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Lucius Cornelius Sulla – Der Cäsar vor Cäsar - 17. »Vaginam cape!« – Ein Epilog / Literatur

Lucius Cornelius Sulla – Der Cäsar vor Cäsar17. »Vaginam cape!« – Ein Epilog / Literatur

Sulla hatte sich als vom Glück beschenkt gesehen, als gesegnet von der Göttin Fortuna (und der Aphrodite). Wer aber glaubt, der Liebling der Götter zu sein, erliegt auch der Versuchung, seine eigenen Ansichten und Überzeugungen für göttliche Eingebungen zu halten, und damit selbst im Dienst einer höheren Macht zu stehen.

Zweifel oder gar Opposition gelten da sogleich als Blasphemie.


Lucius Cornelius Sulla Auch der andere Diktator, dem man nur einen einzigen Hoden nachsagt, hat sich für einen Diener der Vorsehung gehalten. Es verwundert da nicht, daß der blonde und blauäugige Sulla seit dem 19. Jahrhundert als Beispiel dafür herhalten mußte, was aus Rom hätte werden können, wäre es nur „reinrassig arisch“ geblieben.

Auf moderne Verhältnisse übertragen, ließe sich Sulla als konservativer Politiker verstehen, der eine allgemeine Unsicherheit ausgenutzt hat, und sich selbst als Vollstrecker des angeblichen Volkswillen ins höchste Staatsamt hat ernennen lassen. Dort hat er unter Beibehaltung der republikanischen Institutionen nach Gutdünken Gesetze erlassen, Reformen rückgängig gemacht und Leute verfolgt.

Würde ich jetzt Plutarch spielen, und einer historischen Persönlichkeit jeweils eine rezente gegenüberstellen, so gäbe es einige Kandidaten, die in Frage kämen. Nicht Kim Jong Un oder die verschiedenen arabischen und afrikanischen Gewaltherrscher, denen das eigene Volk mehr oder weniger egal ist. Ebensowenig Silvio Berlusconi, der in seinem hohen Amt mehr einen Selbstbedienungsladen gesehen hat. Nicht Mahmud Ahmadinedschad oder die Jihadisten, die Fremdenhaß und Selbstgefälligkeit verlogen hinter einem zur Galionsfigur versklavten Gott verbergen, denn ihre Reformfreudigkeit beschränkt sich auf die Restitution religiöser, als heimatverbunden empfundener Dogmen. Auch Wladimir Putin mit seiner teilweise zoophil- erotischen Selbstdarstellung paßt nur bedingt ins Schema: Minderwertigkeitskomplexe hatte Sulla nicht. Selbst die sozialistischen Presidentes von Kuba und Venezuela kommen trotz mancher Parallelen nicht in Betracht, denn von ihrer politischen Ausrichtung her entsprechen sie eher den Cinnanern und Marianern. Ein Viktor Orbán oder ein Jarosław Aleksander Kaczyński jedoch kämen mit Abstrichen schon in Frage. Ebenso der philippinische Präsident Rodrigo Duterte mit seinen rigiden Maßnahmen gegen Dealer, Straßenkinder und Drogenabhängige. Sehr gut geeignet ist Recep Tayyip Erdoğan, für den Leute mit anderer Meinung pauschal Terroristen oder Nazis sind, der nicht zwischen Selbstgerechtigkeit und Landesinteressen trennt, und für den Verhältnismäßigkeit ein Fremdwort ist. Doch die Türkei nimmt in der Gegenwart nicht die Rolle ein, die Rom im ersten vorchristlichen Jahrhundert gehabt hat. Wohl aber die Vereinigten Staaten von Amerika! Und die wird zu dem Zeitpunkt, an dem dieser Aufsatz entstanden ist, regiert von Präsident Donald Trump.

Auch ein Herr Trump hat eine Vergangenheit, die sowohl privilegiert, als auch schillernd ist. Sprößling eines erfolgreichen Bauunternehmers, hat er über eine Million Dollar Startkapital verfügt, um seine eigene Karriere in die Wege zu leiten. Wo Sulla sich mit Schauspielern und Prostituierten umgab, heiratete Trump Mannequins, die er dann wiederum mit ihrer Nachfolgerin betrog. Wo Sulla ein derb humoriges Theaterstück schrieb, hatte Trump eine eigene Fernsehshow. Wo Sulla als Heerführer lernte, große Menschenmassen zu lenken, tat Trump es als Chef eines Firmenimperiums. Wo Sulla durch Geschichtsklitterung das Andenken des Marius zu diskreditieren suchte, da hat auch ein Trump seine Probleme mit der Presse, bedient sich „alternativer Fakten“ und schmäht seinen Vorgänger als „schlechtesten Präsidenten aller Zeiten“. Und was dem Sulla der eine Hoden gewesen sein mag, sind für Trump vielleicht seine kleinen Hände. Beide kommen gern charismatisch daher, insbesondere wenn es darum geht, andere für sich einzunehmen. Beide geben vor, im Interesse des Volkes zu handeln, und meinen doch nur ihre Parteigänger. Beide halten sich aufgrund ihrer Herkunft und ihres Erfolgs für höherwertig. Beide sind berüchtigt für ihre Temperamentsausbrüche. Beide sind auch nicht dafür bekannt, Spott auf ihre Kosten gut wegzustecken. Ja, sogar die Zahl ihrer Ehefrauen ist miteinander vergleichbar! Und wo der eine gerne Orgien besucht hat, da hat der andere mit seinem „you can grab her by the pussy“ zumindest ähnliche Neigungen zu sexuellen Ausschweifungen offenbart.

Eine weitere Gemeinsamkeit ist, daß die Regierung, die sie ablösen, ein Extrem dargestellt hat, dessen Gegenteil sie repräsentierten. Nun ist Barack Obama ganz gewiß kein Gaius Marius gewesen, aber beide standen für eine Politik, die dem einfachen Manne zugute kam, aber die auch polarisierte. Sulla wie Trump sahen sich als Wiederhersteller einer natürlichen Ordnung – Mit anderen Worten: Sie waren unbelehrbar selbstgerecht!

Parallelen lassen sich gleichfalls erkennen bei Trumps Neigung, ein Dekret nach dem anderen zu unterzeichnen, mit dem Anspruch, daß die eigene Meinung die einzig richtige sei, und jeder vernunftbegabte Mensch das einsehen müsse. Die Art und Weise, wie er mit Mexikanern und Leuten muslimischen Glaubens umspringt, erinnert in mancherlei Hinsicht mehr an die der Antike, als an diejenigen, die wir aus der Moderne gewohnt sind. Kontrahenten – und sei es die Kontrollinstanz der Gerichte – werden als Staatsfeinde betrachtet, die angeblich notwendige Entscheidungen blockieren oder verzögern. Der Haß auf Errungenschaften des politischen Gegners ist so groß, daß gleich in der ersten Nacht der Amtseinführung Schritte zur Abschaffung der allgemeinen Krankenversicherung eingeleitet wurden, ohne daß eine Alternative zur Verfügung stand. Aber nicht nur die Gesundheit seiner Bürger setzte er aufs Spiel, sondern gleich auch noch das Leben der gesamten Weltbevölkerung: Durch die finanziellen Einschnitte in der Klimaforschung, der Bevorzugung wirtschaftlicher gegenüber ökologischer Interessen (North Dakota Pipeline) und die allgemeine Leugnung wissenschaftlicher Erkenntnisse zur globalen Erwärmung, stellte er seine eigene Selbstgerechtigkeit über die Gefahren für den Planeten Erde. „America first!“ – Er war nicht der Erste, der dieses Credo vor sich her trug, aber vielleicht der Unbelehrbarste. Dabei hätte schon George W. Bush aus Katastrophen wie Kathrina oder Sandy (Letztere freilich in der Ägide Obamas) die Lehre ziehen können, daß sich „America first“ auch auf die Regionen beziehen könnte, in denen sich der klimatische Wandel als erstes auswirkt. Doch solange Herr Trump solche meßbaren Veränderungen mit „It‘s called weather“ abtut, ist kaum Besserung zu erwarten, und „America first“ könnte irgendwann einmal dieselbe Bedeutung haben wie „Atlantis first“. Aber vielleicht wird die Familie Trump noch ein bißchen reicher sein, wenn sie mit dem Rest der Menschheit untergeht. Und der Herr Präsident wird gewiß noch ein paar Demokraten, Moslems oder Mexikaner finden, denen er die Schuld für den Kataklysmus geben kann… auch wenn ihn das keine Sekunde länger leben lassen wird.

Aber hier sind wir bereits bei der Psychologie, und daß Trumps hemdsärmelige, kurzentschlossene Art dem Wesen vieler seiner Wähler entgegenkommt. Ein einfacher Verstand bevorzugt die Lösung, die er versteht. Kompliziertere Zusammenhänge und längerfristige Auswirkungen sind ihm ein Greuel: Für ihn stimmt nur, was er mit seinen Sinnen auch unmittelbar erfahren kann. Also sind Ozonloch oder globale Erwärmung Spinnerei, und das Öl im Tank und das Geld im Beutel Realität. Also sind Weltfrieden und ökologisches Gleichgewicht, Kunst und Wissenschaft Unfug, den sich Verlierer ausdenken, und nichts ist so erstrebenswert wie ein leckeres Barbecue mit Freunden, oder mit möglichst vielen, möglichst attraktiven Partnern protzen zu können. Und da ein einfacher Verstand die Bequemlichkeit der Individualität vorzieht, wird er sich auch immer für „normal“ halten, für einen Teil der „schweigenden Mehrheit“… sollte man ihm zu beweisen suchen, daß er in Wirklichkeit einer Minderheit angehört, so ist man eben ein „Spinner“ und „Verlierer“, dem man aufs Maul hauen muß, damit er die „alternativen Fakten“ akzeptiert. Wer mir nicht glauben mag, dem rate ich, mit einem fanatischen AfD- Sympathisanten zu debattieren.

Bei solchen Grundvoraussetzungen ist es kaum verwunderlich, daß so viele US- amerikanische Wähler in dem Multimilliardär Donald Trump einen der Ihren gesehen haben. Wenn ihnen eine Zaunlatte bricht, ersetzen sie sie mit einem neuen Brett. Wenn ihnen ein Ast in die Einfahrt fällt, dann räumen sie ihn weg. Das ist die Art von Problemlösung, die sie erlernt haben, und das erwarten sie auch von ihrem Anführer.

Vor diesem Hintergrund ist es einfach, aber auch gedankenlos arrogant, auf Lucius Cornelius Sulla Felix zu schauen, sich vielleicht gar ein bißchen zu gruseln, aber sich stets damit herauszureden, daß wir es hier mit einem blutrünstigen Volk von Gladiatoren und Christenverbrennern in einer längst überwundenen Vergangenheit zu tun haben, und wir ja inzwischen besser, zivilisierter sind. Mögen wir auch inzwischen weitgehend davon abgekommen sein, Meinungsdifferenzen mit gegeneinander kämpfenden Legionen auszutragen, so haben sich die politischen Mechanismen nicht groß verändert, wie sich die Sullas der Weltgeschichte ihre Unterstützung und Anhängerschaft sichern. Gerade die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, daß man ein Volk sogar dazu bringen kann, gegen die eigenen demokratischen Interessen abzustimmen, wenn man ihm nur Glauben macht, was es glauben will, nämlich daß es damit eine patriotische Tat vollbringt. Aber selbst wenn Recep Tayyip Erdoğan der Heilsbringer wäre, der er nicht ist, so gibt es keine Garantie dafür, daß ihm nicht jemand im Amt nachfolgt, der die erweiterten Befugnisse zum Schaden des Landes mißbraucht. Populisten haben stets das Hier und Jetzt im Auge. Was sie so gefährlich macht, ist das fehlende Bewußtsein für die Konsequenzen ihrer Handlungen. Wenn wir nicht bereit sind zu lernen – auch aus Ereignissen, die inzwischen Jahrtausende zurückliegen – so ist es nur zu wahrscheinlich, daß wir uns bald schon unter einem neuen Sulla wiederfinden.

18.    Literatur

  • Bandelow, Borwin und Powelz, Mike: Herrscher im Psycho- Check. In: Hörzu Wissen Nr. 2/ April/ Mai 2017 (S. 44 ff). Funke Programmzeitschriften GmbH. Hamburg, 2017.
  • Christ, Karl: Sulla (eine römische Karriere). Verlag C. H. Beck oHG. München, 2002.
  • Diedrich, Holger: Wie wäre die Welt ohne…? In: Wunderwelt Wissen Nr. 11/ November 2016 (S. 28 ff). Gruner + Jahr GmbH & CO KG Verlagsgruppe. Hamburg, 2016.
  • Fischer- Fabian, S.: Die ersten Deutschen (Über das rätselhafte Volk der Germanen). Tosa Verlag. Wien, 2003.
  • Fündling, Jörg: Sulla. Reihe GESTALTEN DER ANTIKE. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt, 2010.
  • Schuller, Wolfgang: Die Wiederherstellung der Republik: Der Bundesgenossenkrieg und die Diktatur Sullas. In: DIE ZEIT Welt- und Kulturgeschichte, Band 05: Spätantike und Völkerwanderungszeit (S. 12 ff). Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co KG. Hamburg, 2006.

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