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Lucius Cornelius Sulla – Der Cäsar vor Cäsar - 4. Sulla und Marius im Norden

Lucius Cornelius Sulla – Der Cäsar vor Cäsar4. Sulla und Marius im Norden

Unterdessen gab es jedoch Ärger von ganz anderer Seite. Schon die Kampagne in Numidien war eine Auseinandersetzung gewesen, die adelige Konsuln begonnen hatten, aber die ein Popular beenden mußte. 

Aber dazu waren vor acht Jahren im Norden die Kimbern und Teutonen aufgetaucht, furchterregend groß gewachsene Gestalten mit blondem Haar und einem unerträglich stechenden Blick aus blaßblauen Augen.


Lucius Cornelius Sulla Sowohl 113, als auch 109 holten sich blaublütige Konsuln im Kampf gegen sie blutige Nasen. Ein weiterer fiel im Kampf gegen die Tiguriner, einem der Keltenstämme, welche sich den anfangs eher wenigen Germanen auf ihrem Weg angeschlossen hatten.

Wenn man bedenkt, wie klein, dicht bewaldet und dünn besiedelt das Himmerland und die dänische Nordseeküste gewesen sind, und daß nur ein Teil der dort ansässigen Bevölkerung vor der Klimaverschlechterung nach Süden geflüchtet ist, so ist es schon gestattet, sich zu wundern, wo denn diese große Menschenmassen hergekommen sind, die plötzlich im Noricum aufgetaucht sind. Aber die verschlechterten Lebensbedingungen bekamen auch andere Völker zu spüren, und wo die Ernte vielleicht noch mit Mühe und Not für sie selbst gereicht hatte, da war nichts mehr da, als plötzlich Leute aus dem Norden vor der Tür standen. Also ist man gleich mitgezogen – einer der ersten Stämme, die das taten, waren die Ambronen von Amrum, und da der Haufen damals noch so klein war, blieb auch ihr Name erhalten. Spätere „Mitläufer“ wurden dann einfach aufgesogen. Wie viele Kelten darunter waren, zeigt sich schon an den Bezeichnungen. Wer jemals Asterix gelesen hat, dem wird der Göttername Teutates vertraut verkommen – Er bedeutet soviel wie „Stammesgott, Volksgott“. Damit ist „Teutonen“ im Grunde genommen eine keltische Vokabel, und bedeutete soviel wie „Volk“ (Der Wortstamm hat sich übrigens auch im Theodescu als „Volkssprache“ im ostfränkischen Reich erhalten, woraus sich dann die Bezeichnung „Deutsch“ entwickelte). Und der König der Kimbern hieß „Boiorix“, was sich übersetzen läßt als „König der Boier“ – Die Boier aber waren ein Keltenstamm, der den Römern bereits während des zweiten Punischen Krieges Probleme bereitet hatte.

Also nimmt es nicht Wunder, daß man die Eindringlinge aus dem hohen Norden für Kelten hielt, und eine zweite Gallierkatastrophe befürchtete (Im Jahre 387 v. Chr. war Rom schon einmal von Kelten geplündert worden). Erst recht, als am im Jahre 105 gleich drei Feldherrn auszogen, die Barbaren zu besiegen: ein Konsul, ein Konsular und ein Prokonsul. Keiner der hochwohlgeborenen Patrizier war bereit gewesen, sich seinen Kollegen unterzuordnen, und ihm so den Ruhm des Sieges zu schenken. Das Ergebnis war, daß sie alle bei Arausio vernichtend geschlagen wurden, und zwei Drittel ihrer Soldaten nicht mehr nach Hause zurückkehrten. Damit lag Italien ungeschützt da.

In diese allgemeine Panik platzte die Nachricht von dem Sieg über Iugurtha. Schon erhielt Marius den Auftrag, die neue Bedrohung in einem „Kampf ums Leben, nicht um den Ruhm“ abzuwehren. Ja, er wurde sogar in Abwesenheit zum Konsul für das Jahr 104 v. Chr. gewählt: Angesichts des Notstands war es undenkbar, daß sich die Optimaten im Senat mit Formalitäten dagegen gestellt hätten! Es gab noch mal schnell einen Triumphzug am Neujahrstag 104 v. Chr., dann fing der Geehrte auch schon an, neue Truppen auszuheben – wieder mal mit Freiwilligen, die ihren Sold auf Staatskosten erhielten, an Stelle von Wehrpflichtigen. Diese neue Zusammensetzung der Armee mit einem hohen Anteil an Berufssoldaten führte zur sogenannten „marianischen Heeresreform“. Zu diesen Maßnahmen gehörte eine Steigerung des Drills, aber auch eine Reduktion des Trosses, so daß das Heer als Ganzes beweglicher wurde. Der Nachteil war, daß die einfachen Soldaten größere Lasten zu tragen hatten (muli Mariani = Mulis des Marius). Der Kriegsheld war sich aber auch nicht zu schade, sich persönlich um die Verbesserung der Wurflanze zu kümmern, oder auch sich bei der Gefechtsausbildung von der Schulung der Gladiatoren inspirieren zu lassen. Dies führte letztendlich zu vielen schlagkräftigen und unabhängig voneinander agierenden Kohorten an Stelle einer großen, aber relativ schwerfälligen Legion. Ja, er ließ sogar zwischen Arles und Fos einen Kanal erbauen, die Fossa Mariana, um die Versorgung seiner Truppen auf dem Seewege sicherzustellen.

Die Invasoren indes schienen sich nicht groß um die Furcht zu scheren, die man vor ihnen hatte: Die Kimbern zog es ins sonnige Iberien, während den Teutonen Gallien mehr zu gefallen schien. So waren die ersten Militäraktionen auch keine großen Schlachten, sondern eher kleine, gezielte Operationen (wie die Entführung des Tektosagenhäuptlings Copillus) oder diplomatische Verhandlungen (etwa mit den Marsern), um den Eindringlingen die keltischen Verbündeten abspenstig zu machen. Legendär ist Marius’ Maßnahme, seine Legionäre von einer Anhöhe auf die vorbeiziehenden Germanen herabschauen zu lassen, damit sie sich nicht mehr von ihrer Körpergröße einschüchtern lassen. Aber er fand auch noch Zeit genug, sich gleich zweimal als Konsul wiederwählen zu lassen, während der Volkstribun Appuleius Saturninus im Jahre 103 v. Chr. einen ständigen Gerichtshof einführte, der nicht mit Senatoren, sondern mit Rittern besetzt wurde. Auch gab es eine Landreform, um den ersten Veteranen aus Marius‘ Heer ein paar Güter in den neu eroberten Gebieten in Afrika zukommen zu lassen.

Sulla weilte bislang an der Seite des Feldherren, und war dadurch auch mit den strukturellen Veränderungen beim Militär vertraut. An der Wende 103/ 102 v.Chr. übte er allerdings nicht das Amt eines Legaten, sondern das eines Militärtribuns aus, und später einmal sollte er behaupten, daß sich seine Karriere damit in der Sackgasse befunden hätte. Also verschlug es ihn an die Seite des anderen Konsuls. Das aber war zu der Zeit ein erzreaktionärer, aber gleichfalls den schönen Künsten zugetaner Optimat namens Quintus Lutatius Catulus. Der jedoch wurde bei Trient von den zurückgekehrten Kimbern geschlagen. Er selbst – und sehr wahrscheinlich auch Sulla – konnte sich mit einem Großteil des Heeres an die Gestade des Po retten, opferte dafür allerdings seine Vorhut. Freilich verstand es sein Umfeld, diese eindeutige Niederlage als heroischen Ausbruch darzustellen, und die Schuld einem der Tribune zuzuschustern.

Zur selben Zeit aber siegte Marius bei Aquae Sextiae (Aix- en- Provence) über die Teutonen, und sein „Mann in Rom“, Appuleius Saturninus, sorgte dafür, daß er auch zum fünften Mal zum Konsul ernannt wurde. Der Feldherr vereinte die übrig gebliebenen Truppen des Catulus mit seinen, und vernichtete am 30. Juli 101 bei Vercellae auch die Kimbern.

Sulla freilich, der unter Catulus‘ Oberkommando ein paar Kohorten befehligte, stellte den Verlauf der Schlacht später so dar, als wäre dieser Erfolg vor allem das Verdienst seines persönlichen Vorgesetzten. Dabei störten ihn auch logische Fehler nicht, etwa daß die von Marius geführten Flügel die angeblich kilometerbreite Front der Feinde verfehlten, und somit Catulus‘ Truppen im Zentrum die Hauptlast zu tragen gehabt hätten.

Dementsprechend kam es auch zum Streit, wem der Verdienst für diesen Sieg zuzubilligen sei. Man entschloß sich, ein paar Anwohner als Schiedsrichter zu bestimmen. Sie begutachteten das Schlachtfeld und entschieden sich für Marius – und schon protestierte die Gegenseite und behauptete, mehr Speere abgeworfen und Feldzeichen ergattert zu haben.

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