... doch sie läßt ihn los. Das hat der DK noch nicht erlebt. Empfindet dieses untote Geschöpf etwa noch so etwas wie Liebe zu ihm? Das kann es doch nicht geben.
Die Untote wendet sich jetzt einem anderen Mann zu, der sagte, er sei Arzt und habe hier in der Gegend vor vielen Jahren auf der Durchreise eine Frau von ihrem Kind entbunden.
Jetzt stellt sich heraus, daß er Irene von ihrer Tochter entbunden hat. Er beteuert seine Unschuld, jammert, er könne nichts dafür, daß Irene bei der Geburt gestorben sei, er habe keinen Kunstfehler begangen, er habe alles in seiner Macht stehende getan, um sie zu retten... Also ist er der Taffy!
Als Irene ihm den Todeskuß geben will, fällt dem Arzt in seiner Todesangst etwas ein, dem er bis jetzt keine Beachtung geschenkt hat. Damals, während der Entbindung, gerade als das kleine Mädchen das Licht der Welt erblickte, hat Mother Goose eine Uhr angehalten und hat gesagt, dieser Augenblick müsse für immer festgehalten werden. Im selben Moment starb die Mutter. Also hat die alte Hexe ihre Lebensuhr angehalten.
Das ist ein ganz neuer Aspekt! Mother Goose fordert: Töte den Welscher! Aber gleichzeitig gesteht sie ein, daß sie Irene tatsäch­lich zu einer Untoten machte, weil sie ihrer nicht mehr bedurfte, weil sie das Kind selbst in ihrem Sinne erziehen wollte.
In ihrer Ekstase gibt die alte Hexe einiges von sich, was die Zusammenhänge erklärt. Ja, sie habe alle, wie sie hier sind zu Untoten gemacht. Sie brauche die Lebensuhr einer ihrer Sklaven nur anzuhalten, dann stirbt er - und wenn sie die Uhr wieder in Gang setzt, so wird der Tote von magischem Leben erfüllt.
Das hat sie auch mit den anderen vor. Wenn die Untoten sie nicht töten, dann wird sie ihre Lebensuhren anhalten.
Was geht in den Untoten vor, daß sie von ihren Opfern ablassen und sich nun der Hexe zuwenden? Mother Goose weicht ins Uhrenzimmer zurück. Sie schreit den Untoten zu, sie sollen nicht näherkommen, denn diese Uhren sind ihre Herzen. Sie brauche die Uhren nur anzu­halten, dann werden sie wieder zu dem, was sie eigentlich sind: Leichen.
Doch die Untoten hören nicht. Erkennen sie, die eigentlich keinen Verstand mehr besitzen, daß Mother Goose ihr eigentlicher Feind ist? Sehen sie sich endlich nach Ruhe, sind sie ihres Schat­tendaseins überdrüssig? Oder erkennen sie gar nicht, was für eine Bedeutung das Uhrenzimmer eigentlich für sie hat?
Das wird wohl nie ganz geklärt werden. Der DK kann nur vermuten. Jedenfalls stürmen die Untoten das Uhrenzimmer, wüten wie die Vandalen - und mit jeder Uhr, die sie zerstören, wird einer von ihnen leblos. Da ertönt ein schauriger Schrei der Hexe - die Untoten verhelfen ihr zum verdienten Schicksal, reißen sie, nach den Geräuschen zu schließen, förmlich in Stücke.
Damit ist der Spuk eigentlich vorbei. Mit dem Tod von Mother Goose haben die Untoten endlich die verdiente Ruhe gefunden.
Die Überlebenden wollen bis zum Morgengrauen in diesem Haus bleiben. Das Gewitter läßt ihnen keine andere Wahl.
Dorian zieht sich auf sein Zimmer zurück. Er hält versuchs­weise das Perpendikel der Pendeluhr an - nichts passiert. Mit dem Tod der Hexe ist auch die magische Verbindung zur Lebensuhr erloschen. Dorian wird die Uhr mit in die Jugendstilvilla nehmen und sie als Andenken an dieses Erlebnis in seine Sammlung aufnehmen.
Er legt sich angekleidet aufs Bett, will ein wenig zu schlafen versuchen. Löscht das Licht. Irgendwann geht die Tür auf, eine Gestalt schleicht sich herein. Dorian denkt im Halbschlummer an die beiden letzten Zeilen des Taffy-Reimes. Als die Gestalt näher­kommt, erkennt er das fünfzehnjährige Mädchen Irene. Sie kommt nicht, um ihm den Kopf abzuschneiden, sondern um sich für immer zu verabschieden. Dorian rührt sich nicht, oder er kann sich nicht rühren. Sie küßt ihn auf die Stirn, sagt, Leb wohl, Taffy! Und verschwindet für immer. Wohin? Dorian erfährt es nicht. Er weiß nicht einmal sicher, ob er ihr Vater ist oder nicht.
Das wird für immer ein Geheimnis bleiben.
Keine weiteren Aussagen machen

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Kommentare  

#1 Thomas Mühlbauer 2014-05-06 08:58
Ein sehr gelungener Abschluss des 80er-Blocks. Hubert Straßl hat schon alleine mit seinen eigenen Stilmitteln diesen unheimlichen Roman geschaffen, unabhängig von der Qualität des Exposés; Ernst Vlcek wurde in dieser Phase der Serie wohl von einer besonders diensteifrigen Muse geküsst. Und dass auf Dorians Tochter nie wieder eingegangen wurde, ist nur von Vorteil und hat dieses Mysterium vor seiner Ausbeutung bewahrt. Der Taffy-Reim, der tatsächlich aus Mother Goose stammt, wurde später auch noch von Fritz Leiber in seinem Roman Our Lady of Darkness/Herrin der Dunkelheit verwendet.

Der Termin für die Abgabe müsste allerdings der 28.01.1976 gewesen sein, denn das Heft erschien im Mai dieses Jahres.

Der "Original-Taffy" lautet:


Taffy was a Welshman, Taffy was a thief;
Taffy came to my house and stole a piece of beef;
I went to Taffy's house, Taffy wasn't in;
I jumped upon his Sunday hat and poked it with a pin.

Taffy was a Welshman, Taffy was a sham;
Taffy came to my house and stole a piece of lamb;
I went to Taffy's house, Taffy was away,
I stuffed his socks with sawdust and filled his shoes with clay.

Taffy was a Welshman, Taffy was a cheat,
Taffy came to my house, and stole a piece of meat;
I went to Taffy's house, Taffy was not there,
I hung his coat and trousers to roast before a fire.

Doch, an diesem Roman hat fast alles gepasst, vor allem das Haus mit den tickenden Uhren ist sehr unheimlich beschrieben. Und die Existenz von Dorians Lebensuhr verleiht diesem vermeintlichen Einzelroman auch einen dünnen roten Faden, der für die weitere Entwicklung der Serie wichtig ist.
#2 Andreas Decker 2014-05-06 10:05
Das ist auch heute noch ein überdurchschnittlicher Roman, der völlig auf den Autor zugeschnitten ist.

Es überrascht mich allerdings, wie genau Straßl die Vorlage umgesetzt hat. Er hat immer noch eine Menge eigener Ideen reingebracht, vor allem die Verstrickung von Dorians Internatslehrer fügt sich nahtlos in das Däki-Universum ein. Aber viele Wendungen hätte ich eigentlich eher ihm zugeschrieben und nicht dem Boss.

Die Story selbst ist eine gelungene Verarbeitung von Christies Ten Little Indians. Das funktioniert alles größtenteils wie ein Bühnenstück.

Ich frage mich, wer die endgültigen Titel gemacht hat. Ein weiter Weg von Das Haus der Uhren zu das Heer der Untoten :D
#3 Schnabel 2014-05-06 12:23
@Thmas: Du hast recht, sollte natürlich 1976 heißen, habe Tippfehler korrigiert.
zitiere Andreas Decker:

Ich frage mich, wer die endgültigen Titel gemacht hat. Ein weiter Weg von Das Haus der Uhren zu das Heer der Untoten :D

Ich sage nur DK-Redaktion-München (Frau Illfeld oder Herr Bernhardt)
Mir hat der einzige DK-Roman von Hubert Straßl auch sehr gut gefallen. Schade das er nicht mehr DK-Romane geschrieben hat...

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